Werbung: Radio hören am Dienstag

Montag Dienstag um viertel nach Sieben abends gibt es ein Feature im Deutschlandfunk, das ich jedenfalls hören werde und hiermit genau dafür auch empfehle:

Kafka, Kanzler und da knackt nichts

Aus dem Inneren eines Überwachungsstaates

Von Holger Siemann

Ein
junger Mann erfährt durch eine Panne bei seinem Mobilfunkbetreiber,
dass er von Verfassungsschutz und BKA abgehört wird. In einer Zeitung,
der Polizisten die Abhörprotokolle verkauft haben, liest er ein
Gespräch seiner Freundin im Wortlaut. Die Schlagzeile, seine Verhaftung
als angeblicher Gründer der terroristischen Vereinigung "Militante
Gruppe" stehe unmittelbar bevor, lässt ihn wochenlang bei jedem
Geräusch hochschrecken.

Nach sieben Jahren vergeblicher Bemühung um Aufklärung, nach
Hausdurchsuchung und schließlich doch noch erfolgter Verhaftung zieht
das Bundesverfassungsgericht eine Grenze. Der "Terrorist" erhält
Akteneinsicht, das Verfahren wird eingestellt. Obwohl die Geheimdienste
sich der Aufklärung verweigern, lässt sich die paranoide Geisteshaltung
der Ermittler anhand ihrer eigenen Aufzeichnungen nachvollziehen. Ist
das ein seltener Glücksfall? Oder ist es ein Unglücksfall – weil alles
andere als selten? In Deutschland wird 30-mal mehr abgehört als in den
USA.

 

Berlins brennende Autos

The petrol bombed Jeep by Urban CollectiblesAutos werden in Berlin gefühlt schon immer angezündet. Anderswo übrigens auch, wieso redet da eigentlich niemand drüber? Seit die Hysterie Aufmerksamkeit zu dem Thema letztes Jahr so zunahm, schreibe ich dazu wenig. Meine Schere im Kopf murmelt: mach’s nicht, das gibt nur Ärger. Mindestens kommt zurück, Du verharmlosest das Problem und das ist doch wirklich nicht in Ordnung, dass den ganzen Leuten die Autos.. .

Andrej juckt es manchmal, was dazu zu schreiben, weil er gern über die Stadt im allgemeinen und Berlin im besonderen schreibt. Und weil inzwischen überall steht, dass das mit Gentrifizerung zu tun hat und damit kennt er sich ganz gut aus. Ich (und andere Familienangehörige) bedrängen ihn dann, die Finger davon zu lassen. Reicht ja, dass hier regelmäßig JournalistInnen aufschlagen, die fragen, ob er mal erklären könnte, warum „diese Leute immerzu Autos anzünden“. Nur zur Erinnerung: das Verfahren läuft noch, das herausfinden will, ob er der Texteschreiber der mg sei. U.a. wegen dieses G-Worts.

Terroristische Vereinigung „Die zwei von der Muppet-Show

Eher noch nicht ganz ernst gemeint frage ich seit ein paar Monaten, wann wohl öffentlich bekannt gegeben wird, dass eine terroristische Vereinigung mit dem Ziel des Autoanzündens fabriziert wurde. Nach der dann mit den Ermittlungsmethoden zum §129a gefahndet werde. Unter Applaus derjenigen Medien, die schon länger fordern, dass der Senat/die Polizei/irgendwer jetzt endlich mal durchgreifen muss. Die Frage nach den Ursachen bleibt die Ausnahme. Die Politologin in mir fragt sich: wem nützt das? Nicht so schwer zu beantworten.

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26C3 – 26. Chaos Communication Congress zum Nach-Gucken

26c3 LogoDer 26. Chaos Communication Congress ist vorbei und kann sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. Ich habe ein bisschen ge-gastbloggt und bin wieder zuhause, virtuell wie ganz real. Weil der Kongress ein Kongress ist, findet viele Sachen außerhalb der Vortragssäle statt. Zudem hat der CCC am Berliner Congress Center einen Narren gefressen. Das hat den kleinen Haken, dass zuwenig Platz ist und quasi unmöglich, die Vorträge zu sehen, die gut sind. Dazu ist nämlich nötig ist, eine halbe Stunde oder mehr vor Beginn einen Platz zu besetzen, inkl. der Kleinigkeit, dass von teils bizarr-autoritären Zuständigen verhindert wird, sich einen Platz freihalten zu lassen. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe, aber man muss die verstehen wollen, um sie verstehen zu können.

