Google’s Internet-Institut in Berlin

Gesellschaften für’s Internet gibt es inflationär. Eine wurde im Februar von Google angekündigt, die in Berlin physisch ansässig sein soll. Jetzt gibt es eine Website dazu:

http://www.internetundgesellschaft.de

Dort steht noch nicht viel, es ist erklärtermaßen eine „(Beta) Webseite“, die über den vorläufigen Stand der Dinge informiert:

Wie von Eric Schmidt am 16.2.2011 angekündigt, bereiten wir die Gründung eines Forschungsinstituts vor, das sich mit Fragen zu (1) Innovation und Online-Ökonomie, (2) Internet Governance & Policy sowie mit (3) rechtlichen Aspekten rund um Internet und Gesellschaft beschäftigt.

(Ich persönlich finde die Vokabel ‚Webseite‘ ungefähr so angemessen wie manche den Artikel ‚der‘ im Kontext von Blogs, aber das ist selbstverständlich Geschmackssache, und hier nebensächlich.)

Themen können schon jetzt ganz offen vorgeschlagen und diskutiert werden. Steht im Text, im Formular hingegen geht es nur um ‚Fragen‘, was ja was anderes ist. Das Ganze ist noch ziemlich provisorisch und suggeriert damit, dass wir der weiteren Entwicklung am lebenden Objekt werden zugucken können. Die FAQ und das Mission Statement sind noch Englisch. Google lädt über ein weiteres Formular dazu ein, Informations- & Kooperationsanfragen einzureichen – vorgesehene ‚Akteursgruppen‘ umfassen ‚Wissenschaftler‘,  ‚Unternehmer / Unternehmensvertreter‘, ‚Politik & Öffentliche Verwaltung‘ und ‚Privat (Blogger, etc.)‘. Ob das unter den Digital Natives so gut ankommt, bleibt abzuwarten.

Die Website wird von einer PR-Agentur betrieben – das hätte ich von Google bei so einem Projekt nicht erwartet, aber ich gebe zu, dass ich mich in diesen Sphären nicht gut auskenne. Warum machen die das nicht selber? So hochkomplex ist sie ja bisher nicht.

Google möchte das Institut an der Humboldt-Universität ansiedeln und zwar finanzieren, aber nicht Google-Institut nennen, denn:

We believe that the institute should be independent and pursue an academic mission that is in the public interest.

Ich auch, aber meine Skepsis gegenüber von Unternehmen finanzierter Forschung ist vorhanden.

 

The Berliner Frau

Es war einmal .. Anfang März, vor Libyen, dem Tsunami und explodierenden Atomkraftwerken in Japan, noch vor Ägypten. aber noch in diesem Monat: der 8. März. Der 100. Frauen(kampf)tag, und mit ihm ein kurzes Aufflackern vieler Artikelchen zur Situation von Frauen, vor allem welche zur Quote für Manager.

Der 8. März ist dem Muttertag insofern nicht unähnlich, als mir dazu ein Satz einfällt, den meine Mutter früher immer sagte, wenn ich in der Schule Muttertagsbastelkram zu machen hatte: Ich brauche keinen extra Muttertag, sondern jeden Tag ein bisschen mehr Anerkennung. Gilt auch für den ‚Frauentag‘. (Nicht die Anerkennung, sondern die gleichmäßige Verteilung über’s Jahr).

Nichtsdestotrotz (und im direkten Widerspruch zu mir selbst) weise ich auf die März-Ausgabe des Exberliners hin, dessen Redaktion sich zum 8. März besonders Mühe und eine eigene ‚Frauentags-Ausgabe‚ gemacht hat, ist ja nicht direkt die Regel. Manchmal wirken Chefredakteurinnen Wunder.

Der Exberliner fand übrigens schonmal Erwähnung, weil es letztes Jahr ein gelungene Ausgabe zur Berliner Polizei gab.

Jetzt gibt es neben den üblichen Einkaufs- und Ausgehtips das „The Berliner Frau special“ mit

  • Berlin’s top chicks Powerfrauen, headliners, movers and shakers
  • Lonely at the top Boardroom sexism and the quota debate
  • When men lose control Domestic violence in Berlin
  • Blitz quiz What kind of Berliner Frau are you?
  • Rubblewomen The heroic WWII clean-up crew

Dazu noch jede Menge kleinere Meldungen wie z.B. „Long live Frauentag„, spürbar mehr als üblich Interviews mit oder Bilder von Frauen.

