Too Much Coffee

Die Frage danach, was Terrorismus sei, ist weiter offen und ehrlich gestanden nehme ich nicht an, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird. Um die Annäherung an eine Antwort voranzutreiben seien alle weiterhin aufgefordert, sich am Preisausschreiben zu beteiligen, und/oder attraktive Preise zu spenden!

Die wunderbare Ivana hat dieses gefunden, und nebenbei einen kurzen Überblick auf slowenisch kroatisch verfasst.

Zu der Frage, wer Andrej heute vor der Uni gefilmt hat: nicht das BKA, sondern Polylux. Das Ergebnis gibt es Donnerstag. Ebenfalls im Fernsehen gab es diesen Fall, bei dem schon linksbündiges Times New Roman als Indiz reichte.

Beobachtungen

Ich werde gerade viel gefragt, ob die Überwachung jetzt eigentlich eingestellt wird. Das wüsste ich auch gern. Letztes Endes habe ich keine Ahnung, denn über die Details der Ermittlungen in §129a-Verfahren weiß ich inzwischen zwar einiges mehr als vor drei Monaten, aber doch auch nicht wirklich viel. Und schwanke ständig, ob ich mich nun noch mehr damit beschäftigen will oder nicht. Grundsätzlich bin ich ja nicht nur die ‚Frau von dem Terroristen-Andrej‚, sondern beschäftige mich wesentlich lieber mit anderen Dingen als mit diesem Verfahren. Und auch wenn ich mich gezwungenermaßen ständig damit beschäftige, habe ich meistens wenig Lust, mir Gedanken darüber zu machen, ob und wer gerade wie zuhört, ob uns wer nachläuft und wer gerade guckt. Das wirkt vielleicht überraschend, nachdem ich gerade solche Beobachtungen hier aufschreibe, aber tatsächlich ist es so, dass ich eher zu den Menschen gehöre, die es ekelhaft finden, sich auf dieser Ebene mit behördlichen Maßnahmen auseinanderzusetzen.

Insofern finde ich die Vorschläge zwar interessant, auf die Laternenpfahl-Gucker & Co. zuzugehen und sie mit ihrem Verhalten zu konfrontieren, aber selber kann ich mir unendlich viel angenehmere Möglichkeiten vorstellen, meine Zeit zu verbringen. Die Psyche der BeamtInnen interessiert mich tatsächlich überhaupt nicht. Sie werden ihre Gründe haben, warum sie sich ausgerechnet diesen Job ausgesucht haben. Sicher, in jedem Job gibt es Dinge, die gewissenmaßen ‚mitgekauft‘ werden, und viele Leute machen Jobs, die ihnen keinen Spaß machen, weil sie nicht anders können. Dennoch denke ich, dass die grundsätzliche Entscheidung, bei der Polizei anzufangen, schon bewusst getroffen wird und damit auch eine gewissen Überzeugung da ist, dass im Leben anderer Leute herumgeschnüffelt werden muss. Und genau hier endet mein Interesse. Beobachtungen aufzuschreiben ist eine Sache – es ist auch eine Art, sie ‚loszuwerden‘, um eben nicht weiter darüber nachdenken zu müssen. Ich wäre vielleicht interessiert an Erfahrungen anderer Leute, die es mal ausprobiert haben, ihre Überwacher zu konfrontieren, aber selber verbringe ich meine Zeit lieber anders.

Nicken

Letzten Mittwoch, am Rande der Kundgebung zur Unterstützung derjenigen Menschen, die als ZeugInnen vorgeladen sind und Dienstag bis Donnerstag sehr seltsame Stunden beim BKA in Treptow verbracht haben, ging Andrej mit unserer Tochter ein paar Schritte von der Kundgebung weg, um ihr beim Bäcker was zu Essen zu holen. Im Eingangsbereich des Einkaufszentrums standen einige junge Männer, von denen er einen schonmal an der Kita gesehen hatte. Sie tuschelten und zeigten auf ihn. Da sie fast voreinander standen, nickte er ihnen zu. Sie nickten zurück. Weiterlesen

Der Haftbefehl ist aufgehoben

Der BGH hat eben mitgeteilt, dass er schon am 18.10. beschlossen hat, den Haftbefehl aufzuheben, dass aber weiter nach §129a ermittelt wird.

Im Haus der Demokratie und Menschenrechte findet dazu um 14 Uhr eine Pressekonferenz statt. Parallel finden heute wieder ZeugInnen-Vorladungen statt, akuell wird seit Stunden Hartmut Häußermann befragt; zu den Vorladungen gibt es um 15:30 eine Kundgebung.

Aber was ist das eigentlich: Terrorismus?

Nicht nur der BGH soll Mittwoch entscheiden, was Terrorismus ist. Das Bündnis für die Einstellung der §129a-Verfahren stellt die Frage auch, und hier gibt es statt U-Haft Preise zu gewinnen:

International Terrorism, by ephaDie Bundesanwaltschaft verfolgt ihn. Die rot-grüne Koalition hat
versucht, ihn neu zu definieren. Der Bundesgerichtshof muss ihn prüfen
und unsere Freunde sollen seinetwegen angeklagt werden. Das Phantom des
"Terrorismus".

Mit dem Paragraph 129a des Strafgesetzbuches sollen die Betätigung und
die Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" juristisch
verfolgt werden, doch selbst die höchsten Richter der Republik sind
sich nicht ganz sicher, was darunter verstanden werden soll.

