Wer nicht kann oder noch mehr machen möchte: hier gibt es eine Auswahl deutscher EU-Abgeordneter, die für ACTA sind oder sich noch immer nicht entschieden haben, wie sie abstimmen wollen. Es sind für fast alle welche dabei: CSU, CDU, FDP, SPD und Grüne Abgeordnete können direkt kontaktiert werden – vielleicht hilft das ja.
Zugegeben, ACTA zu erklären ist nicht ganz einfach.
Was ist das Problem?
ACTA umgeht demokratische Prozesse und fördert eine Privatisierung von Rechtsdurchsetzung fern rechtsstaatlicher Kontrolle.
ACTA fordert unverhältnismäßige Strafen und ist zudem noch vage formuliert.
ACTA kann Internet-Provider zu einer privaten Urheberrechtspolizei mit gefährlichen Auswirkungen auf Meinungsfreiheit und Datenschutz machen.
ACTA ist eine Richtungsentscheidung. Das alte Urheberrecht wird damit weiter zementiert, anstatt über eine Reform zu diskutieren.
Die Electronic Frontier Foundation EFF hat mal wieder nachgefragt, wie sich Unternehmen verhalten, wenn Behörden Daten ihrer NutzerInnen haben wollen. Es sieht erwartungsgemäß düster aus. Es gibt auch einen ausführlichen Bericht mit Links zu den Dokumenten der jeweiligen Unternehmen.
Dies bezieht sich im übrigen auf die USA – ob sich dieselben Unternehmen in Deutschland genauso verhalten, ist offen. Wäre aber mal interessant zu erfahren.
Ein Buch, das ich gern lesen würde, aber leider nicht kann, weil es italienisch geschrieben und die Aussicht auf Übersetzung eher gering ist: +kaos – 10 anni di mediattivismo e hacking.
Das Technik-Kollektiv hinter noblogs.org und damit annalist hat ein Buch über die 10 Jahre seit seiner Gründung geschrieben (und annalist ist sogar darin erwähnt, hach).
„L’esperienza collettiva di un gruppo di ragazze e ragazzi appassionati di tecnologia e comunicazione che hanno fatto proprio il motto di Primo Moroni “Condividere saperi, senza fondare poteri”.“
(Die gemeinsame Erfahrung einer Gruppe von Männern und Frauen, die sich für Technik und Kommunikation begeistern und sich das Motto von Primo Moroni zu eigen gemacht haben „Wissen teilen, ohne die Grundlage für Macht zu schaffen“)
Ihr könnt es vollständig runterladen als PDF, mobi oder ePub.
Für alle, die italienisch können und auch nur den kleinsten Faible für Hacker-Bewegungen und/oder Medienaktivismus seit 2001 haben, lohnt es sich bestimmt.
Beschrieben werden in eigenen Kapiteln der Vorlauf, also die Jahre 1990 – 2001. (2001 war mit dem G8-Gipfel in Genua eine Zäsur, die wahrscheinlich ihre Spuren bei allen Bewegunen in Italien hinterlassen hat). Hacktivismus gab es aber auch schon vorher. Dann die Jahre 2001 – 2006 mit dem bewussten G8-Gipfel, aber auch dem Europäischen Sozialforum, Problemen mit der Justiz und schließlich dem Start der Blog-Plattform Noblogs. Im dritten Teil geht es um die Jahre 2006 – 2011, wie die vorigen eingeteilt in die politische Einordnung und die Beschreibung der hacktivistischen Aktivitäten.
Im Unterschied zur eher engen Definition des Hacking in Deutschland gibt es in Italien eine breitere Interpretation. Was hier inzwischen langsam als ‚Politik-‚ bzw. ‚Gesellschafts-Hacking‘ akzeptiert wird, gehört dort schon immer selbstverständlich dazu. Hacken ist die intensive Beschäftigung mit allem Möglichen mit dem Ziel, es zu verstehen, auseinanderzunehmen und anders wieder zusammenzusetzen. Oder sich zumindest dazu in die Lage zu versetzen. Das hat eine ziemlich stabile Grundlage für Kooperation zwischen Techies und politischen und sozialen Bewegungen geschaffen, mit einem sehr stabilen queer-feministischen Standbein. Ein bisschen mehr davon würde ich mir hier auch wünschen.
Aus der Rubrik: wenn sich Menschen Mühe machen, gute Presseerklärungen zu schreiben, muss ich nicht dran rumfrickeln:
Protest gegen polizeiliche DNA-Speicherung
Sicherheitsbehörden überschreiten rechtliche Grenzen
Ein Jahr nach dem Startschuss der Kampagne „DNA-Sammelwut stoppen!“ macht das Gen-ethische Netzwerk am Tag des Grundgesetzes, dem 23. Mai, erneut auf die problematische Expansion polizeilicher DNA-Datensammlungen und die Übertretung rechtlicher Grenzen durch die Sicherheitsbehörden bei der biologischen Vorratsdatenspeicherung aufmerksam.
