Die Charme-Offensive des Verfassungsschutzes

Eigentlich ein total netter Typ, dieser Verfassungsschutz-Chef. Rheinländer, mit Humor, sagen auch seine Beamten (sagt der Chef).

Der tut nichts, der sucht nur Extremisten. Laut Interviewer Elmar Theveßen sind das „Menschen, die den Anspruch auf die absolute Wahrheit erheben“. Hans-Georg Maaßen also, der Leiter des deutschen Inlandsgeheimdienstes, kommt im Gespräch bei Phoenix insgesamt ein bisschen puschelig rüber und erklärt sich das Werden von Extremisten aller Art damit, dass die in ihrer Jugend irgendwie in falsche Gesellschaft geraten sind und quasi Zufall ist, ob die fehlgeleiteten Jugendlichen rechts- oder linksextremistisch oder islamistisch werden. Ich folge dem ja soweit, dass es nicht in jedem Dorf und an jeder Schule die gesamte Bandbreite an Jugendorganisationen gibt und insofern die meisten halt machen, was ihre FreundInnen machen. Ob das aber reicht, um als Erwachsene dann auch mal Waffen in die Hand zu nehmen, wage ich ja sehr zu bezweifeln.

Wohin die Reise geht, sagt er selbst: „Ich finde es gut, wie es in Großbritannien und den USA gehandhabt wird, dass man auch die Bevölkerung zur Wachsamkeit aufruft.“

Und wünscht sich natürlich mehr Zusammenarbeit zwischen Geheimdienst und Polizei, und das können wir ja mittlerweile alle im Schlaf singen: es steht aus Gründen im Grundgesetz, dass das eine schlechte Idee ist. Ist halt der Treppenwitz, dass ausgerechnet der Verfassungsschutz das genau das möchte.

Ganz zum Schluss geht es auch um die Frage, ob uns eine neue RAF ins Haus steht, es geht um Dresden Nazifrei, um den ‚Kommenden Aufstand‘ – lasst Euch überraschen.

Eine Stunde lauschig am Kamin:

Zur Dekontamination empfehle ich zum Beispiel den des Linksextremismus‘ unverdächtigen Spiegel Online: Verfassungsschutzreform: Zentraldatei und weißer Anstrich. Der Verfassungsschutz kämpft nach dem NSU-Debakel um seine Existenzberechtigung.

Ein bisschen genauer steht es in der neuen Ausgabe von Bürgerrechte & Polizei/CILIP 101: Staatlicher Kampf gegen Rechts? und darin z.B. Heike Kleffner: Forderungen an Polizei und Justiz nach dem NSU-Debakel. Leider nicht online, aber die Cilip-Redaktion kann jeden Euro brauchen, deswegen kauft sie ruhig. Kostet 16€, aber nur 21€ für 3 Ausgaben! Jetzt schon lesen könnt ihr von Heiner Busch Unfall NSU? Falsche Interpretationen und übliche Lösungen und Ach, der Verfassungsschutz! Der Inlandsgeheimdienst und die Antifa von Ulli Jentzsch vom apabiz.

Außerdem: der NSU Watchblog

 

LKA: Mietenproteste sind linksextremistisch

Wir haben gestern bei Kotti & Co. Silvester gefeiert, was sehr nett war und nicht annähernd so schrecklich, wie ich mir das am Kottbusser Tor vorgestellt hatte. Das Protestcamp gegen die hohen Mieten steht immer noch und ist inzwischen zu einer gemütlichen Hütte geworden.

Zwischendurch habe ich diese Geschichte gehört:

Ende Oktober fanden bei Kotti & Co. Aktionstage statt:

Im Protestcamp und bei den UnterstützerInnen aus allen Stadtteilen macht sich der Eindruck breit, dass die PolitikerInnen in einer Parallelwelt leben, in der die soziale Realität vieler Mieterinnen und Mieter nicht vorkommt. Wir haben deshalb beschlossen, unsere Realität dorthin zu tragen, wo über uns entschieden wird.

Am zweiten Tag gingen etwa 20 Frauen zur Senatsverwaltung für Soziales, gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in einem Haus in der Oranienstrasse 106 und trommelten auf Kochtöpfen. Warum?