 Die Bundesjustizministerin
denkt, dass nicht mal der 11. September terroristisch war, aber alle
haben davor Angst. Das Strafgesetzbuch, die UNO und auch die EU haben
gar keinen festgelegten Terrorismusbegriff und auch wir fragen uns
aktuell: Was ist eigentlich Terrorismus? Wer ist ein Terrorist? Und was
eine terroristische Handlung? Weiterlesen

BGH gibt Entscheidung am Mittwoch bekannt

Der Bundesgerichtshof hat angekündigt, am Mittwoch um 12 Uhr die Entscheidung bekannt zu geben, ob Andrej wieder in Untersuchungshaft muss.

 

Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle

Nr. 151/2007

Bundesgerichtshof entscheidet über Haftbefehl gegen
Berliner Soziologen

Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten – einen promovierten Soziologen, der u. a. an der Berliner Humboldt-Universität beschäftigt ist – ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

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Blindflug

Wir sind wieder in Berlin nach zwei Tagen Norddeutschland. Und beeindruckt von den Reaktionen hier und anderswo. Nachdem meine Texte bei fefe, gulli.com und ravenhorst, und dann vielen anderen* erwähnt wurden, katapultierte dieser Blog aus seiner kleinen Nische vor allem für FreundInnen und Familie in eine wesentlich größere Öffentlichkeit. Das freut uns natürlich und ist durchaus aufregend. Danke für die vielen unterstützenden Reaktionen!

Gestern abend waren wir kurz bei der Soli-Party der Fachschaft Sozialwissenschaften der HU für Andrej. Es war ziemlich voll. Am Eingang standen ein paar Leute, die engagiert allen, die reinkamen, Zettel mit Informationen über das Verfahren in die Hand drückten, und dann geriet ich kurz in moralische Schwierigkeiten. Direkt neben mir sagte gut verständlich einer zu dem neben ihm: "Und kennst Du schon den Blog von Andrejs Freundin?". Was macht man da? Dezent weitergehen? Sich vorstellen? Inkognito ins Gespräch einmischen? Ich habe mich gefreut und bin weitergegangen.

Viele sind vor allem geschockt davon, dass es sowas wie unseren aktuellen Alltag hier gibt. Ich kann nicht sagen, dass wir uns daran gewöhnt hätten, aber finde bemerkenswert, wie schnell es Alltag wird, eben hinzunehmen, dass da immer diese Männer herumstehen. Die nicht zu tun haben, als 10 Minuten abends auf der Straße einen Aufkleber an einem Laternenpfahl zu studieren, weil wir spazieren gehen und diskutierend einen Moment stehen bleiben. Als ich ihn bemerkte, musste ich grinsen. Er grinste zurück. Sehr surreal. Andere brauchen genauso lange zum Einkaufen wie wir, die wir einen Familien-Wochenendeinkauf machen, und finden nur eine Mineralwasserflasche. Gucken aber in alle Regale, in die wir auch schon geschaut haben. (Wer weiss, vielleicht sind "die Depots" bei Kaisers im Marmeladenregal? Zu "den Depots" mehr unter ‚So allein heut abend?‘). Weiterlesen

Entscheidung verschoben

Es fragen mich gerade viele, wann der BGH entscheidet (ob Andrej wieder in Untersuchungshaft muss, ob die militante Gruppe eine terroristische Vereinigung ist und was das überhaupt ist). Bisher sollte ab dem 5.10. entschieden werden (ab, nicht am!). Das wurde letzte Woche auf den 12. verschoben und eben haben wir die Nachricht bekommen, dass nicht vor dem 18.10 entschieden wird. Wann dann tatsächlich entschieden wird, wissen nur ganz bestimmte SpezialistInnen, wir jedenfalls nicht. Es gibt keine Fristen dafür und nicht mal geregelte Arbeitszeiten beim BGH, die uns immerhin die SIcherheit gäben, dass das BKA (oder wer immer das dann macht) nach Freitag 16 Uhr für’s Wochenende nicht mehr kommt. So werden wir nämlich im Zweifelsfall von der Entscheidung für die Untersuchungshaft erfahren: von den BeamtInnen, die zur Abholung kommen.

 

Kleine Schikanen am Rande: einem Beschuldigten wurde gerade ohne Angabe von Gründen das Giro-Konto von der Bank gekündigt, einem anderen unvermittelt der Mietvertrag nicht verlängert. Bei uns kommt weiterhin täglich vor, dass, wer Andrej anruft, meine Mailbox erreicht.

Berlin-Mitte

Wir haben einen ganz normalen Abend in Berlin-Mitte verbracht. Erst eine nette kleine Podiumsdiskussion
zur Frage, warum es in Mitte zuwenig öffentliche Grundschulen gibt. Unser Sohn wird nächstes Jahr eingeschult und darf nicht in die 200m entfernte Arkonaplatz-Schule, die er mit ein bisschen Übung, über zwei kleine Straßen, auch alleine erreichen könnte. Stattdessen haben wir die großartige Auswahl von doch immerhin drei verschiedenen Schulen in Wedding. Über mind. eine große Straße. Das bewegt nicht nur uns, sondern gleich eine ganze Elterninitiative bestehend aus Leuten, die allesamt nicht über die real weiter existierende Grenze nach Westen bzw. Norden wollen. Was wohl mit dem NdH-Anteil zu tun hat, der irgendwo um die 85% pendelt (schöne Abkürzung für ‚Kinder nichtdeutscher Herkunft‘). Damit hat sich unsere klammheimliche Schadenfreude, bei allem gentrifizierten Elend in Mitte wenigstens dieses Problem nicht zuhaben, erledigt.

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