Und zu welchem Mail-Provider gehe ich jetzt..?

7076893037_4cb82a5b2e_nIn den USA haben gerade zwei Mail-Provider zugemacht. Der Fall Lavabit ging breit durch die Presse: der Betreiber des Providers, den Edward Snowden benutzt hat, ist anscheinend von US-Sicherheitsbehörden juristisch unter Druck gesetzt worden, Nutzerdaten herauszugeben und darf gleichzeitig nicht darüber sprechen:

My Fellow Users,

I have been forced to make a difficult decision: to become complicit in crimes against the American people or walk away from nearly ten years of hard work by shutting down Lavabit. After significant soul searching, I have decided to suspend operations. …  (Ladar Levison, Lavabit)

Einen Tag später hat Silent Mail zugemacht. Auch nicht irgendein Mail-Provider, sondern der des Erfinders der Verschlüsselungssoftware PGP Phil Zimmermann

We see the writing the wall, and we have decided that it is best for us to shut down Silent Mail now. We have not received subpoenas, warrants, security letters, or anything else by any government, and this is why we are acting now. (Silent Circle)

Phil Zimmermann selber erklärte dazu

I wrote about these things over twenty years ago and when I first wrote PGP and technology extrapolations leading us to a future where the governments can listen to all our communications, can search through all our communications and do pattern recognition and study our traffic patterns. But I didn’t think it would get this bad.

Das Phänomen, dass es in den USA legal ist, die Betroffenen von juristischem Maßnahmen dazu zu zwingen, nicht darüber zu reden, was ihnen angedroht wird, ist nicht neu. Getoppt wird es gerade noch dadurch, dass Levinson jetzt auch ein Strick daraus gedreht wird, dass er seine Firma zugemacht hat.

Seitdem haben sich viele gefragt, ob sie ihren (us-amerikanischen) Mail-Providern noch vertrauen können. Ich beschwere mich seit Jahren darüber, wenn ich Mails von Googlemail-Adressen bekomme und werde entsprechend lange gefragt, was ich als Alternative vorschlage. Leuten, die sich selbst als politische AktivistInnen verstehen, empfehle ich Riseup, ein politischer Provider, der inzwischen sehr viel genutzt wird. Aber können wir sicher sein, dass Riseup (genau wie alle anderen) nicht auch zum Schweigen gezwungen wird und unsere Daten direkt an den NSA weitergibt?

Ich fühle mich bei Riseup weiterhin gut aufgehoben (und habe trotzdem, auch schon länger, auch alternative Mailadressen). Riseup selber hat jetzt dies dazu geschrieben:

Q: Is Riseup working with the NSA?

A: We would rather stop being Riseup before we did that. We are not working with any government agency. We have never simply handed over information when requested, and for years have had a no logging policy. We have fought and won every time anyone has tried to get us to give up information. We have never turned over any user data to any third party, fourth party, fifth party or any party.

Q: But your servers are located in the U.S., doesn’t that mean you have to install backdoors/monitoring/etc?

A: We have no control over our network providers, but we have physical control of our servers, they are not hosted “in the cloud.” This gives us much more physical assurance of the security of our machines.  (…) Also, the US still has better laws for internet providers than in many other countries, including many places in Europe, where there are data retention laws requiring providers to keep logs. The US has no such requirement and it has been our policy for years to not keep any logs.

(…)

Riseup hatte seit den NSA-Leaks soviel Zulauf, dass sie einen neuen Server kaufen mussten. Für ein nicht-kommerzielles, spendenbasiertes Projekt keine Kleinigkeit. Falls ihr als Riseup nutzt oder das jetzt in Erwägung zieht: spendet. Spendet großzügig. Wie wichtig Angebote wie dieses sind, war noch nie so deutlich.

==>> Spenden für Riseup <<==

Eine ähnliche Erklärung gibt es auch von Autistici, dem italienischen Kollektiv, das u.a. diese Blogplattform noblogs.org hostet und das ebenfalls E-Mail anbietet:

…since Italy is a loyal subject of the American empire, we are pretty sure that if the U.S. authorities want to intrude into your privacy, the Italian allies will be absolutely ready to give them a hand. So please don’t simply assume that since our servers are not based in the U.S.A. we can protect you from the NSA more than an American provider. This is not true at all!

