Klage wegen Überwachung durch den VS gewonnen

Ganz Gallien ist von den Römern besetzt… Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.

Fritz Burschel hat gegen den Verfassungsschutz (VS) geklagt und gewonnen, jetzt in der zweiten Runde. Bravo!

Die erste Runde ging im Februar 2009 erfolgreich zuende.

Im Verfahren hat sich Friedrich Burschel gegen die Beobachtung als „Linksextremist“  durch den Verfassungsschutz gewehrt. Begründung für die Beobachtung:

Die wenig souverän agierenden Vertreter des BfVS hatten etliche Publikationen des Klägers in linken Zeitschriften aufgelistet, in denen es in zum Teil zugespitzter Diktion um Antirassismus, staatlichen Rassismus, Antifaschismus und Antirepression ging. Außerdem hatte das Amt aus zahlreichen Demonstrations-Anmeldungen des Klägers einige herausgepickt, die ihm schlagend dessen Gefährlichkeit zu dokumentieren geeignet schienen, u.a. einen Ostermarsch in Weimar, antirassistische Camps der Kampagne „kein mensch ist illegal“ und eine Antifa-Demonstration in Gera. Dazu lieferten sie eine dünne, holzschnittartige Einschätzung von „Linksextremismus“, der eine höchst umstrittene, wissenschaftlich fragwürdige Extremismus-Doktrin zugrunde liegt, die momentan von Amts wegen und auf Regierungsebene bundesweit gegen linke Aktivitäten in Anschlag gebracht wird. (Pressemitteilung seines Anwalts Alexander Hoffmann)

Erfahren hat der Journalist davon, weil ihm die Akkreditierung beim G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 verweigert worden war.

Angesichts der Themen frage ich mich, ob ich testweise auch mal probieren sollte, mich bei so einer Veranstaltung zu akkreditieren.

Mit Friedrich Burschel saß ich übrigens im November auf einem Podium, bei dem es darum ging, dass mehrere Berliner Buchläden ständig durchsucht werden (letzten Mittwoch, den 22., zuletzt). Die BuchhändlerInnen haben jetzt auch ein Verfahren, weil sie nicht alles lesen, was sie verkaufen. Details bei unzensiert-lesen.de.

Spätzle-Stasi 2.0 – Neues vom V-Mann in Heidelberg

LKA-Spitzel "Simon Brenner" (II)In Heidelberg gab es einen Spitzel, oder verdeckten Ermittler. Das machte kürzlich schon die Runde und ist an sich nicht überraschend. Dass die Behörden wissen wollen, wie die genuin staatsfeindlichen Aktivitäten links der SPD aussehen, liegt auf der Hand. Da Putsch und Revolution ständig kurz vor der Tür stehen, muss die Verfassung vor derlei Machenschaften geschützt werden. Im Ernst: natürlich ist es eine Schweinerei, dass sowas stattfindet. Es wundert mich aber nicht.

„Simon Brenner“ hat neun Monate für das LKA Baden-Württemberg die linke Szene Heidelbergs ausspioniert. Ungewöhnlich ist, dass er das und viele Details selber erzählt hat, nachdem er zufällig am 11.12. bei einer Party als Polizist erkannt worden war. Es ging vor allem um die Antifa, aber auch um den Castor-Protest im Herbst, das No-Border-Camp in Brüssel, den SDS, Bildungsstreiks und mehr.

Nun ist bekannt, dass er monatelang ausgebildet wurde, was für Papiere er benutzte, wie oft, wie und wo er seine Berichte und ‚Personalakten‘ über einzelne AktivistInnen ablieferte.

Daneben sorgte der Spitzel für die Hausdurchsuchung bei einem linken Studenten, nachdem er in dessen Zimmer kriminalisierbares Material gesehen zu haben behauptete. Durch diesen Einsatz wurde nicht nur das verfassungsgemäß vorgeschriebene Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei ausgehebelt, sondern auch ohne jeglichen konkreten Tatvorwurf eine Vielzahl oppositioneller Gruppen und Einzelpersonen ausspioniert und polizeilich erfasst. (Antifa Heidelberg)

Dieser Umstand war für alle Betroffenen ein großer Schock. Abgesehen von einer persönlichen Enttäuschung, ist die Tatsache, dass die Polizei so massiv in unser Leben eingreift beängstigend. Wir konnten uns vorher nicht vorstellen, dass eine solche Taktik gegen studentische Gruppen angewandt wird. (Kritische Initiative HD)

Informationen über „Simon Brenner“ umfassen die Details seiner Papiere, Konten, seine angebliche Wohnadresse – wo er nie wohnte, wo aber seine Post hinging.

