So schnell kann’s gehen

Ein bisschen shoppen, Enkel fotografieren und .. zack! .. fertig ist das Terroristenpärchen: "A security guard told them that cameras were banned because of the risk of a terrorist attack."

Bisher hatte ich ja eher das Problem, dass Leute nicht verstanden haben, warum andere manchmal nicht fotografiert werden wollen (Stichwort "nichts zu verbergen"). Und dass mehr und mehr Menschen finden, dass Kameras mehr Sicherheit schaffen (ich habe gerade aus diesem Grund eine immens teures Sweatshirt bei Foebud’s erworben). Nu ist das also umgekehrt, und wahrscheinlich auch trotzdem gar kein Widerspruch.  

In dem Kontext bin ich noch über die ganz entzückende Global Incident Map gestolpert: "Terrorism Events and Other Suspicious Activity". Interessanter Beitrag zu unserem Preisausschreiben (das immer noch läuft!).

Warum das alles so ist, erklärte vor ein paar Tagen Juli Zeh ziemlich gut im Deutschlandfunk, die mit ein bisschen mehr Tiefgang als oft üblich erklärt, warum Staat und Privatsphäre eigentlich zwei paar Schuhe sind (mp3, flash). Dazu auch lesenswert "Auf dem Weg in den autoritären Staat" von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in den Blättern für deutsche und internationale Politik.

Gefunden bei Focus und Pickings.

1984 all überall

Was für ein Auftakt. Es geht um Überwachung und Sicherheit, wohin man guckt. Verfassungsklage Vorratsdatenspeicherung in wirklich allen Medien, dazu die Studie von Privacy International, bei der Deutschland im Ranking erheblich gerutscht ist, und Großbritannien will jetzt auch einen Hackerparagrafen. Dazu gab es gestern ein gutes Feature zum Thema Datenschutz von Hans Leyendecker im Deutschlandradio:

Ein tüchtiger Statistiker hat einmal ausgerechnet, dass jeder Brite bei
seinen Tagesverrichtungen bis zu 300- Mal am Tag gefilmt wird. Mehr als
vier Millionen Überwachungskameras gibt es in England. Die sprechende
Kamera erinnert an Orwells 1984, doch dieser Vergleich führt in die
Irre. Orwell wäre nie eingefallen, was es heute alles so gibt. …

Ein Frosch, den man in einen Kessel mit heißem Wasser wirft, springt,
wenn er denn kann, sofort wieder ins Freie. Setzt man ihn in einen Topf
mit kaltem Wasser und erwärmt das Wasser nur allmählich, bleibt er
drin. Aber seine Kräfte erlahmen. Wenn das Wasser sprudelt und kocht,
ist der Frosch tot. Auch die Privatsphäre verträgt zu viel Hitze nicht.

Zum hören als mp3 oder Flash.

 

Zum Ausgleich noch zwei Sachen, über die ich heute lachen musste, was das alles besser erträglich macht:

 

 

Responsible Behaviour

 

Responsible behaviour

(http://xkcd.com/364/#)

(Gefunden bei gulli, netzpolitik.org, Fefe und im IRC)

More best of..

Nachdem mein Blog seiner puren Existenz wegen jetzt zum Thema geworden ist, kann ich zumindest einleuchtend erklären, dass nicht nur die Annalistin in mir (annalist heißt ‚Chronistin‘ und ist mitnichten mein Name) den Überblick behalten will, sondern auch noch ein gewissermassen wissenschaftliches Interesse befriedigt werden will.

Ich habe also beim 24c3 dann vor allem über den Blog und weniger über das Verfahren selber geredet, weil gerade die Tatsache, dass ich über das Leben mit Überwachung blogge, Thema sein sollte. Ich bin Ende Oktober eingeladen worden, beim Congress zu reden, und als sich der erste Schock darüber, dass ich eine Stunde in diesem Riesen-Saal reden sollte, gelegt hatte, fing ich an, darüber nachzudenken, was denn den gemeinen Hacker interessieren könnte. Ich habe nachgefragt und Constanze Kurz sagte, dass gerade das Bloggen den Ausschlag gegeben hätte, also dass ich per Web 2.0 etwas öffentlich mache, das Betroffene von solcherart Verfolgung in der Regel für sich behalten. Genau darum geht es auch in vielen Nachfragen inzwischen: ist es nicht ein Widerspruch, sich gegen Überwachung zu wehren und die eigene Privatsphäre schützen zu wollen mit Hilfe eines Blogs, der sehr viel über dein Leben einer völlig unbekannten Öffentlichkeit mitteilt?

