Die sicherste Stadt der Welt

Die Biometrie-Firma Global Rainmakers Inc. (GRI) hat am Mittwoch angekündigt, dass sie mit Iris-Scan-Technologie die ’sicherste Stadt der Welt‘ schaffen will.

Dagegen sind Streetview oder Geo-Tagging dann wohl Kinkerlitzchen.

Gemeinsam mit der Stadt Leon – eine der größten Städte Mexikos mit über einer Million EinwohnerInnen – wird GRI Augenscanner über die ganze Stadt verteilen. Das wird die Strafverfolgungsbehörden darin unterstützen, unseren Alltag zu revolutionieren – gar nicht zu reden von den Marketing-Fachleuten. („Iris Scanners Create the Most Secure City in the World. Welcome, Big Brother“, Fast Company)

Dieses Projekt hat weitreichende Auswirkungen für die Iris-Biometrie, die 1,2 Mio. MexikanerInnen und die Welt, sagte Hector Hoyos, CEO von Global Rainmakers. (Pressemitteilung von GRI)

No shit, ja, kein Zweifel.

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Umgezogen

Es ist kaum zu übersehen: hier hat sich was geändert. Wie an der URL (Adresse) des Blogs unschwer zu erkennen ist, betreibe ich keinen eigenen Server, sondern nutze für annalist die italienische Blog-Plattform noblogs.org (nicht immer bequem, aber supernett und so dermaßen datenschutz-bewusst wie sonst niemand). Die wiederum wird betrieben von autistici.org. Und Autistici haben nach reiflicher Überlegung beschlossen, alle bei noblogs.org liegenden Blogs von der bisherigen Blog-Software Lifetype zu WordPress umzuziehen. Das hat in den vergangenen Tagen erfolgreich stattgefunden, weswegen u.a. ein paar Tage keine Kommentare (und Artikel) gepostet werden konnten.

Bitte ändert die Feed-Adresse in Euren Feedreadern -> http://annalist.noblogs.org/feed/
Neu: es gibt endlich einen Feed für die Kommentare: http://annalist.noblogs.org/comments/feed/

Ich habe vorläufig von WordPress noch wenig Ahnung, aber es ist (für mich) deutlich, dass es um einiges komfortabler ist als Lifetype. Leider hatte ich keine Zeit, den Umzug vorzubereiten, so dass der aktuelle Zustand erstmal ein Provisorium ist – das betrifft insbesondere das äußere Erscheinungsbild.. Aber Äußerlichkeiten sind ja sowieso alles Schall und Rauch. Will sagen: ich bin auf der Suche nach einem ansprechenden und praktischen WordPress-Theme (≈Design), das flexibel und bequem zu handhaben ist.

Über gute Tips zu Plug-Ins freue ich mich auch, und wo wir schon dabei sind, wäre doch ein guter Moment, auch sonstige konstruktive Kritik zur Reihenfolge der Kommentare, eingebundenem Schnickschnack, Informationen in der Seitenspalte, Länge der Blogsposts, …  loszuwerden. Ich verspreche, dass ich nicht alles berücksichtigen werde, weil ich womöglich hie und da anderer Meinung bin, manchmal keine Zeit habe und nur begrenzt viel Zeit für technisches Gefrickel aufwende (deswegen habe ich ja keinen eigenen Server), aber ich werde über alles nachdenken.

Kostet Geld

Da zur Zeit hier nicht geflattr’t werden kann (hier aber schon), seid Ihr herzlich dazu eingeladen, ein bisschen von Eurem Geld einem großartigen, in Italien unter schwierigen Bedingungen für Freiheit, unabhängige Kommunikation und Medien hackenden Kollektiv zu spenden.

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Mely Kiyak über Sakineh Ashtiani, zur Steinigung verurteilt

Die Kolumnen von Mely Kiyak für den seltsamen Berliner-Zeitung-Frankfurter-Rundschau-Mix könnte ich wöchentlich anpreisen. Diese Woche stellt sie sich vor, zur Steinigung verurteilt zu sein.

Es geht um den konkreten Fall von Sakineh Ashtiani. Ihr wird im Iran Ehebruch vorgeworfen, im Mai 2006 wurde sie zuerst verurteilt. 99 Peitschenhiebe hat sie bereits erhalten. Jetzt drohnt die Steinigung. Es gibt eine Petition, der brasilianische Präsident Lula hat angeboten, sie aufzunehmen. Der Iran lehnt ab. Amnesty International setzt sich für den Fall ein. Ihre 17- und 22-jährigen Kinder Faride and Sajjad Mohammadi e Ashtiani bitten um Hilfe und größtmögliche Öffentlichkeit.

Mely Kiyak: Liebe Sakineh Ashtiani!