Autistici vergibt aktuell keine Mail-Adressen mehr, weil sie den Ansturm nicht bewältigen können. Auch hier: bitte spendet für Autistici.

Last but not least merkte kürzlich jemand an, dass der Trend von großen kommerziellen US-Mailprovidern weg geht hin zu lokalen und/oder nicht-kommerziellen Anbietern. Diejenigen, die da schon lange sind, bewegen sich aber auch: weg von E-Mail hin zu verschlüsseltem Chat, etwa per Jabber. Denn was nirgends dokumentiert wird, kann auch schlechter überwacht werden. Das sollten auch alle mal probieren, die gern mal eben schnell per Twitter DM oder Facebook-Chat was besprechen wollen. Zum Chatten braucht Ihr nur einen Jabber-Account, dazu einen Client (Programm), der das kann, und wenn das nebenbei läuft, ist es genauso unkompliziert wie die anderen.

Jabber zu verschlüsseln ist übrigens viel einfacher als Mail-Verschlüsselung..

 

Foto: cicciodylan via photopin BY-NC-ND-Lizenz

Autistici/Inventati in der c-base

Zu der Veranstaltung letzte Woche in der Berliner c-base über 10 Jahre Hacktivism und Medienaktivismus in Italien gibt es jetzt das Video (am Anfang fehlt ein Stück):

Es dauert auch eine geraume Weile, bis bei archive.org untergebrachte Videos starten. Alternativ gibt es das Video auch als mp4, ogv oder torrent.

Autistici in Berlin – 27.1. um 20 Uhr in der c-base

ai-book-cover-webNächsten Sonntag, dem 27.1. gibt es eine besondere Veranstaltung. Autistici/Inventati stellen um 20 Uhr in der c-base ihr Buch +Kaos. 10 anni di hacking e mediattivismo (+Kaos. 10 Jahre Hacken und Medienaktivismus) vor.

Ich habe das Buch hier schon beworben, als es letzen Sommer erschien. Autistici/Inventati ist das italienische Technik-Kollektiv, das u.a. noblogs.org hostet, also die Blog-Plattform, auf der auch annalist läuft.

Im Buch wird die Geschichte des italienischen Hacktivismus erzählt, die Verbindung zu Indymedia, zum G8-Gipfel in Genua 2001, es geht um die jählichen Hack-Meetings und warum es nötig ist, eigene Technik-Infrastrukturen für E-Mail, Chat, Websites, Mailinglisten und und und zu haben, die nicht käuflich sind. Und wie sich das alles über 10 Jahre entwickelt hat, ohne Chefs und ohne Bezahlung.

Trotzdem, eigentlich gerade deswegen, kostet das alles natürlich viel Geld: bitte spendet für Autistici und damit noblogs.org und damit annalist!

Leider gibt es +kaos nur auf italienisch, es wird aber gerade ins Englische übersetzt und ein englisches Probe-Kapitel wird es nächsten Sonntag auch in der c-base geben. (Die Veranstaltungssprachen sind englisch und deutsch.)

10 Jahre KAOS – 10 Jahre Medienaktivismus und Hacking

Ein Buch, das ich gern lesen würde, aber leider nicht kann, weil es italienisch geschrieben und die Aussicht auf Übersetzung eher gering ist: +kaos – 10 anni di mediattivismo e hacking.

Das Technik-Kollektiv hinter noblogs.org und damit annalist hat ein Buch über die 10 Jahre seit seiner Gründung geschrieben (und annalist ist sogar darin erwähnt, hach).

„L’esperienza collettiva di un gruppo di ragazze e ragazzi appassionati di tecnologia e comunicazione che hanno fatto proprio il motto di Primo Moroni “Condividere saperi, senza fondare poteri”.“

(Die gemeinsame Erfahrung einer Gruppe von Männern und Frauen, die sich für Technik und Kommunikation begeistern und sich das Motto von Primo Moroni zu eigen gemacht haben „Wissen teilen, ohne die Grundlage für Macht zu schaffen“)

Ihr könnt es vollständig runterladen als PDF, mobi oder ePub.

Für alle, die italienisch können und auch nur den kleinsten Faible für Hacker-Bewegungen und/oder Medienaktivismus seit 2001 haben, lohnt es sich bestimmt.

