Die Hör-Woche

Wer nach den Logbuch Netzpolitik noch nicht genug von mir gehört hat, hatte diese Woche noch zweimal die Gelegenheit.

Am Donnerstag war ich gemeinsam mit Torsten Grote, Axel Kossel (c’t) und Max Winde 1,5 Stunden beim Deutschlandfunk in der Sendung Marktplatz „Das digitale Zuhause schützen“  und habe versucht, allgemein verständlich zu erklären, wie sich Menschen im Netz vor Überwachung schützen können, jedenfalls ein bisschen.

Zum Hören als mp3 (61mb) oder Flash

Einen Tag später habe ich mich wieder mit Max Winde und dazu Mspro unterhalten, ca. 2,5 Stunden lang, für den Podcast ‚Wir müssen reden‚.

Als mp3 (72mb), mp4, ogg

Dabei ging es u.a. um

  • unsere Überwachung im Kontext des Terrorismus-Verfahrens gegen Andrej Holm
  • Indymedia und die Anfänge des Internet’s zum Mitmachen (auch 2.0 genannt)
  • NSA, Verfassungsschutz, die Regierung(en) und was jetzt eigentlich passieren müsste
  • Tactical Tech, Krypto-Tools und Krypto-Pädagogik und die OHM

Viel Vergnügen und ich freue mich wie immer sehr über Meinungen dazu.

 

Logbuch Netzpolitik zu OHM, Noisy Square, NSA, Snowden und dem Wahlkampf

Es ist NSA, und bei annalist steht .. nichts. Eigentlich müsste ich wohl täglich zweimal bloggen, wenn doch Überwachung eins der zentralen Themen dieses Blogs ist und ein Leak nach dem anderen Geschichte macht.

Ich war im Urlaub, in zwei Camps und dann.. hatte ich erstmal das Gefühl, dass die Neuigkeiten ja auf den relevanten Newswebsites standen. Es liegt mir nicht, überall meinen Senf dazu zu geben nur um auch was zu sagen. Oder jedenfalls nicht in dem Ausmaß, wie  es rundrum schon reichlich zu beobachten war. Und präsent ist es ja wirklich ausreichend.

Und da setzt jetzt, nach dem Ende meines persönlichen Sommerlochs, allmählich das Bedürfnis ein, doch was dazu zu sagen. Schalten Sie also wieder ein, hier gibt’s demnächst wieder mehr zu sehen.

Ich war gestern Gast im ‚Logbuch Netzpolitik‘, einem Podcast von Linus Neumann und Tim Pritlove‘ und weil der über zwei Stunden lang ist, hatte ich Gelegenheit, alles zu besprechen, was mich in den letzten zwei Wochen beschäftigt hat. Es ging um

  • das Hackercamp OHM in den Niederlanden und die Konflikte, die sich daraus ergaben, dass einer der Hauptsponsoren Überwachungstechnologie produziert und exportiert,
  • ein sehr sympathisches neues Netzwerk aus vielen Organisationen, die ein Camp im Camp gebildet haben (das Noisy Square) und die verbindet, auf unterschiedliche Weise Technologie für ‚den guten Zweck‘ zu entwickeln oder bekannt zu machen. U.a. waren das EFF, IMMI, Torservers, Riseup, Fairphone, Bits of Freedom, Tactical Tech und viele andere.
  • das Neueste vom NSA, Snowden und Lavabit und das Glas eigentlich halbleer oder halbvoll ist, wenn sich in Deutschland kaum wer aufregt, aber in den anderen Ländern überhaupt nicht darüber geredet wird
  • und wie die Parteien im Wahlkampf um das Thema herumtänzeln

Hören könnt Ihr das hier Politische Reise nach Jerusalem,

Als Download gibt es das in 5 Formaten (u.a. m4a, mp3, ogg)

 

Überhaupt nicht geht es darin übrigens um Feminismus und so. Das freut auch einen Kommentator sehr

Okay, bei den Themen kann Anne ja hoffentlich nicht von Quoten, Gender und Patriarchat anfangen. 🙂

und damit haben wir sogar was gemeinsam. Ich rede nämlich auch viel lieber über andere Sachen, bloß leider ist die Lage ja meistens so, dass es nicht anders geht.