„Unser Anliegen ist es ja, die Verdrängung durch die Jobcenter zu stoppen und beide Verwaltungen haben damit zu tun. .. Da diese unsere Sorgen die Verantwortlichen nicht zu interessieren scheinen, oder sie nichts davon wissen, sind wir vor die Senatsverwaltung für Soziales gezogen und haben dort mit den bewährten Kochtöpfen auf uns aufmerksam gemacht. „

Soweit so normal für Berlin (Kreuzberg). Die Senatsverwaltung war nicht amüsiert. Dann kam die Polizei, laut Bericht von Kotti & Co. gerufen von einem Passanten, und war der Meinung, es handele sich nicht um eine spontane Versammlung. (Spontane Demonstrationen sind erlaubt, nicht spontane Demonstrationen müssen angemeldet werden.)

Die Polizei brauchte eine Verantwortliche, die es natürlich nicht gab. Um das Ganze glimpflich über die Bühne zu bringen, erklärte sich Taina Gärtner, Bezirksverordnete der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, bereit.

Und bekam kurz darauf eine Vorladung vom LKA Berlin, konkret von Staatsschutz. (Als ich mich heute am Telefon mit jemandem von Kotti & Co. unterhielt, der bei dem Verhör dabei war, brach an dieser Stelle das Telefonat für ein paar Sekunden ab. War nach kurzer Stille aber wieder da).

Das Gespräch fand in einem Büro statt, von dem ich gern Fotos gesehen hätte. Die beschreibenden Worte waren: „Fast wie in The Wire, verbeulte Aktenschränke, ein winziges Fenster, furchtbar!“.

Und was hat also der Polizeiliche Staatsschutz mit 20 auf dem Gehweg stehenden Frauen zur tun? Das wurde im Verhör erklärt:

Es gibt bestimmte Themen, die für den Staatsschutz, Abteilung Linksextremismus, als relevant gelten. Dazu gehören Asyl & Flucht, und eben Mieten und Gentrifizierung.

Nochmal zum Mitschreiben: (Beschäftigung mit) Gentrifizierung = Linksextremismus.

Offenbar haben aus diesem Grund auch Beamte des LKA mehrere Lärm-Demos von Kotti & Co. observiert – das wurde den OrganisatorInnen von den ja auch immer anwesenden Mitgliedern der ‚Anti-Konflikt-Teams‘ mitgeteilt.

Das Verfahren gegen Taina Gärtner wurde mittlerweile wieder eingestellt.

 

 

Verfassungschutz darf linke Vereine abschalten

Der Bundestag ist dabei, das Jahressteuergesetz 2013 zu verabschieden. So weit, so langweilig. Bis auf die Kleinigkeit, dass danach der Verfassungsschutz – genau, DER Verfassungsschutz – darüber entscheidet, welche Vereine gemeinützig bleiben und also in den Genuß der für viele Vereine nötigen Fördergelder kommen.

Der Verfassungsschutz? Was hat der damit zu tun? Der legt, unkontrolliert wie eh und je, fest, wer hierzulande als ‚extremistisch‘ gilt. Und „extremistisch = nicht gemeinnützig = kein Geld.

Dabei ist eine solche Erwähnung keineswegs Beleg einer extremistischen Betätigung. Betroffene gingen mehrfach gegen solche Vermerke in den Behördenreports vor. Markantes Beispiel ist die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V., die der Bayerische Landesbericht mehrfach als linksextremistisch erwähnte. Dabei erhielt die Initiative mehrfach Auszeichnungen, unter anderem der Landes-SPD.

Hinzu kommt, dass Experten den Verfassungsschutzberichten sehr unterschiedliche Qualität bescheinigen. Eine Einstufung als „extremistisch“ bedeute noch lange nicht, dass die Initiative tatsächlich verfassungsfeindlich agiere, sagte ein Abgeordneter der Unionsfraktion. (Zeit Online)

Inzwischen haben über 160 Vereine einen Offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten unterschrieben, der die Streichung des geplanten Paragraphen aus dem Steuergesetz fordert. Darunter Attac, Robin Wood, PfadfinderInnen, BUND, VVN-BdA, Campact, diverse Flüchtlingsräte, der FoeBuD, Greepeace, Lobbycontrol, Abgeordnetenwatch und und und (Liste der unterzeichnenden Organisationen).

