Freiheit statt Angst 2011

Halb voll oder halb leer, das Glas? Dieses Jahr waren weniger für Freiheit statt Angst auf der Straße, aber trotzdem viele.

http://www.flickr.com/photos/anne_roth/6134234114/

Was mir an dieser Demo – neben dem Thema – gefällt ist, dass sich viele Leute echt Mühe geben und viel selbstgebasteltes Gedöns mitbringen. Schöne Bilder gibt’s u.a. hier. Die dpa zählte 5000, ich hätte 3-4000 geschätzt. Im Grunde war es unmöglich zu zählen, denn auf der gesamten Strecke von Pariser Platz über Unter den Linden bis Alex war zwischen Demonstrierenden, Touris und Einkaufenden nicht immer leicht zu unterscheiden. (Pressespiegel)

Aktuell ist das Thema weiterhin. Wer denkt, wir hätten mit dieser Bewegung die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft, hat recht und unrecht: sie biegt wieder um die Ecke. Deswegen ist es wichtig, die aktuelle Petition zu unterschreiben. Nur wenn bis zum 14. September 50.000 Unterschriften zusammen kommen, gibt es eine mündliche Anhörung im Bundestag. Also unterschreibt!

Natürlich ist so eine Anhörung nicht das Ziel aller Wünsche, aber sie hilft schon enorm dabei, noch sehr viel mehr Menschen für das Thema zu interessieren.

Die beiden Highlights der Demo waren für mich Nina Hagen und Lothar König.

Viele waren sich ja für Nina Hagen zu cool – ich würde mir mehr Leute wünschen, die sich nach so einem Leben nicht zu schade sind, auf dem Alex deutlich zu sagen, was sie von der aktuellen politischen Lage halten. Nina Hagen hat da schon in den Sechzigern Lieder gesungen. Heute hat sie daran erinnert, dass Martin Luther King 1964 in der Marienkirche ganz in der Nähe des Alex war und hat die Demo in eine Linie gestellt mit dem damaligen Einsatz für Freiheit. Außerdem hat sie so schön gesungen wie immer. Das reichte von „We shall overcome“ (mit Mitsingen!) bis Brecht. Vorsichtshalber hat sie das dazu gesagt, und wahrscheinlich hat sie nicht so schief damit gelegen, dass die meisten den gesungenen Brecht sonst nicht erkannt hätten..

Auch Lothar König hat erst seine Stasi-Akte und dann die gerade erhaltenen §129-Akten hochgehalten. Er hat ziemlich klare Worte zur Verfolgung von Antifa-Aktivitäten in Dresden gesagt und Bibelstellen zitiert, die ohne Bibel wahrscheinlich ausreichend wären, ein neues Verfahren wegen Aufruf zu Straftaten zu kassieren. Außerdem hat er auf den gerade erschienenen Bericht des Datenschutzbeauftragten über die Dresdner Handy-Überwachung hingewiesen und angekündigt, dass am Montag zahlreiche betroffene Geheimnisträger (ÄrztInnen, JournalistInnen usw) die sächsische Staatsanwaltschaft verklagen werden. Wer auch in Dresden war und sich an den Klagen beteiligen möchte, kann sich an die JG Jena wenden.

Für ihn ist wichtig, sich von Hausdurchsuchungen und Strafverfahren nicht einschüchtern zu lassen. Egal, ob sie von der Stasi oder vom Verfassungsschutz angeleiert wurden. Zum Schluss hat er noch denen ins Gewissen geredet, die sich im ewigen Hick-Hack zwischen Antideutschen und Antiimps verfangen. Es gibt wichtigeres zu tun.

Freiheit statt Angst 2011

Seehr schade, dass Lothar König vom Zeitplan-einhaltenden Padeluun von der Bühne gefegt wurde, denn eigentlich wollte der noch ein Abschiedslied mit Nina Hagen singen, und das wäre großartig geworden.

GTZ sucht ÜberwachungsexpertInnen für Saudi-Arabien

Dass es hie und da kleine Aufreger gibt, weil sich deutsche Waffen in Libyen finden oder irgendwie unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden, wenn es um die Einschätzung der Frage geht, mit was für Staaten die Bundesrepublik so kooperiert, sind wir ja gewöhnt. Deswegen muss man ja nicht gleich die gute Zusammenarbeit unterbrechen.

