Die Räumung des Kukutza

Jetzt wird’s ein bisschen themenfremd, das habt Ihr meiner alten Hausbesetzerinnen-Seele zu verdanken.

Ein Haus in Bilbao wurde geräumt. Nicht irgendein Haus, sondern das Kukutza. Sowas habe ich sonst noch nirgends gesehen. Ich war da mal vor fast zehn Jahren, und wurde mit sehr offenen Armen aufgenommen, obwohl mich niemand kannte. Seht Euch das Video an, dann versteht Ihr, was ich meine.

Das Haus wurde seit Mittwoch nicht nur geräumt, es wird abgerissen. Offenbar ist der ganze Stadtteil in Aufruhr, wahllos werden Menschen verprügelt, niemand in den Stadtteil hineingelassen und sogar der Strom abgestellt.

Das Haus war offensichtlich ein 1a-Kulturzentrum und hat viel erledigt, wofür Städte sonst viel Geld bezahlen (früher oder später). Wozu die Räumung gut sein soll.. ach ja, die Sache mit dem Eigentum.

Radio Dreyeckland hatte kurz vor der Räumung jemanden interviewt, der gerade dort war:

Bilder von der Räumung, ein Video und die obligatorische Facebook-Seite. Außerdem ein Flugblatt (pdf) mit Hintergründen und Bilder von Transparenten etc. zum Thema in Deutschland.

 

£20,000 Entschädigung für Terrorismus-Festnahme in Nottingham

Rizwaan Sabir, der als Doktorand legal ein Al-Qaeda-Hadbuch heruntergeladen hatte, war 2008 in Nottingham festgenommen worden und war sieben Tage in Untersuchungshaft. Jetzt hat er als Entschädigung £20,000 bekommen. Außerdem eine Entschuldigung. Wer vorige Woche „Freiheit oder Sicherheit“ bei arte gesehen hat, erinnert sich sicher an den Fall.

Guardian: Student in al-Qaida raid paid £20,000 by police

BBC: Police agree £20,000 payment over Rizwaan Sabir arrest

Wir werden ja öfter mal gefragt, ob es eigentlich eine Entschuldigung für irgendwas gab, oder auch eine Entschädigung. Gab es nie. Eine Entschädigung .. dazu hätten wir genau den (finanziellen) Schaden nachweisen müssen (bei Soziologen nicht so einfach). Wahrscheinlich psychologische Gutachten anschleppen. Haben wir natürlich nicht – in den Wochen und Monaten im Herbst 2007 hatte ich andere im Kopf. Die in Deutschland festgelegte Entschädigungs-Summe für U-Haft ist so lächerlich, dass sie nicht ausgleicht, was es an Nerven kostet, sich damit zu beschäftigen. Die Notwendigkeit, sich hinterher neue Computer zu kaufen, nachdem die alten Wochen und Monate beim BKA waren, wäre vermutlich auch nicht anerkannt worden.

Jedenfalls: Glückwunsch nach Nottingham!

Freiheit statt Angst 2011

Halb voll oder halb leer, das Glas? Dieses Jahr waren weniger für Freiheit statt Angst auf der Straße, aber trotzdem viele.

http://www.flickr.com/photos/anne_roth/6134234114/

Was mir an dieser Demo – neben dem Thema – gefällt ist, dass sich viele Leute echt Mühe geben und viel selbstgebasteltes Gedöns mitbringen. Schöne Bilder gibt’s u.a. hier. Die dpa zählte 5000, ich hätte 3-4000 geschätzt. Im Grunde war es unmöglich zu zählen, denn auf der gesamten Strecke von Pariser Platz über Unter den Linden bis Alex war zwischen Demonstrierenden, Touris und Einkaufenden nicht immer leicht zu unterscheiden. (Pressespiegel)

Aktuell ist das Thema weiterhin. Wer denkt, wir hätten mit dieser Bewegung die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft, hat recht und unrecht: sie biegt wieder um die Ecke. Deswegen ist es wichtig, die aktuelle Petition zu unterschreiben. Nur wenn bis zum 14. September 50.000 Unterschriften zusammen kommen, gibt es eine mündliche Anhörung im Bundestag. Also unterschreibt!

Natürlich ist so eine Anhörung nicht das Ziel aller Wünsche, aber sie hilft schon enorm dabei, noch sehr viel mehr Menschen für das Thema zu interessieren.

Die beiden Highlights der Demo waren für mich Nina Hagen und Lothar König.

Viele waren sich ja für Nina Hagen zu cool – ich würde mir mehr Leute wünschen, die sich nach so einem Leben nicht zu schade sind, auf dem Alex deutlich zu sagen, was sie von der aktuellen politischen Lage halten. Nina Hagen hat da schon in den Sechzigern Lieder gesungen. Heute hat sie daran erinnert, dass Martin Luther King 1964 in der Marienkirche ganz in der Nähe des Alex war und hat die Demo in eine Linie gestellt mit dem damaligen Einsatz für Freiheit. Außerdem hat sie so schön gesungen wie immer. Das reichte von „We shall overcome“ (mit Mitsingen!) bis Brecht. Vorsichtshalber hat sie das dazu gesagt, und wahrscheinlich hat sie nicht so schief damit gelegen, dass die meisten den gesungenen Brecht sonst nicht erkannt hätten..