„Wir haben es heute mit einer enormen Expansion biologischer Vorratsdatenspeicherung zu tun“, so Alexander Schwerin vom Gen-ethischen Netzwerk. Diese werde leider in der Öffentlichkeit viel zu wenig thematisiert – ein Grund, warum Staatsanwaltschaften und Polizeidienststellen auch „regelmäßig relativ dreist jenseits rechtlicher Grenzen operieren“.
Zum Startschuss der Kampagne DNA Sammelwut stoppen hatte das GeN im letzten Jahr am 23. Mai 2011 einen Offenen Brief an die Justizministerin übergeben, der von etlichen Datenschutz- und Bürgerrechtsorganisationen unterzeichnet wurden war.
In diesem Jahr wird das GeN die inzwischen gesammelten individuellen Unterschriften unter den Offenen Brief in einer Protestaktion vor dem Bundesjustizministerium in Berlin verstreuen. Damit protestiert die Organisation dagegen, dass die sonst in Datenschutzfragen engagierte Justizministerin bisher keinerlei Schritte gegen die biologische Vorratsdatenspeicherung unternommen hat. Außerdem werden die Unterschriften auch formal als Liste an das Ministerium übergeben.
Mit von der Partie ist wie immer Willi Watte, ein überdimensioniertes Wattestäbchen, das die Kampagne als Maskottchen von Anfang an begleitet.
Zum Jahrestag der Kampagne veröffentlicht das GeN außerdem Fälle, in denen die Sicherheitsbehörden rechtlich gesetzte Grenzen gezielt überschritten haben. Die Beispiele zeigen erheblichen Handlungsbedarf bei der Kontrolle und rechtlichen Regelung von DNA-Sammlung und -Speicherung:
Bei dem bundesweit bisher zweitgrößten Massengentest von 2009 bis 2010 in Gütersloh wurden über 11.000 DNA-Proben von einer nicht genauer definierten männlichen Bevölkerung genommen. Nur 27 Personen verweigerten sich dem offiziell freiwilligen Test. Dennoch galten sie von nun an als Tatverdächtige. Bei zehn von ihnen ordnete das Amtsgericht ohne weiteren Tatverdacht eine Zwangsentnahme des Speichels an. Schon die enorme Menge der gespeicherten Personen ohne genauere Vorgabe von Kriterien widerspricht der rechtlich vorgegebenen Verhältnismäßigkeit. Insbesondere aber die Tatsache, dass Personen verdächtigt wurden, die lediglich ihr Recht auf Datenschutz wahrnahmen, sprengt den rechtstaatlichen Rahmen. Dies sah das Landgericht Bielefeld auch so und erklärte die Zwangsmaßnahmen nach dem Widerspruch eines Betroffenen für rechtswidrig.
Bei einem Einbruch in ein Büro der Stadtverwaltung in Erfurt im Jahr 2011, bei dem lediglich eine Sparbüchse mit 15 Euro entwendet wurde, forderte die Kripo alle Büroangestellten dazu auf, DNA-Speichelproben abzugeben. Sie drohte auch nachträglich noch telefonisch mit richterlichen Zwangsanordnungen, sollten einzelne die Teilnahme verweigern. Die Polizei begründete die Speichelproben mit einem Ausschlussverfahren, um so auf die DNA eines oder einer Tatverdächtigen zu schließen. Ein solches Verfahren ist vom Gesetz zur DNA-Datenspeicherung aber in keiner Weise gedeckt – DNA-Proben sind entweder bei Beschuldigten einer erheblichen Straftat rechtens – oder es muss bei einer DNA-Reihenuntersuchungen ein Kapitalverbrechen vorliegen Zudem deklarierte die Kripo diese Verfahren erst im Laufe der Kommunikation mit den Angestellten als „freiwillig“, informierte sie aber nicht von Anfang an über ihr Recht, sich gegen die Speichelprobe zu entscheiden. Einige Betroffene zeigten dennoch Zivilcourage und widersetzten sich dem Test.
Kontakte zu Betroffenen und weitere Informationen stellt das Gen-ethische Netzwerk gerne zur Verfügung.
Das GeN ruft Betroffene polizeilicher DNA-Sammelwut dazu auf, sich gegen solche übergriffigen Maßnahmen zur Wehr zu setzen und die bürgerrechtlich dazu aktiven Organisationen wie das Gen-ethische Netzwerk in Berlin oder Institutionen wie die Datenschutzbeauftragten der Länder darüber zu informieren.