Wie dem auch sei, ich habe nur wenige Veranstaltungen live erlebt und bin sehr begeistert davon, dass zum regulären Service gehört, alle Vorträge aufzuzeichnen, life zu streamen und später als Audio- und Video-Dateien ins Netz zu stellen. 

Meine Empfehlungen:

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The Revival – Frauen im Hip-Hop

Kurz virtuell vom 26C3 zurückgekehrt wechsele ich zwischen den Jahren mal rabiat das Thema. Weil es schön ist und auch, weil ich in den letzten Tagen ganz haarsträubende und nervtötende Debatten darüber geführt habe, ob es sowas wie eine Berechtigung für feministische Ansätze eigentlich gibt, heute ein Ausgleich:

The Revival, ein kurzer Dokumentarfilm über die größte Tour von Frauen im Hip-Hop, 2009 in Europa:

The Revival gibt einen Einblick in das erste Treffen der legendären Hip-Hop-Pionierin Roxanne Shante mit der Veteranin MC Bahamadia aus Philadelphia. Sie erzählen die Geschichten ihrer Kämpfe und Triumphe in der Musikindustrie im Lauf ihrer langen Karriere. Zu sehen ist auch der Austausch mit den neuen Künstlerinnen DJ Shortee, Eternia, Stacy Epps und Invincible. Der kurze Dokumentarfilm, eine Collage von Performances und Aufnahmen hinter der Bühne, wurde gefilmt und produziert von Invincible während der "We-B Girlz – Frauen im unabhängigen Hip-Hop"-Tour. Die größte derartige Tour nur von Frauen, drei Wochen in sechs Ländern mit Dutzenden Künstlerinnen die vor zehntausenden Fans auftraten.

Zusätzlich zum Film, der am 23.12. online veröffentlicht wurde, gibt es jede Woche Interviews mit den Künstlerinnen aus The Revival bei The Fembassy.

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Hic sunt dracones

altIch bin kurzfristig nach nebenan umgezogen und blogge die nächsten vier Tage als Gastbloggerin vom 26. Chaos Communication Congress, oder 26c3, des CCC. Alles zum Kongress findet sich hier http://events.ccc.de/congress/2009/wiki/Main_Page, der Blog hier http://events.ccc.de/.

Wie jedes Jahr ist er hoffnungslos überlaufen, aber das gesamte Programm wird gestreamt und hinterher als Video- und Audio-Dateien veröffentlicht. Zum ersten Mal gibt es ein dezentrales Kongresskonzept, so dass alle, die nicht kommen können oder wollen, den Kongress gemeinsam mit anderen woanders verfolgen können.

Der Kongress hat das hübsche Motto Here Be Dragons, zu deutsch bei Wikipedia Hic sunt dracones. Eigentlich "Hier gibt es Drachen" – so wurden früher auf Karten unbekannte, noch zu erforschende Gebiete bezeichnet. 

Ab dem 31.12. wieder hier (vielleicht auch erst ab dem 1.1.).

 

 

Bild: Wikimedia Commons, Creative Commons licenseCreative Commons Attribution

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Schöne neue Welt oder: Zeit für gute Vorsätze

Riseup, eins meiner bevorzugten Technik-Kollektive (Mail-etc-Provider) verabschiedet sich von seinen UserInnen mit einem Newsletter ins neue Jahr, in dem um Spenden gebeten wird und der dazu einen sehr informativen Text zur Problematik der Überwachung mittels sozialer Netzwerke enthält. Es ist Zeit der guten Vorsätze; außerdem haben sicher viele gerade ein bisschen Zeit, den Rechner aufzuräumen, neue Dinge zu probieren, lange Aufgeschobenes in Angriff zu nehmen. 

Genau der richtige Zeitpunkt, sich endlich von Googlemail, GMX oder Yahoo zu verabschieden, die Auswahl der sozialen Netzwerke zu überdenken und überall die Datenschutz-Einstellungen zu überprüfen. Wie gefährlich die sind, wird im Newsletter so anschaulich beschrieben, dass ich es ausschnittsweise übersetzt habe:

Zwei Riseup-Mitglieder haben vor kurzem beim People’s Summit anlässlich des zehnten Jahrestages der WTO-Proteste einen Vortrag gehalten. Wir haben uns mit den Gefahren kommerzieller Tools für AktivistInnen beschäftigt – vor allem damit, dass niemand weiß, was diese Tools mit Euren Daten machen. Dank einiger anonymer Kommentare zum Artikel eines Bloggers – über seine Forschung über das Verhalten eines amerkanischen Mobilfunkanbieters bei staatlichen Anfragen zu Geo-Informationsdaten seiner KundInnen – wissen wir jetzt mehr.

