Die Apathie regt mich auf

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Direkt nach dem Aufwachen spült mir Facebook über Freundinnen drei ganz unterschiedliche Artikel in die Timeline.

Carbon dioxide in the atmosphere crosses historic threshold

The ratio of carbon dioxide in the Earth’s atmosphere has surpassed 400 parts per million in an average daily reading at Hawaii’s Mauna Loa Observatory, the highest concentration of the heat-trapping greenhouse gas in millions of years. (…)

Climate scientists have calculated that the world needs to keep carbon dioxide emissions from crossing the 400-ppm threshold in order to avoid a rise of 2 degrees Celsius (3.6 degrees Fahrenheit) above the average global temperature of pre-industrial times and profound changes to nearly every aspect of life. (…)

“This needs to be a wake-up call,” said  Melanie Fitzpatrick, climate scientist at the Union of Concerned Scientists, a research and advocacy group based in Washington.  “If we don’t reduce carbon soon, we may no longer talk about searing summer temperatures, 100-year storms and intense droughts as something unusual because they may be the norm.

(Los Angeles Times, 10. Mai 2013)

Dann

La banca desalojó por la fuerza de su casa al menos a 2.405 familias en 2012

(Die Bank hat 2012 mindestens 2.405 Familien zwangsgeräumt)

(El Pais, 10. Mai 2013)

Und

Der schwere Stand der Bürgerrechte

… der Fall des pensionierten Vorsitzenden Richters am Landgericht Dieter Reicherter. Er wurde zum Gegner von Stuttgart21, nachdem er mehr oder minder zufällig miterlebt hat, mit welcher Brutalität die Polizei im Stuttgarter Schlosspark gegen friedliche Demonstranten vorgegangen ist. (…)

Am 27.06.2012 durchsuchte die Polizei das Haus von Dieter Reicherter, der sich gerade in London aufhielt und beschlagnahmte einen Computer und ein Notebook. Ohne richterliche Anordnung – wie Reicherter sagt – wurde eine umfassende Auswertung seiner Rechner durchgeführt. Reichterter schildert dies in einem Brief an verschiedene Beteiligte, deren E-Mails mitbeschlagnahmt und ausgewertet wurden. Darunter ist auch der E-Mail-Verkehr mit einem Journalisten der taz.

(Internet-Law. Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0, 10. Mai 2013)

Oder auch: die Lage ist nicht lustig. Wir machen den Planeten und unsere Lebensgrundlagen kaputt, die Finanzkrise(n) sind mörderisch wie eh und je und unsere Demokratie ist eine Farce.

Was mich echt nervt, ist die Apathie. Die Erwartung, dass a) wir nichts tun können und b) irgendwer anders irgendwas machen sollte. Uns geht’s ja noch einigermaßen. Erstmal muss ich mich um mich (meine Kinder) kümmern.

Selbstverständlich ließe sich das alles ändern. Selbstverständlich wäre das nicht einfach, aber dass das so ist, weil wir hinnehmen, dass einige entscheiden, wo’s lang geht, die sich vor allem darum kümmern, dass alles so bleibt, wie es ist, ist doch hinreichend deutlich.

Die SPD? HAHAHA. (Hartz IV und so). Zur Bereitschaft der Grünen, irgendwas jenseits der Umwelt schützen zu wollen, hörte ich neulich ein empfehlenswertes Gespräch mit Heiner Flassbeck über „Gerechte Wirtschaft“ im RBB KulturRadio. Flassbeck war 98/99 unter Lafontaine Finanzstaatssekretär (und dann Chef-Volkswirt der UNCTAD) und bekam die unausweichliche Gretchenfrage gestellt, ob er nicht enttäuscht war, dass Lafontaine gleich hingeschmissen hat. Er antwortete:

Naja, die Enttäuschung war weniger Lafontaine, die Enttäuschung war diese gesamte Regierung. (…) Weil diese Regierung war kaum im Amt, die war drei Tage im Amt und war schon tief gespalten (…) Es war nach kurzer Zeit auch schon klar, dass die Schröder-Leute, sage ich mal, ein ganz anderes Lager besiedeln und ein ganz anderes Programm hatten als wir (…) Es also nicht Lafontaine, der mich enttäuscht hat, sondern diese gesamte Konstellation in der SPD.“

Es wäre ja genau die Chance gewesen, genau das, wofür Sie stehen, mal durchzusetzen?

