Indymedia: Britische Polizei postet undercover Falschinformationen

Indymedia Sheffield veröffentlichte gestern einen Artikel, der beschreibt, dass die britische Polizei noch weit mehr tut, als sexuelle Kontakte zu AktivistInnen zu pflegen und an Treffen und Demonstrationen teilzunehmen – dass das stattfindet, überrascht niemand in politischen Bewegungen wirklich. Nicht allgemein bekannt war bisher, dass mindestens seit August 2008 Artikel und Kommentare auf Indymedia-Websites von Rechnern gepostet werden, die den Sicherheitsbehörden zugeordnet werden können.

Update: Inzwischen wurde eine Liste sämtlicher Kommentare veröffentlicht, die von Rechnern mit den entsprechenden IP-Nummern gepostet wurden

Die wöchentlich erscheinen AktivistInnen-Flugschrift Schnews hat Freitag Details veröffentlicht: Einzelne Indymedia-Gruppen, deren Server normalerweise keine IP-Adressen speichern, machen bei destruktiven Kommentaren Ausnahmen, um deren IPs filtern zu können. Dabei fiel u.a. die IP 62.25.109.196 auf, die zum Server gateway303.energis.gsi.gov.uk gehört. GSI steht für Government Secure Intranet, ein Netzwerk der britischen Regierung, zu dem auch das Netzwerk der britischen Polizei Zugang hat. Das GSI-Netzwerk dient u.a. dazu, ein sicheres Proxy-Netzwerk zu bieten, das seinen NutzerInnen Anonymität garantiert.

In Kommentare bei Indymedia, die von den GSI-IPs gepostet wurden, wurden private Informationen über AktivistInnen veröffentlicht, politische Kampagnen angegriffen und zum Stören friedlicher Proteste aufgerufen. Es gab Kommentare zu laufenden Gerichtsverfahren, Angriffe gegen bekannte politische AktivistInnen oder Informationen, die nur der Polizei bekannt waren. Zwei Postings – vom 21. Januar und 9. Juni 2010 – enthalten Kontaktinformationen potentieller Ziele der Tierrechtsbewegung: eines Pelzladens in Leeds und eines Tierzirkusbesitzers.

Ein Kommentar, der nach Schnews eindeutig der Polizei zugeordnet werden könne:

No – stuff that – SHUT the place: Let’s not all stand around like lemmings – lets shut the place!Bring ladders and wire cutters. If there are enough of us we can shut it!

(Nein – vergesst das – macht das Ding ZU: Lasst uns nicht wie die Lemminge rumstehen – lasst uns das Ding zumachen! Bringt Leiter und Bolzenschneider mit. Wenn wir genug sind, können wir es zumachen!)

Weitere Kommentare von Gateway 303: Gateway Gate: Straight from the Pig’s mouth

Schnews beschreibt außerdem, dass Unternehmen, die sich auf das britische Gesetz zum Schutz vor Belästigung (Protection from Harassment Act) berufen, dies häufig mit Verweis auf Kommentare bei Indymedia taten. Auf diese Weise seien häufig Kampagnen kriminalisiert worden, die sich gegen spezifische Unternehmen richteten, auch völlig legale und gewaltfreie Kampagnen.

Indymedia Birmingham veröffentliche gestern eine umfassende Übersicht zu den Auswirkungen. In den vergangenen Jahren sind mehrmals Server von Indymedia beschlagnahmt worden, nachdem solche Kommentare unter Artikeln gepostet worden waren. Einer der Server wurde bis heute nicht herausgegeben, in einem Fall wurde auch ein Aktivist festgenommen.

Der Kommentar, der in einem der beiden Fälle ausschlaggebend war, stammt von Gateway 303.

Indymedia Birmingham beschreibt zum ersten Mal, warum in einzelnen Fällen IP-Adressen aufbewahrt werden – trotz des strikten Grundsatzes des gesamten Netzwerks, keine IPs zu speichern, und auch, wie dies technisch umgesetzt wird. Die Gruppe beschreibt auch, wie sehr das Dilemma, einerseits nicht zu speichern und andererseits live beobachten zu können, wie Behörden mit Falschinformationen aktiv gegen politische Bewegungen agieren, das britische Indymedia-Netzwerk gelähmt hat. UK Indymedia – das Netzwerk der britischen Indymedia-Gruppen – wird sich zum 1. Mai in einige Forks aufteilen.

Artikel dazu:

Gateway 303: Police Disinformation on UK Indymedia

Advocating Domestic Extremism – Cops on Indymedia – An Exposé

INTER-NETCU: Government Agency Caught Infiltrating Activist Media Outlet

State infiltration and attempted disruption of activist websites

8 Gedanken zu „Indymedia: Britische Polizei postet undercover Falschinformationen

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  2. oje. mir ist soeben schlecht geworden. man denkt ja immer, dass die welt genau so ist, aber wenn es dann real und direkt vor deiner nase passiert, ist man doch angewidert. ich frage mich bei solch einem verhalten immer wie diese menschen das vor sich selbst rechtfertigen. aber wahrscheinlich ist das problem ja, dass es eben nicht nur einer/eine ist, sondern sich auch hier verantwortung aufteilen und verdrängen lässt. wie schrecklich.

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  6. Dann sollten ja zumindest die Firmen versuchen den Staat zu belangen.
    Also der Pelzladen und der Zirkus.
    Traurig, aber in dem Fall wäre es gut gewesen wenn das was die Agent Provocateur da forderten.
    Auch wenn man nicht die Einzelperson oder Belege für eine Anweisung fände, könnten die Firmen Strafrechtlich oder Zivilrechtlich gegen den Staat vorgehen.
    Dafür muss der Einzeltäter nicht gefunden werden.

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