Offline-Zensur – Prozessbeginn gegen linke BuchhändlerInnen

Gestern war der Prozessauftakt gegen linke BuchhändlerInnen in Berlin. Es geht um „Freiheit für die Offline-Provider„, wie mir Täglich Textarbeit freundlich in den Mund legte. Genauso wie die Offline-Raubkopiererei der Guttenplage für NetzaktivistInnen interessant ist, weil es (neben der puren Schadenfreude) um Urheberrechtsfragen geht, gehen uns Prozesse gegen BuchhändlerInnen was an, weil es hier um Zensur geht.

Gegen die werden nämlich schwere Geschütze aufgefahren: Verstoß gegen das Waffengesetz. Weil bei inzwischen regelmäßig stattfindenden Durchsuchungen in der dort vertriebenen ‚grauen Literatur‘ auch bspw. Anleitungen zum Bau von Molotow-Cocktails etc. gefunden wurden.

Und müssen jetzt die BuchhändlerInnen alles gelesen haben, was es bei ihnen zu kaufen gibt? Das ist eine der zentralen Fragen – keine neue, übrigens. Neu ist, dass das Waffengesetz zum Einsatz kommt. Im Grunde ist das nichts anderes, als wenn ISPs für entsprechende Websites vor Gericht gestellt würden. Mir wird immer wieder glaubhaft versichert, dass es solche Anleitungen im Netz zuhauf gibt – aus sicher nachvollziehbaren Gründen werde ich einen Teufel tun, selber danach zu suchen.

Macht es also aus der staatsschützenden Perspektive Sinn, ein paar Berliner BuchhändlerInnen deswegen zu drangsalieren, wenn das inkriminierte Material problemlos auch anders gefunden werden kann? Wohl nur, wenn das Ziel ist, endlich diese paar übriggebliebenen Buchhandlungen loszuwerden.

Die Details der Vorwürfe wurden bei einer Pressekonferenz gut erklärt:

(mp3, 17mb, 25 min.)

Die Szene hatte schon etwas Gespenstisches. Der Saal 101 im Kriminalgericht Moabit war gestern hermetisch abgeriegelt, die wenigen Zuhörer mussten sich einer verschärften Kontrolle unterziehen lassen, ihre Personalien wurden registriert. Noch vor Verhandlungsbeginn wurden Vertreter der Tagespresse mit dem Argument abgewiesen, die Pressebank sei bis auf den letzten Platz besetzt. Erst auf Intervention der Verteidigung fanden sich, welch ein Wunder, doch Plätze für Zuhörer und Presseleute. Was geschah da im Gerichtssaal? Ist ein gefährlicher Terrorist oder Serienmörder angeklagt, der verschärfte Sicherheitsmaßnahmen notwenig macht? (Neues Deutschland)

Zur Unterstützung der Buchläden gibt es die Website Unzensiert lesen, siehe auch hier in der rechten Randspalte. Es gibt Banner dazu hier, bitte räumt ihnen in Euren Blogs ein Plätzchen frei. Oder bastelt eigene, mir ist der Look auch ein bisschen zu altbacken.

Weil ich vor meinem geistigen Auge die Kommentare schon vor mir sehe, die anmerken, dass es ja wirklich um gefährliche Bombenbauanleitungen geht (was ich nicht genau weiß): Ja. Selbst wenn: ist es richtig, deswegen BuchhändlerInnen zu verurteilen? Im übrigen gibt es die Interim, diese autonome Zeitschrift, um die es u.a. hier geht, schon so lange in diesen Buchhandlungen, wie ich in Berlin lebe, und das sind inzwischen über 20 Jahre. Damals gab es das alles wirklich nur semi-legal auf Papier. Und jetzt soll das ein Problem sein?

Auch dazu:

Veröffentlicht unter Justiz

Twitter-Voodoo

Die Zeit der Absonderlichkeiten rund um technische Geräte in meinem Leben ist schon länger vorbei. Dachte ich. Je nachdem, mit wem ich zu tun habe.