Letzten Mittwoch fand auch eine Kundgebung am Bundestag statt, weil im Finanzausschuss bei einer Anhörung zum Steuergesetz auch dieses Thema zur Sprache kam. Von der Anhörung gibt es ein (sehr langes) Video und die Stellungnahme des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins.

„Extremismus“ ist kein Rechtsbegriff, sondern eine von den Verfassungsschutzämtern zu einem gewissen Grad abgestimmte Formel, mit der Bewertungen auf verschiedenen Wertungsebenen bezeichnet werden. Eine konsistente und für die Betroffenen berechenbare Praxis besteht nicht. Weder durch Bundesrecht, noch durch Landesrecht ist abschließend und normativ klar geregelt, wann und weshalb eine Organisation als extremistisch bezeichnet werden soll und wann nicht. (RAV-Stellungnahme)

Bei der Süddeutschen gibt’s auch einen kleinen Film zur Kundgebung: Vereine befürchten Verlust der Gemeinnützigkeit

 

 

Foto / Grafik: Robin Wood

 

Die Extremismusklausel ist illegal

Mal wieder rettet ein Gericht die Demokratie vor der Regierung: das Verwaltungsgericht Dresden (!) hat die Extremismusklausel für rechtswidrig erklärt. Die Ohrfeige gönne ich der eh schon nicht mehr so richtig beliebten Extremismus– Familienministerin Schröder von Herzen.

Im Wortlaut:

Die von Zuwendungsempfängern im Rahmen des Bundesprogramms »TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN» geforderde »Einverständniserklärung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung«, die sog. Extremismusklausel oder Demokratieerklärung, ist rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht Dresden mit Urteil vom heutigen Tag (Az. 1 K 1755/11).

Das Gericht ließ sich auch nicht nehmen, explizit mit Link auf die Website der illegalen Extremismusklausel hinzuweisen.

Geklagt hatte das sächsische Alternative Kultur- und Bildungszentrum (AKuBiZ e.V.), das schon 2010 Schlagzeilen gemacht hatte, weil es den sächsischen Demokratiepreis abgelehnt hatte. Bedingung für die Preisverleihung wäre auch gewesen, dass die Extremismusklausel unterschrieben wird.

Mit dem Thema Extremismusklausel habe ich mich schon öfter beschäftigt, deswegen lasse ich die Erklärung weg, warum die Klausel ein Problem ist. Dass mich die Entscheidung freut, wird niemanden groß überraschen.

Das AKuBiZ selbst:

Bei aller Freude über das Urteil, so ist es traurig, dass wir es überhaupt erstreiten mussten. Die Extremismusklausel ist eine aktive Behinderung der wichtigen Arbeit gegen Rechts vor Ort. Die Auffassung des Gerichts bestätigt, dass Demokratiearbeit nicht mit Misstrauen begegnet werden darf.“

Details u.a. bei Publikative oder (links)extremismus.

Das Betreuungsgeld ist ja gerade auch nicht so eine Erfolgsstory; die Meldung, dass sie dem BKA schonmal meldet, dass bei Twitter über sie gesprochen wird, auch nicht. Mal sehen, wie lange sie sich noch hält.

 

Bild: Frank Hamm, Flickr, CC-Lizenz

Schröders Linksextremismus-Programm wissenschaftlich durchgefallen

Mit Studien hat die Bundesregierung in letzter Zeit nicht so viel Glück. Weniger Beachtung als die Muslim-Schock-Studie fand leider der Zwischenbericht des Deutschen Jugendinstituts (DJI), das Kristina Schröders 2010 gestartetes Programm „Demokratie stärken gegen Linksextremismus und Islamismus“ evaluiert.

Im Bereich „Linksextremismus“ fällt auf, dass zwar die Mehrheit der Projekte das Thema „Linksextremismus“ dezidiert aufgreifen möchte, dass hierbei aber sehr unterschiedliche Phänomene (z.B. „Menschenfeindlichkeit“, „Orientierungslosigeit“, „Terrorismus“ oder „Überwachung“) bearbeitet werden, bei denen der allgemeine bzw. der jugendpolitische Bezug zur Thematik teilweise noch Klärungsbedarf aufweist. Hier empfiehlt die Wissenschaftliche Begleitung, die (Weiter-)Entwicklung des sozialwissenschaftlichen Forschungsstandes und den Fachaustausch zu fördern und die Phänomene, die im Rahmen des Programmes bearbeitet werden sollen, auszudifferenzieren (z.B. „autonome Szene“, „Aktionsorientierung“). Zu überdenken wäre, diese ggf. nicht übergreifend mit dem sozialwissenschaftlich umstrittenen Label „Linksextremismus“ zu belegen. (DJI, Ergebnisbericht der Wissenschaftlichen Begleitung des Bundesprogrammes „Initiative Demokratie stärken“. Berichtszeitraum 1.1.2011 – 31.12.2011. S. 106)

