Polizei Sachsen: Because we can!

By Cepheiden (Own work) [GFDL (www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons, http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dresden_-_Polizeipraesidium_--_Haupteingang.jpgUpdate: Der sächsische Daten-Gau weitet sich zum Super-GAU aus: Nach Recherchen des MDR ist die massenhafte Datenspeicherung mind. seit 2009 in Sachsen Usus. Für die Handy-Daten-Überwachung ist ein Sonderbericht des Innenministeriums bis Freitag angekündigt.

Selbstbewusst verkündet heute die Polizeidirektion Dresden die „rechtmäßige“ Auswertung von 138.000 Handyverbindungs-Datensätzen, erhoben am 19. Februar 2011. Das sehen nicht alle so: „Der massive Verstoß gegen geltendes Datenschutzrecht verblüfft sogar die Staatsanwaltschaft.“ (Süddeutsche). Auch der Sächsische Datenschutzbeauftragte ist nicht amüsiert, immerhin hat er erst aus der taz von der Angelegenheit erfahren, und hat der Dresdner Staatsanwaltschaft bis Donnerstag Zeit gegeben, sich zur Sache zu äußern.

Das Ganze lässt sich ziemlich einfach zusammenfassen: In Sachsen gibt es ein Nazi-Problem, nicht erst seit gestern und tatsächlich ernst. Einige mutige Menschen versuchen, dort die Demokratie zu retten und Sachsen wieder zu einem Land zu machen, in dem alle (über-)leben können. Viele versuchen das regelmäßig im Februar, wenn es jedes Jahr einen Nazi-Aufmarsch gibt, der sich mit meiner Vorstellung von Demokratie jedenfalls nur schlecht vereinbaren lässt. Und wer wird mit Verfahren überzogen, zuletzt knapp 40 Personen wegen angeblicher Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 StGB? Jedenfalls nicht die Nazis. Das alles spricht Bände über das Rechtsstaatsverständnis der sächsischen Innenbehörden.

Und nun das: Bei Protesten gegen Neonazis wurden in Dresden zehntausende Handydaten erfasst, schrieb die taz.de gestern. Konnte die PD Dresden nicht auf sich sitzen lassen und korrigierte: 138.000!

Da durch die Provider ausschließlich die Verbindungsdaten der gesamten Funkzelle mitgeteilt werden, kann nicht vorab unterschieden werden, ob es sich bei dem Anschlussinhaber um Anwohner, Gäste oder aber Zeugen oder gar Beschuldigte handelt. Dies ergibt sich erst im Verlauf der weiteren Ermittlungen.

Unser aller Regierung findet, dass das jetzt rechtlich untermauert gehört und plant gerade die gesetzliche Grundlage für die nächste Fassung der Vorratsdatenspeicherung. Und voran schreiten singend die Post-Privacy-Jünger und fordern: Vorratsdaten für alle! Stellt Euch nicht so an!

Die parlamentarische oppositionelle Empörung bricht sich  Bahn: Handy-Überwachung hat Nachspiel.

Ich frage mich, wann Sachsen als solches im Verfassungsschutzbericht auftaucht.

Die Berichte vom Tage:

Bild: By Cepheiden (Own work) [GFDL or CC-BY-SA-3.0 , via Wikimedia Commons

Bald Nacktscanner für die ganze EU

Bei Statewatch bin ich über den Hinweis gestolpert, dass der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) den Einsatz von Bodyscannern für die gesamte EU befürwortet. Weil nämlich.. die Terror-Gefahr nach dem Tod von Bin Laden so gestiegen ist!

Allerdings scheint den EU-ParlamentarierInnen bewusst zu sein, dass das heikles Terrain ist, und so verkleiden sie ihren Beschluss in bürgerrechtsbewusstes Gesäusel: „EU-Abgeordnete stellen Bedingungen für den Einsatz von Ganzkörperscannern“ ist der Titel der dazugehörigen Pressemitteilung. Auch das eigens erstellte Filmchen geht auf die Datenschutz-Emfindsamkeiten ein (mit Untertiteln in allen EU-Sprachen!)