Die GTZ GIZ sucht aktuell eineN

Expert for Communication, Video Surveillance and Security System

Country of assignment and location

Saudi Arabien, Riyadh

Project / Field of activity

The Ministry of Interior (MOI) is one of our long standing partners in Saudi Arabia. We provide professional advisory for the ministry for more than twenty years. The focal points of our cooperation are the departments of development projects as well as telecommunications. Our experts work in close cooperation with their counterparts on the premises of the ministry.

Da blieb mir eben doch einen Moment der Mund offen stehen.

Danke, Kees!

Freiheit statt Angst – Keine Vorratsdatenspeicherung, immer noch nicht

InnenpolitikerInnen sind schlechte VerliererInnen. Die Vorratsdatenspeicherung war schon mal vom Tisch, jetzt soll sie wiederkommen. Möchte auch die SPD.

Deswegen gibt es eine Petition, die viele Unterschriften braucht. Und die nächste Freiheit statt Angst-Demo. In Berlin am 10. September, 13 Uhr Pariser Platz.

Vernetzung der Polizei-DNA-Datenbanken

Ich war gestern bei einer Veranstaltung, bei der mehrmals der Satz fiel: „Eigentlich.. verstehen wir nicht, warum sich die netzpolitische Community nicht für uns interessiert“. Ich auch nicht, das ist ein großes Versäumnis.

E s geht um das Thema Vernetzung von Polizei-DNA-Datenbanken, die Kampagne dazu heißt fingerwegvonmeinerdna.de und hat ein sehr charmantes Maskottchen: das Wattestäbchen Willi Watte, ehemals im Dienst der Polizei. Alles wesentliche steht in den FAQ zur Speicherung von DNA-Daten.

Gestern abend (nein, es gibt keine Aufzeichnung) berichtete Constanze Kurz, CCC, allgemein über die Verwendung von Biometrie, Uta Wagenmann, Gen-ethisches Netzwerk, beschrieb, wie DNA-Analyse funktioniert (die schrillsten Folien ever), Eric Töpfer, Cilip, sprach über die Polizei-Datenbanken und Sönke Hilbrans, RAV über die juristische Praxis dazu. Jeder der vier Vorträge hätte Dokumentation verdient.

Viel zum Thema steht in der Februar-Ausgabe des GID (Gen-ethischer Informationsdient): Gespeicherte Körperspuren. Zur Expansion von Polizei-DNA-Datenbanken.

Die Kampagne hat schon ein paar sehr hübsche Sachen unternommen – neben der klassischen Aufklärung -, z.B. eine Umzingelung des BKA. Mit Wattestäbchen.

Morgen (Freitag) um 12 findet eine Kundgebung in Berlin statt, vor der Europäischen Kommission. Anlass hier ist der morgen geplante Start der technischen Vernetzung der DNA-Datenbanken. (s. auch netzpolitik.org). Eric Töpfer berichtete allerdings, dass auch diese Datenbank-Vernetzung der Polizeien auf EU-Ebene an technischen Schwierigkeiten leidet und deswegen nicht nicht so weit ist, wie sich die InnenpolitikerInnen das ausgedacht hatten.

Ich hören nebenbei Chaosradio beim Berliner Radio Fritz, zum selben Thema, mit Sill vom CCC und Uta Wagenmann und Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk. Das wird es sicherlich hinterher auch als Podcast geben, selbe URL.

Was mir bei den vielen Infos der Veranstaltung besonders in Erinnerung geblieben ist, ist ein Satz von Sönke Hilbrans:

Die jungen Leute müssen lernen ‚Nein‘ zu sagen.

Denn oft sind DNA-Abnahmen der Polizei nicht verpflichtend, es wird aber natürlich reichlich psychisch manipuliert, um die Einwilligung zu erreichen. Dass es eine gute Idee ist, alles abzulehnen, was die Polizei ohne Staatsanwalt oder Richterin vorschlägt, ist vielen leider nicht so klar. Selbst die Teilnahme an Massen-Gentests ist nicht verpflichtend.

Das Gen-ethischen Netzwerk hält die möglichen Folgen der Vernetzung der polizeilichen Gen-Datenbanken für drastischer als etwa den Austausch von Flauggastdaten.

Wer freitags nicht spontan um 12 in der Berliner Mitte sein kann, kann auch noch diesen Offenen Brief: DNA-Sammelwut stoppen! unterzeichnen.