Am Montagabend schickte ich eine Direct Message (DM) per Twitter an Anke Domscheit-Berg. Eine Nachricht also, die nur sie zu sehen bekommt. Der Inhalt war völlig unspektakulär:

Suchanfragen nach dir landen in meinem Blog, meine Google-Wertigkeit scheint doch besser, als ich dachte 😉

Was bedeutet: ich kann in meinem Blog sehen, wonach die Menschen gegoogelt haben, die dann bei annalist gelandet sind. Einige googelten „Anke Domscheit-Berg“ und fanden Ergebnisse bei annalist, was mit diesem Artikel zu tun hat. Darin geht es um ihre Teilnahme an einer Phoenix-Sendung zur Frauenquote.

Wer eine Twitter DM bekommt, kriegt dazu eine Benachrichtigungsmail von Twitter. Anke in diesem Fall nicht. Aufmerksam wurde sie am nächsten Tag erst, weil sich in ihrer Mailbox folgendes fand: eine Mail an eine von ihr subskribierte (abonnierte) Mailingliste, von jemand anderem, Inhalt der Mail: die bewusste Twitter-DM-Benachrichtigung. Thema der Liste: Open Data.

Nun hat sie zwei Rechner und kann mit beiden ihre Mails abrufen. Auf dem einen das gerade beschriebene Phänomen, dargestellt über das dort installierte Mail-Programm Outlook, auf dem anderen: alles normal.

Nach ein bisschen Herumfragen stellte sich heraus, dass niemand sonst über die Liste meine Twitter-DM bekommen hatte. Irgendwie beruhigend. Nicht auszudenken, ich hätte mich lästerlich über Dritte ausgelassen.

Der für Anke erkennbare Absender der Listen-Mail wusste auch von nichts und versichert glaubwürdig, Twitter-DMs von mir weder zu kennen noch zu verschicken.

Wer genau hinguckt, kann sehen, dass die von mir Montag abend 23:32 Uhr verschickte DM in der Mail als zweieinhalb Stunden später verschickt dargestellt wird. Die Mail selber aber will schon acht Stunden vorher verschickt worden sein.

Für sowas gibt es bestimmt jede Menge mögliche Erklärungen, und einige haben sicher mit dem benutzten Mailprogramm zu tun, andere mit den eingestellten Uhrzeiten der diversen Server, über die das lief. Nichtsdestotrotz ist es eine ziemlich merkwürdige Begebenheit.

Wien: Film über Abschiebung ist Terrorismus

Es gibt eine neue mutmaßliche Terror-Organisation in Europa. Ihr Ziel: „die Erzwingung einer Gesetzesänderung“.

Was als Ziel einer terroristischen Vereinigung ja schonmal originell wäre. Kein Schrecken, keine Toten, keine Revolution oder Abschaffung des Systems, nein: „Die Erzwingung einer Gesetzesänderung, aber auch eine Änderung der Asylpolitik in Österreich.“

Das Indiz: ein Film. Über Abschiebungen. Produziert von vier Studierenden an der Akademie der bildenden Künste Wien.

Sie begleiteten am 22. Juni 2010 eine Abschiebung mit der Videokamera, vom Schubhaftgefängnis an der Wiener Rossauer Lände bis zum Wiener Flughafen. Dabei handelt es sich um ein Projekt ihrer Klasse für konzeptuelle Kunst an der Akademie, wie auch eine Expertise der Akademie bestätigt.

Gegen sie wird jetzt vom „Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT)“ nach §278b, Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung, in Österreich ermittelt. Der Film sei nämlich eigentlich eine Observation gewesen. Die Staatsanwaltschaft ist noch nicht überzeugt, immerhin. Der Rest ist genauso absurd wie immer.

Details im redaktionsblog von Profil online: „Enormes Sicherheitsrisiko“

Mühsam nährt sich das Quoten-Hörnchen

Der alte Staubfänger Frauenquote hat es kurz in die Schlagzeilen geschafft. Schon erstaunlich.