Die taz dazu: „Harscher kann Kritik von Wissenschaftlern kaum ausfallen.

Leider darf Kristina Schröder machen was sie will. Auch 2,5 Mio. Euro im Kampf gegen den Linksextremismus ausgeben, der sich laut Studie gar nicht so richtig zum bekämpfen eignet. Die vielfach zitierten Junge-Union-Sauffahrten nach Berlin werden davon genauso finanziert wie die Zeitbild-Broschüre, bei der schon das Symbol für Videokamera ein Hinweis auf linksextreme Gesinnung ist.

Es deutet sich jedoch an, dass mit dem Begriff „Linksextremismus“ so unterschiedliche Phänomene bezeichnet werden, dass zweifelhaft erscheint, inwieweit „Linksextremismus“ im sozialwissenschaftlichen und im pädagogischen Bereich … einen geeigneten Oberbegriff darstellt. (DJI-Bericht, S. 109)

Die Zeitbild-Broschüre kriegt gesondert ihr Fett weg:

Darin werde suggeriert, bereits die Äußerung „durch radikale Umverteilung müssen soziale Unterschiede beseitigt werden“, sei linksextremistisch, rügt das DJI. Das verdeutliche „den Bedarf an der Erforschung des Gegenstands, seiner möglichen Vorfelder und Ursachen, bevor pädagogische Prävention betrieben werden kann“. (taz)

Den Zwischenbericht gibt es weder beim Familienministerium noch beim DJI, aber die taz hat ihn.

Das Ministerium bewahrt Haltung:

In einer Stellungnahme gegenüber jW hat das Familienministerium gestern insistiert, »von einer negativen Bewertung oder gar scharfer Kritik konkreter Projektergebnisse durch das DJI kann keine Rede sein«. Es sei darum gegangen, »die Ausgangslage zum Start der Projekte zu beschreiben«, und diese sei »leider durch erhebliche Wissens- und Forschungslücken gekennzeichnet«. (junge welt)

Gefunden habe ich all das bei meinem neuen Lieblingsblog zum Thema: (links)extremismus.

 

Foto: Frank Hamm, CC-Lizenz, Flickr

 

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Zapp über Kristina Schröder: „Was will diese Frau eigentlich?“

Zapp hat sich mit der Extremismus-Ministerin befasst.

Was will diese Frau eigentlich? Diese Frage wird Kristina Schröder seit Amtsantritt immer wieder gestellt. Journalisten rätseln über das Profil der Familienministerin – statt Themen zu finden, scheint sie ewig welche zu suchen. Dabei ist sie schon recht früh über den Extremismus gestolpert. Erst links – jetzt rechts. Geradeaus – ist anders.

http://www.youtube.com/watch?v=6IEaGERVNoE

Update: Sowohl im YouTube-Kanal der ARD als auch in der ARD-Mediathek als auch auf der Zapp-Website ist der Beitrag verschwunden. Zum Glück haben wir das Internet. Und eine neue Version bei YouTube, unten.

Update 2: heute abend soll es in der Abmoderation eine Erklärung dazu geben. Ich bin gespannt, wie das wohl kam. Ich nehme ja jetzt nicht an, dass Mitglieder der Bundesregierung die Medien zensieren lassen?

Update 3: Die Zapp-Redaktion erklärt sich und den Vorgang, ausführlich

http://www.youtube.com/watch?v=Bs4NaTanChc

Und im Ernst: was hat das alles eigentlich im Familienministerium zu suchen? Und wer kümmert sich derweil um Familien?

Augen auf – Demokratie stärken! Neues von der Zeitbild-Stiftung

Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich geglaubt habe, dass es sich nicht um Satire handelt. Es ist keine Satire.