 

 

So einen Oberbürgermeister hätte ich auch gern

Insofern geht es mir in diesem Brief nicht in erster Linie um Pfarrer König. Es geht um das Signal, das viele engagierte Bürger in der Vorgehensweise der sächsischen Staatsanwaltschaft zu erkennen glauben, und um die Frage, welche Position die sächsische Landesregierung in dieser Frage bezieht. Die Freiheit der Justiz ist nicht nur unumstritten (und wer wüsste dies besser zu schätzen als wir, die wir in der ehemaligen DDR eine staatlich gelenkte Justiz erlebt haben), sie ist ein hohes Gut – das steht außer Frage. Aber welche Intention eine Staatsanwaltschaft im Grundsatz mit der Art ihres Herangehens verfolgt, dürfte nicht unabhängig von den Intentionen des Justizministers sein. …

Es muss doch dem sächsischen Justizministerium klar gewesen sein, wie brisant eine solche spektakuläre Polizeiaktion wie die aus der letzten Woche sein würde – einmal wegen der noch nicht lange zurückliegenden Datenspeicheraffäre, zum anderen aber auch wegen des politischen Schadens im mitteldeutschen Binnenverhältnis.
Als nicht hinnehmbar betrachte ich auch die öffentliche Bemerkung des Sprechers der Dresdner Staatsanwaltschaft, Jan Hille, der kritische Nachfragen aus dem Raum der Politik mit dem Agieren von Rechtsextremisten und Querulanten vergleicht (taz, 11.8.2011).

Deshalb möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, herzlich nach Jena einladen, um in einer Podiumsdiskussion, deren Zusammensetzung abzustimmen wäre, die aufgeworfenen Fragen zu diskutieren.

 

Offener Brief des Jenaer Oberbürgermeisters Dr. Albrecht Schröter an den sächsischen Ministerpräsidenten Herrn Stanislaw Tillich, 18.8.11

Besser wäre, sie würden die tatsächlichen Gefahren erkennen

Martin Kettle, Kolumnist des britischen Guardian, ist Sohn des britischen Kommunisten Arnold Kettle. Letzte Woche hat er aufgeschrieben, wie sich – nach Oslo – Überwachungsakten lesen, in denen er selbst schon als Zweijähriger vorkommt: What MI5’s records on my father tell us about the uses of surveillance.

Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 hatte letztes Jahr Akten der Jahre 1938 – 1960 über seinen Vater freigegeben. Martin Kettle, selbst kein Rechter, findet grundsätzlich richtig, dass die britischen KommunistInnen überwacht wurden:

I think MI5 was right to try to monitor the Communists. At least in its early days, the CP wanted to overthrow capitalism and transform the British state – and it was being financed by a hostile power to do so.

Er beschreibt auch, was sich in den Akten so fand, und warum die Überwachung seines Vaters dem MI5 eigentlich im Laufe der Zeit hätte zeigen müssen, dass da nichts Staatsgefährdendes zu finden war:

Maybe there are more damning files elsewhere. In their absence, though, the picture in these documents is of someone who was not so much wicked or threatening as wrong.

Und wünscht sich, dass die Überwachungsinstitutionen seitdem dazugelernt hätten:

Half a century on, much of the technology of surveillance has changed out of recognition from those distant days. So have the threats. But the pressure to monitor the potentially dangerous is just as great as it was in the cold war era. I want MI5 to protect us from bombers like the 7/7 jihadis or butchers like the Norwegian racist. I’d like to think they have become better at sorting out the lethal from the harmless and the public from the private.

Der ganze Artikel, im Guardian vom 28. Juli.

Polizei in Sozialen Netzwerken

Die Polizei benutzt auch Daten aus Sozialen Netzwerken für ihre Ermittlungen. Das ist nicht überraschend, bekanntlich benutzt die Polizei alles für ihre Ermittlungen, gelegentlich auch jenseits der rechtsstaatlichen Grenzen (siehe Sachsen. Oder.. oder..). Überraschend wäre, wenn sie frei zugängliche Informationen nicht nutzten.

Bisher gab es in Deutschland hie und da Hinweise darauf, dass die latent strukturkonservativen Behörden mit so neumodischem Kram noch ihre Schwierigkeiten haben, aber definitiv auch interessiert sind.