Mit Abstand am besten verarbeitet wurde das Thema von Xtra 3:

http://www.youtube.com/watch?v=3Upv4XsR_wY

Die Buttons (s.u.) werden übrigens verlost, einfach eine Mail bis 11.2., 12 Uhr an extra3@ndr.de

Auf Platz 2 meiner persönlichen Rangliste folgt das Spiegel-Titelbild dazu. Zu einem Leitartikel, der deutlich pro-Quote ist und auch dabei  die Spiegel-Redaktion explizit in die Kritik mit einschließt, sehen wir eine Illustration mit realsozialistischer Anmutung. Was wollte uns die Grafik-Abteilung hier mitteilen – Quote = Planwirtschaft? Ich habe mal gelernt, das sowas Text-Bild-Schere heißt und tunlichst zu vermeiden ist.

Es gibt aber natürlich auch ein paar sinnvolle Sachen zum Thema.

Zwei empfehlenswerte Texte:

Draußen nur Kännchen: Mein Beitrag zur Frauenquote

Vorspeisenplatte: ..und deshalb bin ich für die Frauenquote

Außerdem, wie immer treffend, die Mädchenmannschaft: Die Frauenquote? Ein Satz mit X!

Wer Bedarf an inhaltlicher Auseinandersetzung zum Thema hat, sollte unbedingt die Phoenix Runde von gestern abend angucken. Es diskutierten Anke Domscheit-Berg („Frauen in die Aufsichtsräte e.V.“), Marie-Christine Ostermann (Bundesvorsitzende „Bundesverband Junge Unternehmer“), Miriam Gruß (FDP) und Bascha Mika (Publizistin). Insbesondere die Argumente von Anke Domscheit-Berg sollte jede Quoten-Befürworterin am besten immer gut greifbar in der Tasche haben. Auch wenn mir bei den eher volkswirtschaftlichen Argumenten zuweilen die Tränen in die Augen geraten – sinngemäß verschwenden wir die in die vielen gut ausgebildeten Frauen investierten Bildungsmillionen, wenn das Geld nicht wiede reinkommt, weil die Frauen nicht ihrer Qualifikation entprechend eingesetzt werden. . Aber wahrscheinlich ist das das einzige, was bei der FDP überhaupt ankommt.

Phoenix Runde „Wir müssen draußen bleiben – woran scheitern Top-Frauen?“ (mp4, 107b)

Unterm Strich bleibt alles wie immer, aber wer sich jetzt über Angela Merkel, die FDP, die CDU, die ganzen Deppen aufregt: die vorigen Koalitionen kannten das Problem auch schon – und es geht ja aktuell nur um die Führungskräfte, von allen anderen Positionen wird ja gar nicht geredet, und warum eigentlich nicht? Und haben auch nichts gemacht.

Wenn das Glas halbvoll sein soll, könnten wir sagen: schön, dass die anderen inzwischen was dazugelernt haben. Hoffentlich erinnern sie sich daran, wenn sie mal wieder an der Macht sein sollten. Und arbeiten derweil an ihren eigenen Führungsetagen.

Rallye Budapest-Bamako: Tote Kinder, Kühe, Hühner

In Dakar, Senegal findet gerade das Weltsozialforum statt. Dort angekommen ist auch die Karawane für Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung. Ebenfalls angekommen ist eine ganz andere Gruppe, die Rallye Budapest-Dakar, Nachfolgerin der Rallye Paris-Dakar. Beide Gruppen sind sich vor ein paar Tagen begegnet, dabei wurden die einen von den anderen mit der Kamera interviewt.

Neben Berichte über das extrem rassistische Verhalten von Rallye-Teilnehmenden – auch im Video zu sehen -, wird vor der Kamera erzählt, dass anscheinend Fahrzeuge, die mit der Rallye zu tun haben, zwei senegalesische Kinder getötet haben. Die taz berichtete darüber bereits letzte Woche: Mit allen Mitteln.

