Unheimliche Handy-Überwachung

Könntet Ihr mal nachgucken, ob bei Eurem Handy SMS von der Nummer 0123456789 eingegangen sind? Oder sonst von unbekannten Nummern? Mindestens Nokia-Handys haben ein sog. Protokollverzeichnis, wo sich sowas erkennen lässt. Dort wäre dann auch zu erkennen, dass direkt nach Eingang der SMS Daten von Eurem Handy abgeschickt wurden.

Das wäre dann der Hinweis auf Überwachungsmaßnahmen in Form von stillen SMS. Der Hamburger Andreas Blechschmidt beobachtete genau das bei seinem Nokia 5700 mit O2-Vertrag. O2 ist ja schonmal mit sowas aufgefallen: das gerade vom BGH als schon unrechtmäßig eingeleitet festgestellte mg-Verfahren wurde überhaupt nur bekannt, weil bei einem der Betroffenen seltsame SMS auf der O2-Rechnung verzeichnet waren und ihm also die Überwachung auch noch in Rechnung gestellt wurde.

Andreas Blechschmidt behielt seine Beobachtung nicht für sich, und so gab es keine weiteren seltsamen SMS von der Nummer 0123456789.

Für weitere Beobachtungen dieser Art – mit anderen Handy-Herstellern, anderen Verträgen, anderen Phänomenen – ist hier in den Kommentaren ganz viel Platz. Bitte aber beschränkt auf tatsächliche Beobachtungen jenseits vom Knacken in der Leitung.

Auch noch interessieren würde mich, welche anderen Handys nachvollziebar Datentransfers protokollieren. Das wäre eine SEHR schöne Option für gut platziertes Sponsoring: wir würden das wahnsinnig gern mal ausprobieren! Und selbstverständlich darüber schreiben!

 

Linksextremismus ist…

Gewissermaßen insgeheim beschäftigt sich auch die SPD mit Linksextremismus. Anfang Juni hat die SPD-Fraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, um rauszukriegen, was diese Programme gegen Linksextremismus genau sind und wie die Regierung den Begriff definiert.

Gute Sache, leider findet sich dazu nichts auf der Website der SPD-Fraktion. Lediglich auf der Homepage von Sönke
Rix wird sie erwähnt. Was ist aus ‚Tu Gutes und sprich darüber‘ geworden?

Ich rede jetzt darüber, so schön ausführlich machen die das ja nicht immer. Die Bundesregierung hat am 28.
Juni geantwortet
. Schonmal vorweg: alle, auf die diese Definition(en) nicht passen, können sich als Angehörige einer feinen kleinen Minderheit glücklich schätzen.

Here we go.

Zur Begriffsdefinition vermeidet die Antwort intellektuelles Geschwafel und bleibt bürgernah:

Mit dem Begriff Linksextremismus werden nach übereinstimmender Definition der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder Bestrebungen von Personenzusammenschlüssen bezeichnet, die an Stelle der bestehenden Staats und Gesellschaftsordnung eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft oder eine „herrschaftsfreie“, anarchistische Gesellschaft etablieren wollen und ihr politisches Handeln an
revolutionär-marxistischen oder anarchistischen Ideologien orientieren.

Erscheinungsformen: „aktionsorientiert, insb. gewaltbereit“ und/oder „legalistisch“

Aktionsfelder: Antirepression, Antimilitarismus, Antifaschismus. Dabei „mischen sich Propaganda und
gewaltsame Aktionen.“

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Monika Harms im Unglück

Der Spiegel hat der obersten Anwältin des Landes mal wieder eins übergebrezelt. In der neuen Ausgabe (S. 36) wird mit Bezug auf die BGH-Entscheidung zur Überwachung angeblicher mg-Mitglieder kräftig nachgetreten. Es entsteht ein bisschen der Eindruck, die Dame mit der putzigen Max-und-Moritz-Frisur stünde kurz vor dem unfreiwilligen Rücktritt. Was ja nicht das schlechteste wäre. Allein der Untertitel:

Der Bundesgerichtshof wirft der Bundesanwaltschaft unangemessene Härte bei Ermittlungen gegen linke Gruppen vor. Auch in Berlin ist Generalbundesanwältin Monika Harms isoliert.

Bitte ein Weilchen auf der Zunge zergehen lassen.

