InnenpolitikerInnen sind schlechte VerliererInnen. Die Vorratsdatenspeicherung war schon mal vom Tisch, jetzt soll sie wiederkommen. Möchte auch die SPD.
Deswegen gibt es eine Petition, die viele Unterschriften braucht. Und die nächste Freiheit statt Angst-Demo. In Berlin am 10. September, 13 Uhr Pariser Platz.
Lothar König, Jugendpfarrer im thüringischen Jena, fühlt sich an Willkür und Rechtlosigkeit in der DDR erinnert. Die sächsische Justiz verdächtigt den Geistlichen, Rädelsführer einer linken Schlägertruppe zu sein. Dabei hatte Jugendpfarrer König mit seiner Jungen Gemeinde im Februar 2011 lediglich versucht, einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden mit friedlichen Mitteln zu blockieren, so wie 20.000 weitere Demonstranten auch. [mehr]
Die beiden Beamten wurden vorläufig vom Dienst suspendiert. Ein Ermittlungsverfahren ist eingeleitet. (RP-Online, 23.8.)
Und was war’s? Versicherungsbetrug! Ist ja auch eine ziemliche Versuchung, bei 10 Euro Monatsbeitrag für eine Woche Krankschreibung 2000 Euro extra zu kriegen. Gibt’s exklusiv bei der PVAG-Versicherung, „ein Gemeinschaftsunternehmen von Signal-Iduna und GdP“.
Der Guardian und dessen konkurrenzlose Daten-Journalismus-Abteilung, haben 2,5 Mio. Tweets ausgewertet, die im Zusammenhang mit den Krawallen in England entstanden sind.
Premierminister David Cameron hatte nach den Auseinandersetzungen gefordert, dass Krawall-Verdächtigen die Nutzung Sozialer Netzwerke verboten werden soll, weil die Krawalle mithilfe der Netzwerke geplant worden seien. Die Londoner Polizei wollte die Netzwerke sogar komplett abschalten. Das war vielfach kritisiert worden, auch weil der Unterschied zu den Internet-Zensur-Maßnahmen mehrerer nordafrikanischer Regierungen während der Revolten dort nicht mehr erkennbar ist. Die ja auch von vielen EU-Regierungen als undemokratisch bezeichnet worden waren.
Der Guardian hat jetzt grafisch aufbereitet, dass die Tweets, die sich auf die Auseinandersetzungen in den verschiedenen Städten und Londoner Stadtteilen bezogen, in ihrere großen Mehrheit jeweils nach den Krawallen entstanden sind. Der Artikel dazu: Reading the riots: Twitter study casts doubts on ministers‘ post-riot plan.
Bedenkenswert finde ich den Einwand von Andreas Zottmann, dass die Tweets auch inhaltlich analyisert werden müssten, weil jeder Graph zu Ereignissen so aussähe (dass also die Mehrzahl der Tweets dazu hinterher geschrieben werden). Schade, dass der Guardian das nicht genauer erklärt, denn der Artikel geht auf der anderen Seite durchaus darauf ein, dass erkennbar sei, wie die Aufräumarbeiten jeweils vorher koordiniert worden seien.
Ich war gestern bei einer Veranstaltung, bei der mehrmals der Satz fiel: „Eigentlich.. verstehen wir nicht, warum sich die netzpolitische Community nicht für uns interessiert“. Ich auch nicht, das ist ein großes Versäumnis.
Es geht um das Thema Vernetzung von Polizei-DNA-Datenbanken, die Kampagne dazu heißt fingerwegvonmeinerdna.de und hat ein sehr charmantes Maskottchen: das Wattestäbchen Willi Watte, ehemals im Dienst der Polizei. Alles wesentliche steht in den FAQ zur Speicherung von DNA-Daten.
Gestern abend (nein, es gibt keine Aufzeichnung) berichtete Constanze Kurz, CCC, allgemein über die Verwendung von Biometrie, Uta Wagenmann, Gen-ethisches Netzwerk, beschrieb, wie DNA-Analyse funktioniert (die schrillsten Folien ever), Eric Töpfer, Cilip, sprach über die Polizei-Datenbanken und Sönke Hilbrans, RAV über die juristische Praxis dazu. Jeder der vier Vorträge hätte Dokumentation verdient.
Morgen (Freitag) um 12 findet eine Kundgebung in Berlin statt, vor der Europäischen Kommission. Anlass hier ist der morgen geplante Start der technischen Vernetzung der DNA-Datenbanken. (s. auch netzpolitik.org). Eric Töpfer berichtete allerdings, dass auch diese Datenbank-Vernetzung der Polizeien auf EU-Ebene an technischen Schwierigkeiten leidet und deswegen nicht nicht so weit ist, wie sich die InnenpolitikerInnen das ausgedacht hatten.
Ich hören nebenbei Chaosradio beim Berliner Radio Fritz, zum selben Thema, mit Sill vom CCC und Uta Wagenmann und Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk. Das wird es sicherlich hinterher auch als Podcast geben, selbe URL.
Was mir bei den vielen Infos der Veranstaltung besonders in Erinnerung geblieben ist, ist ein Satz von Sönke Hilbrans:
Die jungen Leute müssen lernen ‚Nein‘ zu sagen.