Beschrieben werden in eigenen Kapiteln der Vorlauf, also die Jahre 1990 – 2001. (2001 war mit dem G8-Gipfel in Genua eine Zäsur, die wahrscheinlich ihre Spuren bei allen Bewegunen in Italien hinterlassen hat). Hacktivismus gab es aber auch schon vorher. Dann die Jahre 2001 – 2006 mit dem bewussten G8-Gipfel, aber auch dem Europäischen Sozialforum, Problemen mit der Justiz und schließlich dem Start der Blog-Plattform Noblogs. Im dritten Teil geht es um die Jahre 2006 – 2011, wie die vorigen eingeteilt in die politische Einordnung und die Beschreibung der hacktivistischen Aktivitäten.

Im Unterschied zur eher engen Definition des Hacking in Deutschland gibt es in Italien eine breitere Interpretation. Was hier inzwischen langsam als ‚Politik-‚ bzw. ‚Gesellschafts-Hacking‘ akzeptiert wird, gehört dort schon immer selbstverständlich dazu. Hacken ist die intensive Beschäftigung mit allem Möglichen mit dem Ziel, es zu verstehen, auseinanderzunehmen und anders wieder zusammenzusetzen. Oder sich zumindest dazu in die Lage zu versetzen. Das hat eine ziemlich stabile Grundlage für Kooperation zwischen Techies und politischen und sozialen Bewegungen geschaffen, mit einem sehr stabilen queer-feministischen Standbein. Ein bisschen mehr davon würde ich mir hier auch wünschen.

Vielleicht gibt es ja doch mal eine Übersetzung.

Autistici braucht Unterstützung

Während der Ferien bleibt annalist geschlossen, Kommentare werden erst nachträglich freigeschaltet. Kann also ein bisschen dauern. In der Zwischenzeit ein bisschen Werbung für einen guten Zweck:

Autistici ist das italienische Technik-Kollektiv, das u.a. die Technik-Infrastruktur hinter annalist zur Verfügung stellt. Aber auch Mail-Adressen, Websites, Mailinglisten, VPN, IRC-Chat usw. Alles umsonst und unbezahlt. Und sicher – vor Überwachung und staatlichen Zugriffen (letzteres soweit eben möglich, immerhin erfahren wir sofort, wenn’s mal vorkommt).

Autistici braucht deshalb Spenden, vor allem von denen, die die Services benutzen. im Januar haben sie diese Bitte um Spenden veröffentlicht:

Die Übersetzung des Cartoons:

Finanziert Autistici oder ES STIRBT.
10.000 UserInnen – 150 Spenden – 5000€ Miese

Gefällt es Dir, einen Ort für Dein Blog zu haben?
„Endlich habe ich mein anarchoveganes-postpornoantifaökonerd-Blog. Tschüs Indymedia“

Gefällt es Dir, eine Mailingliste für Deine Bewegungs-Logorrhoe zu haben?
„Ich habe meinen knackigen Kommentar an die Bewegungs-Liste geschickt! Jetzt richte ich noch 6 Aliasse ein, dir mir zustimmen werden!“

Gefällt es Dir, eine geschützte Mail-Adresse zu haben?
„Jetzt will ich sehen, wie Ihr mich kriegt, Bullen. Was wollt Ihr machen, den Server in Norwegen beschlagnahmen?“

(Unten) «Der wahre Kommunist (TM) ist nicht geizig.» (K. Marx) (Das ist meine meine Spende – Zerocalcare) [Zerocalcare ist der Zeichner, AR]

==========   Der Spendenaufruf   ==============

Kassenbericht des Investici Vereins
Überblick 2011
Gesamtzahl der Spenden: 150
Gesamtsumme der Spenden: € 6.500
Gesamtsumme der Ausgaben: € 12.000
Bilanz: € -5.500

Wie wichtig ist Deine/Eure Mailbox auf einer Skala von eins bis zehn? Wie nützlich ist Deine/Eure Website, auch von eins bis zehn? Und das Blog, die Mailingliste, die du liest, der Chat-Service?

A/I hat mindestens 10.000 Nutzer_innen, sogar eine Million, wenn wir die Mailinglisten mitzählen. A/I braucht zum überleben, um die Server und Netzanbindungen zahlen zu können, etwa € 12.000 im Jahr – das wären € 1,20 pro Nutzer_in, wenn alle daran dächten, wie nötig ihre Spenden sind.