Der Beschluss basiert auf einem Bericht (pdf) des spanischen Abgeordneten Luis de Grandes Pascual von der Europäischen Volkspartei.

Derzeit, so die Pressemitteilung, werden Nacktscanner in den Niederlanden und Großbritannien eingesetzt, und ich nehme mal an, dass es seit den ersten Aufregungen dazu ein paar Besuche der Nacktscanner-Herstellerfirmen in Brüssel gegeben hat.

Allerdings, findet der Verkehrsausschuss: „Menschenwürde, Privatsphäre und persönliche Daten der Passagiere müssen geschützt werden.“ Ich bin gespannt, wie die Nacktscanner das machen.

Aber, sagt de Grandes Pascual: „Ich glaube, dass die Menschen bereit sind, ein wenig von ihrer Privatsphäre für mehr Sicherheit aufzugeben.“

Das Europäische Parlament wird am 23. Juni über die Nacktscanner für alle abstimmen.

Falls Ihr den Abgeordneten Eure Bedenken vorher noch mitteilen wollt: die Mitglieder des Verkehrsausschusses des EP und alle deutschen und österreichischen Mitglieder des EP. Bei Abgeordnetenwatch könnt Ihr über die Postleitzahl auch die Abgeordneten raussuchen, die Euch geografisch am nächsten sind

 

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„Die Anti-Terror-Lüge“ von Richard Gutjahr

Richard Gutjahr hat letzte Woche eine Veranstaltung moderiert, die ihn zu einem Blogpost über Die Anti-Terror-Lüge animiert hat:

Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Anti-Terror-Gesetze. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gab es einen solchen Raubbau an Bürgerrechten. Ein Blick in die Statistik bringt Erstaunliches zutage: Die sog. „Anti-Terror-Gesetze“ werden für alles Mögliche benutzt, selten aber zur Bekämpfung von Terroristen.

Nicht nur lesens- sondern auch sehenswert z.B. der Zeitstrahl Anti-Terror-Kampf vs. Bürgerrechte.

Weil es das ganze mit CC-Lizenz gibt, könnte ich es auch einfach hierherkopieren, aber stattdessen empfehle ich lieber, bei ihm weiterzulesen.

Interessant fand ich auf jeden Fall seine Frage, wie viele Telefone jedes Jahr in Deutschland angezapft werden und inwieweit sich das durch die Anti-Terrorgesetze verändert hat.

Und das ist folgendermaßen:

Das es neben den Statistiken der Bundesnetzagentur auch noch welche vom Justizministerium gibt, wusste ich gar nicht.

Die Tabelle ebenfalls mit Creative Commons-Lizenz. Lest das Ganze bei ihm selbst, es lohnt sich.

Für US-Regierung sind GPS-Peilsender kein Problem

Manche erinnern sich noch an den an einem Auto heimlich angebrachten Peilsender, den niemand haben wollte, nachdem er gefunden worden war?

In den USA kommt das offenbar öfter vor als hier (bekannt wird).

Verborgen camerabewa...(Womit ich nicht sagen will, dass es diesseits des Atlantiks insgesamt besser aussähe, was skurrile Überwachungsphantasien angeht. Ein schönes Exemplar ist die Kamera hier rechts, die belgische Anarchisten kürzlich hinter der Lüftung fanden, direkt auf ihren Küchentisch gerichtet.)

Zurück nach Amerika: Wired Threat Level berichtet, dass eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bevorsteht, der – wenn er den Fall annimmt – über einen Widerspruch der Obama-Administration gegen ein Urteil zu entscheiden hat, dass Peilsender nur mit richterlicher Anordnung („Warrant“) an Fahrzeugen angebracht werden dürfen. Gefällt der Regierung nicht. (Change we can believe in..)

