Straftäter linksmotiviert: Für die Statistik reicht der Verdacht

Dieser Tweet schwebte am Wochenende durch die Timeline

Der Inhalt des dazugehörigen parlamentarischen Dokuments – eine schriftliche Frage von Christopher Lauer (Piraten) an den Berliner Senat – macht es nicht einfacher, den festen Glauben an den Rechtsstaat zu erhalten. Ein paar Zitate:

1. Ist es zutreffend, dass Personen gegen die lediglich Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber nie rechtskräftig verurteilt wurden, mit dem PHW „Straftäter linksmotiviert“ in den polizeilichen Datenbanken belegt werden können?

Antwort: (…) Tatsächlich genügt der durch Tatsachen manifestierte und damit begründete Anfangsverdacht des Begehens oder der Beteiligung (an) einer Straftat, die der Politisch motivierten Kriminalität – links- zugeordnet werden kann.

(Ein PHW ist ein Personengebundener Hinweis)

2. Eingeleitete Ermittlungsverfahren zu welchen konkreten Straftaten können dazu führen, dass Personen mit dem PHW „Straftäter linksmotiviert“ in den polizeilichen Datenbanken belegt werden, unabhängig vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens? (…)

Antwort: Die Bandbreite der in Frage kommenden Straftaten umfasst grundsätzlich alle im Strafgesetzbuch aufgezählten Tatbestände und darüber hinaus strafrechtliche Nebengesetze wie beispielsweise das Versammlungs- recht, das Presserecht, das Waffenrecht, das Sprengstoffrecht oder das Kunsturheberrecht. Entscheidend ist für die Vergabe des Personengebundenen Hinweises (PHW) „Straftäter linksmotiviert“ allein die bei verständiger Würdigung zugrunde liegende mutmaßliche oder offen- kundige Motivation durch linksorientierte politisch motivierte Beweggründe.

 

4. Warum werden Personen, die mit dem PHW „Straftäter linksmotiviert“ belegt werden, nicht von der Berliner Polizei darüber benachrichtigt, damit diese gegebenenfalls eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Speicherung betreiben können?

Antwort: Der PHW dient der Eigensicherung von Poli- zeibediensteten und dem Schutz der bzw. des Betroffenen bei Gefahrensituationen. Die Vergabe des PHW „Straftäter linksmotiviert“ hat darüber hinaus taktische Gründe und stellt dem Charakter nach lediglich einen internen Hinweis dar. (…)

 

8. Teilt der Senat die Auffassung, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung bei dem Begriff „Straftäter“ davon ausgeht, dass es sich um eine rechtskräftig verurteilte Person handelt?

Antwort: Bezüglich der Begriffsdefinition wird auf die Antwort zu Frage 1. verwiesen. Eine Aussage, wovon die Bevölkerung bei diesem Begriff ausgeht, kann vom Senat nicht getroffen werden.

 

 

Berlin, den 1. September 2014

Frank Henkel
Senator für Inneres und Sport

Wer sich das in Gänze zu Gemüte führen möchte, kann die vollständige Schriftliche Frage samt Antworten des Innensenators Henkel hier herunterladen (PDF).

Es gilt wie immer: wenn alle halbe Jahr entsetzt die Statistiken über politische motivierte Straftaten bekanntgegeben und härteres Vorgehen gefordert wird, lohnt das genauere Betrachten der Statistiken. Bzw. die Befragung von Fachleuten außerhalb des Sicherheitsapparats. (Liebe Medien: der letzte Satz war für Euch).

Ein neuer Job

kugelIch werde bald anfangen für den Untersuchungsausschuss NSA zu arbeiten. Damit ist vorläufig eigentlich alles Wesentliche gesagt. Was das genau heißt, weiß ich selbst noch nicht genau, und wenn ich mehr weiß, darf ich nicht über alles reden, heißt es. Ich werde in einer Art Panzerschrank arbeiten.

Trotz der zu erwartenden Geheimhalterei ist das natürlich unglaublich spannend. Ich beschäftige mich sowieso den ganzen Tag mit Überwachung und ihren Auswirkungen, und der Zweck des Untersuchungsausschusses ist bekanntlich herauszukriegen, wie welche Geheimdienste in Deutschland wen überwachen, warum und auf welcher Grundlage.

