Absurdes Theater beim G8-Prozess

Statler & Waldorf, by andrewschreyer [at] ymail.com, http://www.flickr.com/photos/-sel-/60124583/ http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.enEs begab sich zu einer Zeit, als im Norden Ostdeutschlands noch nicht viele an den G8-Gipfel in Heiligendamm dachten.

Im Sommer 2006, ein Jahr vor dem Gipfel, fand in der Nähe von Rostock ein Sommercamp statt. 

Am 7. Dezember 2009 fand in Bad Doberan ein Prozess statt gegen zwei Männer, denen Nötigung der Polizei vorgeworfen wurde. Die soll stattgefunden haben, als Zivilpolizei die Auto-Kennzeichen der Camp-TeilnehmerInnen aufschreiben wollten und letztere die Polizei aufforderten, das Camp-Gelände zu verlassen.

Am zweiten Prozesstag fand der Prozess ein überraschendes Ende: der Zeuge der Polizei, dessen Aussage belegen sollte, was geschehen war, weil er es gesehen haben wollte, hatte ein selbst im Internet gefundenes Foto dabei, das "genau die Situation zeigt, die er beschrieben hat".

Der Richter guckte. Der Richter guckte nochmal, mit Brille. 

(Der Richter wird als nicht übermäßig kritisch der Polizei gegenüber beschrieben.)

Auf dem Foto ist eindeutig keiner der Angeklagten zu sehen, sondern ein dritter Mann.

Weiterlesen

Generalbundesanwältin Ingeborg sucht den Terrorismus

FAZ nennt Generalbundesanwältin Monika Harms IngeborgDas ist jetzt vielleicht nicht enorm niveauvoll, aber komisch finde ich schon, wenn ausgerechnet die FAZ im Bericht über die Jahrespressekonferenz der Bundesanwaltschaft die Generalbundesanwältin Monika Harms "Ingeborg" nennt.

Darüber hinaus bilden sich anscheinend gerade wieder linke terroristische Strukturen, die dann doch keine sind. Die ‚Welt‘ jedenfalls schreibt unter der Schlagzeile Bundesanwaltschaft sieht "terroristische Strukturen", dass ein ‚Überfall‘ auf eine Polizeiwache Anfang Dezember in Hamburg genau das nicht ist: Terrorismus.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt nicht wegen Bildung einer
terroristischen oder kriminellen Vereinigung, weil es dafür nicht
genügend Anhaltspunkte gibt. Der Vorwurf lautet auf besonders schwere
Brandstiftung und versuchten Mord.

Ich verstehe das nicht, aber das verhält sich mit mir und der Bundesanwaltschaft ja öfter so.

Ich weiß nicht, wie das früher war, aber mir fällt auf, dass der Vorwurf ‚Mordversuch‘ inflationär in Gebrauch ist. Auch den beiden Berlinern, die gerade nach 7,5 Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, war ja Mordversuch vorgeworfen worden, was dann auch die lange U-Haft begründete. Obwohl die beiden Schüler 16 und 19 Jahre alt waren, es nur zwei Polizeizeugen gab, die gesehen haben wollen, dass die beiden einen Molotow-Cocktail am 1. Mai auf eine Frau geworfen haben und sonst keine Beweise gibt, obwohl es Zeugen gibt, die etwas ganz anderes gesehen hatten. 

Naja. Nun sind geschmissene Pflastersteine, mitgebrachte Molotow-Cocktails (?) und eine brennende Mülltonne (laut Welt und FAZ) Mordversuch. Ich bin keine Juristin, ich habe keine Ahnung, was da vorgefallen ist – mir kommt nur ungewöhnlich vor, dass das jetzt Mord sei, und nicht wie sonst üblich Landfriedensbruch oder versuchte Körperverletzung oder so was.

Die taz beschreibt das übrigens so: "Die Täter hatten Polizisten mit Steinen beworfen, Türen versperrt und Streifenwagen angezündet." Und die Junge Welt schreibt: "Nach
Erkenntnissen der Staatsanwälte wurde bei der Attacke eine
Polizeibeamtin mit Pflastersteinen beworfen
."