Auch Lothar König hat erst seine Stasi-Akte und dann die gerade erhaltenen §129-Akten hochgehalten. Er hat ziemlich klare Worte zur Verfolgung von Antifa-Aktivitäten in Dresden gesagt und Bibelstellen zitiert, die ohne Bibel wahrscheinlich ausreichend wären, ein neues Verfahren wegen Aufruf zu Straftaten zu kassieren. Außerdem hat er auf den gerade erschienenen Bericht des Datenschutzbeauftragten über die Dresdner Handy-Überwachung hingewiesen und angekündigt, dass am Montag zahlreiche betroffene Geheimnisträger (ÄrztInnen, JournalistInnen usw) die sächsische Staatsanwaltschaft verklagen werden. Wer auch in Dresden war und sich an den Klagen beteiligen möchte, kann sich an die JG Jena wenden.

Für ihn ist wichtig, sich von Hausdurchsuchungen und Strafverfahren nicht einschüchtern zu lassen. Egal, ob sie von der Stasi oder vom Verfassungsschutz angeleiert wurden. Zum Schluss hat er noch denen ins Gewissen geredet, die sich im ewigen Hick-Hack zwischen Antideutschen und Antiimps verfangen. Es gibt wichtigeres zu tun.

Freiheit statt Angst 2011

Seehr schade, dass Lothar König vom Zeitplan-einhaltenden Padeluun von der Bühne gefegt wurde, denn eigentlich wollte der noch ein Abschiedslied mit Nina Hagen singen, und das wäre großartig geworden.

DLF: Der Fall Lynne Stewart. Eine amerikanische Geschichte

Im Deutschlandfunk gab es gestern das Feature „Der Fall Lynne Stewart. Eine amerikanische Geschichte„. Über Lynne Stewart hatte ich hier schonmal geschrieben, als sie im November 2009 in New York inhaftiert wurde. Im Juli 2010 wurde die bekannte Anwältin zu 10 Jahren verurteilt. Eine sehr gruselige Geschichte.

Im April 2002, sieben Monate nach 9/11, wird die Bürgerrechtsanwältin Lynne Stewart in New York verhaftet und der Beihilfe zum Terrorismus bezichtigt. Sie war die Verteidigerin des „Blinden Scheichs“ Omar Abdel-Rahman, der in den USA als Mastermind für den ersten Anschlag auf das World Trade Center zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.

Anfang der 90er-Jahre hatten die Amerikaner dem geistigen Führer der Islamistischen Bruderschaft aus Ägypten Aufenthalt gewährt. Er galt ihnen als Freiheitskämpfer, weil er Freiwillige für den Kampf gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan rekrutiert hatte.

Lynne Stewart hatte gegen die verschärften Haftbedingungen verstoßen, die gegen den Scheich verhängt worden waren. Dafür wurde die damals 70-jährige Anwältin im Juli 2010 zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Das Feature als mp3 (20mb) / Text / pdf.

 

Danke für den Hinweis!

GTZ sucht ÜberwachungsexpertInnen für Saudi-Arabien

Dass es hie und da kleine Aufreger gibt, weil sich deutsche Waffen in Libyen finden oder irgendwie unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden, wenn es um die Einschätzung der Frage geht, mit was für Staaten die Bundesrepublik so kooperiert, sind wir ja gewöhnt. Deswegen muss man ja nicht gleich die gute Zusammenarbeit unterbrechen.

Die GTZ GIZ sucht aktuell eineN

Expert for Communication, Video Surveillance and Security System

Country of assignment and location

Saudi Arabien, Riyadh

Project / Field of activity

The Ministry of Interior (MOI) is one of our long standing partners in Saudi Arabia. We provide professional advisory for the ministry for more than twenty years. The focal points of our cooperation are the departments of development projects as well as telecommunications. Our experts work in close cooperation with their counterparts on the premises of the ministry.

Da blieb mir eben doch einen Moment der Mund offen stehen.

Danke, Kees!

Arte: Freiheit oder Sicherheit?

Update: Der Film ist jetzt für sieben Tage in der Arte Mediathek

Arte zeigt am Dienstag um 20:15 „Freiheit oder Sicherheit. Der Antiterrorkampf und seine Folgen“ von Marita Neher und Nils Bökamp.

Die Dokumentation beschäftigt sich mit den Anti-Terror-Gesetzen und ihren Folgen und rekonstruiert dabei auch einige prominente Fälle, bei denen Menschen durch Verfehlungen in das Netz des Antiterrorkampfes gerieten.

Geneigte LeserInnen dieses Blog werden viele Bekannte sehen: Rizwan Sabir und Hich Yezza von der Uni Nottingham, Julian Coupat und die „Tarnac 9“, und auch uns. Dazu noch andere Betroffene des europäischen Anti-Terror-Kampfes.