Wieviel davon einem Untersuchungsausschuss (UA) gelingt, in dem dieselben Mehrheiten gelten wie im restlichen Parlament, werden wir sehen. Die Großwetterlage ist so, dass die insgesamt acht Abgeordneten des UA angesichts der regelmäßigen neuen kleinen Skandale um Spione in Ministerien, überwachte Handys – Huch! – und lästigen neuen Enthüllungen aus dem Snowden-Fundus die Situation nicht so richtig souverän in der Hand haben. (Die acht verteilen sich übrigens folgendermaßen: 4 CDU/CSU, 2 SPD, 1 Linke, 1 Grüne. ‚Nuff said.) Gerade deswegen gibt es viel zu tun.

Das Kleingedruckte:

Ich werde nicht direkt für den Ausschuss arbeiten, das wäre das Ausschusssekretariat, sondern als Referentin für die Abgeordeten der Linken im Untersuchungsausschuss. In erster Linie ist das Martina Renner, neu im Bundestag, aber geübt in Untersuchungsausschüssen, denn vorher war sie in Thüringen im NSU-Untersuchungsausschuss. Ich glaube, wir passen ganz gut zusammen.

Schade ist, dass ich ein paar Projekte bei Tactical Tech hinter mir lassen muss, an denen ich auch sehr gern weitergearbeitet hätte. Wir haben gerade die Website ‚Me and My Shadow‚ runderneuert, da steckt viel Arbeit von mir drin und ich hätte das gern weiter betreut.

Auf der Seite gibt es reichlich Informationen dazu, wie wir digitale Spuren hinterlassen, aber auch Tips, wie sich das ändern lässt. Seit Neuestem nicht nur Englisch, sondern auch auf Spanisch, Französisch, Arabisch, Russisch und Urdu (Pakistan – hättet Ihr gewusst, oder?). Falls Ihr also Leute kennt, die sich dafür interessieren: gern weiterreichen. Einen guten Einstieg gibt es hier. Auf der Seite wird es bald noch mehr Neues gebe, es lohnt sich auf jeden Fall, da ab und zu vorbeizugucken.

Ein anderes, neues Projekt verbindet zwei Themen, die mir wichtig sind: Gender und Privacy, dabei werden u.a. Frauen dazu ausgebildet, andere im Bereich Privacy und digitale Sicherheit weiterzubilden, es wird darum gehen herauszufinden, wie Kurse und Lehrmaterialien so gestaltet werden können, dass sie Frauen*, Frauen*organisationen, Feministinnen tatsächlich dabei helfen, sicherer zu kommunizieren, mit Schwerpunkt im globalen Süden. Aber das wird so oder so stattfinden, und irgendwann ist der Untersuchungsausschuss ja auch vorbei.

Mehr zu mir und dem Untersuchungsausschuss demnächst hier – vorläufig bin ich aber noch ein bisschen im Urlaub.

Foto: 96dpi via photopin CC-BY-NC-Lizenz

Journalistische Maßstäbe

schreibmaschine800-Marvin Siefke_pixelio.deAm Samstagabend eskalierte nach einer Demo zur Unterstützung der Menschen in der Schule in der Ohlauer Straße eine Situation in der Nähe des Görlitzer Parks in Berlin-Kreuzberg. Davon gibt es ein Video, das bei YouTube (nur mit Anmeldung) bisher knapp 400.000 Mal gesehen wurde.

Zu sehen ist eine brutale Festnahme. Der Anlass ist nicht erkennbar. Anfangs gibt es kaum Publikum, aber es kommen immer mehr Menschen dazu und die Situation wirkt ziemlich unübersichtlich, für alle Anwesenden.

Zu dem Video gibt es im Text die Aufforderung, diese Dokumentation von Polizeigewalt zu verbreiten. Das ist offenbar so reichlich passiert, dass sich die Polizei genötigt sah, am Sonntag und am Montag Pressemitteilungen zu dem Vorfall zu veröffentlichen.

