Der Verfassungsschutz, die Pressefreiheit und der G8

Wer erinnert sich noch an die vielen zutiefst erbosten Artikel kurz vor dem G8-Gipfel 2007, als diversen JournalistInnen die Akkreditierung verweigert worden war, weil der Verfassungsschutz sie irgendwie nicht angemessen fand?

Ich fand in meiner Mailbox gerade diese Presseerklärung von Fritz Burschel, die an der kritischen Öffentlichkeit knapp zwei Jahre später spurenlos vorbeizog. Er hat gegen den Verfassungsschutz geklagt und gewonnen. Schön, wenn Leute Rückgrat haben und nicht alles einstecken, noch schöner, wenn sie damit Erfolg haben:

10.2.09
Presseerklärung zur Klage eines freien Journalisten  gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz wegen Nicht-Akkreditierung zum G8-Gipfel in Heiligendamm 2007

Dämpfer für Bundesamt für Verfassungsschutz:
Negativvotum bei G8-Akkreditierung rechtswidrig
Teilerfolg des Klägers vor dem VG Köln: Politische Vorwürfe des BfV unzureichend

Der „vom Bundesamt für Verfassungsschutz herangezogene und auch einzig in Betracht kommende Ablehnungsgrund (…) liegt nicht vor“, urteilte das Verwaltungsgericht Köln am 15.1.09 (Az 20 K 1505/08). Die Entscheidung liegt nun im Wortlaut vor und kann als deutlicher Dämpfer für den Verfassungsschutz gewertet werden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte gegenüber dem Bundeskriminalamt (BKA) bei der Überprüfung der Akkreditierungen für den G8-Gipfel in Heiligendamm gegen den Kläger Friedrich Burschel und weitere rund 20 in- und ausländische Journalist_innen ohne weitere Erläuterung ein Negativ-Votum ausgesprochen, woraufhin das federführende Bundespresseamt (BPA) die Akkreditierungen der Betroffenen am 30.5.2007 per E-Mail und ohne Begründung grußlos widerrief. Die meisten Betroffenen, so auch der Kläger, konnten jedoch ihre Akkreditierung auf verwaltungsgerichtlichem Wege durchsetzen. Auf Vermittlung des VG Berlin wurde Burschel nach-akkreditiert.

Friedrich Burschel, der sich in seiner Berufausübung erheblich eingeschränkt und gefährdet sah und sieht, klagte mit Unterstützung seiner Gewerkschaft ver.di gegen diesen Vorgang mit der Begründung, er wolle für sich und andere ausschließen, dass ein derartiges unhaltbares Verfahren die berufliche Betätigung auch künftig gefährde oder einschränke. Insoweit gab das VG dem Kläger jetzt ausdrücklich Recht.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz konnte erst auf dem Wege des Widerspruchs- und erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens überhaupt dazu gebracht werden, seine Erkenntnisse über die „Gefährlichkeit“ des Klägers zum Teil offen zu legen. Anhand einer Auflistung der politischen Aktivitäten und Veröffentlichungen des Klägers im Bereich des politischen Antirassismus’ und Antifaschismus’ wollte das Bundesamt „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür sehen, dass Burschel „eine gewaltbereite Bestrebung nachdrücklich unterstützt“. Kritische Artikel in linken Publikationen (z.B. „analyse & kritik“, „arranca“, „jungle world“, „interim“) zu Fragen des als rassistisch charakterisierten bundesrepublikanischen Grenz- und Migrationsregimes, Anmeldung und Leitung etlicher antirassistischer und antifaschistischer Demonstrationen und Kundgebungen sowie politische Solidaritätsarbeit für Inhaftierte in den Verfahren gegen Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ (2000ff) reichten dem BfV aus, aus dem Kläger einen „Unterstützer der autonomen und gewaltbereiten Szene“ Deutschlands zu machen, der auch in Heiligendamm etwas im Schilde geführt haben müsse. Allenfalls eine „Schnittstellenfunktion“ des Klägers zu dieser Szene mochte das VG Köln konzedieren, die jedoch die Schlussfolgerungen des BfV und sein Negativ-Votum nicht zulasse.