Es ist, allerdings habe ja nicht ich mir ausgesucht, dergestalt zum gläsernen Menschen zu werden, sondern das hat sich die Frau Generalbundesanwalt ausgedacht. Nehme ich an. Ich bin auch dazu  interviewt worden, zu hören hier. (Leider sind die Fragen schlecht zu verstehen, aber mit ein bisschen rauf- und runterregeln geht es.)

Zurück zum wissenschaftlichen Interesse: ich habe schonmal angefangen, Reaktionen auf den Blog zu sammeln und das hat sich für den Vortrag als sehr praktisch erwiesen, denn das hat es einfacher gemacht, rauszufiltern, welche Leute den Blog lesen und warum. Und weil es nun auch auf den Vortrag allerhand Reaktion gab, sammele ich die wieder ein. Natürlich könnte ich das auch ganz privat auf meinem Rechner machen, aber ich hoffe jetzt mal, dass es doch die eine oder den anderen auch interessiert. Wenn nicht, klickt einfach weiter.

Bedauerlicherweise kann ich den letzten ‚Best of‘-Post nicht einfach vervollständigen, weil die Blogsoftware von noblogs.org aus unerfindlichen Gründen verweigert, ihn zu updaten. Aus dem Grund hab ich auch irgendwann damit aufgehört, und nachdem das noblogs-Forum italienisch ist, sind meine Möglichkeiten relativ eingeschränkt, das in Ordnung zu bringen.

Lange Rede.. here they are:
Weiterlesen

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“

Schön, dass das auch mal wieder jemand sagt. Köhler (Bundespräsident) findet den Stand der Dinge offenbar ausreichend alarmierend, um darauf hinzuweisen.

Bundespräsidenten haben ja anscheinend die Eigenart, mit dem Job nach und nach zu einer Art harmlosem Weihnachtsmann zu mutieren, wie auch sonst PolitikerInnen, wenn sie sich aus der Frontline zurückziehen. Geißler oder Blüm fand ich da sehr bemerkenswert. Plötzlich werden sie Gutmenschen, die stetig darauf hinweisen, dass wir die armen schwarzen Kinder in der Wüste nicht vergessen dürfen. Was grundsätzlich ja sogar stimmt, aber schöner wäre, wenn sie die Erkenntnis gehabt hätten, als sie noch die Macht hatten, etwas zu ändern. Ob der Fehler im System steckt? Genauso, wie sich aktuell viele fassungslos fragen, was wohl in den Leuten vorgeht, die Andrej so akribisch zum Terroristen machen wollen, frage ich mich, was genau in PolitikerInnenn vorgeht, die diese Häutungen erleben.

Anyway: Köhler sprach seiner Funktion angemessen mit der FAZ und hofft auf Läuterung der Koalition, denn:

Ich habe großen Respekt vor der Arbeit von Wolfgang Schäuble, der in
Zeiten des Terrorismus für die innere Sicherheit zuständig ist. Die
Bedrohungslage hat sich zweifelsohne verschärft. Und der technische
Fortschritt verschafft den Feinden unserer Gesellschaftsordnung neue
Kommunikationsmittel. Terroristen kennen keine Regeln. Ihnen ist jedes
Mittel recht. Heißt das, der demokratische Staat muss sich auf die
Ebene der Terroristen begeben, um sie wirksam bekämpfen zu können?
Schauen Sie: Amerika ist und bleibt für mich der Hort der Freiheit in
der Welt, und doch scheint mir, unseren amerikanischen Freunden ist im
Kampf gegen den Terrorismus etwas Wichtiges von sich selbst verloren
gegangen. Da brauchen sie unsere Unterstützung und unser Verständnis
dafür, wie tief sie der 11. September getroffen hat, und wir sollten
beides einbringen; nicht nur, weil wir in der westlichen
Wertegemeinschaft aneinander gebunden sind, sondern auch aus
Freundschaft. Gerade die Ursprünge dieser Freundschaft und unsere
vorangegangene schlimme Geschichte und ihre Aufarbeitung sind es doch,
die uns sensibel machen gegen Willkür und Regellosigkeit.