Es gibt unterschiedliche Meinungen von US-Gerichten dazu, ob ein Peilsender eher einer Überwachung ähnelt, die als direkte Observation durchgeführt wird, also durch reale Beamte, die jemanden auf Schritt und Tritt beobachten – was eine richtliche Anordnung erfordert. Oder aber – die Argumentation der Staatsanwaltschaften – ob es sich um allgemein und öffentlich zugängliche Informationen handele und damit ohne richterliche Intervention gepeilt werden könne. Noch ist das unentschieden.

Im Artikel werden mehrere ‚gefundene‘ GPS-Peilsender beschrieben, darunter auch einer, der im letzten Oktober von einem halben Dutzend FBI-Agenten zurückgefordert worden war, nachdem ein Freund des Betroffenen Bilder online gepostet hatte. In einem anderen Fall konnte eine Food-Not-Bombs-Aktivistin in ihren Akten nachlesen, dass der Peilsender angebracht wurde, weil es immer schwieriger wurde, sie zu observieren, nachdem ihr aufgefallen war, dass sie überwacht wurde.

Wen die technischen Details interessieren, kann bei ifixit.com gut dokumentiert verfolgen, wie das Innere und Äußere der Peilsender beschaffen ist: Tracking Device Teardown.

SummerWizz1 wundert sich darüber, dass der Chip im Sender von 1999 ist:

http://www.youtube.com/watch?v=P4m07-Ihtoo

Praktisch: How to check your car for a GPS tracker

 

(Via Kees)

Hamburg will mehr Handy-Daten auswerten

© M.E. / PIXELIO

Was der Internet-Zensur die Kinderpornographie, ist der Überwachung das brennende Auto.

Die Hamburger Polizei würde gern die Auswertung von Handy-Daten ausweiten. Insbesonderes käme sie gern leichter an Daten, aus denen sich erkennen lässt, wann Handy-BesitzerInnen wo waren, auch genannt Handy-Ortung oder Funkzellenauswertung. Offenbar finden Hamburger Gerichte, dass das so einfach aber nicht geht, und prompt beschwert sich der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) (der Artikel muss bezahlt werden). Denn:

Taucht eine bestimmte Mobilnummer häufiger im Umfeld der Tatorte auf, lässt das einen Rückschluss auf eine mögliche Beteiligung an den Brandstiftungen zu.

Findet offenbar auch das Hamburger Abendblatt. Nicht so die Hamburger RichterInnen, die wenig subtil bearbeitet werden:

„Man muss sich nicht wundern, wenn der Staat weiterhin von Chaoten vorgeführt wird. Der Kriminalpolizei in Hamburg wird damit ein ganz wesentlicher Baustein bei der Bekämpfung dieses Delikts genommen“, so Gewerkschafter Schulz. Ähnlich äußert sich auch ein Ermittler. „In anderen Bundesländern reicht es den Richtern für die Herausgabe der Mobilfunkdaten, dass es eine Tat gab. In Hamburg müssen wir Hinweise dafür liefern, dass der Täter auch vor Ort telefoniert hat.“

Vor der SPD brauchen sich die Kriminalbeamten nicht zu fürchten, deren neuer Innensenator Michael Neumann wünscht sich, dass die Polizei sich „noch stärker auf moderne Technik“ stützen soll und hat dazu ein Konzept vorgestellt:

Kern des Konzeptes ist die Auswertung von Handy-Verbindungsdaten. In der Kombination mit Täterprofilen sollen sie der Polizei die Fahndung nach den Brandstiftern deutlich erleichtern. (Welt)

Udo Vetter hat ausformuliert, was das praktisch heißt:

Mal angenommen, Sie sind demnächst in Hamburg. Sie machen eine Stadtrundfahrt, besuchen alle Sehenswürdigkeiten, fahren in verschiedenste Restaurants und betreiben nachts intensives Barhopping. Wenige Tage nach Ihrer Rückkehr stehen zwei Polizisten vor der Tür und möchten mit Ihnen “sprechen”. Wenn Sie fragen, um was es geht, werden die Beamten wahrscheinlich was von “Vorermittlungen” murmeln und fragen, ob sie nicht reinkommen können. Am Wohnzimmertisch lässt sich das doch alles viel besser besprechen.