Ausschnitte der Interviews:

http://www.youtube.com/watch?v=ULViBb5uM_k

Ein Fahrer schildert folgendes: „Es war nahe Dakar, ja. Da hat ein Auto ein oder zwei Kinder getötet (“killed”). Es gab einen großen Auflauf (“crowd”), eine lange Schlange (“queue”), alle haben den Motor abgestellt. Wir sind links daran vorbeigefahren und haben es gesehen. Die Menge hat dann Steine geworfen. So machen sie das hier in Afrika. Wir haben das vorher schon gehört. Wenn man eine Kuh überfährt, oder einen Hund oder ein Huhn, dann musst du einfach weg, einfach los. Sonst machen sie dir Schwierigkeiten und man kommt da nicht wieder raus, wirklich, 100 Prozent.“ (Karawane-Website)

Auf der Website der Rallye klingt das ganz anders:

Friends. Parties. Deserts.
The Budapest-Bamako is about community. It’s about meeting new people. It’s about sharing meals, drinks and stories at the end of each day. It’s about visiting local villages in Africa bringing gifts and learning about each other. It is about destroying stereotypes. It is also about having a good time.

Der größte Lump im ganzen Land …

… das ist und bleibt der Denunziant. (Hoffman von Fallersleben, Politische Gedichte 1843)

Ägypten überschattet  – zurecht – alle anderen Themen, auch die ziemlich spektakulären Enthüllungen zu verdeckten ErmittlerInnen in Deutschland und Großbritannien.

Es gibt aber weitere Neuigkeiten und Kommentare, die nicht untergehen sollen:

Die Antifaschistische Initiative Heidelberg, die schon Ziel von Simon Bromma war, gibt bekannt, dass es allein in Heidelberg noch zwei weitere verdeckte Ermittler geben soll. (Interessant wäre, das Verhältnis pro AktivistIn auch auf andere Städte hochzurechnen. Damit sich das rechnet, muss die linke Gefahr für Staat und Verfassung ja ein enormes Ausmaß erreicht haben.)
Dazu auch Paul Wrusch in der taz: Zwei weitere Spitzel

Heribert Prantl in der Süddeutschen: Einsatz von V-Leuten. Wenn der Spitzel lockt

Das Lockspitzel-Wesen ist zu einem Geschwür im Organismus des Rechtsstaates geworden. Zumal im Kampf gegen Staatsfeinde, Terroristen und Drogenkriminelle wähnen sich die Ermittler seit jeher im Ermittlungsnotstand, in dem man zu anrüchigen Mitteln und Methoden greifen dürfe. Durch deren exzessiven Gebrauch ist es aber mittlerweile zur Veralltäglichung der Anrüchigkeiten gekommen.

Felix Helbig in der Frankfurter Rundschau: Spitzel. Jagdszenen mit Danielle

Verdeckte Ermittler werden eingesetzt, um Terror und Kriminalität zu bekämpfen. Das ist die offizielle Version. Tatsächlich spionieren sie oft linke und alternative Szenen aus. Das zeigen etliche Enttarnungen in der jüngeren Vergangenheit.

(Auch zum österreichischen Tierschützer-Prozess)

Weiterlesen

Nie wieder Einkesseln?

Telepolis meldet, dass in London letzten Samstag bei einer Demonstration vor der ägyptischen Botschaft gelungen sei, mit Hilfe eines neuen Smartphone-Tools einen Polizeikessel zu verhindern. Offenbar sind große stundenlange Polizeikessel für die zahlreichen Studierenden-Demos in London ein Ärgernis. Dagegen wurde jetzt Sukey entwickelt. Der Name leitet sich von einem Kinderreim ab:

Polly put the kettle on, Sukey take it off again.

(Das englische ‚kettle‘ (Teekessel) steht wie im deutschen auch für den Polizeikessel.)

Das System besteht bislang aus einem Twitterfeed, einem Text-basierten Warnservice und aus eine Online-Demo-Karte, die laufend aktualisiert wurde und über Smartphones verfügbar war. Gleichzeitig tweetete Sukey kurze Zusammenfassungen der Ereignisse, zudem auch. wo sich die Demonstranten befinden und insbesondere, wo sich die Polizei gerade zum Kesselbau anschickte. (Telepolis)

Mit den britischen Bedingungen kenne ich mich nicht aus, aber hierzulande gleitet das sicherlich am Rand der Legalität entlang, denn alles, was als Aufruf zu Straftaten gewertet werden kann, ist verboten. Dazu kommt, dass es in Deutschland relativ selten zu großen Kesseln kommt, die lange stehen bleiben. Bei großen Demonstrationen aber könnte sowas schon hilfreich sein.