Mir kommt die zweifelhafte Ehre zu, auch zu ‚Berlin’s top chicks‘ ernannt worden zu sein in der Kategorie ‚Movers and shakers‘, gemeinsam mit Cindy aus Marzahn, Bascha Mika, Sineb El Masrar, Mona Rübsamen und Sarah Wiener, was eine wirklich enorm ehrenwerte Gesellschaft ist.

Freut mich natürlich, danke dafür!

Allerdings „chick“ (wörtlich Huhn, gemeint Mädel) , najaa. Aber wenn’s hilft, das Heft zu verkaufen…

Franziska Heine und Anti-Atominis starten ePetition: Abschalten!

Wenn sich Menschen Mühe geben, schöne Presseerklärungen zu verfassen, können wir das ruhig wertschätzen und sie lassen, wie sie sind, statt ein bisschen dran rumzuschreiben und so zu tun, als hätten wir das alles selbst herausgefunden. Here we go:

Anti-Atom-Initiativen starten gemeinsam mit Franziska Heine ePetition zur Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke

Am Montagabend haben über 100.000 Menschen bundesweit in über 400 Städten an Anti-Atom-Mahnwachen teilgenommen. Dieses deutliche Signal der Bevölkerung wollen die südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen gemeinsam mit Franziska Heine in die parlamentarische Debatte tragen. Zu diesem Zweck wurde eine ePetition mit der Forderung nach sofortiger Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke beim Deutschen Bundestag eingereicht. Daran angeschlossen ist die Forderung nach einem internationalen Umstieg auf dezentrale, regenerative Energieversorgung.

Franziska Heine: „Wir haben es satt, zuzusehen, wie die Bundesregierung immer wieder die Interessen der Atomindustrie vertritt und die große Mehrheit der Bevölkerung ignoriert. Heute geht es mir nicht um den Schutz unserer demokratischen Rechte im Netz, sondern um die Sicherung unserer Lebensgrundlagen. Nicht virtuell, sondern ganz real.“

Aber auch die Äußerungen der Oppositionsparteien SPD & Grünen sind zynisch. Benni Bärmann führt dazu aus: „Jetzt behaupten sie, die deutschen Atommeiler seien nicht sicher, aber als sie in ihrer Regierungszeit die Gelegenheit hatten, sie abzuschalten, haben sie sich stattdessen auf einen Kompromiss eingelassen, der jahrzehntelange Laufzeiten garantiert und dennoch nicht mal einen Regierungswechsel überstanden hat.“

Die nukleare Katastrophe, die in Japan im Gange ist, hat gezeigt, dass kein noch so hochtechnisiertes Land absolute Garantien für das Funktionieren von Technik leisten kann.
Die südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen wollen und können es nicht darauf beruhen lassen, dass nun ein dreimonatiges „Aussetzen“ der Laufzeitverlängerung verkündet wird und die Bevölkerung mit „Sicherheitsüberprüfungen“ beruhigt werden soll.

Holger Hildebrand von den südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen erklärt dazu:
„Ein  Restrisiko, das den massenhaften Tod von Menschen, die Verstrahlung und Vertreibung von Hunderttausenden bedeuten kann – ein solches Restrisiko ist nicht tragbar. Wie in Japan zu sehen ist, kann der von den Konstrukteuren eines AKW angenommene ‚größte anzunehmender Unfall‘ übertroffen werden von Ereignissen, die eben nicht angenommen wurden. Nur dieser ‚GAU‘ wurde aber als kalkulierbares Risiko betrachtet.“

Für das Bündnis „Sofort Abschalten!“ kann es daher nur einen Weg geben – die sofortige und konsequente Abschaltung der in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke. Die längst überfällige Abschaltung der 7 schrottreifen Reaktoren kann in ihrer zeitlichen Begrenzung nur als wahlkampftaktische Augenwischerei verstanden werden. So billig wird die Bundesregierung diesmal jedoch nicht davon kommen.

Pressekontakt:
Mail: presse@sofort-abschalten.de
ab heute 18:00Uhr:        0175 / 28 88 422
ab dem 21.03.2011:        0700-ABSCHALTEN

Über das Bündnis „Sofort Abschalten!“:
Ist ein Zusammenschluss verschiedener Anti-Atom-Initiativen und Privatpersonen. Das Bündnis arbeitet überparteilich und kämpft für den sofortigen Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie sowie einen weltweiten Umstieg auf regenerative Energien.
http://sofort-abschalten.de

Über die SüdWestdeutschen Anti-Atomkraft-Initiativen:
Die südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen sind ein seit über 15 Jahren bestehender Zusammenschluss parteiunabhängiger Gruppen der Anti-Atom-Bewegung aus Südwestdeutschland: http://atomausstieg-sofort.de

Über Franziska Heine:
Franziska Heine hat im Jahr 2009 eine der bisher erfolgreichsten Petitionen an den Deutschen Bundestag initiiert. Mehr als 134.000 Menschen haben die Petition „Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ mitgezeichnet. Die Initiative war so erfolgreich, dass die Umsetzung des Zugangserschwerungsgesetzes von der neugewählten Bundesregierung ausgesetzt wurde.