Dass es bald mal wieder Besuch von der Polizei gibt, ist für Sie ja auch keineswegs ausgeschlossen. War ja schön in Hamburg. Sie fahren wohl auch künftig hin. Ihr Handy werden Sie wohl eingeschaltet lassen müssen. Denn was passiert wohl, wenn Sie in Hamburg unterwegs sind und bei einer nächtlichen Kontrolle nach einem Autobrand stellt die Polizei fest, Ihr Handy ist ausgeschaltet?

 

Zum ersten Mal erschien ein Preisträger zur Verleihung der Big Brother Awards

Am Freitag wurden die Big Brother Awards verliehen. „Seit dem Jahr 2000 werden in Deutschland die BigBrotherAwards an Firmen, Organisationen und Personen verliehen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen“ (FoeBuD). Eine gute Gelegenheit, sich einen Überblick über den Stand der Dinge zu verschaffen. Dieses Mal gab es eine Premiere: im 11. Jahr der Awards ist zum ersten Mal einer der Preisträger persönlich erschienen.

(Update: alles falsch, 2008 war schon mal wer von der Telekom da, und gerüchtehalber auch mal wer von Microsoft. Danke, Lars! Und sorry wegen des irreführenden Titels.)

Was mir deswegen besonders gut gefällt, weil es der Vorsitzende der Zensuskommission ist. Wo ich doch gerade kürzlich darüber geschrieben habe, mit tatkräftiger Unterstützung von Daniel Leisegang.

Der BigBrotherAward 2011 in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ geht an den Vorsitzenden der Zensuskommission Herrn Prof. Dr. Gert G. Wagner für die als „Zensus2011“ bezeichnete Vollerfassung der Bevölkerung Deutschlands.

Neben reichlich unappetitlichen Details der bereits stattfindenden Volkszählung (die ihre Daten vor allem aus schon existenden Datenbanken bezieht und zusammenführt), gib es einen kleinen Aufreger: die Frage nach der Religionszugehörigkeit. Die ist nun in Deutschland allerdings besonders pikant – schließlich sind in Ländern mit ordentlich geführten Registern deutlich mehr Jüdinnen und Juden deportiert worden als in denen, wo es das nicht gab. Ohne einen direkten Vergleich zur aktuellen Volkszählung herstellen zu wollen – sowas wird ja schnell als Relativierung interpretiert – finde ich immerhin bemerkenswert, dass es dazu zwei Fragen in den Volkszählungsfragebögen gibt. Eine freiwillig, eine nicht.

Immerhin, die Frage, zu welcher der im Fragebogen genannten Religionen, Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen Sie sich bekennen, ist freiwillig. Beim Islam können Sie sogar zwischen sunnitischem, schiitischem und alevitischem Islam unterscheiden. Bei anderen Religionen haben Sie keine so große Auswahl, so können Sie beim Buddhismus nicht angeben, ob Sie sich zum Theravada, Mahayana oder Vajrayana bekennen. Die Antwort auf die Frage, ob Sie einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft angehören, ist dagegen Pflicht. Und dies, obwohl die Frage nach einem Religionsbekenntnis in der EU-Richtlinie zur Volkszählung nicht enthalten ist. (Aus der Laudatio von Werner Hülsmann)

Oliver Knapp („Unicorn“) hatte in seinem Vortrag zum Zensus beim 27C3 berichtet, dass ein Mitarbeiter des Statistischen Bundesamtes ihm gegenüber erwähnt habe, dass die Frage nach dem Glaubensbekenntnis nicht auf Wunsch der Statistiker eingefügt worden, sondern dem Interesse nicht näher definierter Behörden geschuldet sei, die den Mangel an Information insbesondere über Islamisten beklagt hätten.