Interessanter finde ich die Frage, inwiefern sich Ermittlungen auch auf nicht öffentlich zugängliche Daten aus Sozialen Netzwerken stützen. Darüber war bisher gar nicht bekannt, aber jetzt hat die Bundesregierung eine Kleine Anfrage dazu von Ulla Jelpke (Linke) beantwortet (beantworten müssen).

Mit 13 Seiten ist die Antwort (inkl. Frage) ganz schön lang:

  • BKA, Bundespolizei (BPol) und Zoll nutzen ‚fallbezogen u.a. offen zugängliche Informationen aus sozialen Netzwerken‘. U.a. heißt dann wohl, dass u.a. auch nicht offen zugängliche Informationen benutzt werden?
  • Es gibt keine extra Einheiten oder Personal dafür
  • Neue Erkenntnisse und Entwicklungen in Sozialen Netzwerken werden in der AG KaRIN (BKA, Zoll, 7 LKA) ausgetauscht
  • In den Netzwerken wird verdeckt ermittelt
  • Die Bundesregierung ist – anders als der Bundesdatenschutzbeauftragte – nicht der Meinung, dass die informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt wird
  • Das BKA hat in den letzten 24 Monaten 6 verdeckte Ermittler in Netzwerken eingesetzt
  • Das BKA hat viermal von den Sozialen Netzwerken Informationen aus nicht-öffentlichen Profilen bekommen
  • Die Bundesregierung behauptet, dass BKA, BPol und Zoll keine Data-Mining-Software zur Verarbeitung von Daten aus Sozialen Netzwerken benutzen. Und erläutert, dass für Polizeibehörden des Bundes und Nachrichtendienste bestimmte Vorschriften dabei gelten. Was wohl bedeutet, dass Letztere sehr wohl Data-Mining betreiben.
  • Polizeien wie Nachrichtendienste nutzen Geodaten.
  • Das BKA benutzt Software von rola Security für die Bearbeitung großer Datenmengen
  • Irgendwo in den Tiefen von bundestag.de gibt es einen „Vorschlag zu Leitlinien für die Nutzung ’sozialer Netzwerke‘ durch Strafverfolgungsbehörden und ihre Mitarbeite“ der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft

Sehr schön finde ich noch folgendes Detail:

Frage 6 b): Kann die Bundesregierung mit Sicherheit ausschließen, dass „virtuelle Ermittler“ in der Vergangenheit jemals zu Straftaten aufgerufen oder Texte mit strafbarem Inhalt verfasst oder dateien mit strafbarem Inhalt weitergegeben haben?

Antwort:

Die Preisgabe von Informationen zu konkreten verdeckten Einsätzen bei der Verfolgung von Straftaten im Internet an die Öffentlichkeit würde das schützenswerte Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einer wirksamen Bekämpfung … und damit das Staatswohl erheblich beeinträchtigen. … Die Antwort der Bundesregierung auf diese Frage ist daher als „Verschlusssache – Vertraulich“ eingestuft werden (Fehler im Original) (…).

Das Ganze gibt’s auch als PDF-Datei.

Heise schrieb schon: Virtuelle Ermittler in Sozialen Netzen

Bundespolizei verunsichert

Die n0-N4m3 Cr3w (lies: No-Name-Crew) hat einen Server der Bundespolizei gehackt.

(Das ist seit Freitag bekannt, aber weil es ja Menschen gibt, die – gerade über’s Wochenende – nicht Indymedia, Indymedia, Fefe, Heise oder Netzpolitik.org lesen, auch nicht Spiegel, steht es jetzt auch hier.)

Die jetzt auf der Seite der No-Name-Crew geleakten Daten sollen bei der Überwachung angefallene GPS-Daten sein, aber auch PDF-Dateien, Log-Ins und Passwörter und auch Material der NPD. Laut Heise gibt es „in den Überwachungsdatensätzen Telefonnummern, Kennzeichen, Orte und Koordinaten. Auf dem Server liegen auch zahlreiche interne Dokumente der Behörde.

Ein Sprecher des Zollkriminalamtes hat der dpa gesagt, es ginge „zunächst nicht um Angaben zu laufenden Ermittlungen“ (Heise).

Wenig überraschend will die Behörde die Hacker anzeigen. SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz kommentierte verbal-radikal wie immer: „Das einzige was da hilft, ist Aufrüstung“ (Heise).