Entsprechend gibt es inzwischen diverse Berichte in den Medien. Und als ich die las, habe ich mich gefragt, wo die Autor_innen eigentlich ihre journalistischen Standards vergessen haben, die uns Blogger_innen regelmäßig unter die Nase gerieben werden. Sowohl Spiegel Online – im Panorama? -, als auch Berliner Zeitung und der Tagesspiegel beschreiben zwar die Perspektive der Polizei, haben aber keinerlei Information über die Sicht der anderen Seite der Auseinandersetzung. Der Berliner Zeitung könnte noch zugute gehalten werden, dass der Text als Kommentar veröffentlicht wurde. Konjunktiv wird eher spärlich eingesetzt: was die Polizei sagt, stimmt. Der Tagesspiegel zitiert immerhin mit ganzen fünf Worten die Macher_innen des Videos, aber dafür zusätzlich zum Polizei-Pressesprecher auch gleich noch die Landesbezirksvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Einseitig? Aber nicht doch!
(Falls es noch weitere entsprechende Berichte zu diesem Fall gibt: gern in die Kommentare)

Das ist nichts Neues. Eigentlich ist es der Regelfall: das habe ich beim G8-Gipfel als Teil des Presseteams der Proteste in Heiligendamm ausführlichst erlebt, es wurde bei den Protesten Anfang des Jahres in Hamburg anlässlich der angedrohten Flora-Räumung detailliert auseinandergedröselt und kritisiert und ist eigentlich nur selten anders: berichtet wird, was die Polizei-Pressestelle behauptet.

Was lernen diese Leute eigentlich auf den vielgepriesenen Journalist_innen-Schulen? Unter anderem doch wohl, dass der echte, der Qualitätsjournalismus sich u.a. deswegen von den Blogs und subjektivem „Bürgerjournalismus“ unterscheidet, weil immer verschiedene Seiten gehört werden, niemals nur eine Seite dargestellt wird.

Und warum gilt das nicht, wenn die Polizei involviert ist? Warum gilt das nicht, wenn in einer Auseinandersetzung offensichtlich viel Gewalt im Spiel ist und schließlich gegen drei Menschen „wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchter Gefangenenbefreiung und schweren Landfriedensbruchs ermittelt“ wird? Das sind schließlich keine Lappalien, sondern Vorwürfe, die möglicherweise mit Gefängnisstrafen enden. Und im übrigen die Statistiken über linke Gewalt füllen.

Natürlich sind diejenigen Beteiligten, die nicht bei der Polizei sind, nicht so einfach zu finden – gerade nicht bei solchen Vorwürfen und wenn sie möglicherweise traumatisiert sind nach der Prügelei. Vermutlich haben sie keine Pressestelle und verschicken nicht am nächsten Tag eine Pressemitteilung.

Aber bitte schön: das ist in Berlin-Kreuzberg kein Einzelfall. In Berlin wie in anderen Städten auch gibt es einen Ermittlungsausschuss, der sich seit Jahrzehnten um die rechtliche Betreuung von Menschen kümmert, die mit der Polizei aneinandergeraten. Die Nummer ist kein Geheimnis. Zu linksextrem, unglaubwürdig? (Auch schon gelesen). Aber die Polizei lügt nie, oder wie? Auch die politischen Kampagnen, um die herum solche Fälle häufig geschehen, sind in der Regel auffindbar und ansprechbar. Vielleicht nicht so komfortabel wie die Polizei, aber das kann ja wohl kein Grund sein, dann eben nur die eine Seite darzustellen. Jedenfalls nicht für Leute, die sich für Journalist_innen halten. Solche Berichte sind ein Grund, warum das Beharren, richtiger Journalismus sei wichtig und unersetzlich, zuweilen nicht besonders ernst genommen wird.

Wann fangen die Journalist_innenschulen an, ihren Auszubildenden beizubringen, wo und wie zu politischen und sozialen Bewegungen recherchiert wird und dass es da häufig Menschen gibt, die durchaus bereit sind, ihre Sicht der Dinge darzustellen? Das ist keine Zauberei.