Ja, nur man muss natürlich dann eine oder zwei Parteien haben, die das auch begreifen und auch dahinter stehen. Und auch die Grünen haben damals nicht dahinter gestanden. Es gab einfach überhaupt keine Neigung, so wie Joschka Fischer das gesagt hat, sich mit den Finanzmärkten anzulegen. Joschka Fischer hat zu Lafontaine fragend gesagt: „Wollt Ihr Euch etwa mit den internationalen Finanzmärkten anlegen?“ Das war genau das Programm, ja. Damit hätte man sich anlegen sollen, dann wäre uns vieles erspart worden.

(RBB Kulturradio, Das Gespräch, 5. Mai 2013)

Ich bin aus verschiedensten Gründen echt keine Freundin von Lafontaine, aber diese ewig wiederkehrende Interpretation, er hätte gekniffen und sei ein Feigling ist ein Beispiel für das Totalversagen der Medien als Vierte Gewalt in diesem Land. Gekniffen haben die Grünen und die SPD, und das ist noch die positivste der möglichen Interpretationen. Eine andere wäre, dass sie kein Interesse haben, an den Zuständen etwas zu ändern.

Aber wer sonst soll denn etwas ändern? Wir leben in einem der reichsten und mächtigsten Länder. Es gibt viel Stolz und Zufriedenheit über die Demokratie, die hier besser dastünde als fast überall sonst. Stimmt wohl sogar. Aber dann ist es auch unsere verdammte Verantwortung, nicht einfach hinzunehmen, was passiert und mehr zu tun, als den Like-Button zu klicken. Und ich sehe die Lösung nicht in den Parteien. Ohne die geht es aktuell auch nicht, denn momentan scheinen Klima- und Finanzkatastrophen schneller voranzukommen als gesellschaftliche Utopien, die nach mehr Gerechtigkeit streben. Aber ganz offensichtlich verfangen sich ParteipolitikerInnen so schnell in Sachzwängen, sobald sie gewählt werden, dass das einfach keine Lösung ist.

Die Medien ™, um nochmal auf sie zurückzukommen, sind auch keine große Hilfe in ihrer Fixiertheit auf parteipolitische Boulevardberichterstattung. Es bereitet offenbar immer viel mehr Freude, über Ränkespielchen zwischen verschiedenen Flügeln und Personen zu schreiben als über etwas längerfristige Auswirkungen von bestimmten programmatischen Entscheidungen und wie (und warum!) es zu ihnen kam. Oder Beziehungen zwischen Parteien und der Gesellschaft und ihrer Bewegungen und Interessen. Wäre natürlich mühsamer, als ein Team von Journalistinnen zu jedem Parteitag zu schicken, die sich da die Füße plattstehen und auf dem O-Ton des frischgewählten Spitzenkandidaten warten, den wir alle schon hundert Mal gehört haben. Ich frage mich, wie diese Leute, die auf ihren Berufsethos meist so stolz sind, in Ruhe einschlafen.

Wer, wenn nicht wir.

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Bild: Kalyan Shah, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-Lizenz

Gegen Terror ist jedes Mittel recht

Im Berliner Abgeordnetenhaus (Landesparlament) wurde Ende Mai über den sog. S-Bahn-Anschlag debattiert und der grüne Abgeordnete Benedikt Lux hielt eine Rede, die ich den Grünen irgendwie doch nicht zugetraut hätte. Aber wer gern schwarz-grün regieren möchte, muss wohl Abstriche in bestimmten Bereichen machen.

Disclaimer, weil das ja immer kommt: Mir geht es hier nicht um den S-Bahn-Anschlag und ich fand auch, dass es in dem Bereich keine Anschläge mehr braucht, denn das macht die BVG S-Bahn GmbH ja schon sehr schön alleine. Mir geht es um den Ton, der sich wenig von konservativen Innenpolitik-Hardlinern unterscheidet.