Über Benni Bärmann:
Benni Bärmann ist Systemadministrator und Netzaktivist. Er schreibt für das Blog http://keimform.de u. a. über die Bereiche Gemeingüter, Soziale Netzwerke, freie Software und Gender-Themen.
http://bennibaermann.de

Über Holger Hildebrand:
Holger Hildebrand ist seit 20 Jahren immer wieder in der Anti-Atomkraft-Bewegung aktiv und wurde im März 2005 im Team für die Tschernobyldokumentationsklangcollage (http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=6691) mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet.

(15. März 2011)

Update: Ihr könnt euch ab sofort Unterschriftenlisten herunterladen und die Petition mitzeichnen! Druckt die Vorlage aus und helft uns, die 50.000 benötigten Unterschriften zu sammeln, noch bevor der Petitionsausschuss die Petition online freigeschaltet hat!

Lieber Afrikaner

Bei Extra 3 gab es gerade den neuen Film von Alexander Lehmann über afrikanische Flüchtlinge, Frontex und die ‚Festung Europa‘:

http://www.youtube.com/watch?v=V1eZ8Ilgbfs

Europa. Freiheit, Frieden und Solidarität.

Seit vielen Jahren verbreiten wir Europäer Freiheit, Frieden, Wohlstand und Freude in Afrika. Höchste Zeit, dass dies den Afrikanern mal in einem verständlichen Image Film erklärt wird.

Idea, script, Animation: http://www.alexanderlehmann.net
Voice, recording: http://www.ewsiemon.de
Music: Ludwig van Beethoven
(eingespielt von der US Navy Band, gemeinfrei)

Mehr Infos / Belege:

„Festung Europa: Krieg gegen Flüchtlinge“ Fernsehbeitrag vom SWR:
(Alternativer Link (kurze Version) )
Zeit.de „Willkommen in Europa“:
Zeit.de „Kinderknast von Lesbos“

Der Computer

Über die Schmerzen einer Mutter beim Betrachten der Arbeitsmaterialien eines Drittklässlers im Jahr 2011.

Und ich freue mich schon auf die nächsten Schwafeleien über die Bedeutung von Bildung in einer der nach eigener Definition weitentwickeltsten Industrienationen.

 

Ada-Initiative – Umfrage zur Rolle von Frauen in Open Communities

Die neugegründete Ada-Initiative will die Situation von Frauen in der ‚Open-Community‘ untersuchen, also die aktive Beteiligung von Frauen an Open Source-Technologien wie auch den Initiativen, die sich vielleicht am besten als Open Culture, also Offene Kultur beschreiben lassen: Open Government, Open Data, Creative Commons, Barcamps, Netzpolitik, Maker Community, Hacker Spaces, Coworking, … .

Um den Stand der Dinge zu klären, gibt es seit Mittwoch eine Umfrage, an der sich möglichst viele beteiligen sollen, die in diesen Szenen unterwegs sind:

https://www.surveymonkey.com/s/adacensus2011-website (läuft bis 29. März)

Die Ada-Initiative wurde Anfang Februar von Valerie Aurora und Mary Gardiner mit dem Ziel gestartet, die Beteiligung von Frauen an den beschriebenen Communities zu stärken. Benannt wurde sie nach Ada Lovelace, der ersten Programmiererin. Die Initiative ist eng verbunden mit Gruppen und Netzwerken wie Geek Feminism, Women & Mozilla, LinuxChix, Systers.

Auf ihrer Website gibt es eine gute FAQ mit Antworten u.a. auf die Fragen danach, warum sie sich auf Frauen konzentriert, was das Ziel ist, warum es nicht um andere unterrepräsentierte Gruppen geht, wer überhaupt mit ‚Frauen‘ gemeint ist und wie die Initiative unterstützt werden kann.

Bisher gibt es nur eine relevante Studie, die die Rolle von Frauen in Open Source untersuchte: FLOSSPOLS (2006). Sie kam zu dem Ergebnis, dass 1,5% der Menschen in der Open-Source-Community Frauen sind (waren). Ob und was sich verändert hat, will die Ada-Initiative untersuchen.