Weiterlesen

Lieber rot-roter Senat,

überlegt euch das mit der Räumung der Liebigstr. 14 nochmal.

Noch sind ein paar Stunden Zeit. Natürlich könnt Ihr Euch darauf zurückziehen, dass das alles rechtens ist. Nur: Politik ist kein Jura-Studium. Niemand weiß besser als Ihr, dass Realpolitik bedeutet, sich mit den realen Verhältnissen zu beschäftigen, und nicht mit Ideen.

Wenn die Liebigstr. morgen geräumt wird, ist in der Stadt die Hölle los. Das ist so klar wie Kloßbrühe. Das muss man nicht mögen, das mag wahrscheinlich außer ein paar ganz wenigen Leuten wirklich niemand. Aber es wird so sein. Ich bin in meinem Leben verschiedenen Leuten begegnet, die in der BZ gemeinhin als ‚Chaoten‘ beschrieben werden, und selbst die machen in der Regel lieber was anderes, als sich mit Tränengas beschießen zu lassen. Ausnahmen bestätigen die Regel, und natürlich gibt es die, und natürlich werden die morgen zahlreich anwesend sein.

Nach allem, was ich bisher über den Besitzer des Hauses Liebigstr. 14 gelesen und gehört habe, scheint er ein ziemlicher Unsympath zu sein. Wer jedes Angebot ablehnt, über die Situation auch nur zu sprechen, kann sich das Etikett ‚Demokrat‘ wohl nicht an die Jacke heften. Auf dessen Seite wollt Ihr Euch stellen?

Das Gerichtsurteil, dass zu räumen ist, muss nicht mit einem derartigen Polizeiaufgebot durchgesetzt werden. Es gab in Berlin schon Innensenatoren, die Räumungen mit dem Argument ausgesetzt haben, sie gefährdeten den Frieden der Stadt. Es ist möglich.

Es gab in Berlin schon Räumungen, die Koalitionen haben platzen lassen.

Es gab Räumungen, deren finanzielle wie auch soziale Kosten in keinem Verhältnis dazu standen, dass es aber nunmal korrekt war, rechtsstaatlich betrachtet. Das, was voraussichtlich morgen geschehen soll, ist so eine Räumung. Die Räumung wird Folgen haben, die noch lange zu spüren sein werden, und dabei rede ich nicht von eingeschmissenen Schaufensterscheiben.

Ihr macht Euch damit bei vielen Leuten nicht beliebt, auch wenn die BZ was anderes behauptet. Wenn sogar in der Berliner Zeitung (der ich keine BZ-Nähe nachsagen will, die aber doch in der Regel eine in jeder Hinsicht moderate Haltung vertritt) Artikel erscheinen, die mit den Sätzen enden

Zurzeit aber ist es wichtig, ein Transparent aus dem Fenster zu hängen und darauf in Großbuchstaben zu schreiben: Solidarität mit den Bewohnern der Liebig 14! Obwohl das nur die halbe Wahrheit ist.

dann sollte Euch das zu denken geben.

Übrigens wird gewählt dieses Jahr, man wird sich an diese Geschichte erinnern. Die Menschen mögen das nicht, wenn so massiv Polizeigewalt zu beobachten ist.

Es wird Verletzte geben: die werdet Ihr verantworten müssen. Nein, werdet Ihr sagen, daran sind die Chaoten schuld, und außer Kontrolle geratene Polizeieinheiten. Nur: Ihr seid die Regierung. Ihr habt die Macht. Ihr verantwortet den Einsatzbefehl. Niemand sonst.

Tut es nicht.

