In Heidelberg gab es einen Spitzel, oder verdeckten Ermittler. Das machte kürzlich schon die Runde und ist an sich nicht überraschend. Dass die Behörden wissen wollen, wie die genuin staatsfeindlichen Aktivitäten links der SPD aussehen, liegt auf der Hand. Da Putsch und Revolution ständig kurz vor der Tür stehen, muss die Verfassung vor derlei Machenschaften geschützt werden. Im Ernst: natürlich ist es eine Schweinerei, dass sowas stattfindet. Es wundert mich aber nicht.
„Simon Brenner“ hat neun Monate für das LKA Baden-Württemberg die linke Szene Heidelbergs ausspioniert. Ungewöhnlich ist, dass er das und viele Details selber erzählt hat, nachdem er zufällig am 11.12. bei einer Party als Polizist erkannt worden war. Es ging vor allem um die Antifa, aber auch um den Castor-Protest im Herbst, das No-Border-Camp in Brüssel, den SDS, Bildungsstreiks und mehr.
Nun ist bekannt, dass er monatelang ausgebildet wurde, was für Papiere er benutzte, wie oft, wie und wo er seine Berichte und ‚Personalakten‘ über einzelne AktivistInnen ablieferte.
Daneben sorgte der Spitzel für die Hausdurchsuchung bei einem linken Studenten, nachdem er in dessen Zimmer kriminalisierbares Material gesehen zu haben behauptete. Durch diesen Einsatz wurde nicht nur das verfassungsgemäß vorgeschriebene Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei ausgehebelt, sondern auch ohne jeglichen konkreten Tatvorwurf eine Vielzahl oppositioneller Gruppen und Einzelpersonen ausspioniert und polizeilich erfasst. (Antifa Heidelberg)
Dieser Umstand war für alle Betroffenen ein großer Schock. Abgesehen von einer persönlichen Enttäuschung, ist die Tatsache, dass die Polizei so massiv in unser Leben eingreift beängstigend. Wir konnten uns vorher nicht vorstellen, dass eine solche Taktik gegen studentische Gruppen angewandt wird. (Kritische Initiative HD)
Informationen über „Simon Brenner“ umfassen die Details seiner Papiere, Konten, seine angebliche Wohnadresse – wo er nie wohnte, wo aber seine Post hinging.
Mail-Account gehackt und dann zurückerobert
Ein wirklicher Coup ist der ‚Hacker-Gruppe „Spitzel sind das Allerletzte“‚ gelungen, die sich Zugang zum Mail-Account simonbrenner(at)ymail.com verschafft hat. Die ca. 2000 E-Mails lassen einiges über die Aktivitäten des „Simon Brenner“ erkennen.
So sind offenbar selbst die Grünen nicht vor polizeilichem Interesse gefeit: Im April schrieb er eine Mail an die Grünen Heidelberg, in der es um eine Aktion in Biblis geht.
An diesem Punkt fing auch Spiegel Online an sich zu interessieren und schrieb Montag eine Mail an simonbrenner(at)ymail.com mit der Bitte, er möge doch mal bestätigen oder dementieren, dass er er sei und als verdeckter Ermittler des LKA die linke Szene in Heidelberg beobachtet habe. Seine Mail-Adresse sei bei Indymedia veröffentlicht worden.
Er bekam eine freundliche Antwort mit der Information, dass der Mail-Account und diverses anderes dem Herrn Brenner nicht mehr zur Verfügung stünde. Der Spiegel aber durchaus mit Material aus den Mails versorgt werden könne.
Resultat? Der Mail-Account wurde von ‚irgendwem‘ zurückerobert, und bei Spiegel Online erschien heute ein Artikel, in dem die Mails keine Rolle spielen: Vorsicht, Simon hört mit. Im „Unispiegel“, nicht etwa bei „Politik“.
Die Frankfurter Rundschau ist nicht so wählerisch, was geleaktes Material angeht, und veröffentlichte heute abend Der Simon von der Polizei. Darin wird über den Inhalt der Mails berichtet.
Ich bin jedenfalls gespannt, was der Spiegel eigentlich auf der gerade angedachten selbst betriebenen Leaking-Plattform veröffentlichen will.
Mehr Spitzel in Baden-Württemberg
Im Untersuchungsausschuss Stuttgart 21 kam gerade raus, dass mehrere verdeckte Ermittler auch gegen die S21-AktivistInnen eingesetzt werden.
Wenn wir das jetzt auf die anderen Bundesländer hochrechnen, muss sich wohl niemand mehr a) darüber wundern, dass ein Extremimus-Gespenst an die Wand gemalt wird, dass wahrscheinlich vor allem dazu dient, die Finanzierung all dieser Aktivitäten zu legitimieren und b) warum die deutschen PolizistInnen so grottenschlecht ausgerüstet sind (nicht dass ich mich beschweren würde). Dafür ist dann mit Sicherheit kein Geld mehr da.