Ich stelle es mir vor: Ich stehe vor einem iranischen Gericht. Ich werde nicht angehört. Der Richter spricht das Urteil.

Die Zelle verwandelt alle Frauen zu Freunden. Mal ist es laut. Dann leise.
Manchmal fühle ich Trost. Manchmal bin ich stark und tröste. Manche
starren zu sehr. Die Zelle macht aus Freundinnen Feinde.

Die Angst dehnt sich im ganzen Körper aus. Der Magen will die Angst
herausdrücken. Der Bauch wird für die Angst zu eng. In anderen Nächten
zieht die Einsamkeit gleichmäßige Kreise im Kopf. Dann wieder kriecht
sie nur stumpfsinnig hin und her. Am linken Ohr angekommen, dreht sich
die Einsamkeit um und schleppt sich zum rechten Ohr. Das geht so lange,
wie eine Fliege fliegen kann.

Im Morgengrauen öffnet sich das Gefängnistor. Bin ich erleichtert, weil es endlich geschieht? Ein weißes Tuch wird mir um den Körper gewickelt. Auch um das Gesicht. Der letzte Streifen Leben, den ich sehe, ist ein frischer Zweig, an dem eine errötete Aprikose hängt. Schaut man am Ende wirklich hoch? Der letzte Blick bleibt wohl doch nur am Schnürsenkel eines Schuhs hängen. Schnürsenkel. Dunkelheit.  (weiter)

Interview mit Sakine Ashtiani im Guardian: Iranian facing stoning speaks: ‚It’s because I’m a woman‘

Gefährliche Worte bei E.T.A. Hoffmann

Meister Floh, Grafik von http://www.stefanmart.de/09_floh/090_floh.htm

E.T.A. Hoffmann dürfte den meisten allenfalls aus der Schule als lästig in Erinnerung geblieben sein. Mir auch. Bis eine Kollegin von Andrej neulich auf seinen "Meister Floh. Ein Märchens in sieben Abenteuern zweier Freunde" hinwies. Es geht um die juristische Relevanz verdächtiger Worte.

E.T.A. Hoffmann war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Jurist (und Musiker). Da die brotlose Kunst auch damals kaum jemanden wirklich über Wasser hielt, freute er sich 1816 über eine Anstellung als Kammergerichtsrat in Berlin. Es war die Zeit des Vormärz und der Karlsbader Beschlüsse: nationale (=progressive) und liberale Äußerungen wurden als Verbrechen verfolgt.

In Berlin wurde die „Immediat-Untersuchungskommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe“ eingerichtet, deren Aufgabe die „Ausermittlung von Gefahren, die Preußen und Deutschland bedrohen“ war. (Wikipedia)

Vor allem die Ermordung Kotzebues durch den Studenten Karl Sand (1817) diente Metternich und seinen Anhängern, die die bestehende Sozialordnung gefährdet sahen, also Vorwand, mit aller Härte gegen die angeblich "staatsgefährdenden Elemente" vorzugehen ("Zur Entstehungsgeschichte", in: E.T.A. Hoffmann, Meister Floh, Reclam Nr. 365, 1998)

E.T.A. Hoffmann wurde als Mitglied der Kommission berufen. Sein Mut und sein Gerechtigkeitssinn als Referent und Gutachter der Kommission werden hervorgehoben: beispielsweise legte er sich mit dem Direktor des Polizeiministeriums Kamptz an, als der den festgenommenen ‚Turnvater Jahn‘ öffentlich für überführt erklärt, obwohl Hoffmann politisch durchaus anderer Meinung war als Jahn. In einem anderen Fall reicht Kamptz die Vokabel ‚mordfaul‘ im Tagebuch eines festgenommenen Studenten für die juristische Verfolgung, was E.T.A. Hoffmann ablehnte.

Die Auseinandersetzungen zwischen E.T.A. Hoffmann und Kamptz haben mit zum Entstehen des "Meister Floh" beigetragen. 1821 schickt E.T.A. Hoffmann seinem Verleger das ‚Märchen‘ und das spricht sich bis ins Polizeiministerium herum. E.T.A. Hoffmann versucht noch, zwei Kapitel vor dem Erscheinen zurückzuziehen, aber das gesamte Manuskript wird im Januar 1822 beschlagnahmt. Ihm droht ein Prozess, weil er angeblich aus Prozessunterlagen (der Komission) zitiert habe, dazu kommen Beamtenverleumdung und Majestätsbeleidigung. E.T.A. Hoffmann starb im Juni 1822.

Das Märchen erschien unzensiert zuerst 1908, fast 100 Jahre später.