Die Highlights:

Dieser Anschlag hatte zur Folge, dass Zehntausende Berlinerinnen und Berliner nicht so leben, arbeiten und sich so in der Stadt bewegen konnten, wie sie es gewohnt sind. (..) Deswegen ist für meine Fraktion klar, dass fast die gesamte Stadt Opfer und Geschädigte dieses Anschlags war, wir waren es alle.

Zu Recht prüft jetzt die Generalbundesanwaltschaft – wie sie es auch nach dem Anschlag auf den Polizeiabschnitt in Friedrichshain getan hat –, ob hier nicht terroristische Zusammenhänge vorliegen, denn die Tätergruppen sind sehr konspirativ vorgegangen.

Terrorismus? Selbst die Bundesanwaltschaft hat mittlerweile abgelehnt. Seit wann suchen die Grünen unter jedem Stein nach Terroristen? Waren die nicht auch mal Bürgerrechtspartei?

Der 1. Mai, die „revolutionäre“ Demo ist halbwegs friedlich gewesen, aber das ist kein Grund zur Entwarnung, denn die Tätergruppen werden konspirativer, kleiner, sie stehen sich nicht mehr Mann gegen Mann auf der Straße gegenüber – so hat es auch ein Staatsschützer ausgedrückt –, sondern sie planen feige Anschläge, die hohen Schaden verursachen können, dem Gemeinwohl empfindlich schaden.

Mann gegen Mann?!? Und wenn – wäre das die wünschenswertere Form der Auseinandersetzung?

Deswegen muss ein Signal ausgehen, dass wir in dieser Stunde, in der so feige Anschläge mit diesem Schaden verübt werden, als Parlament zusammenstehen, und zwar alle Fraktionen, dass wir diesen feigen Anschlag verurteilen (…)

Warum diese starke Betonung des ‚Wir alle gegen DIE‘ nötig war, ist mir unklar. Es war ja sicher nicht zu befürchten, dass sich irgendwer im Parlament hinstellt und die Bevölkerung zu weiteren ähnlichen Anschlägen aufhetzt? Die mehrfache Wiederholung dieses „Wir“ erinnert mich an militaristische Rhetorik.

Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, unsere empfindliche Infrastruktur zu schützen, sie sicherer zu machen. (..) Damit wird niemand vom Opfer zum Täter gemacht, sondern es geht darum, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, unsere Bevölkerung, unsere freie Gesellschaft zu schützen. Jedes zulässige Mittel, das den Schutz dieser Infrastruktur zum Ziel hat, ist recht.

Jedes Mittel für unsere freie Gesellschaft? Auweia.

Und dann ein Klassiker – wenn härter durchgegriffen werden soll, werden gern die vermeintlich Schwachen betont, die geschützt werden müssen:

Es kann nicht sein, dass sich jede zweite Frau in diesem Bundesland fürchtet, wenn sie den öffentlichen Nahverkehr benutzt.

Und schließlich: Videoüberwachung für den Klimaschutz!

Wir als Grüne setzen große Hoffnung darauf, dass er (der Nahverkehr, A.R.) unsere Mobilität künftig klimaschonender machen wird. Der öffentliche Nahverkehr muss attraktiv, günstig und insbesondere sicher sein. Ich erinnere nur an zwei Beispiele, nämlich die schon erwähnte Abschaffung der Doppelstreifen und die Weigerung von Innensenator Körting, Rechtsgrundlagen für den öffentlichen Nahverkehr einzuführen, die eine Videoüberwachung zur Folge haben.

Die Rede gibt’s beim RBB auch als Video.

