Nie wieder Einkesseln?

Telepolis meldet, dass in London letzten Samstag bei einer Demonstration vor der ägyptischen Botschaft gelungen sei, mit Hilfe eines neuen Smartphone-Tools einen Polizeikessel zu verhindern. Offenbar sind große stundenlange Polizeikessel für die zahlreichen Studierenden-Demos in London ein Ärgernis. Dagegen wurde jetzt Sukey entwickelt. Der Name leitet sich von einem Kinderreim ab:

Polly put the kettle on, Sukey take it off again.

(Das englische ‚kettle‘ (Teekessel) steht wie im deutschen auch für den Polizeikessel.)

Das System besteht bislang aus einem Twitterfeed, einem Text-basierten Warnservice und aus eine Online-Demo-Karte, die laufend aktualisiert wurde und über Smartphones verfügbar war. Gleichzeitig tweetete Sukey kurze Zusammenfassungen der Ereignisse, zudem auch. wo sich die Demonstranten befinden und insbesondere, wo sich die Polizei gerade zum Kesselbau anschickte. (Telepolis)

Mit den britischen Bedingungen kenne ich mich nicht aus, aber hierzulande gleitet das sicherlich am Rand der Legalität entlang, denn alles, was als Aufruf zu Straftaten gewertet werden kann, ist verboten. Dazu kommt, dass es in Deutschland relativ selten zu großen Kesseln kommt, die lange stehen bleiben. Bei großen Demonstrationen aber könnte sowas schon hilfreich sein.

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Lieber rot-roter Senat,

überlegt euch das mit der Räumung der Liebigstr. 14 nochmal.

Noch sind ein paar Stunden Zeit. Natürlich könnt Ihr Euch darauf zurückziehen, dass das alles rechtens ist. Nur: Politik ist kein Jura-Studium. Niemand weiß besser als Ihr, dass Realpolitik bedeutet, sich mit den realen Verhältnissen zu beschäftigen, und nicht mit Ideen.

Wenn die Liebigstr. morgen geräumt wird, ist in der Stadt die Hölle los. Das ist so klar wie Kloßbrühe. Das muss man nicht mögen, das mag wahrscheinlich außer ein paar ganz wenigen Leuten wirklich niemand. Aber es wird so sein. Ich bin in meinem Leben verschiedenen Leuten begegnet, die in der BZ gemeinhin als ‚Chaoten‘ beschrieben werden, und selbst die machen in der Regel lieber was anderes, als sich mit Tränengas beschießen zu lassen. Ausnahmen bestätigen die Regel, und natürlich gibt es die, und natürlich werden die morgen zahlreich anwesend sein.

Nach allem, was ich bisher über den Besitzer des Hauses Liebigstr. 14 gelesen und gehört habe, scheint er ein ziemlicher Unsympath zu sein. Wer jedes Angebot ablehnt, über die Situation auch nur zu sprechen, kann sich das Etikett ‚Demokrat‘ wohl nicht an die Jacke heften. Auf dessen Seite wollt Ihr Euch stellen?

Das Gerichtsurteil, dass zu räumen ist, muss nicht mit einem derartigen Polizeiaufgebot durchgesetzt werden. Es gab in Berlin schon Innensenatoren, die Räumungen mit dem Argument ausgesetzt haben, sie gefährdeten den Frieden der Stadt. Es ist möglich.

Es gab in Berlin schon Räumungen, die Koalitionen haben platzen lassen.

Es gab Räumungen, deren finanzielle wie auch soziale Kosten in keinem Verhältnis dazu standen, dass es aber nunmal korrekt war, rechtsstaatlich betrachtet. Das, was voraussichtlich morgen geschehen soll, ist so eine Räumung. Die Räumung wird Folgen haben, die noch lange zu spüren sein werden, und dabei rede ich nicht von eingeschmissenen Schaufensterscheiben.

Ihr macht Euch damit bei vielen Leuten nicht beliebt, auch wenn die BZ was anderes behauptet. Wenn sogar in der Berliner Zeitung (der ich keine BZ-Nähe nachsagen will, die aber doch in der Regel eine in jeder Hinsicht moderate Haltung vertritt) Artikel erscheinen, die mit den Sätzen enden

Zurzeit aber ist es wichtig, ein Transparent aus dem Fenster zu hängen und darauf in Großbuchstaben zu schreiben: Solidarität mit den Bewohnern der Liebig 14! Obwohl das nur die halbe Wahrheit ist.

dann sollte Euch das zu denken geben.

Übrigens wird gewählt dieses Jahr, man wird sich an diese Geschichte erinnern. Die Menschen mögen das nicht, wenn so massiv Polizeigewalt zu beobachten ist.

Es wird Verletzte geben: die werdet Ihr verantworten müssen. Nein, werdet Ihr sagen, daran sind die Chaoten schuld, und außer Kontrolle geratene Polizeieinheiten. Nur: Ihr seid die Regierung. Ihr habt die Macht. Ihr verantwortet den Einsatzbefehl. Niemand sonst.