Mail-Account gehackt  und dann zurückerobert

Ein wirklicher Coup ist der ‚Hacker-Gruppe „Spitzel sind das Allerletzte“‚ gelungen, die sich Zugang zum Mail-Account simonbrenner(at)ymail.com verschafft hat. Die ca. 2000 E-Mails lassen einiges über die Aktivitäten des „Simon Brenner“ erkennen.

So sind offenbar selbst die Grünen nicht vor polizeilichem Interesse gefeit: Im April schrieb er eine Mail an die Grünen Heidelberg, in der es um eine Aktion in Biblis geht.

An diesem Punkt fing auch Spiegel Online an sich zu interessieren und schrieb Montag eine Mail an simonbrenner(at)ymail.com mit der Bitte, er möge doch mal bestätigen oder dementieren, dass er er sei und als verdeckter Ermittler des LKA die linke Szene in Heidelberg beobachtet habe. Seine Mail-Adresse sei bei Indymedia veröffentlicht worden.

Er bekam eine freundliche Antwort mit der Information, dass der Mail-Account und diverses anderes dem Herrn Brenner nicht mehr zur Verfügung stünde. Der Spiegel aber durchaus mit Material aus den Mails versorgt werden könne.

Resultat? Der Mail-Account wurde von ‚irgendwem‘ zurückerobert, und bei Spiegel Online erschien heute ein Artikel, in dem die Mails keine Rolle spielen: Vorsicht, Simon hört mit. Im „Unispiegel“, nicht etwa bei „Politik“.

Die Frankfurter Rundschau ist nicht so wählerisch, was geleaktes Material angeht, und veröffentlichte heute abend Der Simon von der Polizei. Darin wird über den Inhalt der Mails berichtet.

Ich bin jedenfalls gespannt, was der Spiegel eigentlich auf der gerade angedachten selbst betriebenen Leaking-Plattform veröffentlichen will.

Mehr Spitzel in Baden-Württemberg

Im Untersuchungsausschuss Stuttgart 21 kam gerade raus, dass mehrere verdeckte Ermittler auch gegen die S21-AktivistInnen eingesetzt werden.

Wenn wir das jetzt auf die anderen Bundesländer hochrechnen, muss sich wohl niemand mehr a) darüber wundern, dass ein Extremimus-Gespenst an die Wand gemalt wird, dass wahrscheinlich vor allem dazu dient, die Finanzierung all dieser Aktivitäten zu legitimieren und b) warum die deutschen PolizistInnen so grottenschlecht ausgerüstet sind (nicht dass ich mich beschweren würde). Dafür ist dann mit Sicherheit kein Geld mehr da.

Piraten-Prozess in Hamburg

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Im Gericht darf nur gezeichnet, nicht fotografiert werden

Zu Piraten gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Manche finden sie gruselig (meine Kinder), manche die einzige wählbare Alternative (pickelige Nerds), manche romantisch (Johnny-Depp-Fans). Und dann sind da noch die echten Piraten.

400 Jahre nach Störtebeker wird in Hamburg zehn Piraten der Prozess gemacht. Perspektive: nicht Köpfen, sondern 15 Jahre im deutschen Knast.

Diese Piraten sind aus Somalia, und das ist ja mal was GANZ anderes. Die kommen gleich hinter Terroristen. Was vielleicht damit zu tun hat, dass die desolate Lage in Somalia auch Resultat europäischer Interessenvertretung ist. Die Welt erlaubte sich dazu diesen zynischen Kommentar:

Und als Gedankenspiel sei die Frage erlaubt, ob es manchem der Piraten im Hamburger Gefängnis nicht besser geht als in einem Leben unter Warlords, die keinem Gesetz unterworfen sind, mit der Aussicht, von Überfall zu Überfall getrieben zu sein – was auch für die Piraten lebensbedrohlich ist. Vom Galgen bedroht wie einst Blackbeard und seine Freunde sind sie jedenfalls nicht.

Wahrscheinlich sollen sie sich am besten freuen, dass sich hier gelandet sind.

In Somalia ist Bürgerkrieg. Das Meer ist leergefischt – nicht von somalischen Fischern -, und von europäischem Sonder- und radioaktivem Müll verseucht. Es gibt nicht viele Alternativen zum Überleben. Weiterlesen

„My liberation as a man is tied to your liberation as a woman“

Tony Porter: A Call to Men

(via)

Dazu passt noch Das moderne Leben: Gedichte im XING-Postfach.