Das Problem ist, dass nicht alle daran denken. Nicht mal zehn Prozent unserer Nutzer_innen denken daran, uns über das Jahr zu unterstützen. Dabei werden die Mails jeden Tag gelesen, Noblogs ist eine sehr aktive Blog-Plattform und von Websites, Mailing-Listen und allen anderen Angeboten reden wir noch gar nicht.

Das Angebot von A/I ist jetzt noch erweitert worden: bevor wir zu rechnen anfingen, wollten wir einen neuen Service als Neujahrsgeschenk vorstellen. Aber vielleicht wird 2012 auch das Jahr der Apokalypse, wenn Ihr aufhört, uns zu unterstützen. Deswegen wird es den neuen Service trotzdem geben, aber wir müssen Euch sagen, dass dieses technologische Gadget wie alle anderen von A/I im Nichts verschwinden könnte, wenn Ihr jetzt nicht reagiert.

Das gesagt, ist hier unser neuer Service: ein brandneues VPN, das in den Notsituationen genutzt werden kann, wenn Ihr dringend mit dem Rest der Welt kommunizieren müsst, aber die Bedingungen dies unmöglich machen – vor allem, weil das Netz zensiert wird und es absolut nötig ist, Eure Verbindung zu anonymisieren. Ihr findet alle Informationen dazu hier:

Ihr findet das VPN hier!
Und hier sind alle Informationen dazu (auf Englisch)
https://vpn.autistici.org

So hat also unser widerständiges Netzwerk einen weiteren Service. Nutzt ihn mit Sorgfalt und denkt dabei daran, A/I zu unterstützen — denn unser Projekt besteht nicht nur aus Chips und Kabeln, sondern auch aus seiner Community und ohne Eure Hilfe kann es am Mangel an Ressourcen sterben.

Januar 2012
Autistici-Inventati Kollektiv
VPN: https://vpn.autistici.org/
Spenden: http://www.autistici.org/de/donate.html

Flattr geht auch.

Außerdem sucht Autistici Leute, die beim Übersetzen der neuen Website helfen, die allerlei neuen Schnickschnack hat. Kontakt per IRC oder E-Mail.

Nachtrag zum beschlagnahmten Autistici-Server

Vor einem Monat, erinnern sich vielleicht einige, wurden in Norwegen ein Autistici-Server beschlagnahmt. Das Autistici-Team wusste erstmal selber nicht warum. Jetzt schon:

Im Winter 08/09 gab es in Italien ein Verfahren wegen Bedrohung und Beleidigung des Neofaschisten Gianluca Jannone, Chef von ‚Casa Pound‘ und Ercole Marchionni, Chef von „Casa Pound Avezzano“. Es ging um Parolen an einer Wand, rote Farbe an einer Tür und Texte bei Indymedia Abruzzo und einer Antifa-Website, die dagegen protestierten, dass den neofaschistischen Gruppen öffentliche Räume zur Verfügung gestellt wurden.

Im Verlauf wurde das Autistici-Kollektiv als Zeuge vorgeladen, und zu den Details und Logfiles von bei ihnen gehosteten Mailaccounts auszusagen. Da es weder Logfiles noch überhaupt persönliche Daten bei Autistici zu den Mailaccounts gibt, konnte Autistici nicht weiterhelfen.

Ergebnis: die Polizei von Avezzano schrieb Briefe nach Norwegen, Holland und in die Schweiz und forderte die dortigen Behörden auf, bei den Providern, bei denen die Autistice-Server untergebracht sind, die Herausgabe der Daten zu fordern. Die NorwegerInnen haben dann Anfang November sämtliche Platten kopiert – deren Inhalt zum größten Teil verschlüsselt war.

Genützt haben wird das der italienischen Polizei nichts, zumindest nicht bei der Suche nach den Antifas.

Das Autistici-Team schreibt in seinem Text neben den faktischen Abläufen auch noch etwas dazu, wie der Zusammenhang zwischen italienischen Neofaschisten und den italienischen Behörden zu bewerten ist. Vor kurzem wurde der Prozess wegen des Bombenanschlangs auf der Piazza della Loggia beendet: bei einer Antifa-Demo 1974 in Brescia starben damals acht Menschen. Bis heute ist nicht geklärt, wer dafür verantwortlich war. Ähnliche Beispiele gibt es bis heute. Italien bleibt gruselig.