Schreibt Mails an Kristina Schröder – Aktionstag gegen die Extremismusklausel

Der 1. Februar ist Aktionstag gegen die Extremismuserklärung. Heute sollen möglichst viele Menschen Mails und Faxe an Kristina Schröder und Angela Merkel schicken. Dafür gibt es Vorlagen, leider nur als PDF – meiner Erfahrung nach ist es aber eh sinnvoller, eigene Texte zu verwenden. Kopien bitte an „extreme_zeiten at gmx.de“ für den besseren Überblick

Hintergrund ist eine Art Neuauflage des Radikalenerlasses: Projekte, die Fördergelder der Bundesprogramme „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ sowie „Initiative Demokratie stärken“ beantragen, bekommen sie nur, wenn sie die „Demokratieerklärung gegen Extremismus“ unterschreiben. Die beinhaltet u.a. die Selbstverpflichtung, alle Gruppen, mit denen die Projekte zusammenarbeiten, auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen. Warum das nicht so schön ist, wie es klingt, wird in den Sechs Guten Gründen, gegen die Extremismuserklärung zu protestieren erklärt.

Wer sich weigert, bekommt kein Geld. Das gefährdet wichtige Projekte gegen Nazis – real überlebenswichtig in vielen Gegenden des Landes.

Am Abend gaben die InitiatorInnen gut gelaunt bekannt, dass sie von rund 1000 Protestschreiben wissen, die heute an die Kanzerin und die Familienministerin gingen:

Neben SPD, Bündnis 90/ die Grünen und LINKE sowie den Gewerkschaften beteiligten sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, lokale Bündnisse gegen Rechts, Bildungsträger, Wissenschaftler/innen, Wohlfahrtsverbände an den Protesten – so u.a. die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, der Verein Gesicht zeigen!, das Haus der Demokratie und Menschenrechte sowie der Leiter des renommierten Zentrums für Antisemitismusforschung, Prof. Wolfgang Benz.

Bitte beteiligt Euch und lasst die Zahl noch ein bisschen wachsen.

Eine andere Form haben veschiedene sächsische Initiativen gewählt, die heute symbolisch ihre Websites abgeschaltet haben.

Es gab schon jetzt ein breites Presseecho auf den Aktionstag – vielleicht hat das damit zu tun, dass sich in den Redaktionen noch einige RedakteurInnen an die Berufsverbote erinnern, die es in Westdeutschland in der Hochphase des Kalten Krieges gab?

MDR: Streit um die Extremismusklausel:

Wer’s mag: es gibt auch eine Facebook-Seite.

Das Land Berlin übrigens hat Klage gegen die Klausel eingelegt. Es wäre schön, wenn es das anderswo auch gäbe.

Gedanken zu Ägypten 2.0 – This revolution will be televised

(..wobei es ja anscheinend gerade für die ägyptische Revolution nicht so gut aussieht.)

Ich verfolge krankheitsbedingt die Ereignisse in Ägypten nur ausschnittsweise. Aber was anderes als Momentaufnahmen ist mit Sicherheit auch für die nicht möglich, die rund um die Uhr online sind.

Wie schon bei den Aufständen in Tunesien ist es gut, über die verschiedenen Social-Media-Kanäle viele ganz unterschiedliche Dinge über Ägypten zu sehen und zu lesen. Feedreader, Chat, Twitter, Facebook, Mail: Ägypten. Als Internet und Mobilfunknetze abgeschaltet wurden, war live zu beobachten, wie sich Leute koordinierten, um Alternativen zu schaffen und dazu gegen die Unternehmen zu protestieren, die verwickelt waren.

Phasenweise kam es mir vor wie die Globalisierungsproteste des vergangenen Jahrzehnts. Die wurden nicht nur groß, weil viele auf die Straße gingen, sondern auch, weil es erstmals zeitnah andere Informationen gab: über Indymedia. Bilder und Timelines noch am gleichen Tag, die die konventionellen Medien Lügen straften. In unschlagbarem Tempo, einfach weil niemand sonst soviele KorrespondentInnen vor Ort hatte. Weil es erstmals möglich war, etwas online zu veröffentlichen, ohne selbst eine Website zu haben, und zu kommentieren, was andere schrieben – um einer Perspektive auf ein Ereignis eine andere hinzuzufügen. Heute ist nichts selbstverständlicher als das, aber vor zehn Jahren gab es das sonst nirgends.

Weiterlesen