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Wer gern noch mehr von mir hören will, kann Interview mit dem WDR hören, dass ich letzte Woche zu unserer Überwachung und XKeyScore hatte:

WDR 2: Beobachtet und belauscht

 

Nächste Woche geht’s dann weiter mit dem ‚Marktplatz‘ im Deutschlandfunk zum Thema „Das digitale Zuhause schützen„, und vielleicht noch einem Podcast.

 

 

 

Überwachungsstaat – Was ist das?

Eine gute und sehr kompakte Erklärung des Überwachungsstaates. Wir sind auch kurz mit drin (und ein kleiner sachlicher Fehler: es ging nicht um angezündete Polizei-Autos, sondern um welche der Bundeswehr. Was aber hier auch nicht so wichtig ist).

Online-Talk zu Prism, NSA und was das Besondere daran ist

Heute vormittag gab’s wieder c’t Onlinetalk, diesmal mit Claudia Kreil, Ulf Buermeyer, Max Winde und dem moderierenden Philip Banse. Thema: NSA & Prism. Spitzel auf dem digitalen Spielplatz

Es ging u.a. darum, welche Bedeutung Prism für Menschen in Deutschland hat, was sich jetzt ändert oder ob überhaupt, was an der Vorratsdatenspeicherung schlimmer ist als an der NSA-Überwachung und ob PGP zu kompliziert ist.

Zum Schluß auch noch ein bisschen um irgendwas mit Apple, das außerhalb meiner Filterbubble stattfand.

mp3 downloaden (51mb)

„We don’t want them to decide how we live“ – Interview with Radyo Gezi

I had the chance to talk to Olcay today, one of the activists who broadcast live from Taksim square in Istanbul with Radyo Gezi. She’s a member of Müştereklerimiz, an ecological organisation.

Radyo Gezi is broadcasting from a tent in the park and can be received as FM radio around Taksim square. You can listen to the stream from all around the world – there’s news in English at 12:30 and 19:30 now every day, and in between interviews with the activists and groups who protesting for two weeks now. What about?

Everything started as a sparkle, in the park. A couple of trees really. But that was just a sparkle and now everything has turned into asking for our right to live in the city with giving decisions for our life. So this is libertarian, asking for liberty, asking for democracy, real democracy. Everybody is shouting now for the real democracy. Not the fake one as they are practising now.

Olcay:

This is totally different. I am 42 years old and I never seen any revolt like this in my life.

In the interview you’ll hear about who’s protesting, what makes this movement different from many other protests in Turkey before and how it relates to other protest movements around the world.

We are doing everything without any authorities, without any leaders. Everybody is sharing the work. We don’t want them to decide how we live and how we decide for our life.

There’s some information about reactions by Turkish police, by the goovernment and the role of Turkish and international media in the past two weeks:

They come here with their oriental way of looking, views, and then try to analyze things with their very European mind. But they learn. We all learn.

Radyo Gezi

 

There’s more up-to-date information about what’s happening in Turkey at gezipark.nadir.org and if you can’t open it (nadir.org is blocked in Turkey) try this autistici.org/gezipark/

Sächsische Farce

Der Prozess gegen Lothar König enttäuscht die Erwartungen nicht. Staatsanwältin und Richter kündigen einen dreifachen Salto mit Schraube an und wir sind alle sehr auf die Landung gespannt. Wenn’s nicht so ernst wäre, wäre es fast komisch:

http://vimeo.com/67250125

Es sieht so aus, als ob der Ausgang des Prozesses entscheidend von den selbstgedrehten Filmaufnahmen abhängt. Verschiedene Prozessbeobachter, darunter mehrere Professoren, äußern deutliche Zweifel an der Rechtstaatlichkeit.

http://vimeo.com/67597987

Großen Applaus an die Soligruppe der Jungen Gemeinde Jena-Stadtmitte, die den Prozess mit Veranstaltungen, Demos, Ticker und Pressearbeit begleitet. Das sieht erstmal nach nicht viel aus, ist aber ’so nebenbei‘ zum normalen Alltag eine ziemliche Leistung. Kostet natürlich auch Geld, das nicht vom Himmel fällt, deswegen:

Spendet, bitte!