Bitte nehmt Euch die fünf Minuten zum Ausfüllen des Fragebogens!

 

Und noch..

Die Ada-Initiative bei Facebook & Twitter

Linux-Magazin: Ada Initiative will Frauen in freien Projekten stärken

(Via side-glance)

Das Ende der anonymen E-Mail

Ein Team der kanadischen Concordia-University hat eine Technik entwickelt, um AutorInnen anonymer E-Mails identifizieren zu können – mit einer Sicherheit von 80-90 Prozent, behaupten die ForscherInnen.

Digital Investigation on ScienceDirect(Opens new window)Analog zur Einzigartigkeit von Fingerabdrücken (fingerprints) gehen sie davon aus, dass es eindeutig nachweisbare „Schriftabdrücke“ (write-prints) gibt, die AutorInnen charakterisieren. Die Methode sei ausreichend sicher, um gerichtsfeste Beweise liefern zu können.

Mark Schaver beschreibt, dass sowohl Techniken der  Spracherkennung als auch Data Mining in die Methode einfließen. Der Artikel des Teams zu ihrer Methode, „Mining writeprints from anonymous e-mails for forensic investigation“, erschien bereits im Oktober in Digital Investigation, umsonst auch hier.

Many criminals exploit the convenience of anonymity in the cyber world to conduct illegal  activities. E-mail is the most commonly used medium for such activities. Extracting  knowledge and information from e-mail text has become an important step for cybercrime investigation and evidence collection. Yet, it is one of the most challenging and time-consuming tasks due to special characteristics of e-mail dataset. In this paper, we focus on the problem of mining the writing styles from a collection of e-mails written by multiple anonymous authors. (Aus der Einleitung)

Die „effektive neue Methode“ wird in einem Bericht der Universität mit der Notwendigkeit der Geißeln der digitalen neuen Welt begründet: Kinderpornografie, Kommunikation zwischen Kriminellen und Computerviren. Nachdem es mittlerweile zu den üblichen Ermittlungstechniken gehöre, über die IP-Adresse festzustellen, von welchem Ort eine Mail geschrieben wurden, bleibt aber noch offen, wer sie geschrieben hat. Diese Lücke soll mit der neuen Technologie geschlossen werden, die auch in der Lage sein soll, Gender, Nationalität und Bildungshintergrund festzustellen:

To determine whether a suspect has authored the target email, they first identify the patterns found in emails written by the subject. Then, they filter out any of these patterns which are also found in the emails of other suspects. The remaining frequent patterns are unique to the author of the emails being analyzed. They constitute the suspect’s ‘write-print,’ a distinctive identifier like a fingerprint. “Let’s say the anonymous email contains typos or grammatical mistakes, or is written entirely in lowercase letters,” says Fung. “We use those special characteristics to create a write-print. Using this method, we can even determine with a high degree of accuracy who wrote a given email, and infer the gender, nationality and education level of the author.” (Identifying ‚anonymous‘ email authors)

Mir ist wird nicht klar, wo der Unterschied zur bereits üblichen linguistischen Analyse von Texten liegt, ob die nun digital oder analog vorliegen, was ja nicht erst seit gestern in polizeilichen Ermittlungen eingesetzt wird: Erleuchtendes bitte gern in den Kommentaren.

Verbittert

Eigentlich könnte ich auch eine ständige Rubrik einrichten.

Marc-Uwe Kling mit zwei Variationen zum Thema Produktive Ausländer:

Neues vom Känguru (137) (mp3)
(Immer Mittwochs 8:10 und 18:10 bei Radio Fritz.)

 

Kängurumanifest | #3 Ein tragischer Held

(via Benni Bärmann)

Na also: Verfahren gegen Berliner Buchhändler eingestellt

Am zweiten Verhandlungstag wurde das Verfahren gegen Berliner Buchhändler eingestellt, die mittels bedruckten Papiers u.a. gegen das Waffengesetz verstoßen haben sollen. Details siehe Die Zeitschrift als Waffe. Mehr Durchsuchungen in Berlin. und Offline-Zensur – Prozessbeginn gegen linke BuchhändlerInnen.

Die Pressemitteilung der Initiative unzensiert.lesen:

Viel Lärm um nichts?!

Erstes Strafverfahren gegen Berliner Buchhändler eingestellt

Nach Durchsuchungen im Buchladen mit großem Polizeiaufgebot und der  Anwendung verschärfter Sicherheitsmaßnahmen im Gerichtsverfahren auf die  Prozessbesucher, wurde das erste Strafverfahren gegen den  Geschäftsführer des Kreuzberger Buchladens oh21 am zweiten  Verhandlungstag sang- und klanglos eingestellt. Selbst die Berliner  Staatsanwaltschaft musste einsehen, dass die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Anklage lieferte.