 

Für den besseren Gesamteindruck die gesamte Rede aus dem Protokoll:
Berliner Abgeordnetenhaus, 83. Sitzung, 26. Mai 2011, S. 7984 (pdf)

Benedikt Lux (Grüne):

Danke schön, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten  Damen und Herren! In der Nacht zum Montag ist ein Anschlag auf eine Kabelbrücke am Ostkreuz verübt worden. Dieser Anschlag hatte zur Folge, dass Zehntausende Berlinerinnen und Berliner nicht so leben, arbeiten und sich so in der Stadt bewegen konnten, wie sie es gewohnt sind. Sie kamen zu spät oder gar nicht zur Arbeit. Tausende konnten nicht telefonieren, nicht ins Internet gehen, und selbst in Krankenhäusern konnte nicht telefoniert und kommuniziert werden, weil dieser Anschlag solch fatale Folgen hatte. Deswegen ist für meine Fraktion klar, dass fast die gesamte Stadt Opfer und Geschädigte dieses Anschlags war, wir waren es alle. Deswegen ist er unumwunden zu verurteilen.

[Beifall bei den Grünen –
Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Zu Recht prüft jetzt die Generalbundesanwaltschaft – wie sie es auch nach dem Anschlag auf den Polizeiabschnitt in Friedrichshain getan hat –, ob hier nicht terroristische Zusammenhänge vorliegen, denn die Tätergruppen sind sehr konspirativ vorgegangen. Sie hatten möglicherweise sogar Insiderwissen. Diese Prüfung sollten wir aber auch in aller Nüchternheit abwarten, Herr Kollege Dr. Juhnke. Die Entscheidung obliegt nicht uns als Parlament, sondern einer unabhängigen Justiz. Dann werden wir sehen, wie dieser Anschlag genau zu qualifizieren ist.

Nach dem 1. Mai, der relativ friedlich war, haben nicht alle Entwarnung gegeben. Sie selbst und auch Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen saßen zusammen und haben gesagt: Der 1. Mai, die „revolutionäre“ Demo ist halbwegs friedlich gewesen, aber das ist kein Grund zur Entwarnung, denn die Tätergruppen werden konspirativer, kleiner, sie stehen sich nicht mehr Mann gegen Mann auf der Straße gegenüber – so hat es auch ein Staatsschützer ausgedrückt –, sondern sie planen feige Anschläge, die hohen Schaden verursachen können, dem Gemeinwohl empfindlich schaden. Das planen sie in sehr konspirativem Kreis. Das haben die Innenpolitiker dieses Hauses gesehen. Deswegen muss ein Signal ausgehen, dass wir in dieser Stunde, in der so feige Anschläge mit diesem Schaden verübt werden, als Parlament zusammenstehen, und zwar alle Fraktionen, dass wir diesen feigen Anschlag verurteilen und uns da nicht auseinanderdividieren lassen, denn diesen gefallen sollten wir den Tätern nicht tun. Wir müssen gegen diesen Anschlag zusammenstehen und ihn so hart wie erforderlich verurteilen.

[Beifall bei den Grünen –
Vereinzelter Beifall bei der SPD –
Beifall von Björn Jotzo (FDP)]

Niemand in der Bevölkerung versteht, wenn wir uns hierzu gegenseitig Vorwürfe machen. Wer hätte da etwas besser machen können? Wer hat da noch den Hauch von Sympathie? – Hier im Parlament hat niemand für diese feigen Attentäter Sympathie. Alle versuchen vielmehr, diesen Schaden für das Allgemeinwohl abzuwenden. Das sollten wir gemeinsam tun.

Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, unsere empfindliche Infrastruktur zu schützen, sie sicherer zu machen. Dazu hat der Kollege Kleineidam etwas gesagt. Dieser Hinweis muss erlaubt sein. Damit wird niemand vom Opfer zum Täter gemacht, sondern es geht darum, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, unsere Bevölkerung, unsere freie Gesellschaft zu schützen. Jedes zulässige Mittel, das den Schutz dieser Infrastruktur zum Ziel hat, ist recht. Wir sind angreifbar. Wir waren zu angreifbar. Deswegen ist es richtig, die freie Gesellschaft zu schützen, indem wir eine Debatte darüber führen, wie wir – erstens – die Täter bekommen und – zweitens –, wie wir unsere empfindlichen Infrastrukturen schützen. Diese Fragen müssen erlaubt sein.