Die No-Name-Crew bietet das Material samt grober Erklärung zum Download an: http://dl.nn-crew.cc/index.php. Ob der Download und die Beschäftigung damit rechtliche Konsequenzen haben kann, ist mir jedenfalls gerade nicht klar – überlegt Euch das Risiko also vorher. Ich bin zuversichtlich, dass es in der nächsten Zeit besser verständliche Interpretationen der Daten geben wird und bin gespannt.

Ein Anonymous-ähnliches Video mit Erklärung gibt’s auch:

 

(Nichts) Neues aus Dresden

Dresden hat die Headlines verlassen, deswegen noch ein paar zusammengeklaubte Links.

Der Bundestag hat am Freitag weit jenseits der Medienaufmerksamkeit über die Handydaten diskutiert. Wenn jemand noch Beispiele braucht, warum mit dieser parlamentarischen Demokratie was nicht stimmt, bitte hier klicken:

(Ich kann Bundestags-Videos hier nicht einbinden, deswegen gibt’s den kleinen Umweg)

Die Fraktionen im sächsischen Landtag zuletzt dazu:

Die Medien:

Die Busunternehmen-Bespitzelung hat die Leitmedien erreicht, nachdem die Tatsache als solche schon am 22.6. im Freitag stand:

(Links mit weiteren Informationen bitte in die Kommentare, die werden mit aufgenommen)

 

Ich bin am Freitag in Dresden und deutlich mehr als sonst gespannt auf die Veranstaltung.

Sachsen-Gate weitet sich aus

+++ Work in progress +++ wird aktualisiert +++

Update 3, 27.6.

Nachdem die Geschichte nun in wirklich allen Nachrichten war, erhebe ich nicht annähernd Anspruch auf umfassende Information, weil das ja wirklich nicht mehr nötig ist.

Update 2, 26.6.:

 

Update 1, 24.6.:

Die sächsische Landesregierung hat den Sonderbericht vorgestellt und erkennt eine rechtsstaatliche Grundlage der Handy-Daten-Überwachung. Dazu wird mittlerweile ein „versuchter Totschlag“ auf einen Polizisten bemüht. Es geht nicht mehr ’nur‘ um 138.000, sondern um weitere 896.000 Handy-Datensätze, also über eine Million. Letztere wurden im Zusammenhang mit dem sächsischen §129-Verfahren gegen Antifas eingesammelt. (MDR)

Die taz spitzt noch ein bisschen zu: Offenbar ganz Dresden überwacht. Die Überwachung betraf nicht nur, wie zuerst angeommen, die Dresdener Südstadt. Ministerpräsident Tillich hat eine Stelle in der Angelegenheit gefunden, bei der er auch Fehler einräumt – wirkt ja auch besser:

Die Daten hätten zudem nicht bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz verwendet werden dürfen. …  Mit einer Bundesratsinitiative will sie (die Landesregierung) den unklaren Rechtsbegriff der „erheblichen Straftat“ nach Paragraf 100 g der Strafprozessordnung präzisieren, der eine solche umfangreiche Datenerfassung rechtfertigte.

Das Thema wird am Mittwoch den Bundestag beschäftigen.

Ganz großartig Constanze Kurz in der FAZ: Teheran, Damaskus, Minsk – Dresden. Darin erinnert sie an folgendes:

.. es ging nicht um Revolten, es ging vielmehr um eine von dutzenden Initiativen, Vereinen und Parteien getragene, geradezu zivilgesellschaftlich vorbildliche Demonstration gegen Rechtsradikale, die durch die Stadt ziehen wollten.

Sie erwähnt den immer gern als Schutz der Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen hochgehaltenen Richtervorbehalt, der hier original keine Funktion hatte. Außerdem geht es darum, warum sowas tatsächlich passiert:

2008 beschaffte die sächsische Polizei für mehrere Millionen Euro eine solche Software, die sie harmlos „elektronisches Fall-Analyse-System“ nennt. … Die teure Software will nun natürlich gerechtfertigt und gefüttert werden, schließlich hätten von dem Geld auch Polizeibeamte bezahlt und ausgerüstet werden können.

Und warnt:

Die Dresdner Datengier liefert einen präzisen Vorgeschmack auf das, was zum Alltag in Ermittlungsbehörden wird, falls der politische Zombie Vorratsdatenspeicherung wiederaufersteht, wie es CDU und SPD weiterhin ohne kriminologisch glaubwürdige Begründung fordern.