Hier nochmal die Chronik zum Verfahren.

Und ausgesuchte Berichte:

 

Naked Citizens – new documentary about surveillance technology

By accident I found this new documentary out about surveillance, police using drones, legally extracting information form phones, FinFisher, CCTV, the NSA, Wikileaks and new trends in surveillance technology: Naked Citizens, Journeyman Pictures.

With Jacob Applebaum, Birgitta Jónsdóttir, Smári McCarthy, Henrietta Williams, George Gingell, James Orwell, many others, and us.

Cory Doctorow on BoingBoing:

Journeyman Pictures‘ short documentary „Naked Citizens“ is an absolutely terrifying and amazing must-see glimpse of the modern security state, and the ways in which it automatically ascribes guilt to people based on algorithmic inferences, and, having done so, conducts such far-reaching surveillance into its victims‘ lives that the lack of anything incriminating is treated of proof of being a criminal mastermind:

http://www.youtube.com/watch?v=VZxd8w11YSA

From the film’s website:

„I woke up to pounding on my door“, says Andrej Holm, a sociologist from the Humboldt University. In what felt like a scene from a movie, he was taken from his Berlin home by armed men after a systematic monitoring of his academic research deemed him the probable leader of a militant group. After 30 days in solitary confinement, he was released without charges. Across Western Europe and the USA, surveillance of civilians has become a major business. With one camera for every 14 people in London and drones being used by police to track individuals, the threat of living in a Big Brother state is becoming a reality. At an annual conference of hackers, keynote speaker Jacob Appelbaum asserts, „to be free of suspicion is the most important right to be truly free“. But with most people having a limited understanding of this world of cyber surveillance and how to protect ourselves, are our basic freedoms already being lost?

Das gefährliche G-Wort. Das Thema „Mieten“ in Berlin

In der trotz CL-Finale halbvollen Volksbühne wurde gestern der Film „Betongold. Wie die Finanzkrise in mein Wohnzimmer kam“ gezeigt.

Das Haus in Berlin-Mitte, in dem Regisseurin Katrin Rothe lebt, bekommt wechselt eines Tages den Besitzer. Dieser Investor erscheint zunehmend als übermächtiger Feind, dem die Mieter hilflos gegenüber stehen – trotz ihrer Mietverträge. Eine Dokumentation über den europäischen Immobilienboom, Angst und die Unsicherheit der Betroffenen. (Arte)

Berliner MietshäuserLäuft auch Donnerstag nacht um 23:30 bei Arte. Im Film wird u.a. erzählt, mit welchen Methoden alte MieterInnen aus Häusern rausterrorisiert werden: anonyme Anrufe, bei denen auch ‚andere Methoden‘ angekündigt werden, wenn nicht endlich unterschrieben wird, die doppelte Miete nach der Sanierung zu zahlen.

Bekannt. Wer es wissen will, weiß schon lange, dass das überall in Berlin so ist. Da läuft schonmal Wasser von oben in die Wohnung und wird nicht mehr abgestellt, oder das eigene Wasser wird ganz abgestellt, es kommen kräftige Männer vorbei und drohen Prügel an, und nebenbei läuft ein ganz legaler Rechsstreit, der sämtliche Nerven kostet. Ab und zu brennt auch einfach das Dach ab. Alles schon vorgekommen. (Mehr Details stehen im Gentrification-Blog.)

Gestern abend jedenfalls gab es noch eine lebhafte Podiumsdiskussion, bei der auch von Firmen erzählt wurde, die dabei helfen, renitente MieterInnen loszuwerden.