Bild: Marvin Siefke  / pixelio.de

TED-Talk: Wie aus politischen Bewegungen Terrorgefahren werden

Hätte er ja wissen können. Journalist Will Potter schloss sich 2002 einer Gruppe an, die sich mit Flugblättern gegen Tierversuche engagierte. Er wurde festgenommen, freigelassen, und kurz darauf vom FBI kontaktiert, das ihn vor die Wahl stellte, Spitzel zu werden oder auf einer Liste von Terror-Verdächtigen zu landen.

Seitdem beschäftigt er sich, wie Tierrechts-Aktivismus zur Top-Terror-Bedrohung innerhalb der USA geworden ist, und schreibt darüber auf Green is the new Red. Zum Thema des TED-Talks gibt es auch eine kommentierte Leseliste.

Ein ziemlich knackiges Podium

Vor gut zwei drei Wochen war ich bei einer einigermaßen kontroversen Veranstaltung in Schweden, dem Stockholm Internet Forum. Kontrovers, weil der Cicero 10 Tage vorher schrieb, dass es eine  Liste gebe mit Namen, deren Teilnahme nicht erwünscht sei. Darauf: Edward Snowden, Laura Poitras, Glenn Greenwald, Alan Rusbridger, Jacob Applebaum. Thema der zum 3. Mal stattfindenden Konferenz war Internet-Freiheit und Entwicklung, Teilnahme war nur auf Einladung möglich, und veranstaltet wurde sie vom – konservativ regierten – schwedischen Außenministerium.

In der Folge gab es viel Debatte, ob die Liste eine schwarze Liste war oder doch nur ein normaler Auswahlprozess, bei dem – so das Außenministerium – zum Beispiel Kriterien wie Gender, Herkunft (Schwerpunt war der globale Süden) eine Rolle spielten, oder ob der/die Betreffende schon mal da gewesen war. Das gesamte Hin und Her bräuchte einen eigenen Artikel, aber darum geht es mir hier  nicht in erster Linie.

Die Auseinandersetzung war mit Beginn der Konferenz nicht beendet, im Gegenteil. Bei jeden Panel wurde das Thema angesprochen und was mich beeindruckt hat, war die Abschlussveranstaltung. Vorher gab es einen Kurzvortrag des schwedischen Außenministers, und das Panel, auf dem auch ein Vertreter des US-Außenministeriums saß, beantwortete dann Publikumsfragen. Sowohl die fantastische Moderatorin Julie Gichuru, die anderen Panel-Gäste als auch das Publikum haben die 1,5 Stunden damit zugebracht, Carl Bildt und Christopher Painter mehr oder weniger aggressiv zu attackieren. Ich würde mir einen Bruchteil davon bei Veranstaltungen in Deutschland wünschen.

Gleichzeitig lässt sich aus den Reaktionen der beiden Politiker viel über politische Rhetorik lernen.

Viel Vergnügen:

Google Hoax – The Nest will survive

Bei der re:publica wurden eine Reihe neuer Google-Produkte vorgestellt: Google Trust, Google Bee, Google Hug und schließlich Google Bye. Paul van Ribbeck und Gloria Spindle haben eine eindrucksvoll Performance auf Bühne 1 abgeliefert:

Es gab einen Gastauftritt von Tatort-Kommissar Jan Josef Liefers, der sich zufällig im Saal befand und vom Hug-Algorithmus als passender Partner für einen freiwilligen Produkttester ermittelt wurde, der das Bedürfnis hatte, umarmt zu werden.

Google zeigte wenig Humor und dementierte.

Die Website findet sich derzeit unter www.google-nest.org:

Screenshot der Google-Nest website.Leider mussten sich Paul von Ribbeck und Gloria Spindle noch während der re:publica von Google trennen:

Der Grund ist wohl in dieser E-Mail zu finden:

Mail von Google zum Auftritt bei der re:publicaOder, wie David Graeber feststellt:

Möglicherweise wird es die Website also nicht mehr lange geben, es sei denn, es finden sich gespiegelte Kopien im Netz. Ich zumindest freue mich auch über das Merchandising, und über die gelungene Kommunikationsguerilla-Aktion der Peng-Kollektivs. Glückwunsch!

