Der ewige Dauerbrenner „Keine bzw. kaum Frauen als Referentin oder sonst Vortragende bei Konferenz #wichtig12“ fand am Wochende seine x-te Fortsetzung. Der Journalistinnenbund schrieb deswegen einen pampigen Offenen Brief an die OrganisatorInnen des Mainzer Medien Disputs.
Sehr geehrter Herr Prof. Leif,
herzliche Gratulation zur programmlichen Gestaltung des diesjährigen MainzerMedienDisputes – und zur Auswahl Ihrer Gäste auf den Podien.
Wir freuen uns, dass es Ihnen durch fundierte Recherche gelungen ist, die Panelrunden aus konsequent männlicher Sicht zu besetzen. … (pdf)
Die waren darauf sehr beleidigt
Wir, die Organisatoren des Mediendisputs, haben den „offenen Brief“ des Journalistinnenbundes mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen. Der „offene Brief“ erweckt den Eindruck, dass es dem Journalistinnenbund nicht um das Anliegen der Frauen sondern um persönliche Profilierung geht.
Sonntag vormittag war die Geschichte Thema meiner Twitterwelt. Die Empörung hielt sich in Grenzen, irgendwann erschöpft sich das Thema wahrscheinlich. Die Frage „Was tun“ ist auch nicht erquicklich. Antje Schrupp finde, es sei nicht unser Job.
Wer Frauen als Speakerinnen will, muss sie sich selber suchen und sein Konzept überdenken.
Das hat sie später in einem eigenen Blogpost noch ausgeführt: Kurz meine fünf Zent zum Mainzer Männer-Medien-Disput. Ich finde ihre Gedanken wie immer an sich richtig, aber nicht uneingeschränkt alltagstauglich, jedenfalls nicht für meinen Alltag. In dem gibt es nämlich sehr regelmäßig entweder Vorkommnisse wie beim Mainzer Medien Disput und da stimme ich Antje zu: denen ist nicht zu helfen. Wobei ich mich über alle freue, die es trotzdem versuchen – wenn ein bisschen Gewicht dahinter ist, um so besser, aber allein sicher völlig aussichtslos. Oder aber ich stoße auf durchaus gutwillige Frauen wie Männer, die zu ihrem Spezialthema wirklich keine Frauen finden, oder nur welche, die absagen, oder gar ihre männlichen Vertreter schicken.
Ich gestehe denen zu, dass das ein Problem ist. Nicht wirklich meins, aber das Ergebnis stört mich trotzdem, denn der allgemeine Eindruck, dass es keine kompetenten Frauen gäbe, ist schon ein Problem – für mich, andere Frauen und Männer und Kinder. Ich gerate also in solche Gespräche, inzwischen durchaus auch, weil ich von Dritten als dauerprotestierende Expertin für Frauenmangel herangezogen werde. Und soll dann die Lösung des Dilemmas aus dem Ärmel ziehen. Habe ich natürlich nicht.
Ich kann auch keine Expertinnen backen, wo es keine gibt. Ich bin andererseits aber fest davon überzeugt, dass es auch im realen Leben Filterbubbles gibt, also das Phänomen, dass ich nur sehe, was ich sehen will bzw. kenne. Die ewigen selben drei Experten zum Thema XYZ. Man will ja auch wen Bekanntes da sitzen haben, ein Perpetuum Mobile, denn wer bekannt ist, wird immer bekannter. Die kluge Post-Doktorandin oder experimentierfreudige Denkerin oder Macherin hingegen hat keine Chance. Und zudem ganz anderes zu tun – „Wir haben ganz offen eingeladen, es hat sich einfach keine (an)gemeldet / beworben / was eingereicht“. …
Kalter Kaffee. Wer Frauen will, muss sie suchen und einladen. Engagiert.
Das war der Auftakt für das Twitter-Gespräch: Die durchaus praktische „Speakerinnenliste“ von Netzfeminismus.org reicht nicht. Nötig sind mehr Themen, mehr Expertise, bessere Durchsuchbarkeit.
Antje, wie gesagt, fand, das sei nicht unser Job. Mein Interesse ist nicht, irgendjemandes Job zu machen, sondern eher mein Leben zu erleichtern, wenn ich auf eine Website verweisen kann, wo jede Menge kompetente Frauen zu finden sind. Dazu Beispiele, wie andere an das Thema herangehen, und außerdem eine Liste peinlicher Beispiele, wie man’s nicht macht. Da möchte man dann ja hoffentlich auch nicht draufstehen, vielleicht noch mit Prozentangabe von Frauen an allen Vortragenden..
Das fand Interesse. Spontan geäußerte Vorschläge: nur soviele Männer einladen, wie Frauen gefunden wurden. Verschiedene Verweise auf gute Beispiele:
- Beating the Odds — How We got 25% Women Speakers for JSConf EU 2012: „For every bad male speaker (sorry), there’s two good female ones who didn’t consider submitting a talk.“
- http://weareallaweso.me/: Are you a man and want more female speakers at developer conferences? Approach every female developer in your office, social circle and local meet-ups and encourage them to submit a talk proposal to a conference.