Danach gefragt, sagte Prof. Wagner am Freitag zu Detlef Borchers, dass es keinen Kontakt zu Polizeistellen gegeben habe. Die Frage nach der Religion sei stattdessen „von der Politik“ gewünscht worden – ein Vertreter des Innenministeriums habe das damit begründet, dass es die Bürger stolz mache, ihren Glauben anzukreuzen, und so die plurale Vielfalt zu dokumentieren.

Da hätte ich ja noch ein paar Zweifel.

Auch sonst gab es interessante PreisträgerInnen:

Kategorie Arbeitswelt: der Deutsche Zoll:

Der Deutsche Zoll erhält den BigBrotherAward 2011 dafür, dass er sich vom russischen Staat für seinen „Sicherheitswahn“ instrumentalisieren lässt. Der Hintergrund: Die Zollverwaltung räumt deutschen Unternehmen, die ihre Beschäftigten mit russischen Antiterrorlisten abgleichen, Erleichterungen im Export- und Importverkehr ein.

Kategorie Technik: die Modemarke Peuterey, vertreten durch die Düsseldorfer Modeagentur :

Er erhält diese Negativ-Auszeichnung, weil seine Agentur die Kleidung der italienischen Modemarke Peuterey mit einem verdeckt integrierten RFID-Funkchip in Verkehr bringt, der berührungslos auslesbar ist, ohne dass die Kunden das bemerken können.

Kategorie Verbraucherschutz: Verlag für Wissen und Information in Starnberg

für das Abschöpfen von Adressdaten von Schülern und Eltern als Gegenleistung für Büchergutscheine.

Kategorie Arbeitswelt: Daimler AG

Die Daimler AG erhält den Preis stellvertretend für alle Unternehmen, die von allen Bewerberinnen und Bewerbern bei Einstellungsuntersuchungen Blutproben verlangen.

Kategorie Kommunikation 1: Facebook Deutschland (auch Publikumspreis)

Facebook, das nette „soziale“ Netzwerk, lässt George Orwells „Big Brother“ blass vor Neid werden. Hier wächst eine „Gated Community“ globalen Ausmaßes heran. Eine abgeschlossene Gesellschaft, in der ein Konzern die Regeln macht. Eine Datenkrake mit unendlichem Appetit – und die Leute begeben sich freiwillig in ihre Fangarme und füttern sie.

Kategorie Kommunikation 2: Apple

für die Geiselnahme ihrer Kunden mittels teurer Hardware und darauf folgende Erpressung, den firmeneigenen zweifelhaften Datenschutzbedingungen zuzustimmen. Ein iPhone ist ein schickes Teil und kostet einige Hundert Euro. Natürlich möchte man das iPhone auch für alles Mögliche nutzen. Dafür hat man es gekauft.

Kategorie Politik: der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann

für den ersten nachgewiesenen polizeilichen Einsatz einer Mini-Überwachungsdrohne zur heimlichen Ausspähung der Demonstrationen und Protestaktionen gegen den Castortransport im Wendland. Betroffen waren unzählige Demonstrationsteilnehmer, die im November 2010 zu Abertausenden gegen den radioaktiven Atommüll und die unverantwortliche Atompolitik der Bundesregierung protestierten.

Es lohnt sich, die Laudatii (der korrekte Plural von Laudatio..?) zu lesen (jeweils hinter dem Link zum Preisträger), die sind eindeutig mit Liebe für die Sache geschrieben.

Spitzel sein macht nicht glücklich, weiß jetzt auch Mark Kennedy

In der Wochenendeausgabe des Guardian gibt es einen langen Artikel über den im Januar geouteten Polizeispitzel Mark Kennedy. Die britische Polizei will ihn nicht mehr haben, die AktivistInnen auch nicht, von der Familie hatte er sich vorher schon entfremdet. Eigentlich wollte er nur Gutes – Umwelt schützen, aber auch Verbrechen verhüten. Jetzt weiß er gar nicht mehr, wer er ist und will sogar Scotland Yard wegen der erlittenen Traumatisierung verklagen.  Seiner, nicht der von ihm verursachten.