Google Nest Sticker

Warum Überwachung ein Problem ist, in drei Minuten

Ich habe mich überrumpeln lassen, zur Europa-Wahl aufzurufen, was normalerweise nicht so meine Sache ist. Deswegen rede ich in dem Spot auch vor allem über was anderes: Überwachung, Snowden, Geheimdienste und warum uns das betrifft, auch wenn wir echt wirklich nichts zu verbergen ™ haben.

Nebenbei ist sicher allein deswegen vernünftig, wählen zu gehen, damit keine Nazis in die Parlamente gewählt werden.

10 vor 8: Zurück aufs Dorf?

3756818834_0e034d4d48_zIch habe letzte Woche wieder fremdgebloggt, bei Ich. Heute. 10 vor 8.. Es geht um große Fragen (die ich selbstverständlich alle nicht beantworte): Kommunikationskultur im Netz, das Verschwinden der Netikette, Drohungen gegen Feministinnen, das Entstehen von Meinungen und Positionen und ob das Internet sein Versprechen einlöst, mehr Demokratie zu schaffen. Spoiler: ich hoffe es immer noch, aber es schleichen sich hier und da Zweifel ein.

Was nicht drin steht ist, dass ich nicht der Meinung bin, dass ich ab jetzt das Internet schlecht finde, aber offen ist, wie wir hinkriegen können, dass nicht alle weggemobbt werden, die Meinungen äußern, die nicht sofort mehrheitsfähig sind. Außerdem geht es um ein T-Shirt.

Zurück auf’s Dorf?

 

Foto: Jason Hickey/Flickr, CC-BY-Lizenz

Binningers Rücktritt, oder: Die Erde ist eine Scheibe

3monkeysEine Woche nach der Konstituierung des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags ist gestern sein Vorsitzender zurückgetreten. Das ist ziemlich ungewöhnlich, deswegen war die Nachricht überall Top-Meldung. Einen Ausschussvorsitz geben Abgeordnete nur selten freiwillig ab, denn er ist mit allerhand Macht und entsprechender Öffentlichkeit verbunden, siehe auch etwa Edathy als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses in der letzten Wahlperiode.

Und was geschah gestern? Agenturen und nach und nach die Qualitätsmedien des Landes tippten brav ab, was Binninger diktierte: Zuerst, er sei zurückgetreten, weil es Unstimmigkeiten unter den Ausschussmitglieder gegeben habe und „eine sachdienliche Zusammenarbeit aller Fraktionen nicht möglich“ sein würde. Kurz danach hieß es, die Opposition wolle den Untersuchungsausschuss zur parteipolitischen Profilierung nutzen.

My ass. Natürlich will sie das. Es ist ja nicht so, dass sonst im Bundestag alles im Konsens entschieden würde, oder die Regierungsfraktionen nicht an Profilierung interessiert wären. Dass es zum Thema NSA unterschiedliche Interessen gibt, war Herrn Binninger sicher auch nicht neu, immerhin war ja schon das Zustandekommen des Ausschusses keine besonders harmonische Angelegenheit: CDU und SPD haben aus nachvollziehbaren Gründen nicht so großes Interesse an Aufklärung etwa der Rolle der deutschen Geheimdienste und der Verwicklung ihrer eigenen Politiker_innen in die Pauschal-Überwachung in Deutschland. Das wusste er schon, als er den Job übernommen hat.

Und die Medien also? Keine kritische Nachfrage. Böse, böse Opposition! Wollte einfach die 0,5 Minderheitenrechte, die sie haben, auch durchsetzen. Wer konnte das ahnen! Sie bestand darauf Snowden einzuladen: ungeheuerlich! Ohne darauf herumreiten zu wollen, aber: die Grünen sind die kleinste Fraktion im Bundestag. Ihre Möglichkeiten in den vier Jahren dieser Legislarur sind denkbar schlecht. Mit Ströbele und dem Thema Snowden haben sie ein gutes Thema und auch ein völlig vernünftiges Thema, und keine Regierung(sfraktion) der Welt wäre ernstlich schockiert, wenn ihnen sowas präsentiert würde.