In
den siebziger und achtziger Jahren ist die Debatte über das
Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit schärfer geführt worden
als heute.

Damals ging es vor allem um den RAF-Terrorismus,
und ich erinnere mich an den einen oder anderen Vorschlag, der weit
über das Ziel hinausging. Der Rechtsstaat hat diese Bewährungsprobe
bestanden. Daran sollten wir uns erinnern.

Aus Ihren
Äußerungen spricht die Sorge, dass es beim Kampf gegen den Terrorismus
zu Grenzüberschreitungen kommen könnte. An wem ist es, sie zu
verhindern?

An uns allen. Und eine große Koalition aus beiden
Volksparteien hat die große Chance, beim Thema „Innere Sicherheit“ mit
einer Stimme zu sprechen. Gerade in diesem Bereich muss es um die Sache
gehen. Die Grenze dessen, was wir einsetzen wollen, zieht unumstößlich
Artikel 1 des Grundgesetzes, der auch auf Terroristen angewendet werden
muss: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Auch die FAZ hat mittlerweile eine Kommentarfunktion, übrigens!

Passend dazu ein Bericht in der taz, das sich auch mit dem Thema Würde beschäftigt. Viele Menschen sind und waren entsetzt, wenn ich etwa davon erzähle, wie wenig Rücksicht seitens des BKA zum Beispiel auf unsere Kinder genommen wird. Ich glaube, dass es unseren Kindern noch vergleichsweise gut gegangen ist angesichts der wenigen Berichte darüber, wie Kinder von Flüchtlingen hierzulande behandelt werden:


"Schrecklich entwürdigend" 

Madina H. weiß nicht mehr weiter. In den letzten
Tagen ist sie nervös, gereizt, depressiv. Nachts muss sie weinen.
"Durch diese Abschiebung habe ich den Krieg vergessen", lautet das
ernüchternde Urteil der 36-jährigen Tschetschenin.

Seit sechs Wochen wohnt sie mit ihrem Mann und
ihren drei Kindern in einem Flüchtlingsheim nahe Warschau. Im selben
Zimmer ist ein Ehepaar mit drei Kindern untergebracht sowie eine
weitere Frau mit drei Kindern. Nur ein Vorhang trennt das Zimmer vom
Flur ab. Heißes Wasser gibt es nur für zwei Stunden am Tag, deswegen
kann sich Madina H. nur alle zwei, drei Tage waschen. Sohn Adam isst
kaum noch, hustet ständig und schlägt oft mit der Faust gegen die Wand.
Aus dem Zimmer traut er sich nur, wenn der Vater nach draußen zum
Rauchen geht. Der sieben Monate alte Säugling Aischat ist stark
erkältet. Weil für ihn keine Geburtsurkunde vorliegt, weigern sich die
Ärzte, ihn zu behandeln. (…)

Am frühen Morgen, die Familie schläft noch,
dringen Polizisten in das Asylbewerberheim in der Spandauer
Motardstraße ein. Vor den Augen der Kinder legen die Polizisten dem
Vater Handschellen an. Solche Szenen kennen die Kinder aus
Tschetschenien. In blaue Müllbeutel packen die Beamten die Habe der
Familie. Sohn Adam schreit, läuft rot an und versteckt sich. Zuerst
will er nicht mitgehen, als er dann aber sieht, dass alle gehen, kommt
er doch mit. "Wenn ich das beschreibe, wird mir selber ganz elend",
sagt Valid D.

Immer wieder halten die Eltern den Polizisten
ein Attest für die Kinder vor, das von einer Kinderärztin ausgestellt
worden ist – doch vergebens. Die sechsjährige Tochter Hava ist erkältet
und muss sich im Polizeiauto übergeben. Säugling Aischat und der
siebenjährige Adam sind ebenfalls erkältet. Beide nehmen Antibiotika.
Adam leidet außerdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung und
wurde im Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin behandelt.