Große Unternehmen haben ganze Abteilungen, die sich mit Vorladungen oder richterlichen Anordnungen beschäftigen. Die Dokumente, die diverse große Unternehmen für die juristische Verfolgung bereit halten, wurden anonym zur Verfügung gestellt. Die geleakten Dokumente sind u.a. die von Facebook, Yahoo, Myspace, Comcast und Paypal. Jedes dieser Dokumente enthält praktische Tips dazu für die Behörden, welche jeweiligen Daten vorhanden sind – von denen einige mit einer einfachen Anfrage (Subpoena), ohne genaue juristische Prüfung, erhältlich sind. Sogar die Textbausteine für die Anfragen sind enthalten.

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§129 – Der Stand der Dinge

Beschluss des BGH Okt 2009Vor einer Weile wurde ein Dokumentarfilm zum Thema Innere Sicherheit für’s Schulfernsehen gedreht. Wir haben einen halben Tag mitgespielt, haben von Andrejs Verfahren und von Überwachung erzählt und sind malerisch durch den sonnig-herbstlichen Tiergarten gelaufen. 

Das Filmteam erzählte putzige Anekdoten von abbrechenden Telefonaten und einem Hausbesuch beim Tontechniker (oder war’s der Kameramann?) am Morgen, nachdem sie beim Berliner GTAZ (Terror-Abwehrzentrum) gefilmt hatten. Da kam mal eben das LKA zuhause vorbei (dem gehörte das Auto, das sie benutzt hatten) und fragte, was das denn war. Das fand das Filmteam schon nur noch eingeschränkt putzig.

Heute rief der Filmemacher an und sprach Andrej Folgendes auf die Mailbox:

Ich habe der Bundesanwaltschaft eine Frage gestellt: Ob das Verfahren gegen Dr. Andrej Holm jetzt abgeschlossen ist oder nicht, und wenn nein, warum nicht.

Ich habe heute, am 21.12. folgende Antwort bekommen: Das Ermittlungsverfahren gegen Dr. Andrej Holm ist noch nicht abgeschlossen. Näheres Angaben zu dem offenen Verfahren können wegen möglicher Gefährdung des Ermittlungserfolgs nicht gemacht werden.

Soweit zum Stand der Dinge.

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Absurdes Theater beim G8-Prozess

Statler & Waldorf, by andrewschreyer [at] ymail.com, http://www.flickr.com/photos/-sel-/60124583/ http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.enEs begab sich zu einer Zeit, als im Norden Ostdeutschlands noch nicht viele an den G8-Gipfel in Heiligendamm dachten.

Im Sommer 2006, ein Jahr vor dem Gipfel, fand in der Nähe von Rostock ein Sommercamp statt. 

Am 7. Dezember 2009 fand in Bad Doberan ein Prozess statt gegen zwei Männer, denen Nötigung der Polizei vorgeworfen wurde. Die soll stattgefunden haben, als Zivilpolizei die Auto-Kennzeichen der Camp-TeilnehmerInnen aufschreiben wollten und letztere die Polizei aufforderten, das Camp-Gelände zu verlassen.

Am zweiten Prozesstag fand der Prozess ein überraschendes Ende: der Zeuge der Polizei, dessen Aussage belegen sollte, was geschehen war, weil er es gesehen haben wollte, hatte ein selbst im Internet gefundenes Foto dabei, das "genau die Situation zeigt, die er beschrieben hat".

Der Richter guckte. Der Richter guckte nochmal, mit Brille. 

(Der Richter wird als nicht übermäßig kritisch der Polizei gegenüber beschrieben.)

Auf dem Foto ist eindeutig keiner der Angeklagten zu sehen, sondern ein dritter Mann.

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Das Innenleben von Texten

Kathrin Ganz (I heart Digital Life) hat für die AG Queer Studies einen Podcast veröffentlicht, den ich vor allem all denen empfehlen möchte, die sich hier immer wieder engagiert darüber aufregen, dass ich meine Texte mit feministischem großem I schreibe.

Es dauert ein bisschen, aber es lohnt sich, und gerade jetzt haben ja viele auch die Zeit, sich einen längeren Vortrag anzuhören. Vortrag trifft es gar nicht so richtig – eher ein Erlebnisbericht. Was einem jungen linken, selbsterklärtermaßen sexistischen, Indie-Musikjournalisten auf seinem Weg zum überzeugten Vertreter der feministischen Sprache alles widerfuhr.