Falls übrigens Unterstaatsanwalt Griesbaum tatsächlich gesagt haben sollte, hier müsse "den Anfängen gewehrt werden", fände ich das ziemlich geschmacklos. So ein minimales Bisschen an historischer Bildung würde auch den Bundesanwälten nicht schaden.

Bürgerrechtsanwältin Lynne Stewart im Gefängnis

Die 70-jährige Menschen- und Bürgerrechtsanwältin Lynne Stewart ist seit dem 17. November in New York im Gefängnis.

Sie war im Oktober 2006 zu einer Haftstrafe von 28 Monaten verurteilt worden, die aber auf Kaution ausgesetzt wurde. Diese Entscheidung wurde jetzt von einem Berufungsgericht aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich 30 Jahre Haft beantragt. Im Berufungsverfahren beantragt sie nun, die in erster Instanz beschlossene Strafe deutlich zu verlängern.

Hintergrund des Verfahrens ist Lynne Stewarts Tätigkeit als Anwältin des ‚Blinden Scheichs‘ Omar Abdel-Rahman. Ihr wird vorgeworfen, eine Presseerklärung ihres Mandanten weitergegeben und damit die nationale Sicherheit in Gefahr gebracht zu haben. Im ersten Urteil stellte der Richter fest, dass nicht nachzuweisen sei, dass durch ihr Verhalten Schaden entstanden sei.

Sie war gemeinsam mit Ramsey Clark und einem weiteren Anwalt seit 1995 Verteidigerin im Verfahren gegen Omar Abdel-Rahman, der wegen Terrorismus‘ zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Weiterlesen

Interviews mit schwedischen TerroristInnen

Mit "Terrorists – The Kids They Sentenced" startete gestern – wie schon beschrieben – das 6. ONE WORLD BERLIN Filmfestival für Menschenrechte und Medien im Arsenal. Der Eröffnungsfilm stellt ganz unterschiedliche junge Leute vor. Sie verbindet, dass sie an den Protesten gegen den EU-Gipfel 2001 in Göteborg beteiligt waren. Und hinterher zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt wurden. Sie beschreiben, warum sie da waren: weil sie demonstrieren wollten, weil sie eine bessere Welt wollten, weil sie die den Kapitalismus abschaffen wollten, weil sie Spaß haben wollten, weil sie anderen helfen wollten. In je unterschiedlichen Kombinationen.

Terrorists - The kids they sentencedIn Göteborg wurde auf die Demonstrierenden scharf geschossen, einer starb einer starb beinahe, einige wurden schwer verletzt. Eine Schule, die zur Unterbringung genutzt wurde (legal), wurden mit Containern eingezäunt und später geräumt. Viel davon ist in den Berichten über den G8-Gipfel in Genua einen Monat später untergegangen, dabei war Göteborg nicht weniger dramatisch. "Bisher wurden 60 Menschen zu insgesamt 45 Jahren Haft
verurteilt", ist am Ende des Films zu lesen.

Im Film erzählt einer der Angeschossenen, wie knapp er überlebt hat, wie es sich anfühlt, wenn man meint zu sterben und wie er dann, gerade wieder in der Lage zu laufen, inhaftiert wurde. 

Weiterlesen

One World Berlin startet mit „Terrorists: The Kids They Sentenced“

In einer Woche beginnt das sechste ONE WORLD BERLIN Filmfestival für Menschenrechte und Medien. Der Eröffnungsfilm ist Terrorists: The Kids They Sentenced, Schweden 2003.

Header One World Filmfestival 09

Als es beim EU-Gipfel in Göteborg 2001 zu Ausschreitungen bei den von
Globalisierungskritiker_innen organisierten Massenprotesten kommt,
schlägt der schwedische Staat mit aller Macht zurück. Rund 460
Demonstrant_innen werden festgenommen, 14 davon zu langen Haftstrafen
verurteilt. In den Augen der Regierung handelt es sich bei ihnen um
„Terroristen“. Stefan Jarl und Lukas Moodysson zeichnen ein anderes
Bild: In bewegenden Interviews erzählen einige der jungen
Aktivist_innen von ihren Motivationen, sich an den Protesten zu
beteiligen, der Kritik an einer ungerechten Wirtschaftsordnung sowie
ihren traumatischen Erfahrungen mit staatlicher Gewalt. 