Es sind Preise verliehen worden, Preise für herausragendes Engagement gegen den Linksextremismus. Von derselben Zeitbild-Stiftung, die gerade mit der Broschüre gegen Linksextremismus in diverse Kleine Anfragen im Bundestag geraten ist.

„Erstmals werden im Rahmen eines bundesweiten Wettbewerbs gezielt Projekte und Ideen gefördert, die den Linksextremismus bei der Extremismusprävention besonders berücksichtigen.

20 MAL 500 EURO FÜR PROJEKTE AN SCHULEN“

(Zeitbild-Stiftung: Augen auf – gegen Extremismus)

Ausgegraben hat das (links)extremismus. informationen zu wahnsinn und wirkmächtigkeit der extremismusformel

Die 20, von der Zeitbild-Stiftung ausgereichten und vom Bundesfamilienministerium geförderten, Preise für „Schulen und Jugendeinrichtungen“  gingen u.a. an eine Verfassungsschutzbehörde, eine Polizeibildungseinrichtung, mehrere Projekte, die gefördert wurden vom Förderer der Ausschreibung – vom Bundefamilienministerium, drei wurden an Projekte in  Dresden, zwei nach Göttingen verliehen.

Drei Preise in Dresden. Körperliche Übelkeit.

The unvergleichliche Gurkenkaiser hat mehr Humor, und hat mal geschaut, wer Preise bekommen hat:

…und zwar handelt es sich um *Trommelwirbel* den Ausbildungsgang (wait for it!) Lagerlogistik des Alfred-Müller-Armack-Berufskolleg zu Köln.

Zusammenfassung: Lager. Gegen Linke. In Deutschland. Auszeichnung. Steuergeldgefördert.

Geile Scheiße!

Sehr schön, dass der Verfassungsschutz den Weg zum Schutz der Demokratie wieder findet. Das fand auch die Jury bemerkenswert und zeichnete ein Planspiel des Verfassungsschutzes Niedersachsen aus.

Mehr zu den Preisen bei (links)extremismus, es sind noch ein paar hübsche Exemplare dabei. Leider lässt sich die Website des Wettbewerbs seit gestern nicht mehr aufrufen. Vermutlich weiß das fördernde Familienministerium mehr.

Linksextrem ist …

Rechtsextrem ist, wenn Menschen ermordet werden, ihrer Herkunft wegen. Nach eingehender Prüfung, Jahre später, weil alle darüber berichten und wenn ausgeschlossen werden kann, dass sie sich irgendwie untereinander erschossen haben.

Linksextrem ist, wenn das Neue Deutschland schreibt „Der Kapitalismus ist doof. Aus Gründen“ (oder so ähnlich):

Beiträge in diesen Medien unterstützen kommunistische bzw. anarchistische Weltdeutungen und diskreditieren zugleich gegenläufige Nachrichten als bürgerlichen Manipulationszusammenhang (aus der hier kürzlich schon erwähnten Broschüre für LehrerInnen)

Die Gedanken sind frei? Hallo? Da war doch mal was? Ach und wie war das mit der Pressefreiheit? Frau Ministerin, wie sieht es eigentlich mit Ihrem Demokratie-Verständnis aus? Müsste das nicht auch mal auf seine Verfassungstreue überprüft werden?

Das ND hat Frau Schröder einen Brief geschickt mit der Frage, wie das alles gemeint sei. Die Antwort kam sechs Wochen später – man ist ja plötzlich so mit den Nazis beschäftigt! – :

Ihr Sprecher Steegmans aber bleibt die Antwort schuldig, auf welchen Quellen die Einschätzung des Neuen Deutschland als linksextrem nun eigentlich beruht -– außer, dass es in einigen Verfassungsschutzberichten der Länder erwähnt werde. Macht aber nichts. Der bekennende Liberale und frühere FDP-Sprecher hat ein weites Herz und verbleibt mit freundlichen Grüßen – „an Sie und Ihre Leserschaft“. (Berliner Zeitung)

Die taz dazu:

Der Antikommunismus, der hinter Schröders Kampf gegen Linke steht, ist bei ihr ideologisch offensichtlich so verankert, dass selbst rechtsextreme Terrorgruppen sie nicht von dem Gedanken abbringen können, dass vor allem Linksradikale den Staat bedrohen.