Denn oft sind DNA-Abnahmen der Polizei nicht verpflichtend, es wird aber natürlich reichlich psychisch manipuliert, um die Einwilligung zu erreichen. Dass es eine gute Idee ist, alles abzulehnen, was die Polizei ohne Staatsanwalt oder Richterin vorschlägt, ist vielen leider nicht so klar. Selbst die Teilnahme an Massen-Gentests ist nicht verpflichtend.
Das Gen-ethischen Netzwerk hält die möglichen Folgen der Vernetzung der polizeilichen Gen-Datenbanken für drastischer als etwa den Austausch von Flauggastdaten.
Insofern geht es mir in diesem Brief nicht in erster Linie um Pfarrer König. Es geht um das Signal, das viele engagierte Bürger in der Vorgehensweise der sächsischen Staatsanwaltschaft zu erkennen glauben, und um die Frage, welche Position die sächsische Landesregierung in dieser Frage bezieht. Die Freiheit der Justiz ist nicht nur unumstritten (und wer wüsste dies besser zu schätzen als wir, die wir in der ehemaligen DDR eine staatlich gelenkte Justiz erlebt haben), sie ist ein hohes Gut – das steht außer Frage. Aber welche Intention eine Staatsanwaltschaft im Grundsatz mit der Art ihres Herangehens verfolgt, dürfte nicht unabhängig von den Intentionen des Justizministers sein. …
Es muss doch dem sächsischen Justizministerium klar gewesen sein, wie brisant eine solche spektakuläre Polizeiaktion wie die aus der letzten Woche sein würde – einmal wegen der noch nicht lange zurückliegenden Datenspeicheraffäre, zum anderen aber auch wegen des politischen Schadens im mitteldeutschen Binnenverhältnis.
Als nicht hinnehmbar betrachte ich auch die öffentliche Bemerkung des Sprechers der Dresdner Staatsanwaltschaft, Jan Hille, der kritische Nachfragen aus dem Raum der Politik mit dem Agieren von Rechtsextremisten und Querulanten vergleicht (taz, 11.8.2011).
Deshalb möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, herzlich nach Jena einladen, um in einer Podiumsdiskussion, deren Zusammensetzung abzustimmen wäre, die aufgeworfenen Fragen zu diskutieren.
Und mit Biella Coleman, die gerade vom CCC Camp bei Berlin zurückgekehrt war, über Anonymous, Lulzsec, Hacker und Hacktivismus, und Peter Fein über Telecomix und deren Unterstützung der Aufstände in Nordafrika:
Dann wurde bei der Durchsuchung z.B. eine St.-Pauli-Fahne beschlagnahmt. (Freundlicherweise kriegt die Junge Gemeinde Jena Stadtmitte demnächst aus Hamburg Ersatz. Und freut sich darüber!)
Sehr schick beim Fußballspiel zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und Preußen Münster die Transparente von Horda Azzuro Ultras 2001 und der Hintertorperspektive e.V.:
Der aktuelle Clou ist aber auf jeden Fall, dass die Staatsanwaltschaft der Tochter von Lothar König – ihres Zeichens Landtagsabgeordnete in Thüringen – Samstag ein Dokument zustellte, in dem ihr mitgeteilt wird, dass es auch gegen sie ein ‚Vorermittlungsverfahren‘ wegen Landfriedensbruch gäbe.
Und heute? Soll das lediglich ein „Formulierungsfehler“ gewesen sein. Na sicher.
Es gibt Sachen, die können aus verschiedenen Gründen einfach echt nicht sein. In letzter Zeit ist die sächsische Polizei relativ häufig in solche verwickelt. Ziemlich fassungslos macht mich aktuell die Durchsuchung des Pfarrers der Jenaer Jungen Gemeinde, Lothar König.
Das fängt damit an, dass Jena in Thüringen liegt, und die Durchsuchung von der sächsischen Polizei durchgeführt wurde. Weiter geht’s damit, dass hier einem Pfarrer, der mit 57 Jahren auch nicht mehr der jüngste ist, vorgeworfen wird, Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach §129 StGB zu sein (die Handygate-Vereinigung aus Dresden). 10 Tage nach einem Spiegel-Artikel, der sich genau damit beschäftig. Dass keine Rücksicht darauf genommen wurde, dass die Amtsstube des Pfarrers besonders geschützt ist, weil er als Seelsorger Geheimnisträger ist.
Dass die Polizei Sachsen anscheinend machen kann, was sie will. (Etwa 40.000 Handy-Datensätze zur Überwachung einer Demo einsammeln und analysieren, obwohl deutlich weniger Leute demonstriert haben).
Alles, was es über die Durchsuchung zu wissen gibt, steht auf der exzellenten Website der Jungen Gemeinde Jena. U.a. dieser Hinweis für alle, die am 19. Februar in der Nähe des jetzt beschlagnahmten Lautsprecherwagens der JG waren.
Die JG wird Geld brauchen, um damit fertigzuwerden: Spendet, bitte.
„OP Genua 2001 – Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ entstand während der Begleitung des Prozesses, der 25 italienischen AktivistInnen stellvertretend wegen der Krawalle am 20. Juli in Genua gemacht wurde. An diesem Tag wurde auch Carlo Giuliani erschossen. Sie wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Das Genau-Rechtshilfeteam hat u.a. durch das sekundengenaue Zusammenschneiden von Videoaufnahmen und Polizeifunk nachgewiesen, dass die italienische Polizei maßgeblich für das Entstehen der Auseinandersetzungen verantwortlich ist.