Internet-basierte Unternehmen, Soziale Netzwerke und Telekommunikations-Firmen haben viele Daten und geben sie an Behörden weiter. Überwachung war mal teuer und (verhältnismäßig) schwierig für Polizeien und Geheimdienste. Die verfügbaren Daten vereinfachen das. Mehr noch die Sozialen Netzwerke („Wenn du dafür bezahlst, bist du Kundin. Wenn du nichts bezahlst, bist du das Produkt“).
Christopher Soghoian lesen lohnt sich auch sonst: z.B. über sein Blog Dubfire oder Twitter
Die realexistierende Demokratie zeigt sich von ihrer besten Seite. Vom 16.-19. Mai sollen in Frankfurt/Main die „Europäischen Aktionstage Blockupy Frankfurt“ stattfinden, „gegen das Krisenregime der Europäischen Union“. Und was macht die Stadt Frankfurt? Verbietet die Demonstrationen.
…
Bitte?
Interview mit dem Ordnungsdezernenten von Frankfurt/Main:
Herr Frank, Sie verbieten die geplanten Blockupy-Proteste ab 16. Mai …
Erst einmal will ich feststellen: Wir als Ordnungsbehörde nehmen das Demonstrationsrecht sehr ernst. Es ist ein hohes Gut. Im Regelfall unterstützen wir Leute bei der Organisation gewaltfreier Demonstrationen. Im Fall von Blockupy ist es leider so, dass es im Internet Hinweise gibt, dass es sich nicht um eine normale, friedfertige Demonstration handelt.
Sondern?
Hier soll unsere Stadt über mehrere Tage lahmgelegt, blockiert werden. Das können wir nicht hinnehmen.
Abgesehen von den, sagen wir mal, problematischen Aspekten für die Demokratie an sich, ist es ja auch nicht so, dass sowas gut funktioniert. Ich erinnere an den G8-Gipfel 2007 – die Mobilisierung lief zwei Monate vorher ziemlich schleppend, und dann wurde verboten, was ging. Plus ein paar Hausdurchsuchungen, und zack: der Protest wurde ein voller Erfolg. Die Verbote wurden hinterher vom Verfassungsgericht als illegal erklärt. Aber was schert das die hessischen Beamten.
Es sieht auch jetzt nicht so aus, als ob alle zuhause bleiben würden, die nicht in Ordnung finden, dass uns hier Wachstum und Aufschwung (wessen?) suggeriert werden, während Deutschland maßgeblich mit dafür verantwortlich ist, dass rund um uns rum die Leute verarmen und verhungern und ihre Kinder weggeben müssen, weil sie sie nicht mehr ernähren können.
Von Pax Christi bis zur Antifa gibt es Protesterklärungen, und der aktuelle Stand scheint zu sein, dass nicht mehr alles, aber doch alles, was für Donnerstag und Freitag geplant ist, verboten ist. Zwischendurch war auch mal versucht worden, bestimmten Leuten den gesamten Aufenthalt in Frankfurt zu verbieten. Nicht zwei oder drei, sondern gleich mal 400. Weil die im März schonmal wegen der Finanzkrise demonstriert hatten. Wenn sie das in Ägypten…
In Frankfurt gibt es diese Pikanterie, dass die Stadt schwarz-grün regiert wird. Die Grünen demontieren die Grundrechte also recht aktiv mit, dafür gehört auf der anderen Seite die Grüne Jugend (Bundesverband) mit zum aufrufenden Bündnis. Die haben sicher unterhaltsame Debatten untereinander, könnte ich mir vorstellen.
Ausnahmsweise pure Buchwerbung. Ich habe es noch nicht gelesen, aber ich bin sicher, es lohnt sich.
Eine Frage des Überlebens
Stanislaw Markelow über Rechtsstaat und Rechtsbruch, Nationalismus und Neonazismus und soziale Bewegungen in Russland
Herausgegeben von Ute Weinmann und dem Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. in Kooperation mit Deutsch-Russischer Austausch e.V.
Den russischen Anwalt Stanislaw Markelow nahm in Deutschland eine bereitere Öffentlichkeit erst nach seinem Tod wahr. Er und die Journalistin Anastasia Baburowa wurden im Januar 2009 im Moskau auf offener Straße ermordet. Die Mörder stammen aus der russischen Neonaziszene und sind inzwischen verurteilt, die Spur hätte aber genauso gut woanders hinführen können, beispielsweise in die russische Kaukasusrepublik Tschetschenien. Dort gelang Stanislaw Markelow in einem spektakulären Prozess erstmals die Verurteilung eines Angehörigen der Russischen Föderalen Streitkräfte aufgrund der Beteiligung am „Verschwinden“ eines Bewohners der Tschetschenischen Republik.