[Beifall bei den Grünen]

Deutlich davon zu trennen ist die Frage, wie wir mit Gewalt im öffentlichen Nahverkehr umgehen. Das sind ganz  andere Täterkreise. Man darf das nicht vermischen. Das ist eine andere Klientel, eine andere Bedrohungslage, die
bei Passagieren Angst auslöst. Es kann nicht sein, dass sich jede zweite Frau in diesem Bundesland fürchtet, wenn sie den öffentlichen Nahverkehr benutzt. Das ist aber eine völlig andere Debatte als die über vermeintlich Linksextreme. Wir haben lange über den Einsatz von mehr Polizei im öffentlichen Nahverkehr gesprochen. Ich erlaube mir an dieser Stelle, dem rot-roten Senat ein Versäumnis vorzuhalten: In den letzten zehn Jahren erschien es so, als behandele der rot-rote Senat den öffentlichen Nahverkehr wie einen privaten Raum. Öffentlicher Nahverkehr ist – das sagt bereits der Name – der Verkehr, den die Öffentlichkeit braucht. Wir als Grüne setzen große Hoffnung darauf, dass er unsere Mobilität künftig klimaschonender machen wird. Der öffentliche Nahverkehr muss attraktiv, günstig und insbesondere sicher sein. Ich erinnere nur an zwei Beispiele, nämlich die schon er- wähnte Abschaffung der Doppelstreifen und die Weigerung von Innensenator Körting, Rechtsgrundlagen für den öffentlichen Nahverkehr einzuführen, die eine Video-überwachung zur Folge haben. Er hat immer gesagt, das betreffe das private Hausrecht. An dieser Haltung zeigt sich sehr deutlich, dass der öffentliche Nahverkehr von der BVG selbst geschützt werden muss, dass sich der Staat dort heraushält. Das aber kann nicht sein. Öffentlicher Nahverkehr ist öffentlicher Raum, und der muss vom Staat und der Gesellschaft geschützt werden. Was in letzter Zeit passiert, nämlich dort Einsatzreserven hinzuschicken, geschieht reichlich spät und in zu geringem Umfang. Das muss der amtierende Senat noch in dieser Legislaturperiode ändern. Es ist ganz klar: Die Berlinerinnen und Berliner haben es verdient, dass der öffentliche Nahverkehr sicherer wird.

[Beifall bei den Grünen]

Ich würde mich freuen, wenn wir in dieser Debatte weiterhin Lösungsvorschläge erarbeiten, wie wir erstens mit dem immer konspirativer werdenden vermeintlichem Linksextremismus umgehen. Lassen Sie mich persönlich hinzufügen: Ich als jemand, der seit Beginn seiner politischen Aktivitäten immer gegen Atomkraft gewesen ist, empfinde es als eine maßlose Unverschämtheit, wenn sich dort Personen rühmen, gegen Atomkraft zu sein oder auch andere politische Ziele zu verfolgen, indem sie Zehntausende von Berlinerinnen und Berlinern beeinträchtigen, indem sie einen feigen Anschlag verüben. Das kann nicht sein! Denen müssen wir jegliche politische Legitimität, wenn sie sie denn überhaupt noch haben, entziehen. Ich weigere mich, das als Politik anzuerkennen, was dort passiert ist. Das muss das ganze Haus gemeinschaftlich tun. Das werden die Berlinerinnen und Berliner auch tun. Niemand hat ein Interesse daran, dass, nur weil es bestimmte Missstände in der Bundesrepublik gibt, so ein empfindlicher Anschlag mit so weit reichenden Folgen verübt werden darf.