Die offensichtlichen Fragen sind doch, was tatsächlich der Grund für den Rücktritt war. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Binninger wurde unter Druck gesetzt: von wem? warum?
  • Binninger wurde etwas Besseres versprochen: was?
  • Binninger hat etwas erfahren, was ihn so stört, dass er nicht mehr will – das müsste dann schon was ziemlich Erhebliches sein: was?

Heute morgen bewegt sich die Medienlandschaft gemächlich in Richtung der einen oder anderen Nachfrage. Ich unterstelle mal, dass die Hauptstadtjournalist_innen mit besseren Kontakten zur CDU deutlich mehr über die Hintergründe wissen als ich oder alle anderen, die bloß zugucken.

Im Deutschlandfunk entwickelt sich ein Appetit am Thema, da wurde heute morgen Wolfgang Kaleck, Snowdens deutscher Anwalt, gefragt:

„Herr Binninger hat sinngemäß gesagt, Snowden hat wahrscheinlich nicht so wahnsinnig viel zur Aufklärung beizutragen, weil er das Material, das er ja hat mitgehen lassen, weitergegeben habe an Journalisten, und außerdem handele es sich bei ihm lediglich um so etwas wie eine Art Systemadministrator. …“


Vielleicht ist ja auch erkannt worden, dass sich Herr Binninger an sich nicht so richtig für Innenpolitik eignet, aber es wäre sicher trotzdem interessant, wie das genau vor sich gegangen ist.

Update: Die Süddeutsche hatte schon gestern ein paar Fragen: Binningers mysteriöser Sinneswandel (Danke, Hannah Beitzer)

Foto: Stéfan via photopin, CC-BY-NC-SA-Lizenz

Sicher ist: nichts hilft nicht

“wenn er sich so in die nische setzte und vorsichtig im hintergrund hielt, konnte winston, wenigstens visuell, ausser reichweite des televisors bleiben.”

1984, george orwell

Genug davon, immer nur über Überwachung zu reden und beim ‚Man
müsste mal…‘ stecken zu bleiben? Genug gelesen, genug offene Briefe geklickt? Ich habe mit unzähligen Menschen Gespräche darüber geführt, dass es nicht reicht. Dass endlich was passieren müsste. Warum denn niemand was auf die Beine stellt. Dass es fast zu spät ist. Dass dagegen nichts hilft. Sicher ist: nichts hilft nicht.

Was tun? Was tun!

Das Thema ist durch, es findet noch in den Netz- und Medienrubriken statt, aber ansonsten ist wieder Business as usual.

Ich habe mir vor ein paar Wochen mit einigen Leuten überlegt, dass wir nicht gut damit weiterleben, das einfach so hingenommen zu haben. Es wird auch schwierig werden, es unseren Kindern zu erklären.

Wir wollen uns gemeinsam mit vielen anderen überlegen, was wir tun können. Das kann viel sein: Demonstrationen, direkte Aktionen, mehr Briefe (naja), ein Bündnis der Gruppen und Personen, die sich mit dem Thema beschäftigen und das gemeinsam lauter ist. Eine Plakatserie, ein Slogan, eine Kampagne für den nächsten Wahlkampf. Und das sind bloß die Sachen, die mir in ein paar Minuten einfallen. Um gemeinsam zu überlegen und dann gemeinsam zu planen, gibt es am 5. April ein Barcamp in Berlin. Kein Gezeter, kein Bullshit, keine Flügelkämpfe. Was tun.

Und wir wollen, dass Ihr kommt.

Wir, das sind Julia Kloiber, Moritz Tremmel, Benjamin Bergemann, neuerdings auch Thorsten Schröder, und ich.

Wir haben es satt, und wir haben Lust, was zu machen.

Hier steht noch mehr: ausserreichweite.org

Hinter dieser Idee steht außer uns niemand und auch keine Geldgeber_innen. Es wird nicht luxuriös, aber es wird genug sein. Wenn Ihr kommt, meldet Euch bitte so verbindlich wie möglich an, damit wir wissen, wieviel Platz, wieviel Essen und Getränke wir brauchen. Und bringt dafür ein bisschen Geld mit.

Kontakt: info-at-ausserreichweite-org
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