Thematisch nur entfernt – der Text hat auch mit der Rolle von Frauen und Männern in der Gesellschaft zu tun, das war’s dann auch schon. Aber genauso großartig gemacht:

Frauen sind auf Internet-Konferenzen so selten wie der sibirische Tiger, denn ihr Fell scheint interessanter als ihr Knurren. Für eine gemeinsame Sprache braucht es jedoch nicht mehr Wissen über Technik, sondern einen Crash-Kurs in modernem Leben.

Was passieren muss, damit in einem beruflichen Umfeld studierte, mehr oder wenig gut bezahlte, erwachsene, vermutlich sogar mit Frauen liierte Männer anfangen, die Wortbeiträge einer Frau mit Kommentaren zu versehen, die jegliche der zuvor genannten Attribute widerlegen und einzig allein den Schluss zu lassen, dass diesen Männern nur ein einziges Wort gerecht wird: strunzdumm, ist mir ein Rätsel.

Niedrige weibliche Bewerberzahlen für Führungspositionen, müssen nicht bedeuten, dass Frauen nicht führen wollen. Sie wollen es nicht in diesem Unternehmen. Es bräuchte keine Frauenquote, gäbe es einen Aktionsplan für den Abbau von Dummheit und den engstirnigen Vorstellungen, wie eine Frau, wie ein Mann zu sein hat, vor allem im Beruf.

Applaus, Frau von Ávila.

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„We’re gonna stand up and we’re gonna fight back.“

Respekt. Die beste Rede, die ich seit Jahren gehört habe.

http://www.youtube.com/watch?v=NNticyiDaDM

Falls irgendwer gelegentlich dem Impuls zu verfallen droht, die jungen Leute heute wären nicht mehr so wie.. [bitte einsetzen.] – das hat sich hoffentlich nach diesen 5 Minuten erledigt. Großartig.

Anlass übrigens waren die SchülerInnen- und StudentInnen-Demos in Großbritannien gegen die Verdreifachung der Studiengebühren.

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Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Arzt

Eben rief mich eine Freundin an. Ärztin. Sie ist hier schon hin und wieder aufgetaucht, weil sie, als Andrej festegenommen wurde und ich mit Kindern, Polizei und Hausdurchsuchung zuhause saß, ihren Job stehen ließ und mir Händchen hielt.

Sie rief mich an und erzählte mir eine Geschichte, die gerade in dem Krankenhaus passiert ist, in dem sie arbeitet. Ein dreizehnjähringer Junge wurde eingeliefert, völlig unter Schock, zitternd. Männer waren in die Wohnung eingebrochen, bewaffnet, und hatten seinen Vater festgenommen. Es ist eine arabische Familie. Der Vater sei Terrorist.

Meine Freundin fragte, ob es nicht eine Stelle gäbe, an die man sich wenden kann? Ich fragte, ob sie an eine Beratungsstelle für Terrorismusverdachtsbetroffene dächte? Ja. Gibt es natürlich nicht. Es gibt niemanden, an den man sich in so einem Fall wenden kann.

Sie sagte, dass das doch aber wichtig wäre. Ob denn niemand diese Fälle sammelte? Wer hilft denn den Leuten?

Niemand. Der Junge ist wieder zuhause.

Intelligentes zu Wikileaks

Nachdem sinn- und aussichtslos wäre, sowas wie einen Überblick zum Thema Wikileaks herstellen zu wollen, weise ich einfach mal auf ein paar Sachen hin, die angenehm intelligent aus der Masse herausstechen. Zufallsfunde, keine gezielte Recherche.

Im Deutschlandfunk gab es am Donnerstag einen Kommentar von Peter Welchering, der gegen den Strom schwamm und nicht danach fragte, inwiefern die Veröffentlichungen durch Wikileaks eine Gefahr darstellen. Für ihn stellt viel eher das Vorgehen gegen Wikileaks den Auftakt zur Abschaffung des Rechtsstaats dar.

Ein ganz anderes Thema sind die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Julian Assange. Ich finde es ekelhaft, darüber zu spekulieren, was sich in schwedischen Schlafzimmern abgespielt hat. U.a., weil wir es sowieso nicht rausfinden werden, aber auch, weil es mit Wikileaks nichts zu tun hat. Weit interessanter ist die Frage, warum in diesem einen Fall eine Interpol-Fahdung hochgefahren wird, die es zu Sexualstraftaten sonst nicht gibt. Obwohl ja schön wäre, wenn das jetzt Standard würde. Die taz hat dazu passend gerade das Protokoll einer Vergewaltigung.