Geworben wird mit Erfahrung von „Konfliktlösung bei der Entmietung von Objekten“, wobei sich Schreiber damit brüstet, dass „auch schon einmal über eine Hauswand geklettert werden muss“. (MieterEcho 354 / Mai 2012)

Als wir uns heute morgen beim Frühstück über den Film und die Erlebnisse von Katrin Rothe unterhielten, kam mir spontan der Gedanke, dass es nötig wäre, solche Firmen mal ein bisschen in die Öffentlichkeit zu zerren und damit wenigstens der Kritik für ihre pseudo-legalen Machenschaften auszusetzen.

Und das habe ich mir dann ganz schnell wieder anders überlegt.

 

Rhetorische Aufrüstung

Extremisten veröffentlichen im Internet Adressen von Wohnungseigentümern, Unternehmern und Politikern – und rufen zu Gewaltaktionen auf. Die Bedrohung wirkt wie ein Gift auf das freie Lebensgefühl in dieser Stadt. (Ich stehe auf der Liste, Tagesspiegel, 25. Mai)

Schreibt einer, der fürchtet, Opfer zu werden. Die im Artikel zitierte Website „Berliner Liste“ sammelt Namen und Adressen von teuren Bauprojekten, Verantwortlichen, Wohnungsbaugesellschaften etc. und ruft zu „kreativen Aktionen“ auf. Das kann man so und so verstehen. Auf der Website selbst steht:

Ob ein negatives Outing in der Nachbarschaft, ob das kollektive Überreichen eines Protestbriefes, ob eine kreative Fassadenumgestaltung eines Büros, ein Sit-In oder ziviler Ungehorsam bei einer Räumung – wir sammeln hier alles, was den Druck auf die Gegenseite erhöht und unseren Dissens sichtbar macht. Wir freuen uns über gut recherchierte Infozettel zu einzelnen Mitglieder*innen der Liste, aber auch über unzählige, kreative, militante, radikale, bunte, auffällige, gute Aktionen. Dabei sollte das Ziel einer solidarischen, gemeinschaftlichen/friedlichen Gemeinschaft nicht aus den Augen verloren gehen. (Unterstreichung von mir, A.R.)

Recherchen zu crowdsourcen ist an sich eine feine Sache, so lange es nicht um das  ‚falsche‘ Thema geht. Gentrifizierung war bis 2007 eine Art Schmetterlingsthema, das kaum jemand kannte. Mit Andrejs Festnahme wurde das anders, und parallel wuchs die Bedeutung bezahltbarer Mietpreise in Berlin. Das Thema Mieten dominiert jeden Wahlkampf, und es gibt mittlerweile (wieder) eine soziale Bewegung dazu. (Vielleicht ist die Kausalkette auch andersrum). Inzwischen ist es wieder gefährlich, sich mit Gentrifizierung zu beschäftigen.

Denn die Beschäftigung mit Gentrifizierung wird inzwischen vom polizeilichen Staatsschutz in Berlin beobachtet.

Allein die oben genannte „Berliner Liste“ zu verlinken, führt also sicherlich zu einem Eintrag bei Staatsschutz. Das ist nicht allen bekannt, aber ja, es gibt auch in Deutschland eine politische Polizei (neben dem Verfassungsschutz, der dieselbe Aufgabe hat).

Der Autor des Tagesspiegel-Artikels fühlt sich von der Berliner Liste bedroht und hat Anzeige erstattet:

Gegen Terror nutzen keine rationalen Argumente. Wer versucht, sich herauszureden, ist schon eingeschüchtert. Angst, das ist für Extremisten die halbe Miete.

Ich kann verstehen, dass er sich unwohl fühlt, wenn seine Adresse genannt wird. Er beschreibt einen Fall, bei dem einem Arzt Steine durchs Fenster geworfen wurden und im Kinderzimmer landeten (Details dazu würden mich sehr interessieren: wann und wo ist das passiert? Worum ging es?).