Tut es nicht.

Indymedia: Britische Polizei postet undercover Falschinformationen

Indymedia Sheffield veröffentlichte gestern einen Artikel, der beschreibt, dass die britische Polizei noch weit mehr tut, als sexuelle Kontakte zu AktivistInnen zu pflegen und an Treffen und Demonstrationen teilzunehmen – dass das stattfindet, überrascht niemand in politischen Bewegungen wirklich. Nicht allgemein bekannt war bisher, dass mindestens seit August 2008 Artikel und Kommentare auf Indymedia-Websites von Rechnern gepostet werden, die den Sicherheitsbehörden zugeordnet werden können.

Update: Inzwischen wurde eine Liste sämtlicher Kommentare veröffentlicht, die von Rechnern mit den entsprechenden IP-Nummern gepostet wurden

Die wöchentlich erscheinen AktivistInnen-Flugschrift Schnews hat Freitag Details veröffentlicht: Einzelne Indymedia-Gruppen, deren Server normalerweise keine IP-Adressen speichern, machen bei destruktiven Kommentaren Ausnahmen, um deren IPs filtern zu können. Dabei fiel u.a. die IP 62.25.109.196 auf, die zum Server gateway303.energis.gsi.gov.uk gehört. GSI steht für Government Secure Intranet, ein Netzwerk der britischen Regierung, zu dem auch das Netzwerk der britischen Polizei Zugang hat. Das GSI-Netzwerk dient u.a. dazu, ein sicheres Proxy-Netzwerk zu bieten, das seinen NutzerInnen Anonymität garantiert.

In Kommentare bei Indymedia, die von den GSI-IPs gepostet wurden, wurden private Informationen über AktivistInnen veröffentlicht, politische Kampagnen angegriffen und zum Stören friedlicher Proteste aufgerufen. Es gab Kommentare zu laufenden Gerichtsverfahren, Angriffe gegen bekannte politische AktivistInnen oder Informationen, die nur der Polizei bekannt waren. Zwei Postings – vom 21. Januar und 9. Juni 2010 – enthalten Kontaktinformationen potentieller Ziele der Tierrechtsbewegung: eines Pelzladens in Leeds und eines Tierzirkusbesitzers.

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Baden-Württemberger LKA-Spitzel ent-deckt

Die Antifaschistische Initiative Heidelberg, selbst vom im Dezember in Baden-Württemberg enttarnten Spitzel betroffen, erklärte heute, dass dessen Identität aufgeklärt worden sei:

Die Identität des Mannes, der unter der falschen Identität als „Simon Brenner“ über ein Jahr für das Landeskriminalamt Baden-Württemberg in Heidelberg legal arbeitende linke Gruppen ausspioniert hat, ist geklärt.

Die Hackergruppe „Spitzel sind das Allerletzte“ hat den Beamten nun als Polizisten aus Radolfzell am Bodensee identifiziert. Weitere Details und Belege sind unter der Internetadresse http://linksunten.indymedia.org/de/node/31404 veröffentlicht.

Es ist bezeichnend, dass solche informelle Aufklärungsarbeit nötig ist, weil sich LKA und Innenministerium mit Schweigen aus der Affäre ziehen zu können glauben. Wir fordern das Innenministerium erneut auf, die illegalen Machenschaften des LKA restlos aufzuklären. Wir fordern die baden-württembergische Landesregierung des weiteren auf, endlich die Verantwortung für den Skandal zu übernehmen und politische und personelle Konsequenzen zu ziehen.
Ein Innenminister Heribert Rech, in dessen Zuständigkeit eine solche Aushebelung rechtsstaatlicher Standards geschieht und der durch sein Schweigen die Aufklärung aktiv zu verhindern versucht, ist nicht mehr tragbar.

Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD)

Für Nachfragen wenden Sie sich bitte – möglichst mit Rückrufnummer – an die e-mail-Adresse aihd@gmx.de

Auch dazu:

FAZ: Der Verdacht

Neues Deutschland: Es wird zurückermittelt

Nachtrag zum beschlagnahmten Autistici-Server

Vor einem Monat, erinnern sich vielleicht einige, wurden in Norwegen ein Autistici-Server beschlagnahmt. Das Autistici-Team wusste erstmal selber nicht warum. Jetzt schon:

Im Winter 08/09 gab es in Italien ein Verfahren wegen Bedrohung und Beleidigung des Neofaschisten Gianluca Jannone, Chef von ‚Casa Pound‘ und Ercole Marchionni, Chef von „Casa Pound Avezzano“. Es ging um Parolen an einer Wand, rote Farbe an einer Tür und Texte bei Indymedia Abruzzo und einer Antifa-Website, die dagegen protestierten, dass den neofaschistischen Gruppen öffentliche Räume zur Verfügung gestellt wurden.

Im Verlauf wurde das Autistici-Kollektiv als Zeuge vorgeladen, und zu den Details und Logfiles von bei ihnen gehosteten Mailaccounts auszusagen. Da es weder Logfiles noch überhaupt persönliche Daten bei Autistici zu den Mailaccounts gibt, konnte Autistici nicht weiterhelfen.