Stanislaw Markelow hat als Anwalt hervorragendes geleistet, aber er beschränkte sich nicht nur auf seine Berufsausübung, sondern engagierte sich darüber hinaus in den sozialen Bewegungen und beteiligte sich an Umweltprotesten. Theoretische Reflexionen und historische Bezüge waren für ihn eng mit seiner Praxis als Anwalt und politischer Aktivist verknüpft. Diese Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit geht aus seinen zahlreichen Publikationen hervor, darunter Kommentare, Reden, Streitschriften und für diverse Zeitschriften verfasste Beiträge. Der Großteil fand Eingang in das Buch „Stanislaw Markelow: Nikto krome menja“ („Niemand außer mir selbst“), einer im Jahr 2010 in Moskau herausgegebenen Textsammlung, die darüber hinaus eine ganze Reihe biografischer Notizen von Freunden und Bekannten enthält.
Das Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. veröffentlicht nun gemeinsam mit dem Deutsch-Russischen Austausch e.V. erstmals eine Auswahl an Publikationen von Stanislaw Markelow in deutscher Sprache.
Das Buch kann beim Bildungswerk unter der Mailadresse info@bildungswerk-boell.de kostenlos angefordert werden.
Für den 15. Juni ist eine Buchpräsentation in Berlin geplant.
Gab’s letzten Freitag bei nano, 3sat. Eingebettet in einen Beitrag über die re:publica wurden uns ähnliche Fragen gestellt: Brauchen wir ein freies Internet? Muss das Urheberrecht an das digitale Zeitalter angepasst werden? Sind die Möglichkeiten der politischen Teilhabe ausreichend?
Axel E. Fischer ist der Vorsitzende der Enquête-Komission Internet & Digitale Gesellschaft des Bundestages und in der CDU.
Mit dem Begriff „Freies Internet“ habe ich regelmäßig meine Schwierigkeiten. Es ist ein weißer Schimmel – Internet ist qua Definition frei. Wenn es nicht frei ist, wird es zensiert und eingeschränkt.
Erst wurde er ohne weitere Benachrichtigung mitgenommen, jetzt hat das FBI ihn heimlich zurückgestellt. Allerdings gab es inzwischen eine Kamera, die das Geschehen in der Server-Farm beobachtete. Die Aufnahme hat May First letzte Woche veröffentlicht:
Inzwischen ist klar, dass die Beschlagnahmung des Servers, auf dem ein anonymer Remailing-Service lief, m angeblichen Grund für die Beschlagnahmung nichts geändert hat. Die Uni Pittsburgh bekommt weiterhin Bombendrohungen.
Unbegründete Beschlagnahmungen von Hardware durch das FBI und andere US-Behörden beschäftigen den EFF auch in anderen Fällen. Im März wurde das FBI verurteilt, $100.000 an den Long Haul Infoshops in Berkeley zu zahlen.
Mal wieder rettet ein Gericht die Demokratie vor der Regierung: das Verwaltungsgericht Dresden (!) hat die Extremismusklausel für rechtswidrig erklärt. Die Ohrfeige gönne ich der eh schon nicht mehr so richtig beliebten Extremismus– Familienministerin Schröder von Herzen.
Die von Zuwendungsempfängern im Rahmen des Bundesprogramms »TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN» geforderde »Einverständniserklärung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung«, die sog. Extremismusklausel oder Demokratieerklärung, ist rechtswidrig. Dies entschied das Verwaltungsgericht Dresden mit Urteil vom heutigen Tag (Az. 1 K 1755/11).
Geklagt hatte das sächsische Alternative Kultur- und Bildungszentrum (AKuBiZ e.V.), das schon 2010 Schlagzeilen gemacht hatte, weil es den sächsischen Demokratiepreis abgelehnt hatte. Bedingung für die Preisverleihung wäre auch gewesen, dass die Extremismusklausel unterschrieben wird.
Mit dem Thema Extremismusklausel habe ich mich schon öfter beschäftigt, deswegen lasse ich die Erklärung weg, warum die Klausel ein Problem ist. Dass mich die Entscheidung freut, wird niemanden groß überraschen.
Bei aller Freude über das Urteil, so ist es traurig, dass wir es überhaupt erstreiten mussten. Die Extremismusklausel ist eine aktive Behinderung der wichtigen Arbeit gegen Rechts vor Ort. Die Auffassung des Gerichts bestätigt, dass Demokratiearbeit nicht mit Misstrauen begegnet werden darf.“
Das Betreuungsgeld ist ja gerade auch nicht so eine Erfolgsstory; die Meldung, dass sie dem BKA schonmal meldet, dass bei Twitter über sie gesprochen wird, auch nicht. Mal sehen, wie lange sie sich noch hält.