Dass allerdings ein Tagesspiegel-Redakteur eine derart naive Sicht auf gesellschaftliche Prozesse hat, ist überraschend:

Ich lebe seit 23 Jahren in Berlin und habe nie jemanden verdrängt. Wir haben hier eine Familie gegründet, wir arbeiten hier, wir lieben diese Stadt.

Mit dieser Sichtweise finden sich in Berlin wahrscheinlich keine fünf Personen, die selbst an Verdrängung beteiligt sind. Findet sie deswegen nicht statt? Oder ist es eine Art Naturkatastrophe, für die niemand etwas kann?

Ich fühle mich von der Extremismus-Rethorik nicht minder bedroht. Natürlich stellt sich die Frage, ob das SEK dann bei uns demnächst wieder vor in der Tür steht, wenn wir nicht mal die Themen wechseln.

 

Gentrifizierung und Extremismus

Mittlerweile kommt vor, dass das Berliner LKA bei Vermietern anruft und sie vor ihren eigenen Mietern warnt:

Selbst das LKA hat bei unserem Vermieter angerufen, um Ihm mitzuteilen, dass der Schreiber dieser Zeilen [der übrigens keines der Demovorbereitungstreffen besucht hat] einer der „Rädelsführer“ bei der Linienstraßendemo vom 13.04. sei – wahrscheinlich um so noch zusätzlichen Druck auszuüben, damit wir auch wirklich hier bleiben können.

Geschrieben von einem Beschäftigten der Kneipe BAIZ, einer der letzten Kneipen der vielgerühmten Berliner Subkultur, die es in Berlin-Mitte noch gibt und die sich gerade gegen die Kündigung wehrt.

+++ Die Werbung:  +++ Wenn Ihr beim Bier trinken was Gutes tun wollt, trinkt im BAIZ, Tor- Ecke Christinenstraße +++ Und unterschreibt die Petition! +++

Bei anderen MieterInnen zeigt die rabiate Zusammenarbeit von VermieterInnen, Polizei und Presse schon Wirkung. In Moabit gibt es seit einer Weile den Runden Tisch Gentrifizierung, der u.a. dokumentiert, wo in Moabit MieterInnen von Verdrängung bedroht sind. Ein Ziel neben anderen ist, den Bezirk Mitte in einer Konferenz davon zu überzeugen, dass Gentrifizierung in Mitte ein Problem ist (zu Mitte gehören die alten Bezirke Mitte, Wedding und Tiergarten mit Moabit – alle betroffen). Offiziell ist nämlich in Mitte alles in Ordnung.

Dazu werden Fälle gesammelt und veröffentlicht. Allerdings haben viele MieterInnen inzwischen Angst vor ihren VermieterInnen bzw. den Firmen, die die Häuser kaufen, sanieren und in Eigentum umwandeln. Viele wollen nicht, dass irgendetwas öffentlich über sie bekannt wird. So steht dann im Bericht bspw. nur noch: „Ein Haus aus dem Gebiet nördlich der Turmstraße“.

Wir alle wissen, wie Politik und Journalismus funktionieren: ohne Homestory, ohne Geschichte, ohne rührende Rentnerin, die schon immer da wohnt, bewegt sich gar nichts.

 

Eine neue kriminelle Vereinigung

Mich erreichte letzte Woche, während ich in Warschau bei einer Konferenz war, diese Facebook-Message eines Mitgliedes des Berliner Abgeordnetenhauses:

Falls Sie es sich ganz kurzfristig einrichten können, ich habe da eine Presseanfrage zu dem was der GBA heute gemacht hat und würde mich über einen kurzen Anruf freuen.

(Mit GBA ist der Generalbundesanwalt, der höchste Staatsanwalt der Bundesrepublikg, gemeint).

Ich hatte keine Ahnung, worum es ging. Atmete durch, googelte, und erfuhr, dass es eine Art Neuauflage des Verfahrens gibt, das vor sechs Jahren gegen die militante gruppe bekannt wurde und im Rahmen dessen gegen Andrej und andere ermittelt wurde, die sich mit Gentrifizierung beschäftigten.