Ich wäre jetzt gern mal Mäuschen bei Regierungsrunden im Bereich Innenpolitik: Die Justizministerin, die ja bekanntlich schonmal wegen des großen Lauschangriffs zurückgetreten ist, versucht liberale Mindeststandards anzupeilen. Die Familienministerin richtet Programme gegen "Linksextremisten" ein. Der BGH erklärt laut und deutlich, dass die Verfolgung von Linken gefälligst wenigstens den Anschein erwecken sollte, sich im rechtstaatlichen Rahmen zu bewegen und sich die Damen und Herren Linkenfresser mal wieder ein bisschen einkriegen sollen. Der Innenminister spielt mit seinem iPhone und möchte von den Leuten wieder liebgehabt werden, die für Freiheit statt Sicherheit sind. Die Kanzlerin hat genug andere Baustellen und will Ruhe im Laden. Die verstehen sich bestimmt alle prima.

Der Spiegel zum neuen BGH-Beschluss:

Der Beschluss ist der vorläufige Höhepunkt in einer Serie von
Belehrungen, Rügen und Korrekturen, die die Bundesanwaltschaft seit dem
Amtsantritt von Monika Harms 2006 einstecken musste. Vor allem bei
Verfahren gegen die linke Szene werfen die Richter den Ermittlern
übertriebene Härte vor, in diversen Fällen seien die Bundesanwälte über
das Ziel hinausgeschossen.(…) Dass sich Harms, die anfangs so forsche Generalbundesanwältin, mehr und
mehr ins Abseits ermittelt hat, dämmert auch der Bundesregierung.

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Daniel, 22, Berlin-Neukölln, will kein Linksextremer mehr sein

Das Innenministerium plant ein Aussteigerprogramm für Linksextremisten, weiß der Focus, der in so Sachen in der Regel gut informiert ist. Details gibt es leider noch nicht, außer

Die Hotline für Linksradikale wird im Herbst freigeschaltet.

Interessant wäre, ob das auf dem Mist der Familienministerin gewachsen ist, die viel lieber Extremismusministerin wäre. Die träumt schon länger davon. Zuständig ist ja eigentlich Herr de Maiziere, Innenminister, aber der brütet wahrscheinlich noch über den Widersprüchen, die sich auftun, wenn man sich an die NetzbewohnerInnen ranschmeißen  und gleichzeitig für Sicherheit und Ordnung sorgen will. 

Update: Frau Schröder hat soeben Modellprojekte zur Prävention von Linksextremismus und
islamischem Extremismus
gestartet. 2 Mio. Euro gibt sie dafür 2010 aus.

Der Berliner Innensenator Körting ist auch nicht abgeneigt, glaubt aber nicht recht an den Erfolg davon. Wo sonst, warum und wie, war nicht in Erfahrung zu bringen. Liebe SozialdemokratInnen, wenn Ihr mehr wisst..

Die Zeichen der Zeit erkannt hat Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, die gern mitmachen möchte beim Aussteigerprogramm – wer vom VS beobachtet wird, hat sich ja sicher qualifiziert? Mal sehen, was sie aus ihr machen.

Ich jedenfalls freue mich auf die erste Homestory über Daniel, 22, Berlin-Neukölln, der früher Autos für die Weltrevolution anzündete, irgendwann das Feuerzeug weglegte, von seinen Kumpels das vegane Essen weggenommen bekam und sich nur noch über die BMI-Hotline zu helfen wusste. Zwei Jahre in der Fleischerei in Passau und jetzt ist er wieder ein überzeugter Staatsbürger!

Flattr im Juni

Offenbar gehört es zum guten Ton, das Flattr-Expriment ein bisschen zu dokumentieren.

Ganz genau habe ich noch nicht verstanden warum, aber vielleicht hilft’s ja. Ich reihe mich jetzt mal eher am unteren Ende der Listen ein. Irgendwie scheint das Web 2.0 doch immer wieder dazu zu verführen, ordentliche Listen zu erstellen, die der Orientierung dienen sollen. Ich finde andere Formen grafischer Darstellungen, die unterschiedliche Faktoren miteinander verknüpfen, oft aussagekräftiger.

Wie dem auch sei:

Bei annalist wurden laut ‚Revenue Report‘ im Juni 15 Artikel plus der/das Blog als ganzes geflattert. Die Artikel haben 16,65 Euro auf’s Flattr-Konto gespült, der/das Blog für sich nochmal 10,84 Euro.

Macht zusammen 27,49 Euro

Vier Artikel haben die Ein-Euro-Grenze überwunden, davon hat einer mit 24 Flattr-Klicks und 4,85 Euro deutlich vom Fefe-Faktor profitiert. Insgesamt ist der Artikel knapp 13.000 mal geklickt worden, da sind 24 Flattrs dann doch wieder relativ übersichtlich.

Vorläufig unklar ist mir, warum Flattr dann als ‚Revenue‘ für Juni nur €13,02 angibt?

Und was ich auch gern wüsste: Lantzschi hat beschrieben, dass es jetzt auch die Möglichkeit gebe, die Einnahmen direkt aufs Ausgabenkonto zu verschieben, um nicht ständig die pappigen Paypal-Gebühren zahlen zu müssen. Das habe ich noch nicht gefunden: wie geht das?