Ergebnis: die Polizei von Avezzano schrieb Briefe nach Norwegen, Holland und in die Schweiz und forderte die dortigen Behörden auf, bei den Providern, bei denen die Autistice-Server untergebracht sind, die Herausgabe der Daten zu fordern. Die NorwegerInnen haben dann Anfang November sämtliche Platten kopiert – deren Inhalt zum größten Teil verschlüsselt war.

Genützt haben wird das der italienischen Polizei nichts, zumindest nicht bei der Suche nach den Antifas.

Das Autistici-Team schreibt in seinem Text neben den faktischen Abläufen auch noch etwas dazu, wie der Zusammenhang zwischen italienischen Neofaschisten und den italienischen Behörden zu bewerten ist. Vor kurzem wurde der Prozess wegen des Bombenanschlangs auf der Piazza della Loggia beendet: bei einer Antifa-Demo 1974 in Brescia starben damals acht Menschen. Bis heute ist nicht geklärt, wer dafür verantwortlich war. Ähnliche Beispiele gibt es bis heute. Italien bleibt gruselig.

Mainzer Straße – Der Film

Jemand hat ihn online gefunden.

Es ist sicher nicht alles einfach zu verstehen, aber insgesamt gehört der Film wohl inzwischen zu den wichtigen Zeitdokumenten der Wende und linker Geschichte. Danke nochmal an die MacherInnen: vor 20 Jahren war Filmemachen noch richtig Arbeit.

http://video.google.com/videoplay?docid=-4179107579083711064

Dazu passt auch noch gut die Tagesschau vom 14. November 1990

Uwe Rada hat die Räumung mit dem politischen Kontext versehen: Das Ende der Anarchie

Ich vermute, mein tiefsitzendes Misstrauen der Sozialdemokratie gegenüber hat auch mit dieser Geschichte zu tun. Den Einsatz verantwortet haben SPD-Innensenator Pätzold und SPD-Oberbürgermeister Momper. Der erste rot-grüne Senat Berlins ist darüber zerbrochen.

Schwerverletzter Kletterer beim Castor-Protest

So langsam kommen noch ein paar Geschichten vom Castor ans Licht. Also noch eine Pressemitteilung, vom 11.11. Die können die Geschichte besser erzählen als ich:

Pressemitteilung
des gewaltfreien Kletterkollektivs Atomkraft tötet

Mit dieser Pressemitteilung wollen wir ein ausführliches und differenziertes Bild bisher in der Öffentlichkeit nur schemenhaft skizzierter und seitens der Polizei falsch dargestellter Geschehnisse geben.

Schwerer Polizeiübergriff am Rande des Castortransports – Baumkletterer schwer verletzt – Polizei verhinderte zunächst Behandlung

Am 09.11.2010 morgens wurde am Rande des Castortransports, zwischen Laase und Gorleben gegen den Baumkletterer mit jahrelanger Berufserfahrung Niels M. ohne Vorwarnung von Polizeibeamten so massiv Reizgas eingesetzt, dass dieser die Kontrolle verlor und aus ca. 4 1⁄2 Metern von einem Baum stürzte. Der Betroffene musste daraufhin von einem Hubschrauber mit einem Wirbelbruch im Brustbereich ins Krankenhaus geflogen werden. Weitere Polizisten hatten den sichtbar Schwerverletzten zuvor noch unter Gewaltandrohung gezwungen mehrere hundert Meter weit zu Gehen. Zurzeit wird seitens des Betroffenen eine Strafanzeige geprüft.

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Extralegale Hausdurchsuchungen im Wendland

Wird nicht die Regel, aber weil ich das noch nirgends fand, heute mal eine Original-Presseerklärung:

Pressemitteilung von RA Dirk Audörsch, RAin Britta Eder und RA Alexander Kienzle

Anwälte des Legal Teams aus dem Wendland verurteilen Hausdurchsuchungen

Am Montagabend haben Polizeieinheiten aus Niedersachsen ohne richterlichen Beschluss in einer konzertierten Aktion mehrere Höfe an den zwei möglichen Castortransportrouten durchsucht.

Am Montag, den 8.11.2010, haben Polizeibeamte, darunter die Beweissicherungseinheit aus Oldenburg und die 5. Einsatzhundertschaft aus Göttingen gegen 17 Uhr mindestens drei Höfe in Grippel, Zardrau und Langendorf gestürmt und die Scheunengebäude durchsucht. Während der Durchsuchung in Grippel erfolgte keinerlei Begründung der Maßnahme, die Beamten waren vermummt, trugen keine individuelle Kennzeichnung und waren auch gegenüber den Anwesenden Rechtsanwälten zu keinerlei Erläuterung oder Identifizierung bereit, sondern reagierten mit Wegschubsen. Spätere Begründung war die Suche nach so genanntem „Sperrgut“, also Material das zur Blockade der Nord- bzw. Südtrasse des Castor-Transportes geeignet sein könnte.

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