300 Beamte allein in Berlin, neun Verdächtige, Durchsuchungen von 21 Wohnungen in vier Städten. Spiegel Online entblödet sich nicht, vom „linken Untergrund“ zu schreiben. („Untergrund“.. wo habe ich das kürzlich noch gehört..?). Es geht um eine Gruppe, die die Nachfolgerin der militanten gruppe sein soll und RAZ heißt, ausgerechnet. Klingt, als wäre es die dritte Neuverfilmung von etwas, was schon im Original nicht überzeugte.

Es hatte auch einen Anschlag auf Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gegeben. (Unter „Anschlag“ ist hier zu verstehen, dass es davor brannte, lese ich. Nicht etwa, dass die Senatsverwaltung in die Luft geflogen wäre, oder so. Das soll das nicht kleinreden, sondern der Klärung dienen – mit „Anschlag“ sind ja zuweilen auch Farbbeutel gemeint.)

Womit jedenfalls klar wäre, dass die Gentrifizierungsgegner echt zu allem bereit sind. Alle. Gebt die Polizei-Datenbanken frei.

Foto: Dan Kori via photopin CC-BY-NC-SA-Lizenz

15 Minuten

medium_5094796158Ich bin gerade in Warschau bei der Konferenz Censorship, Democracy, Gender. Feminist critiques and resistances und habe heute vormittag an einem Panel über Feministische Medien und Zensur teilngenommen (danke nochmal für die vielen Reaktionen auf meine Bitte, Beispiele und Kommentare zu meinen Thesen zu schicken).

Auf dem Podium saß auch Roman Kurkiewicz, polnischer Journalist, der eine hübsche Geschichte erzählt hat: Er hat 2009 in seiner Sendung „Kurkiewy“ bei Radío Tok FM nur Frauen als Gesprächspartnerinnen eingeladen – als Expertinnen zu allen möglichen Themen, nicht etwa bloß zu ‚Frauenthemen‘.

Und beschrieb, was dabei schwierig war: eine Frau einzuladen, dauert zusätzliche 15 Minuten. Denn die meisten Frauen sind der Meinung, dass sie zu dem konkreten Thema nicht wirklich kompetent sind, nicht gern sprechen wollen, und ob nicht vielleicht besser der Chef/Professor kommen soll? Das darauf folgende Gespräch, sie zu überzeugen, dass sie auf jeden Fall selbst kommen soll, dauert im Schnitt 15 Minuten.

Und ich muss sagen, dass ich das als Schwierigkeit schon von vielen gehört habe, die versuchen, Frauen zu irgendwas einzuladen. Nicht schön, aber wegreden hilft auch nicht. Roman Kurkiewicz sagt dazu: einen Mann einzuladen, dauert genauso lange wie die Frage dauert, dann kommt nur noch die Rückfrage: „Wann soll ich kommen?“ – maximal zwei Minuten.

Die Sendung gab es 10 Monate, dann wurde sie aus Gründen eingestellt, die nichts damit zu tun hatten, wer eingeladen wurde. Großartiges Beispiel, finde ich. Hat sowas in Deutschland schonmal jemand probiert?

Ich habe ihn nach den Reaktionen auf das Sendekonzept gefragt und es gab zwei: eine bezog sich darauf, dass er beim Sprechen teilweise ‚gendert‘, also also etwa „Direktorin“ statt Direktor“ sagt (dyrektor – dyrektorka), was auf Polnisch gemacht werden kann, aber nicht muss – ähnlich wie im Deutschen. Die Reaktion wie gehabt: er verhunze die polnische Sprache.

Die andere typische Reaktion warf ihm vor, Männer zu benachteiligen.

Gab es so einen Versuch eigentlich in unserem so viel fortschrittlicheren Land schonmal? Möchte nicht mal jemand? Mehr Aufmerksamkeit gibt’s dafür garantiert. (Dauert halt ein bisschen länger in der Vorbereitung.)

 

 

Foto: World Bank Photo Collection, via photopin, CC-BY-NC-ND-Lizenz