Die anderen über ihre Flattr-Bilanzen: Netzpolitik (576,53€) / Law Blog (247,68 €) / Niggemeier (352,89€) / Medienelite (9,86€) / Carta (201,22€) / taz (988,50€) / i:rrhoblog (15,71)

David Harvey: Die Krise des Kapitalismus – Animation

Mal ein ganz anderes Thema: die .. BRRR .. Finanzkrise.

Kurz und verständlich (naja, im gegebenen Rahmen) erklärt von David Harvey, britisch-amerikanischer radikaler Geograph. Nicht Soziologe, wie in der Beschreibung fälschlicherweise steht! Ganz wichtiger Unterschied, höre ich immer wieder.

Sehr schick animiert, von RSA / RSA Animate und Cognitive Media.

Gefunden von Fels.

 

Hier gibt’s mehr Animation.

Der Bundespräsident, die Polizei und meine Tochter

Gestern auf Berlins Straßen:

Ich war mit meiner Tochter
unterwegs zum Schwimmen. Bis gestern hatte sie ein relativ
unverkrampftes Verhältnis zur Polizei – was ja auch anders
hätte sein können nach der frühkindlichen Traumatisierung durch
bewaffnete Monstren, die schreiend vor ihrem Bett aufgetaucht waren
damals an einem Morgen im Juli 2007.

Wir wollten von Berlin-Moabit
Richtung Osten. Dazu mussten wir von Alt-Moabit auf die Invalidenstraße
links abbiegen, was nachmittags bei Berufsverkehr, großer Hitze, gesperrtem
Tiergartentunnel wegen eines Brandmelderfehlalarms an sich schon keine
Freude ist. Wir bewegten uns im Schritttempo. Im Rückspiegel sah ich zwei
Polizeimotorräder, die sich an den Autos vorbeischlängelten. Just in dem
Moment, als wir links abbiegen wollten, blieb eins dieser Motorräder
rechts neben uns stehen, der voluminöse, ältere, komplett in Leder
gehüllte Beamte darauf fing an, hektische Armbewegungen zu machen, alle
sollten geradeaus weiterfahren. 

Da wollte ich nicht hin und
verstand nicht, wozu das gut sein sollte. Und deutete also weiter an,
links abbiegen zu wollen. Ergebnis: Wir wurden direkt ins offene Fenster
irre laut angebrüllt "WEITERFAHREN!!!!". Hinter uns eine Schlange,
neben uns eine Schlange, vor uns eine Straße, die ins Regierungsviertel
führt und von wo es nicht einfach ist, in halbwegs fließendem Verkehr
Richtung Schwimmhalle zurückzukommen. Ich fragte also "Wieso denn?".

"WEITERFAHREN
HA’ICK JESAGT!! LOS JETZT!!!"

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G20: Das ist aber teuer

Es gibt ein sehr schönes Anwendungsbeispiel des neuen Buzzwords Open Data Journalism: Die Visualisierung der Kosten von Gipfeltreffen, ins Verhältnis zum Ergebnis gesetzt: Zahlen der gegebenen Versprechen, der produzierten Seiten Papier, anwesende Demonstrierende in Relation zur Polizei..

Gefunden (und übersetzt?) von Ulrike Langer, Medial Digital, beim OWNI, die es auch übersetzt haben.

Der Schieber über der Jahreszahl kann mit der Maus bewegt werden, entsprechend verändern sich die Zahlen unten. Und sagen eigentlich alles darüber, warum G6 G7 G8 G20-Treffen nicht mehr stattfinden müssten.

Update: Anscheinend gibt es hier und da Schwierigkeiten mit der Darstellung bzw. Handhabung der Grafik. Dankenswerterweise gibt es bei guck.li Screenshots für jedes Treffen.

http://data.owni.fr/histog8g20/indexDE.php

Veröffentlicht unter Medien

Alaska oder Die geplante Speicherung von Suchmaschinenanfragen

Einen Moment zu spät sprach sich herum, dass EU-ParlamentarierInnen intensiv gelobbyt wurden, einer Initiative für sowas wie Vorratsdatenspeicherung für Suchmaschinendaten in Europa zuzustimmen. (Zu) Viele Abgeordnete ließen sich mit dem unschlagbaren Argument ködern, dass Frauen und Kinder geschützt werden müssen. Immerhin gibt es jetzt eine Initiative, per Abgeordnetenwatch nochmal nachzufragen.