Das VG Köln bejahte das Rechtschutzinteresse des Klägers, da ein derartiges Akkreditierungsverfahren bereits zwei Mal (G8-Gipfel 2007, Fußball-WM 2006) zur Anwendung gekommen sei, weshalb „Wiederholungsgefahr“ bestehe und der Kläger in seiner Berufsausübung erneut damit konfrontiert sein könnte

Der Kläger Friedrich Burschel und sein Kieler Anwalt Alexander Hoffmann werden den vorerst aus formalen Gründen abgewiesenen Teil der Klage, nämlich die Löschung der über den Kläger gesammelten und gespeicherten Informationen, weiter verfolgen. Beide halten die Arbeit des BfV hier für rechtswidrig.

Nähere Informationen: Alexander Hoffmann, Tel. 0431/5459771, http://anwalthoffmann.de

Und dazu noch eine seines Anwalts:

Die Abgabe eines negativen Votums des Bundesamtes für
Verfassungsschutz zur Akkreditierung eines Journalisten für den
G-8-Gipfel in Heiligendamm war rechtswidrig

Verwaltungsgericht Köln 20 K 1505/08
Die Abgabe eines negativen Votums durch die Beklagte gegenüber dem
Bundeskriminalamt zur Frage der Akkreditierung des Klägers als
Journalist für den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm war rechtswidrig.

Der Kläger beantragte als Journalist beim Bundespresseamt seine
Akkreditierung für den G 8-Gipfel in Heiligendamm im Frühjahr 2007.
Nach dem in einer sogenannten „Datenschutzinformation" im Einzelnen
beschriebenen Verfahren setzte die Akkreditierung eine
Zuverlässigkeitsprüfung voraus, wobei eine Einwilligungserklärung bzgl.
der Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Polizei – und
Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sowie der
entsprechenden Datenübermittlung erforderlich war und vom Kläger
abgegeben wurde. Nachdem die Akkreditierung zunächst "bestätigt" worden
war, wurde diese aufgrund eines Negativvotums der Sicherheitsbehörden
abgelehnt. Daraufhin stellte der Kläger beim VG Berlin einen Antrag auf
Gewährung einstweiligen Rechtschutzes (VG 27 A 151.07). in diesem
Verfahren teilte das Bundespresseamt mit, dass dem
Akkreditierungsbegehren entsprochen werde, da die Sicherheitsbedenken
wegen des enormen Zeitdrucks zurückgestellt würden. Auf Anfrage teilte
das Bundeskriminalamt dem Kläger mit, dass das Negativvotum auf einer
Empfehlung des Bundesamt für Verfassungsschutz beruhe. Auf die Klage
des Journalisten hin stellte das Verwaltungsgericht Köln jetzt die
Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Bundesamtes für Verfassungsschutz
fest.

Das Verwaltungsgericht sieht eine Wiederholungsgefahr, da es davon
ausgeht, dass sich Journalisten auch künftig ähnlichen
Akkreditierungsverfahren unterziehen müssen, bei denen ein
entsprechendes Votum des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum
Ausschluß führen kann.

Maßstab für die Akkreditierung sei nicht, ob entsprechenden
Aktivitäten eines Journalisten seine Beobachtung durch den
Verfassungsschutz rechtfertigen. Vielmehr könne es nur darum gehen, ob
in Bezug auf die konkrete Veranstaltung tatsächliche Anhaltspunkte für
eine nachdrückliche Unterstützung einer gewaltbereiten Bestrebung
seitens in dem Sinne bestehen, dass sich für die Durchführung dieser
Veranstaltung daraus ein entsprechendes Gefahrenpotential ergibt. Für
eine solche Prognose sah die Kammer hier keine Anhaltspunkte gegeben.