Das ND selber bekannte sich am Wochenende zu seinen Verfehlungen (Titel als pdf):

Bundesministerin Kristina Schröder bittet alle Bürgerinnen und Bürger um Mithilfe, die Tageszeitung »neues deutschland« zu ergreifen. Sie hält sich gewöhnlich schon morgens in Briefkästen und an gut sortierten Kiosken auf.
Folgende Redakteurinnen und Redakteure sind u.a. der Mitarbeit an der Zeitung dringend verdächtig:

Jörg Meyer (39), Inlandredakteur, taucht auf Gewerkschafts- und Anti-Nazi-Demos auf, und dann auch wieder ab.

Karlen Vesper (52), Kulturredakteurin, kettet sich an Hammer und Sichel und summt bei der Arbeit Lieder über die Oktoberrevolution.

Katja Eichholz (32), Online-Redakteurin, wirft antikapitalistische Köder in die weiten Ozeane des Internet.

René Heilig (59), Inlandredakteur, hat der Bundesregierung mehrfach Rüstungsexport vorgeworfen.

Wolfgang Frotscher (64), Bildredakteur, wühlt in Agenturarchiven nach fragwürdigen Fotos der Bundeskanzlerin.

Christin Odoj (27), Volontärin, wird noch zur Linksextremistin ausgebildet, muss täglich Wodka für die Kolleg(inn)en holen.

Detlef D. Pries (62), Auslandsredakteur, wacht darüber, dass chinesische und russische Namen linientreu transkribiert werden.

Markus Drescher (33), Inlandredakteur, wickelt seine aufrührerischen Ansichten gern in ein Trikot des FC St. Pauli.

Martin Kröger (36), Lokalredakteur, wohnt in Berlin-Kreuzberg – jedes weitere Wort über ihn wäre eine Verharmlosung.

..und noch mehr davon. Die Revolution steht unmittelbar bevor.

„Gentrifizierung“ immer noch linksextrem

Über Twitter bin ich heute auf eine relativ neue Broschüre gestoßen, die sich gegen Linksextremismus richtet. Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Demokratie stärken – Linksextremismus verhindern

Es scheint sich ja gerade die Erkenntnis durchzusetzen, dass von rechts deutlich größere Gefahr für die Gesellschaft droht als von links, und beides vielleicht doch nicht das Gleiche ist.

Die Broschüre ist vorher entstanden und weil Eckhard Jesse die wissenschaftliche Beratung übernommen hat, ist keine Besserung zu erhoffen.

(Beachte die Videokamera auf dem Titelbild, auch die Bewegung gegen Überwachung ist latent linksextrem?)

Ziel der Broschüre ist, Lehrerinnen und Lehrer mit Material zu versorgen. Ich will hier nicht behaupten, sie enthielte demagogische Ansätze, aber einiges war schon .. überraschend. Ein paar Highlights:

Alle Varianten des Extremismus negieren demzufolge die Pluralität der Interessen, das damit verbundene Mehrparteiensystem und das Recht auf Opposition.

Angesichts der genuin oppositionellen Haltung der gemeinhin als linksextremistisch eingestuften Gruppen sehe ich hier einen Widerspruch.

Linksextremistische Parteien wiederum streben zwar ein kommunistisches Endziel an,…

„Endziel“ ..?!?

Zitate, die in die Nähe zu Linksextremismus gerückt werden:

„Durch radikale Umverteilung müssen soziale Unterschiede beseitigt werden.“

„Nur ein Zusammenschluss aller Unterdrückten dieser Welt führt zu einer besseren Gesellschaft.“

Für das Beispiel Rechtsextremismus gibt es an dieser Stelle z.B.

„Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet.“

„Den Juden geht es heute vor allem darum, ihre finanziellen Vorteile aus der deutschen Vergangenheit zu ziehen.“

Die Gewalt:

Chaostage
Seit den 1980er-Jahren kommt es in Deutschland zu sogenannten Chaostagen in verschiedenen Städten, bei denen Punks, Autonome und andere linksextreme Gruppen mit Hooligans und Skinheads Verwüstungen in einigen Stadtteilen anrichten.

Gibt es die tatsächlich noch? Ich habe davon seit gefühlt Mitte der 90er nichts mehr gehört?