Falls es noch wem an Argumenten fehlt, warum die Speicherung von Anfragen an Suchmaschinen ein Problem ist: es gibt dazu ein großartiges Minimovie. Minimovies sind Dokumentarfilme, die aus mehreren drei- bis siebenminutenlangen Episoden bestehen:

I love Alaska
Die herzzerreißende Geschichte der Suche von AOL-Nutzerin #711391

"Am 4. August 2006 wurden die Suchanfragen von 650.000 AOL-Kunden
versehentlich im Netz veröffentlicht, für jedeN zugänglich. Es waren
Suchanfragen, die über drei Monate in die AOL-Suchmaschine eingegeben
worden waren. Nach drei Tagen wurden sie entfernt, aber zu diesem
Zeitpunkt waren sie bereits vielfach kopiert und weiterverteilt worden.


I love Alaska erzählt die Geschichte einer dieser AOL-NutzerInnen. Wir
lernen eine religiöse Frau im mittleren Alter aus Houston, Texas kennen,
die ihre Tage vor ihrem Fernseher und Computer verbringt. Ihre
einzigartige Art, Fragen zu stellen, zusammen mit ihren in die
Suchmaschine eingegebenen Ideen, Überzeugungen und Obsessionen
verwandeln ihre persönliche Geschichte in eine Art verstörenden Roman.
"

 

Es sind 13 kurze Episoden in einer Playlist (= die hintereinander abgespielt werden). Alternativ gibt es auch einen Trailer (1:53min)

Danke für den Tip!

Grundrechteerklärung für NutzerInnen sozialer Netzwerke – Ja oder Nein?

Es gibt einen weiteren Versuch, eine Bill of Rights, oder Grundrechteerklärung, für NutzerInnen sozialer Netzwerke zu etablieren. Das war das zentrale Projekt der CFP 2010 (Computers Freedom and Privacy Conference), die vom 15.-18. Juni in San Jose stattfand.

Die in mehreren Sitzungen während der Konferenz ausdiskutierte Version steht in der englischen Version im Blog zur CFP. Einige der Sessions gibt es auch als Video.

Aktuell findet ein Abstimmungsverfahren über die Bill of Rights statt, passenderweise kann bei Facebook (Ja bzw. Nein), per Twitter (Ja bzw. Nein) oder Doodle Zustimmung oder Ablehnung bekundet werden.

Es gibt inzwischen auch eine deutsche Version von Gabriele Pohl – danke!

Social Network Users’ Bill of Rights – Grundrechte für Soziale Netzwerke

Wir, die NutzerInnen, erwarten, dass uns Plattformen für soziale Netzwerke folgende Rechte in ihren Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien zusichern und diese in ihren Systemen implementieren.

  1. Vertrauenswürdigkeit: Haltet Euch an Eure Datenschutzvereinbarung und Nutzungsbedingungen
  2. Verständlichkeit: Sorgt dafür, dass Richtlinien und Nutzungsbedingungen einfach zu verstehen sind.
  3. Redefreiheit: Zensiert nicht ohne klare Richtlinie und Begründung
  4. Ermächtigung: Bietet universellen und barrierefreien Zugriff
  5. Selbstschutz: Bietet Möglichkeit und Methoden, die Privatsphäre zu schützen
  6. Datensparsamkeit: Minimiert die Informationen, die ich Euch und anderen mitteilen muss
  7. Kontrolle: Gebt mir die Kontrolle über meine Daten und begünstigt die Veröffentlichung nicht ohne meine Zustimmung
  8. Berechenbarkeit: Holt meine Einwilligung ein, bevor Ihr entscheidend ändert, für wen meine Daten sichtbar sind
  9. Übertragbarkeit: Macht es mir leicht, eine Kopie meiner Daten zu erhalten
  10. Datenschutz: Wenn ich meine Daten nicht öffentlich gemacht habe, behandelt sie so sicher wie Eure eigenen vertraulichen Daten und verständigt mich, wenn sie veruntreut oder gefährdet wurden
  11. Auskunftsrecht: Teilt mit, wozu und in welcher Weise Ihr meine Daten nutzt und ermöglicht mir festzustellen, wer und was Zugriff auf sie hat
  12. Selbstbestimmung: Erlaubt mir das Anlegen mehrerer Profile und die Nutzung von Pseudonymen. Bringt diese ohne meine Erlaubnis nicht in Zusammenhang
  13. Rechtsmittel: Ermöglicht mir Beschwerde gegen Disziplinarmaßnahmen einzulegen
  14. Widerrufsrecht: Erlaubt mir meinen Account inklusive dazugehöriger Daten zu löschen

Als nächstes, hat Conference Co-Chair Jon Pincus angekündigt, soll die Bill of Rights verschiedenen Unternehmen vorgestellt werden, die Soziale Netzwerke betreiben. Ich bin gespannt, was die dazu sagen.