Im vierten und fünften Abenteuer des Märchens (die zensierten Kapitel), der sog. ‚Knarrpanti-Handlung‘, geht es um den geheimen Hofrat Knarrpanti, der von der Zensur als satirische Darstellung des Polizeidirektors Kamptz interpretiert wird (was Hoffmann nach der Beschlagnahmung, schon sehr krank, in einer Erklärung zum "Meister Floh" heftig dementiert).

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Hey Baby – Ego-Shooter der anderen Art

Ich bin keine Spiele-Expertin und gebe gern zu, dass ich spielen per Computer noch nie mochte. Meine Abneigung (emotional, nicht rational) gegenüber blutrünstigen Spielen brachte mir bei einer CCC-Konferenz schon die freundliche Empfehlung eines Nerds, doch mal eine Therapie zu machen. Das hat mich nicht aufgeschlossener werden lassen.

"Hey Baby" wirkt auf den ersten Blick wie ein schlecht gemachter Ego-Shooter für die stereotype männerhassende Emanze. Die Spielfigur läuft durch Straßen, wird auf unterschiedliche Weise von Männern angesprochen und hat die Auswahl, sie entweder über den Haufen zu schießen oder mit pinken Herzen zu überschütten.

Hey Baby kann online gespielt und auch, mit zusätzlichen Features (Crazy action! More enemies! More blood!), bestellt werden.

Seth Schiesel, einer der Spiele-Reviewer der New York Times, hat es ausprobiert und ist zu interessanten Ergebnissen gekommen. Auch sein erster Eindruck war: das wurde zum Ausleben von Rachegefühlen entwickelt, die nach ständiger Anmache auf der Straße bei Frauen entstehen. Nach ein paar Stunden (!) hatte er seine Meinung geändert und glaubt inzwischen, dass das Spiel eigentlich für Männer gemacht wurde. Die nämlich in der Regel die Erfahrung von Frauen auf der Straße schlecht nachempfinden können. 

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Sexismus 2.0 in der Emma

Mal wieder ein Ausflug in mein "anderes" Thema. Im Juni gab es in Hattingen ein Vernetzungstreffen von Frauen, die auf unterschiedliche Weise im Netz unterwegs sind. Ein Resultat des Postgender-Irrsinns der Piratenpartei, der schrägen Chats bei der re:publica (wo sind eigentlich hier die Kommentare hin?), des aufsehenerregenden Getwitters bei der Sigint über ein Feminismus-Panel, und und..

Wenig überraschend ist das Thema (wieder) im feministischen Mainstream angekommen. An sich sind Fragen zur Abwesenheit von Frauen im Netz, an Computern, in den Medien ja nicht wirklich innovativ, müssen aber wohl weiterhin gestellt werden. Bei dem bewussten Treffen in Hattingen (ich war nie in einer angenehmeren Bildungsstätte!) tauchten drei Emma-Redakteurinnen auf, und als Resultat erschien in der letzten Emma Geschlechterkrieg im Internet. Im Internet sind alle gleich. User oder Userin – egal. Oder doch
nicht? Frauen im Netz machen mobil gegen den Sexismus 2.0.

Ein guter Überblick zum Stand der Dinge (und das sage ich nicht, weil ich auch zitiert werde). Es geht los bem Kongress des CCC 1988 und endet bei den oben beschriebenen letzten ‚Vorkommnissen‘. Außerdem: Gewaltandrohungen, spezifische Moderationsanforderungen bei feministischen Websites, Zugang zu Technik und ein paar Ideen zur Verbesserung der Misere.

Der Women’s Caucus der Free Software Foundation hat sich übrigens auch gerade des Themas angenommen und Empfehlungen verabschiedet, was zur Steigerung der Beteiligung von Frauen bei Freier Software getan werden kann (Danke Alster).

Unmittelbares Bedürfnis. Markus Mohr erinnert an Fritz Teufel

Ganz ausnahmsweise hier mal die Kopie eines Artikels, der am 17.7. in der jungen Welt erschien, die nicht alle ihre Artikel frei zugänglich im Netz hat. Eine Erinnerung von Markus Mohr an eine in den Nachrufen unterbelichtete Seite von Fritz Teufel.