Hausbesetzer
Die Szene der Hausbesetzer ist vielfältig. Darunter sind Punks, Idealisten, Linksextreme und Obdachlose. Die Gründe für die Hausbesetzung sind oft identisch: Sie besetzen Wohnraum bzw. ganze Wohnhäuser aus vermeintlich sozialen Gründen. Hausbesetzer grenzen sich bewusst von gesellschaftlichen Normen ab (Schutz des Privateigentums), versuchen alternative Formen des Zusammenlebens zu entwickeln und üben im Zusammenhang mit Räumungen zum Teil auch Gewalt gegenüber der Polizei aus.

Wie gesagt, Überschrift hier ist ‚Linksextremistische Gewalt‘. Das Thema Hausbesetzungen (plus Gentrifizierung) taucht später auf einem eigenen Arbeitsblatt für die Schülerinnen und Schüler wieder auf.

Die Aktionsformen reichen von offener Agitation bis hin zu verdeckt begangenen, teilweise auch schweren Gewalttaten, wobei einzelne autonome Zusammenhänge auch die Verletzung von Personen in Kauf nehmen.“

Mein Vorschlag für eine Fragestellung an Schülerinnen und Schüler hier wäre: „Vergleiche mit dem rechtsextremistischen Spektrum.“

Ich rede hier nicht Verletzung von Personen schön; das lässt sich mit meinem Verständnis von Links-sein nicht vereinbaren. Die Betonung liegt bei „einzelne“ und „in Kauf nehmen“.

Danach folgt, was mich kalt erwischt hat: ein Absatz zur ‚militanten gruppe‘:

Nachdem 2007 einige Mitglieder der mg auf frischer Tat ertappt wurden, gab die Gruppe im Juli 2009 ihre Auflösung bekannt – einige Mitglieder sind jedoch weiterhin aktiv.

Aktiv? In welcher Form denn? Heißt das, dass es immer noch Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in der mg gibt?

Ein Schmankerl ist auch enthalten:

Antideutsche treten zum Teil intellektuell auf …

(Die sind auch linksextrem.)

Linksextremistische Medien: u.a. das Neue Deutschland. Das ist ja sicher einiges, aber linksextrem? Belege fehlen leider.

Dazu sei angemerkt, dass linksextremistische Medien hauptsächlich parteiisch und parteilich berichten.

Das machen andere zum Glück ja überhaupt nicht.

Weil gerade vermehrt darauf hingewiesen wird, dass der Verfassungsschutz auf dem rechten Auge blind ist, dafür links aber genau guckt, fand ich diese Grafik zur Illustration linksextremistischer Gewalt interessant. Beachte das „vermeintliche Rechtsextremisten“. Wie solche Statistiken zustande kommen, lässt sich etwa aus dem heute bei sueddeutsche.de erschienen Artikel „Staat und Zivilcourage. Neonazi-Gegner im Visier“ nachlesen. (Ich hoffe, dass die Süddeutsche des Linksextremismus‘ einigermaßen unverdächtig ist.)

Ganz kurz sah es während der heutigen Bundestagsdebatte so aus, als ob Kristina Schröder die Unterstützung verliert: Streit über Extremismusklausel im Bundestag. Union stellt Schröders “Gesinnungs-TÜV” zur Debatte (ebenfalls Süddeutsche). Anscheinend haben sich die Reihen aber inzwischen wieder geschlossen.

Die gesamte Broschüre lässt sich downloaden (pdf).

Können sich Eltern eigentlich dagegen wehren, dass ihre Kinder auf diese Weise indoktriniert werden?

Extreme Grafik

Der neue Verfassungsschutzbericht ist da, es gab reichlich Zeter und Mordio gestern, die Regierung verkündet eine – Überraschung – Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Die Presse konnte sich nicht so recht einigen, was gestiegen war und was abgenommen hat. Dafür gibt es Grafiken. Das Bildblog hat eine ausgegraben:

Wir sehen: die Entwicklung bei den „Straftaten mit extremistischem Hintergrund aus dem Bereich ‚Politisch motivierte Kriminalität“. Die haben abgenommen, rechts wie links.

Bloß:

„Zeichnet man den Balken der linksextremen Straftaten im gleichen Maßstab wie den der rechtsextremen, sieht die Grafik ungefähr so aus:“ (Bildblog)

(Grafiken: Bildblog, CC-Lizenz)