Das Attest für Adam habe dem Bundesamt seit
Monaten vorgelegen, sagt Anwältin Behrens. Schuld am Trauma von Adam
seien die Erlebnisse in Tschetschenien: Mehrmals habe die Familie
Hausdurchsuchungen miterlebt. Wegen seiner Gegnerschaft zur
russlandtreuen Regierung Kadyrow in Tschetschenien sei der Vater
verfolgt worden. (…)

Auf der Fahrt zur Grenze weinen und husten die
Kinder. Dort angekommen, müssen die fünf in eine kalte Zelle und werden
von Beamten verhört. In einem Schnellgerichtsverfahren werden sie ohne
Beisein eines Anwalts wegen illegaler Ausreise verurteilt. "Ich habe
nicht verstanden, dass das eine Gerichtsverhandlung war; das habe ich
erst verstanden, als man gesagt hat, dass wir zwei Jahre auf Bewährung
bekommen haben", so Valid D.

Anschließend wird die Familie in einen Zug nach
Warschau gesetzt, ohne dass ihnen gesagt wird, wohin sie gehen sollen.
Mit den letzten 120 Euro kaufen sie die Fahrkarten. Am späten Abend
kommen sie in Warschau an – ohne den ganzen Tag etwas zu essen oder zu
trinken bekommen zu haben. Um Mitternacht stehen sie bargeldlos am
Bahnhof; wo sie übernachten können, wissen sie nicht, denn zum 60
Kilometer entfernten Flüchtlingsheim fährt kein Bus mehr. 

weiter

24c3 gegen Terrorismus

Ich bin doch ziemlich hin und weg davon, wie sehr staatlicher Terror Thema ist bei diesem "Computer-Kongress". Sicher ist der Bezug naheliegend, aber andererseits auch wieder nicht zwingend. Manche finden das sehr gutgelaunte Schäuble-Bashing politische etwas fragwürdig (weil er ja auch nur einer von vielen ist), aber gut auseinandergeschnittene Videobotschaften des Herrn Innenministers machen das ganze Elend auf jeden Fall etwas besser erträglich.

Es gab heute eine Demo gegen Vorratsdatenspeicherung vom Ort des Kongresses, thematisch nicht besonders überraschend. Dass dabei gerufen wurde "Wir sind alle §129a", schon.

Das Interesse an unserem Fall ist enorm, ich habe heute vier längere Interviews dazu gegeben, und mich mit sehr vielen Leuten darüber unterhalten. Darunter einige, die selber schon mal in ein ‚Terrorismus‘-Verfahren geraten sind, oder anders von umfassender Überwachung betroffen waren. Oder bspw. in den USA nicht weiterfliegen durften, weil sie kleine Buttons trugen, auf denen ‚Terror suspect‘ stand. 

Hinreißend fand ich den Vortrag zu ‚Guerilla Knitting‚. Anfangs fand ich die Idee sehr spleenig, aber auch sehr nett gemacht und engagiert vorgetragen. Als zum Schluss ernsthaft aus dem Publikum über Parallelen zwischen Schwierigkeiten beim Programmieren und dem Entwerfen von Strickmustern diskutiert wurde, war der größere Teil des Publikums gewonnen. 

Auch sehr beeindruckt hat mich, dass eine Frau die erste Runde ‚Hacker Jeopardy‚ gewonnen hat, es scheint also nicht mehr ganz so schlimm zu stehen um die mono-gegenderte Hack-Gemeinde. Trotzdem muss ich noch ein Foto davon machen, dass nach den Veranstaltungen Schlangen aus den Männerklos quellen und die Frauenklos ohne Zwischenstop benutzbar sind. Das gibt es sonst nirgends. 

Es haben tatsächlich sogar mehrere Leute die Idee aufgegriffen, die jemand nach meinem Vortrag gesagt hatte, nämlich mit Übersetzungen in Englische zu helfen. Wer mithelfen möchte, kann das hier machen. Die englischen Texte werde ich in den nächsten Tagen hier veröffentlichen.

Es ist kongressgemäß spät, was ich heute noch zu sagen hatte, findet sich 25 Minuten lang bei Radio Orange aus Wien: http://www.freie-radios.net/mp3/20071229-congressrad-20349.mp3

CCC und die Folgen

Personifizierte Kinderspielplatz-Mama – na schönen Dank ;).

Es ist jetzt ein paar Stunden nach meiner einen Stunde im Saal 1 des Chaos Communication Congress. Es ist doch definitiv was anderes, dieselben Geschichten einer handvoll Leuten oder einem Saal mit Hunderten zu erzählen. Ich war wieder sehr von den positiven Reaktionen beeindruckt, und Standing Ovations  werde ich wohl so schnell nicht wieder kriegen. Danke! 