- Geekfeminism: How I Got 50% Women Speakers at My Tech Conference: The easiest way I saw for getting more women on stage at the actual event was to get as many women to submit speaking proposals as possible.
- Mädchenmannschaft: 4 Wege, Frauen und Technik zusammen zu bringen: Auf der hauseigenen Konferenz „TechCrunch Disrupt” liegt der Referentinnenanteil bei gerade einmal 10%, das Problem seien aber die Frauen, die einfach nicht wollten und er hätte es satt, dafür verantwortlich gemacht zu werden.
Es gab Angebote zu sprechen
ich würde ja zu ziemlich vielen Themen sprechen, aber ich sehe nicht, warum ich mich anbieten sollte wie sauer Bier (@habichthorn)
zu helfen
Gutes Thema, klinke mich da gerne mit ein. Hab Erfahrung aus der DJ-Szene wo es in den 90ern ja auch genau darum ging (@Barbnerdy)
Ich bin gern dabei. Wie wäre es denn einfach mal mit einem Live-Treffen von Interessierten in Berlin
#startschuss (@tanjaries)
und zu vernetzen
wäre so eine Speakerinnendatenbank nicht auch was für die
#dmw? Zwar beschränkt auf digital, aber ein Anfang //@CarolinN (@kommanderkat)
Die Idee einer neuen Website nahm ein bisschen Form an, auch mit kreativen Elementen
mir schwebt ne Seite vor, auf der groß übliche Verdächtigen abgebildet sind & wenn man draufklickt kommen weibl. Alternativen 🙂 (@totalreflexion)
ja. ich helf da auch gern. Ob man dafür Gelder bekäme, um das richtig groß umzusetzen? (@totalreflexion)
Es folgte das Unvermeidliche: ein Doodle zur Findung eines freien Abends, an dem das alles genauer besprochen werden kann. Das gibt es jetzt, für alle, die das nicht nur diskutieren, sondern was machen wollen: eine Website basteln, Texte schreiben, Anträge schreiben, Referentinnen finden und sortieren und findbar machen, ein passendes Design entwickeln, evtl. eine Datenbank..
Macht mit – tragt Euch ein, kommt, und wenn Ihr nicht in Berlin seid, machen wir ein Hangout oder was auch immer Beteiligung von anderswo ermöglicht.
Mein Traum wäre, dass es anfangs aufwendig ist und sich dann weitgehend von selbst erledigt und vor allem, dass ich nicht mehr erklären muss, wo die Frauen für die Panels denn herkommen sollen.
Zwei Tage später fand ein #nfbb – Netzfeministisches Biertrinken in Berlin – statt, wo das natürlich weiter Thema war. Dabei ging es u.a. darum, dass der Ansatz ‚Ich habe ein Konzept und suche die passende Frau dafür und wenn ich sie nicht finde, nehme ich einen Mann, der findet sich sowieso‘ schon falsch ist. Ausgehend von der Annahme, dass ein Podium, das nur mit weißen deutschen Akademikern besetzt ist, einen viel zu kleinen Teil der möglichen Perspektiven auf ein Thema darstellt, ist mehr nötig als herumzufragen, ob für Position xy eine Frau existiert. Vielmehr müsste nach kompetenten Frauen Ausschau gehalten werden und gefragt werden, was sie zum Thema beitragen können. Es gibt tatsächlich Konferenzen, bei denen das praktiziert wird.
Etwa analog zur wissenschaftlichen Fragestellung: wenn ich vorher schon weiß, was ich rauskriegen will, wird nichts Neues herauskommen. Wenn ich erst die Frage entwickle, dann die Methoden und tatsächlich forsche, lerne ich vielleicht etwas.
Passt schlecht zu 95% der hierzulande organisierten Konferenzen, aber bekanntlich sind die mehrheitlich .. ja auch nicht wirklich überraschend.
PS:
As predicted by Courtney’s description above, we got the entire host of responses. We came prepared though.
“I’m not an expert on anything.”, “I don’t work on anything interesting at the moment.”
— We offered a brainstorming session, a 10-minute chat, an hour long phone call, whatever was required. It turns out that there’s something of interest hidden in everybody, but self-censoring often keeps it hidden. In the right conversation, these things will emerge. It might turn out that the result is not something that is relevant for your event, but more often than not it is. And even then, we ended up suggesting other events to submit a proposal to.
“I only know what everybody else already knows.”, “I wouldn’t be able to add anything worthwhile to the topic.”
— Everybody is a unique snowflake. You have your own interests, projects you follow, philosophies that inspire you, people you admire. The combination of all these things gives you a unique perspective on the world. And more often than not, that perspective is worth sharing.
JSConf EU (October 6th-7th, Berlin)
Way to go.