Die Anklageschrift gegen den Geschäftsführer lautete auf „Beihilfe zu  Anleitung zu Straftaten“ und „Verstoß gegen das Waffengesetz“.  Hintergrund der Gerichtsverhandlung ist eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen drei Berliner Buchhandlungen und  Infoläden, die seit 2009 mehrfach von polizeilichen Durchsuchungen betroffen waren. Die Berliner Staatsanwaltschaft strebt mit den Verfahren an, die Buchhändler für die Inhalte von Flugblättern und  Zeitschriften verantwortlich zu machen, die in ihren Läden ausliegen.

Sollte sich die Staatsanwaltschaft mit dieser Position durchsetzen, könnten in Zukunft alle Buchhändler, Kneipenbesitzer oder Ladenbetreiber für die bei ihnen ausliegenden Flyer, Aufrufe und Zeitschriften haftbar gemacht werden. Man würde von ihnen verlangen, sich zur vorgeschalteten Zensursintanz staatlicher Behörden zu machen.

Der Ausgang des ersten Verfahrens hat nun gezeigt, dass die Staatsanwaltschaft mit diesem Anliegen nicht so einfach durchkommt. Die nun erfolgte Einstellung könnte auch richtungsweisend für die weiteren Verfahren sein.

Weitere Informationen unter www.unzensiert-lesen.de

Wolfgang Blau: Sieben Branchenmythen des Journalismus

Die Anhörung des Medienausschusses des Bundestages zu Qualitätsjournalismus hatte ich schon erwähnt, andere auch. Angenehm überrascht hatte mich, dass bestimmte – aus meiner Sicht konstruierte – Trennlinien zwischen Bloggerinnen und Bloggern auf der einen und Journalistinnen und Journalisten auf der anderen Seite mit großer Selbstverständlichkeit dekonstruiert wurden. Diese Trennlinien werden von Teilen beider Seiten sehr geliebt, aber vielleicht erledigt sich das dann ja langsam. Ich muss übrigens zugeben, dass ich bisher davon ausgegangen war, dass die Vokabel „Qualitätsjournalismus“ höchstens ironisch benutzt wird. Dem ist nicht so, der Dünkel reicht bis hin zu Professuren zum Thema (ein solcher Professor war anwesend).

Carta hat die Anhörung nicht nur live gebloggt, sondern dankenswerterweise gestern das Statement von Wolfgang Blau extra veröffentlicht, das auch noch auf meiner To-Do-Liste stand. Der Chefredakteur von Zeit Online hat die aus seiner Sicht sieben häufigsten Mythen über den Zustand des Journalismus beschrieben und kurz erläutert, warum es sich um Mythen handelt. Ich hoffe inständig, dass einige der hiesigen OberjournalistInnen sich das anhören, die Depression ablegen und in der Moderne ankommen.

1. Blogs stellen eine Gefahr für taditionelle, kommerzielle Medien dar.

2. Google ist schuld am Niedergang der Tageszeitungen.

3. Nur Print- und Broadcastmedien können für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Meinungspluralismus sorgen.

4. Der Online-Journalismus hat noch kein Geschäftsmodell.

5. Das Internet begünstigt eine Boulevardisierung des Journalismus.

6. Ohne öffentlich-rechtliche Online-Auftritte hätten die kommerziellen Websites in Deutschland sehr viel bessere Chancen, profitabel zu werden.

7. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang einiger klassischer Medien droht auch ein Niedergang des Journalismus und eine substantielle Gefahr für die Demokratie. (Carta)

Noch nicht einzeln gibt es die Statements von Katharina Borchert, Geschäftsführerin Spiegel Online oder auch @lyssaslounge, Hans Leyendecker, netzwerk recherche, und Matthias Spielkamp, irights.info, die ebenfalls das Gespenst verscheucht haben, dass in etwa so heißt: „Die Blogger kommen, lasst uns einen Zaun bauen, sonst werden wir alle verhungern! Und die Demokratie bricht zusammen!“. Es gibt aber auch die komplette Aufnahme der Anhörung (auch als mp4).

Ich mache mir wenig Hoffnung, dass die Anhörung Bundestagsentscheidungen positiv beeinflussen wird, aber sie war ein Schritt in die richtige Richtung. Wobei es natürlich auch Statements gab, die ganz andere Meinungen vertreten haben, und ich natürlich nicht alles teile, was gesagt wurde usw usf. Trotzdem. Glas viertelvoll.