Update: wer möchte, kann das Ganze jetzt auch nachträglich hören (Teil 2) oder sehen

Und Feedback zur Veranstaltung geben:  https://cccv.pentabarf.org/feedback/24C3/event/2381.en.html

Ein wirklich großartiges Detail passend zum Thema liefert, Überraschung, ein halbe Stunde später mein Handy. Ich hatte ja erzählt, wie eigenartig es ist, wenn Handys plötzlich selbständig werden, telefonieren, sich abschalten, abstürzen, Funktionen verändern.

Ich wollte Andrej anrufen, drücke Kurzwahltaste 2, und es passiert.. nichts. Die Kurzwahltasten funktionieren nicht. Alle nicht. Ich wähle also unsere Festnetznummer, und die erscheint nur in Rudimenten. Ich probiere alle Zifferntasten. Statt 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 erscheint 0 1 4 5 6 7. Wär ja gelacht, wozu habe ich das Telefonbuch. Das Telefonbuch streikt komplett. Das Handy ist relativ neu und hatte bisher derlei Eigenwilligkeiten noch nicht gehabt. (Im Unterschied zu seinen zwei Vorgängern).

Ich habe mir ein Handy geborgt.

Und hatte mich gerade noch geärgert, dass ich (neben vielen anderen Sachen) vergessen hatte zu sagen, dass ich in letzter Zeit kaum noch ‚Geschichten‘ aufschreibe, weil diese Sorte Geschichten zur Zeit nicht stattfinden, die Überwachung also kaum wahrnehmbar ist. Damit hat sich das gerade erübrigt. 

Wobei mich wirklich interessieren würde, was das ist. Überwachung kann es ja nun wirklich eigentlich nicht gewesen sein, dazu waren sicherlich genug Beamte im Raum und am Rechner. Was also geschieht in Handys, damit die dieses absonderliche Verhalten an den Tag legen? Inzwischen geht alles wieder.

 

Live und in Farbe

Ich war für ein hinreißend anderes Wochenende in Amsterdam. An Grachten entlang radfahren, mit verständigen Menschen schwatzen, ausschlafen ein paar Tage (1000 Dank an Andrej und alle, die beim Kinderhüten geholfen haben), und auch endlich über anderes diskutieren als Terror und was dagegen hilft.

Die Rückreise war ein prima Beispiel dafür, was für Welten zwischen dem abstrakten Wissen über etwas und der realen Erfahrung am eigenen Leib liegen. Ich bin mit der Bahn gefahren. Mit dem unglaublich billigen IC, der direkt von Amsterdam Central nach Berlin Hbf fährt. Es war ziemlich voll. Der Zug hält in Bad Bentheim an der deutsch-niederländischen Grenze eine Viertelstunde, was mir auf der Hinfahrt nur insofern aufgefallen ist, als da alles, inklusive der Heizung, abgestellt wird und es angenehm ruhig ist. Bei der Rückfahrt drang plötzlich ein vertraut zackiger Tonfall an mein Ohr und ich sah am Ende des Waggons ein paar grüne Uniformen. Überraschend, denn eigentlich gibt es Grenzkontrollen da ja angeblich gar nicht mehr. Naja, dachte ich mir, wahrscheinlich suchen sie immer noch nach Drogen, so wie früher.

Auf dem Doppelsitz neben mir saß ein Schwarzer, sehr businesslike dem Aussehen nach. Sonst alle weiß. Die grün Uniformierten laufen stetig auf uns zu, gucken rechts und links, und wo bleiben sie stehen und verlangen nach dem Ausweis? Richtig. Ich wusste vorher, dass das so gemacht wird und dachte trotzdem, als ich daneben saß, dass das zu extrem ist. Es ist so offensichtlich rassistisch, den einen Schwarzen im Großraumabteil rauszupicken. Nicht nur das, seine Daten wurden durchtelefoniert und er musste erklären, wo er hinwill. "Wilhelmshaven. To work!". Er war sehr offensichtlich genervt. Es war ihm anzusehen, dass er, genau wie wahrscheinlich alle, die zugeguckt haben, genau wusste, dass er kontrolliert wurde, weil er schwarz ist. 