Der inzwischen feministische Musikjournalist ist Frank A. Schneider, besser bekannt als Mitglied von Monochrom. Der Titel der Veranstaltung

Die Diktatur des >>man<<. Von der
Schwierigkeit, in linken deutschen Medien geschlechtsneutral zu
sprechen. Bericht aus der weitgehend beschissenen Praxis.

 

http://noblogs.org/flash/mp3player/mp3player.swf
(mp3, 74mb) 1:17 Std.

Erzählt hat er all dies am 18. November im Rahmen der Ringvorlesung "Jenseits der Geschlechtergrenzen" an der Uni Hamburg.

Er selber zu seinem Vortrag:

“Formulierungen wie ‘man/frau’ und das Binnen-I lehnen wir aus
stilistischen und Ästhetischen Gründen ab”. Wer in linken deutschen
Medien in einer nicht-ausschließlich männlichen Form schreiben möchte,
kennt diesen Satz, der scheinbar keiner weiteren Erklärung bedarf.
Welche stilistischen und Ästhetischen Essentials ihm eigentlichen
zugrunde liegen, wird in der Regel nicht gesagt. Frank Apunkt Schneider
versteht sich als Feminist und publiziert regelmäßig in Deutschland und
Österreich. Er berichtet aus seinen eigenen diesbezüglichen
Erfahrungen, und stellt Vermutungen an, warum deutsche Medien mit
geschlechtsneutralen Formen ein Problem haben, Österreichische hingegen
nicht.

(via

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Generalbundesanwältin Ingeborg sucht den Terrorismus

FAZ nennt Generalbundesanwältin Monika Harms IngeborgDas ist jetzt vielleicht nicht enorm niveauvoll, aber komisch finde ich schon, wenn ausgerechnet die FAZ im Bericht über die Jahrespressekonferenz der Bundesanwaltschaft die Generalbundesanwältin Monika Harms "Ingeborg" nennt.

Darüber hinaus bilden sich anscheinend gerade wieder linke terroristische Strukturen, die dann doch keine sind. Die ‚Welt‘ jedenfalls schreibt unter der Schlagzeile Bundesanwaltschaft sieht "terroristische Strukturen", dass ein ‚Überfall‘ auf eine Polizeiwache Anfang Dezember in Hamburg genau das nicht ist: Terrorismus.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt nicht wegen Bildung einer
terroristischen oder kriminellen Vereinigung, weil es dafür nicht
genügend Anhaltspunkte gibt. Der Vorwurf lautet auf besonders schwere
Brandstiftung und versuchten Mord.

Ich verstehe das nicht, aber das verhält sich mit mir und der Bundesanwaltschaft ja öfter so.

Ich weiß nicht, wie das früher war, aber mir fällt auf, dass der Vorwurf ‚Mordversuch‘ inflationär in Gebrauch ist. Auch den beiden Berlinern, die gerade nach 7,5 Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, war ja Mordversuch vorgeworfen worden, was dann auch die lange U-Haft begründete. Obwohl die beiden Schüler 16 und 19 Jahre alt waren, es nur zwei Polizeizeugen gab, die gesehen haben wollen, dass die beiden einen Molotow-Cocktail am 1. Mai auf eine Frau geworfen haben und sonst keine Beweise gibt, obwohl es Zeugen gibt, die etwas ganz anderes gesehen hatten. 

Naja. Nun sind geschmissene Pflastersteine, mitgebrachte Molotow-Cocktails (?) und eine brennende Mülltonne (laut Welt und FAZ) Mordversuch. Ich bin keine Juristin, ich habe keine Ahnung, was da vorgefallen ist – mir kommt nur ungewöhnlich vor, dass das jetzt Mord sei, und nicht wie sonst üblich Landfriedensbruch oder versuchte Körperverletzung oder so was.

Die taz beschreibt das übrigens so: "Die Täter hatten Polizisten mit Steinen beworfen, Türen versperrt und Streifenwagen angezündet." Und die Junge Welt schreibt: "Nach
Erkenntnissen der Staatsanwälte wurde bei der Attacke eine
Polizeibeamtin mit Pflastersteinen beworfen
."

Falls übrigens Unterstaatsanwalt Griesbaum tatsächlich gesagt haben sollte, hier müsse "den Anfängen gewehrt werden", fände ich das ziemlich geschmacklos. So ein minimales Bisschen an historischer Bildung würde auch den Bundesanwälten nicht schaden.