Der lesenswerte Bericht im Guardian enthält viel, worüber sonst nur spekuliert werden kann. Die Frage „Warum machen die das?“, die mir auch regelmäßig gestellt wird, lässt sich danach wenigstens ein bisschen besser beantworten.

Die Geschichte, wie es zu seiner Enttarnung kam, kannte ich noch nicht: 2009 wollte die von ihm infiltrierte Öko-Aktivismus-Gruppe ein Kohlekraftwerk besetzen. Kennedy gab das an die Polizei weiter, 114 Menschen wurden festgenommen, darunter Kennedy. Daraus ergaben sich zwei Alternativen: a) er wird zu einer Haftstrafe verurteilt oder b) er fliegt auf. Ergebnis: das Verfahren brach zusammen und hinterließ 1 Mio. Pfund an Verfahrenskosten. In der Folge wurden Polizeispitzel zum öffentlichen Thema, auch im britischen Parlament.

Inzwischen wurde der 6. Spitzel enttarnt. Die Geschichte dazu könnte auch aus einem Film sein: sein Handy telefonierte versehentlich selbständig, während er gerade über seine Ergebnisse an andere Beamte weitergab. Das Gespräch wurde vom Anrufbeantworter aufgezeichnet.

Dazu passt noch

Das Kapitel ist also noch lange nicht beendet.

Ob Simon Brenner gerade die baden-württembergische Polizei verklagt?

 

 

Bild: © Petra Hegewald / PIXELIO

Überwachung? Welche Überwachung? Vorratsdaten!

Nachdem ich mich gerade gewundert habe, dass in einer Anhörung zu „Qualitätsjournalismus“ des Medienausschusses des Bundestages einige Exemplare der Gattung das Feindbild BloggerInnen und Online demontiert haben, kommt gleich das nächste Beispiel für gelungene Kohabitation:

Zeit Online hat Text, Visualisierung und Blog zu sechs Monaten Vorratsdaten von Malte Spitz (Bundesvorstand Grüne). Auf Karte und Graph lässt sich detailliert nachverfolgen, wo er war, was er da gemacht hat (mit Hilfe seines Blogs, Twitter-Accounts und anderer öffentlich zugänglicher Informationen), wie oft er telefoniert hat. Wir können ihm sozusagen hinterherfahren.

Realisierung: OpenDataCity

Über 35.000 mal hat sein Smartphone ’nach Hause telefoniert‘, also gesendet. In den Vorratsdaten werden nicht die Inhalte der Kommunikation gespeichert, sondern nur die Verbindungsdaten. Warum das ein Problem ist, ist oben zu sehen.

Ermittler würden noch sehr viel mehr erfahren, als aus unserer Karte zu erkennen ist – denn einen Teil des Datensatzes veröffentlichen wir nicht: Wen Malte Spitz angerufen hat und wer ihn anrief, die Nummern seiner Kontakte also, sind nicht darin enthalten. Diese Informationen würde nicht nur die Privatsphäre sehr vieler Menschen verletzen, sie würden auch – selbst wenn wir die Nummern verschlüsselt hätten – viel zu viel über Malte Spitz verraten. (Was Vorratsdaten über uns verraten, Zeit Online)

Obwohl das Verfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) für verfassungswidrig erklärt hat, ist die VDS nicht vom Tisch. Details beim AK Vorrat.

(via Lorz)

Der größte Lump im ganzen Land …

… das ist und bleibt der Denunziant. (Hoffman von Fallersleben, Politische Gedichte 1843)

Ägypten überschattet  – zurecht – alle anderen Themen, auch die ziemlich spektakulären Enthüllungen zu verdeckten ErmittlerInnen in Deutschland und Großbritannien.