Weiterlesen

Von Twin Towers, Zwillingen und anderem Terror

Vor etwa zwei Jahren riefen wir dazu auf, sich am Preisausschreiben "Was ist Terrorismus" zu beteiligen. Es kamen viele wunderbare Einsendungen und ich ärgere mich bis heute enorm, dass wir zu wenige waren und zuviel anderes zu tun hatten, um das ordentlich zu Ende zu bringen. Immerhin gab es eine sehr gute Ausstellung im Tacheles. Ein sehr früher Beitrag, der definitiv Aussichten auf einen Preis gehabt hätte, ist dieser:

Für die Eine ist es nur ein harmloser Fußabdruck im Sand,
für den Anderen der Beginn einer wunderbaren Karriere
Von Twin Towers, Zwillingen und anderem Terror

Queer Terrorism
Sandburgen bauen, Sandburgen …
(Irgendwie hatte Terror in den 80ern immer diesen Gelbstich)

 
 
Als ich klein war, da war ich sicher: "Touris" ist die Abkürzung für Terroristen. Und Terroristen sind nur so halb gut – das weiß doch jedes Kind. Vor allem der gemeine Neckermann-Terrorist, der ist irgendwie gar nicht gut.  
 
Weiterlesen

Welcome to the NeoConOpticon

Ende September veröffentlichte Ben Hayes "NeoConOpticon – Der Sicherheits-Industrielle Komplex" (84 Seiten, 3.1mb). Gleichzeitig fand in Stockholm die Vierte Europäische Sicherheitsforschungskonferenz statt.

Ben Hayes ist Mitglied von Statewatch, einer der wichtigsten NGOs im Bereich Bürgerrechte und Innere Sicherheit, die ich hier immer wieder verlinke. Parallel zum vom Transnational Institute TNI veröffentlichten Report NeoConOpticon hat Ben Hayes ein Blog mit demselben Titel gestartet, dass ich hiermit wärmstens empfehlen möchte: NeoConOpticon 

NeoConOpticon

Ben weiß nicht nur mehr zu diesem Thema als die meisten Leute, die ich kenne, sondern kann das auch noch sehr gut darstellen.

Weiterlesen

Seized – Reste einer Durchsuchung

Die Ausstellung "Seized" über die FBI-Durchsuchung bei Steve Kurtz läuft schon ein Weilchen. Ich hatte sie im August schonmal beworben. Zu sehen ist sie noch bis zum 15. November im Art Laboratory Berlin. Ausgestellt ist z.B. der Originalmüll, den das FBI nach der Durchsuchung 2004 hinterließ:

CAE Ausstellung 1


Interessant, welche Bücher bei drohendem Bioterrorismus beschlagnahmt wurden:
Weiterlesen

TerroristInnen in Belgrad festgenommen

Es gab einen weiteren Fall von internationalem Terrorismus. Nicht die aktuellen Terrorwarnungen für Deutschland, sondern ein gesprühtes A samt Kreis drum, ein Brandfleck und eine gesprungene Scheibe. Verursacht durch einen Molotow-Cocktail, der am 25. August an die griechische Botschaft in Belgrad geschmissen worden war. . 

Grieschische Botschaft in Belgrad nach 'Anschlag'
Die Folgen des Terror-Anschlags (mehr Bilder)

Am 4. September wurden 5 Leute in Belgrad festgenommen, vier davon Mitglieder der Anarchosyndikalistischen Initiative (Anarhosindikalistička inicijativa – ASI). Vorwurf: Internationaler Terrorismus. Zunächst 30 Tage Untersuchungshaft. Die ASI erklärte, dass die ihnen vorgeworfene Tat überhaupt nicht ihren politischen Überzeugungen entspräche, weil sie offen ausgeführte Aktionen für richtig halten.

Weiterlesen