Der Film diskutiert diese Fälle in Hinblick auf die Anti-Terror-Gesetze und deren Auswirkungen für Freiheit, Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa. Zu Wort kommen die Betroffenen selbst und ihrer Anwälte, aber auch der Leiter des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke, der Direktor von EUROPOL Rob Wainwright, der Pariser Generalstaatsanwalt Francois Falletti, der Risikoforscher und Terrorismusexperte Prof. Dr. Friedrich Steinhäusler, der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Thomas König, der Soziologe Jean Ziegler, die Human Rights Watch Anti-Terrorbeauftragte Judith Sunderland sowie Philippe Texier, Vertreter der „International Commission of Jurists“.

Ich bin gespannt.

Passend zur Terrorismus-Woche vor dem 11. September plus Freiheit-statt-Angst-Demo gab es im Funkstreifzug im Bayrischen Rundfunk am Sonntag Unter Verdacht: Wie der Staat seine Bürger überwacht.

Die Geschichte des Kampfes gegen den Terror ist auch eine Geschichte des Kampfes gegen die Aushöhlung von Bürgerrechten. Die Überwachung der privaten Kommunikation über Telefon, Fax und E-Mail, bekannt als Vorratsdatenspeicherung, ist so ein Beispiel. In Kraft gesetzt vom Staat, gestoppt vom Bundesverfassungsgericht und diesen Herbst wieder auf der politischen Tagesordnung. Unter Verdacht steht: Der Bürger.

Hendrik Loven hat für den Funkstreifzug einen besonders krassen Fall verfolgt. Der Soziologe Andrej Holm von der Humboldt-Universität in Berlin ist ins Visier der Ermittler geraten, weil sich militante Gruppen soziologischer Fachbegriffe bedient hatten, wie sie bei Holms wissenschaftlicher Arbeit üblich sind. …

mp3 (12,4mb)

Visualisierung der Wikileaks-Kabel

Viele Menschen lesen derzeit in den jetzt auch von Wikileaks veröffentlichten Kabeln – mit mehr oder weniger System – und suchen nach interessanten Informationen.

Damit es einfacher wird, zusammenhängende Kabel zu finden, gibt es jetzt Visualisierungen der Kabel, die sich aufeinander beziehen. Die Bezüge sind auch in den Headern der Kabel erkennbar.

Die Graphen sind anklickbar, d.h. die einzelnen Kabel können direkt im Graph angeklickt werden. Hier geht’s zum interaktiven Graph, der oben im Bild zu sehen ist: http://pastehtml.com/view/b6269vdd5.html. Abgebildet sind Kabel aus/zu/über Genf.

Weitere bereits existierende Graphen gibt es zu Jerusalem, zur Kontrolle von Raketentechnologie, zum Al-Qaeda-Verfahren Deutschland (?), Militär-Einsätzen mit Bezug zu Deutschland, PKK in Deutschland und Frankreich, Thomas de Maizière, Gas-Exporte mit Bezug zu Deutschland, die Opel-Rettung, das iranische Raketenprogramm und die Schweinegrippe. Außerdem die Übereinkunft von Kopenhagen (Klimakonferenz), Vogelgrippe, UN-Generalversammlung zu Ägypten, Iran, Menschenrechte, Arabische Liga und der START-Vertrag.

Interessant ist, dass in den Kabel-Headern auch auf höher klassifizierte Kabel verwiesen wird, die im Paket nicht enthalten sind – diese sind in den Graphen rot markiert.

Die Graphen können am besten mit dem Chrome-Browser und dessen Zoom-Funktion gelesen werden (mit anderen aber auch).

Der Code, um selbst weitere Graphen zu erstellen, ist verfügbar und liegt bei Github: https://github.com/wlwardiary/cable2graph

All dies ist auch über den  Twitter-Account @c2graph nachlesbar, und vermutlich demnächst auch weiteres. Es wird noch nach Mirror-Sites für die statischen HTML-Dateien zum cables.csv-Research Tool gesucht.


 

Zweimal bei „Netz für alle“

Wie schon eine Weile in der Seitenspalte angekündigt, rede ich Samstag bei der netzpolitischen Konferenz der Linken plus Rosa-Luxemburg-Stiftung darüber, Wie das Internet Politik verändert. Mit Frank Rieger, Falk Lueke und Christoph Sydow. Ein ganz schön weites Feld und drei Leute, die jede Menge dazu zu sagen haben – ich bin gespannt. (16 – 17:30, Betahaus, Berlin Kreuzberg)

Erst heute landete dann noch was im Programm: Was lernen wir aus dem Wikileaks-Desaster? Ich unterhalte mich nit Linus Neumann (netzpolitik.org) über Wikileaks und Openleaks, Egomanen und Visionäre, Fehler und Perspektiven. Darauf bin ich noch gespannter. (18:30, Betahaus)

Wenn Ihr Fragen für Linus habt dazu: bitte in die Kommentare.

Es wird einen Stream geben, siehe Konferenz-FAQ (jedenfalls für je zwei der drei parallelen Panels).

Update: beim Wikileaks-Panel war noch Constanze Kurz dabei, aber den Stream gab es nicht. Dafür eine Aufzeichnung, demnächst in diesem Kino.