Ich war davon ausgegangen, dass sie sich zu mir wenigstens einmal umdrehen, damit ich das dann hätte kommentieren können. Wobei ich mir mit meiner Zivilcourage unsicher war, weil es, glaube ich, schon gleich zu einem Verfahren führt, das ganze als das zu bezeichnen, was es ist, also eben rassistisch. Was sonst ist eine Auswahl zur Kontrolle anhand der Hautfarbe?

Sie haben sich nicht umgedreht. Ich habe nichts gesagt. Und mich unendlich geärgert.

Am Freitag treten Polen, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Malta, die Slowakei, Slowenien, und Ungarn dem Schengener Abkommen bei. Wie passend. Ich habe mich schon mal eine ganze Diplomarbeit lang darüber gewundert, dass ein Abkommen, das sich angeblich und dem Titel nach vor allem um den Abbau von Binnengrenzen dreht, fast nur aus sog. ‚Ausgleichsmaßnahmen‘ besteht. Die nämlich die grauenhaften Gefahren ausgleichen sollen, die von zügellos offenen Grenzen ausgingen. Weil das also nicht geht, wird ausgeglichen, in großem Maßstab. Und weil das alles nichts hilft, außerdem weiterkontrolliert, wie zum Beispiel in Bad Bentheim.

 

Als Gegenmittel gegen auftretende Depressionen heute noch ein Bild, das wir dem Zwiebelfisch verdanken.

 

 

 

Veröffentlicht unter de

Schäuble 2.0 und das Menschenrecht auf Sicherheit

Es gibt Dinge, denen ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Bundesinnenminister Schäuble und US-Heimatschutzminister Chertoff diese Woche im Spiegel-Interview:

"Guantanamo ist nur ein Symbol" 

Spiegel: (…) Können Sie sich wenigstens dazu durchringen, dass Guantanamo keine Lösung ist?

Schäuble: Jeder in Europa stimmt zu, dass Guantanamo nicht die Lösung sein kann. Da gibt es für mich kein Augenzwinkern. Gegen Guantanamo zu sein ist einfach, die Entwicklung konstruktiver Vorschläge ungleich schwieriger. Aber all das führt uns doch dazu, dass wir offen darüber nachdenken müsen, was die Alternativen sein können. Das tun wir.

Spiegel: Her Chertoff, sind Sie bereit, Guantanamo zu schließen?

Chertoff: Präsident George W. Bush hat es so gesagt: Es wäre wunderbar, wenn wir Guantanamo schließen könnten. Aber darum geht es nicht. (…)

(…)

Chertoff: Zu Einzelfällen möchte ich mich nicht äußern, aber hier ist das Problem: Im amerikanischen Gerichtssaal unter amerikanischem Recht müssen wir Beweise in einer für alle Parteien nachprüfbaren Weise sammeln und Zeugen präsentieren. Wir können doch nicht in Afghanistan rumlaufen und die Taliban bitten, uns in Ruhe Tatortfotos schießen zu lassen.

Spiegel: Was ist denn mit den Berichten über die Misshandlungen von Gefangenen durch das sogenannte Waterboarding etwa, bei derm der Häftling fürchten muss zu ertrinken? Das ist doch der wahre Grund, warum Sie die Gerichte scheuen.

Chertoff: Nein. Für uns ist zum Beispiel schwierig, dass jeder Verdächtige in amerikanischen Verfahren das Recht auf einen Anwalt und Aussageverweigerung hat. (…)

Spiegel: Mit Verlaub, aber das Recht auf einen Anwalt ist eine der fundamentalen Errungenschaften des Rechtsstaats.

Chertoff: Nicht im Krieg. (…)

Spiegel: Herr Schäuble, fürchten Sie nicht, dass der Kollateralschaden für den Rechtsstaat durch diese Praxis gewaltig ist?

Schäuble: Wir haben uns ja genau deshalb zusammengesetzt und ringen um Lösungen, um das zu verhindern. Sie sehen doch an diesem Gespräch: Es ist schwierig und genau deshalb werde ich keine Denkverbote akzeptieren.

(…)

Spiegel: Wie definieren Sie die derzeitige Situation? Bekämpfen wir den Terrorismus – oder befinden wir uns in einem Krieg gegen den Terrorismus, wie es die amerikanische Regierung seit Jahren behauptet?