Es gibt aber weitere Neuigkeiten und Kommentare, die nicht untergehen sollen:

Die Antifaschistische Initiative Heidelberg, die schon Ziel von Simon Bromma war, gibt bekannt, dass es allein in Heidelberg noch zwei weitere verdeckte Ermittler geben soll. (Interessant wäre, das Verhältnis pro AktivistIn auch auf andere Städte hochzurechnen. Damit sich das rechnet, muss die linke Gefahr für Staat und Verfassung ja ein enormes Ausmaß erreicht haben.)
Dazu auch Paul Wrusch in der taz: Zwei weitere Spitzel

Heribert Prantl in der Süddeutschen: Einsatz von V-Leuten. Wenn der Spitzel lockt

Das Lockspitzel-Wesen ist zu einem Geschwür im Organismus des Rechtsstaates geworden. Zumal im Kampf gegen Staatsfeinde, Terroristen und Drogenkriminelle wähnen sich die Ermittler seit jeher im Ermittlungsnotstand, in dem man zu anrüchigen Mitteln und Methoden greifen dürfe. Durch deren exzessiven Gebrauch ist es aber mittlerweile zur Veralltäglichung der Anrüchigkeiten gekommen.

Felix Helbig in der Frankfurter Rundschau: Spitzel. Jagdszenen mit Danielle

Verdeckte Ermittler werden eingesetzt, um Terror und Kriminalität zu bekämpfen. Das ist die offizielle Version. Tatsächlich spionieren sie oft linke und alternative Szenen aus. Das zeigen etliche Enttarnungen in der jüngeren Vergangenheit.

(Auch zum österreichischen Tierschützer-Prozess)

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Indymedia: Britische Polizei postet undercover Falschinformationen

Indymedia Sheffield veröffentlichte gestern einen Artikel, der beschreibt, dass die britische Polizei noch weit mehr tut, als sexuelle Kontakte zu AktivistInnen zu pflegen und an Treffen und Demonstrationen teilzunehmen – dass das stattfindet, überrascht niemand in politischen Bewegungen wirklich. Nicht allgemein bekannt war bisher, dass mindestens seit August 2008 Artikel und Kommentare auf Indymedia-Websites von Rechnern gepostet werden, die den Sicherheitsbehörden zugeordnet werden können.

Update: Inzwischen wurde eine Liste sämtlicher Kommentare veröffentlicht, die von Rechnern mit den entsprechenden IP-Nummern gepostet wurden

Die wöchentlich erscheinen AktivistInnen-Flugschrift Schnews hat Freitag Details veröffentlicht: Einzelne Indymedia-Gruppen, deren Server normalerweise keine IP-Adressen speichern, machen bei destruktiven Kommentaren Ausnahmen, um deren IPs filtern zu können. Dabei fiel u.a. die IP 62.25.109.196 auf, die zum Server gateway303.energis.gsi.gov.uk gehört. GSI steht für Government Secure Intranet, ein Netzwerk der britischen Regierung, zu dem auch das Netzwerk der britischen Polizei Zugang hat. Das GSI-Netzwerk dient u.a. dazu, ein sicheres Proxy-Netzwerk zu bieten, das seinen NutzerInnen Anonymität garantiert.

In Kommentare bei Indymedia, die von den GSI-IPs gepostet wurden, wurden private Informationen über AktivistInnen veröffentlicht, politische Kampagnen angegriffen und zum Stören friedlicher Proteste aufgerufen. Es gab Kommentare zu laufenden Gerichtsverfahren, Angriffe gegen bekannte politische AktivistInnen oder Informationen, die nur der Polizei bekannt waren. Zwei Postings – vom 21. Januar und 9. Juni 2010 – enthalten Kontaktinformationen potentieller Ziele der Tierrechtsbewegung: eines Pelzladens in Leeds und eines Tierzirkusbesitzers.

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