Unmittelbares Bedürfnis

Warum Fritz Teufel einmal einem Bundesanwalt einen Fausthieb verpaßte

Am Samstag, den 21. Mai 1977 wurden Ronald Fritzsch, Gerald Klöpper,
Till Meyer, Ralf Reinders, Andreas Vogel und Fritz Teufel morgens aus
der U-Haft in Berlin-Moabit ins Polizeipräsidium am Tempelhofer Damm
verbracht. Die »Sechserbande« aus der »Bewegung 2. Juni« wurde
beschuldigt, den CDU-Politiker Peter Lorenz entführt zu haben. Da die
Ermittler große Beweisnot litten, verfielen sie auf den Einfall, die
Beschuldigten sage und schreibe 140 Zeugen vorzuführen. Auf Beschluß von
Horst Kuhn, Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, sollte das »auch
gegen den Willen der Beschuldigten, erforderlichenfalls unter Anwendung
unmittelbaren Zwanges« erfolgen. Bei Reinders, Vogel und Teufel sei »die
Haar- und Barttracht (…) zum Zwecke der Gegenüberstellung« so zu
ändern, »daß das Aussehen der Beschuldigten wieder dem zur Zeit ihrer
Festnahme entspricht«, verfügte Kuhn. Auf zwei lange Tage war die Sache
angesetzt, »die Fesselung der Beschuldigten« durchweg gestattet.
Gewieft, wie sich Ermittlungsrichter Kuhn vorkam, sah er von einer
»vorherigen Anhörung« zum Zwangsvorführungsprogramm ab, »weil dadurch
der Zweck der geplanten Maßnahmen gefährdet würde«.

Schließer und Polizeibeamte nutzten die Gelegenheit, ihr Mütchen an den
Genossen zu kühlen. Als die Gefangenen sich ihrer Überführung
widersetzten, erhielten sie Schläge in die Nieren. Haarbüschel wurden
ausgerissen. Bei der Vorführung auf dem Präsidium standen dann hinter
jedem Gefangenen mehrere Polizisten. Ein Beamter hielt den Kopf fest,
ein anderer hantierte mit einer am Handgelenk befestigten Knebelkette.
Versuchten die Gefangenen, den Kopf zu senken oder die Augen zu
schließen, wurden die Knebelketten in drastischer Weise zugeschnürt.
»Na, gib ihm doch!« riefen die Polizisten. »Dreh mal fester– guck mal,
wie schön meiner steht!« oder: »Zwei Umdrehungen sind noch drin,
Fritze!« Die Hände einiger Gefangener liefen blau an. Bei Reinders
platzte die Haut in Richtung Ellenbogen auf. Er blutete stark.

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Reaktionen

Radio FSK: Einstellung! Die BAW Ermittlungen gegen Andrej Holm wurden eingestellt.

Interview mit Christina Clemm

http://noblogs.org/flash/mp3player/mp3player.swf
(mp3, 16,5 min)

 

Gulli: Verfahren gegen Andrej Holm eingestellt

junge Welt: Fahnder am Ende

Frankfurter Rundschau: Linker Soziologe. Verfahren gegen Holm eingestellt

Berliner Zeitung: Verfahren gegen Holm eingestellt

Berlin Online: Bundesanwaltschaft stellt Verfahren gegen Stadtsoziologen ein

taz: Soziologe Andrej Holm. Verfahren eingestellt

Welt online: Ermittlungen gegen Berliner Soziologen eingestellt

Berliner Morgenpost: Militante Gruppe. Ermittlungen gegen Berliner Soziologen eingestellt

Stern: Verfahren gegen Berliner Soziologen Andrej H. eingestellt

sueddeutsche.de: Ermittlungen gegen Berliner Soziologen eingestellt

Zeit online: Gewalttätiger Linksextremismus. Ermittlungen gegen Andrej H. eingestellt

Tagesspiegel: Bundesanwaltschaft. Ermittlungen gegen Andrej H. eingestellt

RBB Abendschau:  Die Bundesanwaltschaft hat nach rund vier Jahren das Ermittlungsverfahren gegen den Berliner Soziologen Andrej H. eingestellt

Neues Deutschland: Konstruieren und Schnüffeln mit §129a

Danke

Nochmal ganz vielen Dank für die vielen, vielen, vielen guten Wünsche. Das tut gut und freut uns und macht hoffentlich auch denen Mut, die mit ähnlichen Problemen nicht so im Rampenlicht stehen.

Großes Danke auch nochmal an Christina Clemm und Volker Ratzmann, Andrejs AnwältInnen, und an die, die bei den juristischen Feinheiten geholfen haben.

An das Einstellungsbündnis und an alle, die die  Öffentlichkeitsarbeit gemacht haben. An alle, die Geld gespendet haben. An alle, die darüber geschrieben und gepostet, Audios und Videos produziert, Filme gemacht haben. An die, die auf unsere Kinder aufgepasst haben, wenn wir mit dem Verfahren beschäftigt waren. An alle, die für die Einstellung auf die Straße gegangen sind und an die, die auf uns aufgepasst haben.

An unsere Eltern für sehr starke Nerven und viel Unterstützung.

An unsere Freunde und Freundinnen, die viel stehen und liegen gelassen haben, um uns zu helfen.

An Andrejs große Tochter, die jetzt hoffentlich viel entspannter einen großen Geburtstag feiern kann.

An unsere Kinder, die das alles ausgehalten haben und fröhlich geblieben sind.