Dann gibt es den Bericht der sächsischen Innen- und Justizministerien (pdf)


Der sächsische Überwachungs-Skandal nimmt Formen an. Weil eh überall berichtet wird, ein paar kommentierte Links:

Der Freitag hat den Anfang der Geschichte ausgegraben:

Bekannt geworden war die Spähaktion durch den Bochumer Kreissprecher der Linken, Christian Leye. Gegen den wird wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht ermittelt – die Einsicht in seine Akte erfuhr Leye von der mehrstündigen und flächendeckenden Datenüberwachung. Es hätten sich darin „Angaben über sämtliche am 19. Februar im Zeitraum von 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr von meinen Handy ein- und abgegangenen Anrufe und SMS-Mitteilungen“ gefunden, so Leye.

Dort wird auch beschrieben, wie die Busfahrer der Gegendemo-TeilnehmerInnen zu Hilfs-Spitzeln gemacht wurden.

Die Firmen sollten einen Fragebogen der Polizei beantworten, der Angaben zu den Personaldaten der Fahrer ebenso verlangte wie Auskünfte über Zahlungsmodalitäten, Mietverträge und die Kopien der Ausweise der jeweiligen Anmieter. … Damit nicht genug: Die Polizei interessierte sich auch für die Kontakte von Fahrgästen in den Pausen, Gesprächsinhalte sowie die detaillierten Tages- und Streckenabläufe.

Das Neue Deutschland berichtet, dass die Zahl der Datensätze inzwischen von 138.ooo auf 800.000, bei 17.000 betroffenen Personen gestiegen ist (Wievielen Menschen leben in Sachsen?)

Auf die sächsischen Gerichte rollt eine Klagewelle zu: Klagen wollen

Das Bündnis Dresden-Nazifrei ruft im Rahmen der Kampagne gegen den Datenskandal alle potentiell Betroffenen dazu auf, Auskunft über möglicher Speicherung der eigenen Daten zu bentragen (dort gibt es die nötigen Formulare). Damit sind insbesondere auch AnwohnerInnen gemeint, die gar nicht bei der Demo waren.

Die Linke im Landtag hat eine Untersuchungskommission beantragt, für die der ehemalie Bundesinnenminister Gerhart Baum im Gespräch ist.

Heute fand in Berlin eine Pressekonferenz statt, bei der folgende markante Dinge gesagt wurden:

Albrecht Schröter (Oberbürgermeister von Jena / SPD):

„Wir sind nicht in der DDR auf die Straße gegangen, um jetzt in einem Staat zu leben, wo so etwas möglich ist. Was da in Dresden passiert ist, war Rechtsbeugung. Ich werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen um das feststellen zu lassen.“

Ringo Bischoff (ver.di Bundesjugendsekretär):

„Das schweißt uns zusammen. Wir bleiben Teil des Bündnisses und werden weiterhin gegen Naziaufmärsche protestieren. Ziviler Ungehorsam ist dafür ein legitimes und erfolgreiches Mittel.“

Henning Obens (Interventionistische Linke):

„Kollektiver Regelübertretungen der BürgerInnen haben sich seit Heiligendamm 2007 etabliert. Es existiert eine neue Kultur der Zusammenarbeit und Konfliktbereitschaft, die auch die Erfolge von Dresden ermöglichten. Polizeigewalt und frivoler Rechtsbruch zeigen nur, dass die staatlichen Stellen nur repressive Antworten auf diese Herausforderung haben. Das hat sich in Stuttgart, Dresden und bei den Castortransporten gezeigt. Wir werden die Nazis weiter blockieren.“

Konstantin Wecker (Liedermacher):

„Entscheidend ist: Wie geht die Demokratie mit den Menschen um, die sich nicht nur empören, sondern Widerstand dort leisten, wo es nötig ist? Wir sollten uns das nicht bieten lassen. Ich rufe zu Spenden für das Bündnis Dresden-Nazifrei auf, damit der Rechtsstreit finanziert werden kann.“

Radio Corax hat Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, befragt:

Und schließlich hat sich auch Anonymous geäußert:

Die Parallelwelt der InnenpolitikerInnen trifft sich derweil in Frankfurt/Main. Die Polizeigewerkschaft frohlockt: Innenminister setzen richtige Akzente. Kampf gegen Linksextremismus muss endlich ernst genommen werden