Schäuble: Das ist doch eine Frage der Semantik. Die Vereinten Nationen haben den USA jedenfalls das Recht zugesprochen, sich gegen einen bewaffneten Angriff zu verteidigen.

(…)

Spiegel: Können Sie denn zumindest die Sorge nachvollziehen, dass, während Sie noch nach Regeln suchen, die Menschenrechte verlorengehen?

Schäuble: Ja, aber ich glaube, wir bemühen uns alle, dass genau das nicht geschieht. Und ich will daran erinnern, dass eines der fundamentalen Menschenrechte auch das Recht auf Sicherheit ist.

(…)

 Der Spiegel, 50/ 2007, S. 27

DNA-Proben

Fantastisch. Der Herr Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hat der Entnahme einer DNA-Probe von Andrej zugestimmt. Also, um genau zu sein, der "Entnahme von Körperzellen im Wege einer Blutprobe des Beschuldigten". "Die zwangsweise Entnahme einer Blutprobe kann durch die freiwillige Abgabe einer Speichelprobe abgewendet werden." Wie reizend.

Warum die dabei  behilflich sein soll, rauszukriegen, ob jemand bestimmte Texte geschrieben hat, erschliesst sich mir nicht so recht. Aber der Herr Ermittlungsrichter findet, dass "trotz des geringen Tatverdachts (…) die Maßnahme in Anbetracht des Gewichts des Tatvorwurfs auch verhältnismäßig" sei. Aha.

Es fragen gerade viele Leute, die die juristischen Details nicht so verfolgen und die nicht so akribisch Zeitung lesen wie wir, ob jetzt das Verfahren gegen Andrej eigentlich beendet sei. Weit entfernt, würde ich sagen. Es wird jetzt anstatt wegen Bildung einer terroristischen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt – das einzige, was es nicht mehr gibt, ist der Haftbefehl. Das war natürlich ein großer Schritt vorwärts, aber mitnichten schon die Einstellung des Verfahrens. Es wird weiter ermittelt und wird dann auch zu einem Prozess deswegen kommen, wenn nicht doch noch jemand denkt, dass die Einstellung hier die klügere Variante wäre.

Gerade habe ich im Wochenrückblick von gulli.com auf die Frage

Wie erging es dir, euren Kindern und deinem Lebensgefährten in dieser Woche?

noch geantwortet:

(…) Ansonsten war die Woche so stressig wie alle seit dem 31.7., und vor
allem aber auch sehr großartig, weil die letzten drei in diesem
§129a-Verfahren wegen Terrorismus Angeklagten gegen Auflagen aus der
Untersuchungshaft entlassen wurden.

Mit dem Eintreffen der Post vom BGH hat sie an Großartigkeit deutlich verloren. 

 

Kein Terror multimedial

Zu den Ereignissen der letzten Tage – die Veranstaltung in der NGBK zu den Parallelen zwischen dem Prozess gegen Steve Kurtz/Critical Art Ensemble und dem sog. mg-Verfahren und die BGH-Entscheidung, dass die letzten drei ‚Terroristen‘ aus der U-Haft zu entlassen sind, weil sie keine sind, samt Pressekonferenz – gibt es eine große Auswahl an Dokumentation: als Text-, Bild-, Ton- und Filmberichte. Da noblogs.org als nette unkommerzielle, unbezahlt betriebene Blog-Plattform hier mit blogschnickschnack.com nicht mithalten kann, gibt es das alles als Links.

Der Reihe nach:

Die NGBK-Veranstaltung wurde als Audio aufgezeichnet, in drei Teilen von je etwa einer halben Stunde. (download, mp3 Teil 1, Teil 2, Teil 3, Stream, Teil 1, Teil 2, Teil 3)

Im dritten Teil, ab Minute 6, berichte ich über Überwachung und wie sie sich im Alltag auswirkt.

Am nächsten Tag gab der BGH seine Entscheidung bekannt, dass die militante gruppe keine terroristische, sondern eine kriminelle Vereinigung sei und die drei, denen der Brandanschlag als Beweis der Zugehörigkeit zur mg ausgelegt wird, aus der Untersuchungshaft zu entlassen seien. Nach Zahlung einer Kaution von 90.000 Euro. Bis die aufgetrieben waren, verging noch ein Tag, und ich hoffe, dass sie nun heute (Donnerstag) wirklich entlassen wurden.