Das BfV hatte eine „Schnittstellenfunktion" des Klägers zur
angeblich gewaltbereiten autonomen Szene angeführt. Eine solche
"Schnittstellenfunktion" bietee allerdings keine ausreichende Grundlage
für die genannte Schlussfolgerung. Denn der Gesichtspunkt, dass
gewaltbereite Gruppen versuchen, Außenstehende mit in ihre Aktionen
einzubeziehen, um dadurch insgesamt in den Bereich bürgerlicher Gruppen
hineinwirken zu können, begründe noch nicht die Annahme, dass eine
derartige Person bei einer solchen Veranstaltung gewaltbereite Gruppen
in irgendeiner Form in Bezug auf gewalttätige Aktionen unterstützen
wird.

Das Verwaltungsgericht stärkt damit die Position politisch engagierter Journalisten.

 

6 Gedanken zu „Der Verfassungsschutz, die Pressefreiheit und der G8

  1. Das liest sich doch recht gut. Im Rahmen des G8-Gipfels liefen so einige seltsame Aktionen von Polizei und Verfassungsschutz, die naeherer Beleuchtung beduerfen. Da ist es gut, dass sie vom VG Koeln einen Daempfer die Grenzen aufgezeigt bekommen haben. Dennoch frage ich mich, ob, und inwiefern, dies einen Einfluss auf zukuenftige Faelle haben wird…

  2. .. die guten Nachrichten! Das sind doch wirklich mal erfreuliche Neuigkeiten, in diesen orwellschen Zeiten. Vielen Dank für die Veröffentlichung. Fraglich ist natürlich, ob ein solches Urteil tatsächlich die repressive Praxis eines sich herausbildenden totalitären Überwachungsstaates im Zweifelsfall beeinflussen wird. Ob also die Hoffnung des Klägers Friedrich Burschel

    „..er wolle für sich und andere ausschließen, dass ein derartiges unhaltbares Verfahren die berufliche Betätigung auch künftig gefährde oder einschränke..“

    berechtigt ist, wird sich Zeigen müssen. Auch wenn davon auszugehen ist, das sich der Verfassungsschutz oder andere staatliche Organe bei Bedarf nicht an solcherlei Urteile gebunden fühlen werden, sind solche Fälle dennoch sehr wichtig. Einmal als Präzedenzfälle für künftige juristische Auseinandersetzungen, zum anderen für eine Öffentlichkeit, die an diesem Fall zweierlei lernen kann: Man muss sich, auch vom Staat, nicht alles gefallen lassen und: Rückgrat haben und Widerstand leisten kann erfolgreich sein.

    In diesem Sinne wünsche ich dem Kollegen und seinem Anwalt viel Erfolg beim weiteren Verfahren. Grüße Daniel

  3. Hervorragende Meldung!
    Solche, wenn auch späten, Erfolge, sind immens wichtig.
    Wenn „wir“ uns nicht wehren, haben „wir“ doch schon verloren. Ich weiß nicht, ob das den Überwachungsstaat aufhält, verzögert usw., aber es gibt mir ein kleines bisschen Hoffnung, dass die Rechtsstaatlichkeit hier noch nicht ganz verloren ist.

  4. Traurig, dass dieses Urteil genau das bestätigt, was Schäuble & co. unter „Rechtsstaat“ verstehen: Unrechtmäßiges Verhalten des Staates und seiner Organe gegenüber seinen Bürgern, gegen das die betroffenen Bürger im Nachhinein Rechtsmittel einlegen können.

  5. Ist die Entscheidung des VG irgendwo im Volltext erhältlich? Ich habe bereits auf der Seite der Entscheidungssammlung der nordrhein-westfälischen Gerichte und des Anwalts vergeblich gesucht.

  6. Pingback: Klage gegen den Verfassungsschutz « Gegen und über Extremismus

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