Antje Schrupp hat die Hysterie um angeblich geplatzte Kondome und das schwedische Verhältnis zu Vergewaltigungen genauer angeguckt: Julian Assange, Schweden und wildgewordene Feministinnen.

Das Forum Personal Democracy hat gestern das Symposium about Wikileaks and Internet Freedom (PDFLeaks) aus dem Boden gestampft, mit einer Besetzung, die einiges hermacht. Auf dem ersten Podium saßen Mark Pesce, Esther Dyson, Jeff Jarvis, Rebecca MacKinnon, Jay Rosen, Carne Ross, Douglas Rushkoff, Katrin Verclas and Gideon Lichfield, Moderation Micah Sifry. Podium Nr. 2 mit Arianna Huffington, Charles Ferguson, Andrew Keen, Zeynep Tufekci, Tom Watson, Dave Winer, and Emily Bell, moderiert von Andrew Rasiej (alle Videos).
Googlet die Leute, wenn Ihr wissen wollt, welche Sahneschnittchen das sind und abonniert ihre Tweets.

Nebenbei: ich würde mir auch hier wünschen, dass bei Veranstaltungen von dem Kaliber so selbstverständlich kompetente Frauen dabei sind, und zwar mehr als eine. Esther Dyson wurde anmoderiert als „the godmother of the internet“. Na, wer hatte den Namen schonmal gehört?

Panel 2

http://www.youtube.com/watch?v=2c3tTI68gkE

Ein Twitter-Kommentar, der mir gut gefiel, als die Diskussion ein bisschen abglitt:

Die Cyber-Gewaltdebatte, ob nämlich DDoS-Attacken die digitale Form des legitimen zivilen Ungehorsams ist oder im Gegenteil eine undemokratische Einschränkung des Rechts auf Redefreiheit bzw. wahlweise des freien Netzes ist, findet weiter statt. Wer’s mag:

Und für die historisch Interessierten: A brief history of politically motivated denial of service attacks: (pdf) (vom Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence (CCD COE), einer NATO-Institution)

Ein weiterer interessanter Aspekt, der auch in vielen Tweets zur PDFLeaks-Veranstaltung angesprochen wurde, ist die Frage danach, warum Wikileaks bestimmten Printmedien die Auswahl überlässt, was und wie tatsächlich veröffentlicht wird. Mit dem Resultat, dass der Fokus auf Europa und Nordamerika liegt.

Der erste Text, den ich dazu las: Malte Daniljuk: Der Wikileaks-Flop (amerika21.de)

Last but not least alte vs. neue Medien im Gespräch zwischen Hans Leyendecker und Philip Banse über Wikileaks, kurz bei DRadio Kultur und lang bei Philip Banse

Und ganz zum Schluss noch was, was die Medienaktivistin in mir besonders goutiert:
Chris Anderson: From Indymedia to Wikileaks: What a decade of hacking journalistic culture says about the future of news

Indischer Terror-Sari

In den USA gibt es als Alternative zu den zunehmend an Flughäfen eingesetzten Nacktscannern eine Form des Abtastens, die allgemein als intensives Befummeln jeder erreichbaren Körperfalte und entsprechend unangenehm beschrieben wird.

Vor einer Woche hat das die indische Botschafterin Meera Shankar erlebt. Grund: sie trug einen Sari.

Ambassador Meera Shankar of the Republic of India presents credentials to US President Barack Obama. Photo by Lawrence Jackson, courtesy of US Department Of State. From Public Domain.

Die Fummelei findet in aller (Flughafen-)Öffentlichkeit statt und hat in Indien einiges Aufsehen erregt, inkl. bisher einer Demo vor einer US-Botschaft

Geert Lovink & Pit Schultz: Jugendjahre der Netzkritik

Die deutsche Blogosphäre vermittelt gelegentlich den Eindruck, sie habe das Netz erfunden und sei überhaupt das Zentrum der Welt. Wer sich eines besseren belehren lassen möchte und die Theorie nicht scheut, kann jetzt bei Geert Lovink und Pit Schultz nachlesen, was vorher war.

Das Institute of Network Cultures hat in der Reine „Theory on Demand“ das Print-on-Demand-Heft „Jugendjahre der Netzkritik. Essays zu Web 1.0 (1995 – 1997)“ (pdf) herausgebracht.

Ein klein bisschen aufwendiger hätte es sein dürfen – ein klickbares Inhaltsverzeichnis würde das lesen online z.B. echt bequemer gestalten -, aber wir wollen ja nicht pingelig sein. Dass es eher um Grundsätzliches als um Oberflächlichkeiten geht, kennzeichnet diesen Flügel der Netz-BewohnerInnen deutlich.

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