Hierzu gibt es eine Fülle von Presseartikeln, zu finden im Pressespiegel der Website des Einstellungsbündnisses (wird vervollständigt – weitere Fundstücke bitte an einstellung[at]so36.net).


Heute fand dann eine Pressekonferenz statt, bei der auch die Berliner Abendschau zugegen war und einerseits Andrej ausführlich interviewt hat und andererseits einen kurzen Beitrag für die heutige Abendschau-Sendung produziert hat.

Das Interview ist im Abendschau-Blog zu sehen:

Die Abendschau-Sendung verbirgt sich theoretisch hinter dieser Adresse rtsp://stream4.rbb-online.de/rbb/abendschau/2007-11-29.rm, die war aber heute abend nicht erreichbar.

Die gesamte Pressekonferenz gibt es auch zum Hören, downloadhttp://www.freie-radios.net/mp3/20071129-pressekonfer-19912.mp3 oder als Stream, 27 Minuten.

Radio Corax (Halle) und Radio FSK (Hamburg) haben berichtet:
Terrorverdacht ist Makulatur
Ausserkraftsetzung der Haftbefehle – Zur BGH Entscheidung
129aVerfahren und millitante Gruppe

Ein hübsches Motiv fand ich dank Kai Raven auf der Seite der Humanistischen Union, die kommentiert, dass der BGH außerdem dieser Tage entschieden hat, dass das BKA keine Briefe zu sortieren hat.

Und zum Schluss wieder was zum Lesen, in der Zeit:
"Aus der Balance" von Ex-Verfassungsrichter Dieter Grimm

Im Kampf gegen den Terrorismus läuft der Staat Gefahr, die Freiheit der Sicherheit zu opfern. Eine Antwort auf Wolfgang Schäuble

Wer die Freiheit für den Preis der Sicherheit hält, hat schlecht gerechnet. Zwar stimmt es, dass die Freiheit wenig nutzt, wenn man unausgesetzt um Leib und Leben fürchten muss. Seinen Bürgern Sicherheit zu gewährleisten ist die erste Aufgabe des Staates. Wenn er sie nicht mehr erfüllt, verliert er seine Legitimation. Aber stimmt es auch, dass jemand, der seine grundrechtlich geschützte Freiheit gegenüber der Staatsgewalt aufgibt, sich sicher fühlen kann? Oder hat er nur eine Gefahrenquelle gegen die andere ausgewechselt?

Freiheit und Sicherheit sind keine Gegensätze. Sie sind aber auch nicht notwendig in Harmonie. Freiheit produziert Sicherheitsrisiken, die sich nur durch Freiheitsbeschränkungen eindämmen lassen. Dabei darf aber das Ziel nicht aus den Augen verloren werden. In einem Land, das sich nach bitteren Erfahrungen in seinem obersten Verfassungsgrundsatz auf Achtung und Schutz der Menschenwürde festgelegt hat, geht es um die Sicherheit der Freiheit. In einem solchen Land darf dem Staat nicht jedes Mittel zur Bewahrung der Sicherheit recht sein.

Damit wächst der Informationshunger des Staates erheblich. Er lässt sich freilich nur heimlich stillen. Deswegen wachsen auch die Geheimdienste und ihre Befugnisse. Die Vorteile der vorverlagerten Prävention sind allerdings nicht kostenlos zu haben. Wo erst Verdachtsmomente gesammelt werden sollen, trifft sie potenziell jeden und alles, weil bei der Verdachtssuche nichts unverdächtig ist, nicht das Buch aus der Bibliothek, nicht der Wecker auf dem Nachtisch, nicht der Ort, an dem man seine Freunde trifft.

Deswegen darf man auch nicht der Beschwichtigung trauen, wer sich nichts vorzuwerfen habe, habe auch nichts zu befürchten. Jeder muss befürchten, dass seine Kommunikation überwacht wird. Niemand kann sicher sein, dass ihm daraus keine unangenehmen Folgen erwachsen. Ist man einmal im Verdachtsraster hängen geblieben, sind Beschattung und Ausforschung der Nachbarn, Beförderungsverweigerungen im Flugzeug, der Verlust des Arbeitsplatzes wegen Sicherheitsbedenken nicht mehr völlig fern. (weiter)