[Beifall bei den Grünen –
Beifall von Andreas Gram (CDU)
und Volker Thiel (FDP]

Insofern darf ich mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion):
Bedanken Sie sich nicht, Herr Lux!]

und hoffen, dass Objektivität in die Debatte kommen wird und wir hier weiter nüchtern und sachlich auch über die
Gefahren für die innere Sicherheit diskutieren können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

 

5 vor 12 – Internet-Sperren 2.0 vor der Ratifizierung

Von den meisten unbemerkt findet gerade das Ratifizierungsverfahren des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages statt (nach dreimal laut Vorlesen  konnte ich es auswendig sagen). Kurz JMStV. Ein Staatsvertrag ist in Deutschland ein Vertrag, der von den MinisterpräsidentInnen der Bundesländer ausgehandelt und dann von den Länderparlamenten ratifiziert wird. Er soll im Januar in Kraft treten und wird gerade in den Ländern abgestimmt.

Mit einem beliebten billigen Trick wird hier ein Gesetz (das ist es dann nämlich) durchgepaukt: Unter dem Vorwand, angeblich Schwache vor dem Bösen zu beschützen (siehe Kinderpornografie & Internet-Sperren, unterdrückte Frauen & Taliban in Afghanistan etc.) wird gerade eine – stark vereinfacht – neue Form der Zensur eingeführt. Zu den Details steht unten mehr. Die Bundesländer, die noch abstimmen müssen sind:

vsl. 7./8. Dezember: Saarland (Anhörung am 02. Dezember)
vsl. 9. Dezember: Berlin
vsl. 14.-16. Dezember: Bayern, Brandenburg
vsl. 14.-17. Dezember: Sachsen, Schleswig-Holstein
vsl. 15.-16. Dezember: Nordrhein-Westfalen
15. Dezember: Mecklenburg-Vorpommern
(recherchiert von J.-O. Schäfers für Netzpolitik.org)

Es sind also mehr oder weniger alle Parteien involviert, da wir es hier mit allen möglichen Konstellationen zu tun haben. Letzte Woche gab es einen Offenen Brief an die SPD in Nordrhein-Westfalen (rot-grüne Regierung mit Tolerierung durch die Linke). Als ich gefragt wurde, ob ich mitunterschreibe, wollte ich mehr wissen, habe ich das Kuddelmuddel der Parteieninteressen gefürchtet, habe ich zu lange gezögert.Zum Glück gab es viele andere.

Heute habe ich einen Offenen Brief an die Abgeordneten in Berlin mit unterzeichnet (s.u.) mit der Aufforderung, die geplante Zustimmung zu verweigern. Der hat weniger Unterschriften, weil es noch schneller gehen musste. Die SPD ist für den Vertrag, Grüne in NRW und Linke in Berlin winden sich in Schmerzen im Koalitionszwang. Können aber nicht Nein sagen.

Weiterlesen

Wer hat uns verraten..

Die SPD ist ja selten verlegen, uns daran zu erinnern.

Der Unterausschuss Neue Medien des Bundestages behandelte heute den Antrag der Grünen, die Vorratsdatenspeicherung auch nicht über den Umweg EU zuzulassen. Das Ergebnis, getwittert vom Mitarbeiter des grünen MdB Konstantin von Notz:

Votum UA NM grüner Antrag „Keine VDS über Umweg Europa“: Linke/Grüne dafür, SPD Enthaltung, CDU/CSU u. FDP dagegen, für #vds

Als nächstes beantragte Die Linke, die Online-Durchsuchung aufzuheben. (Ob das auch im Unterausschuss Neue Medien oder aber im Innenausschuss stattfand, ist nicht richtig deutlich, aber vielleicht finden wir das ja noch raus)

twitter.com/JoernPL

@spd_netzpolitik netzpolitische Trauerspiel der SPD geht weiter: Stimmt mit Koalition gegen linken Antrag „Aufhebung Online-Durchsuchung“

Die Erklärung dafür würde mich interessieren, obwohl ich eine Ahnung habe, dass es irgendwelche Sachzwänge gegeben haben muss und die SPD selbstverständlich weiter an vorderster Front der Digital Natives zu finden ist.

Bei daten-speicherung.de gibt es noch mehr solche Beispiele: das Abstimmungsverhalten der Parteien zu Überwachungsgesetzen von 1956 – 2009. Warum wird das eigentich nicht weitergeführt?

Credit goes to Björn Grau, der das zuerst fand.