China, Deutschland und die Freiheit, Texte zu schreiben

Linguistischer FingerabdruckIm letzten Post ging es auch um den Unterschied zwischen Twittern im Iran und Twittern in den USA. In diesem geht es (auch) um Texteschreiben in China und Texteschreiben in Deutschland.

Wolf Wetzel hat einen hübschen Artikel geschrieben, der die Buchmesse als Aufhänger hat. In China ist die Freiheit, kritische Texte zu schreiben, eine feine Sache. Findet auch Angela Merkel. Hierzulande ist das was ganz anderes.

Buchmesse und linguistischer Fingerabdruck. Literatur als Gefahrengut und Gefahrenquelle – nicht nur in China.

Man braucht keine Diktatur, um
›Literatur‹ als Beweismittel zur strafrechtlichen Verfolgung anzuführen
bzw. zum Gegenstand geheimdienstlicher Überwachung zu machen!

Es geht um die Rolle der von ihnen selbst geschriebenen und veröffentlichten Texte in den Verfahren gegen Andrej (Holm) und Wolf Wetzel. Sehr absurd und auf jeden Fall wert, sich die 10 Minuten zu nehmen, auch die Details zu lesen.

(Einen Schönheitsfehler gibts darin: Andrej war nicht Monate, sondern Wochen in U-Haft.)

Mehr zur aktuellen Entwicklung von Wolf Wetzels Klage gegen die Überwachung durch den Verfassungsschutz steht in V-Mann 123 – ein Volltreffer oder ein Fantasieprodukt.

 

Freiheit statt Angst – die Rede

Es war eine sehr schöne Demo, die Sonne schien wie bestellt und es sind viele gekommen. Details in allen Medien. Einen Pressespiegel gibt es beim AK Vorrat, Fotos bei Flickr.

Eingeschränkt wird diese Wahrnehmung von einer mir noch unklaren Zahl von Festnahmen und offenbar eher beliebigem Geprügel seitens der Berliner Polizei. Eine Festnahme soll mit Vermummung begründet worden sein. Dann allerdings verstehe ich nicht, warum nicht Hunderte festgenommen wurden – das Tragen von Masken aller Art gehört bei dieser Demo ja zum guten Ton. Ein Video zur Polizei-Brutalität bei Netzpolitik – bei YouTube gibt es das nur nach Anmeldung. Der CCC ruft ZeugInnen auf, sich unter mail@ccc.de zu melden. Fefe stellt verschiedene Formate des Videos zur Verfügung.

Meine Rede ist wenige Stunden später schon bei YouTube und also auch hier:

Der Text zum Nachlesen:

Weiterlesen

Freiheit statt Angst – die Demo. 12. September 15 Uhr Potsdamer Platz

 Es kann ja eigentlich gar nicht sein, dass es irgendwer noch nicht mitgekriegt hat, aber für alle Fälle auch von mir: Samstag um 15 Uhr startet in Berlin die nächste "Freiheit statt Angst"-Demo.

Ich werde bei minutiös geplanten Abschlusskundgebung etwas sagen, drei Minuten lang und genau 12 Minuten nach Beginn der Kundgebung, als bereits dritte von fünf RednerInnen. Drei Minuten sind ja nicht lang. Mal sehen, wie das wird.

Alle Details wie Route, Pläne, Ablauf beim AK Vorrat, genauso den Aufruf und die unglaublich lange Liste der unterstützenden Gruppen und Personen.

See you then!

Treffer.. versenkt.

"V-Mann 123" will mit Wolf Wetzel über alles mögliche geredet
haben. Sagte der Verfassungsschutz. Wolf Wetzel war auch so ein gefährlicher Terrorist. In der allgemein weltbekannten Terrorgruppe Autonome Rhein-Main-Koordination ARMK. Das Verwaltungsgericht Berlin hielt
das gestern für Quatsch und erklärte die Überwachung durch den
Verfassungsschutz für illegal.

Folgt man dem Verfassungsschutz, beichtete Wetzel (..) nicht nur
psychische und arbeitsrechtliche Probleme, verriet Anschlagspläne und
-ziele, plauderte gar über mögliche Mitstreiter. Auch soll er –
angeblicher Mitgründer einer angeblich hoch konspirativen Bande – dem
nicht zur Gruppe gehörenden Mann anvertraut haben, sein "Traumberuf"
sei "Berufsrevolutionär". "Das gibt’s nicht mal bei James Bond", sagt
Wetzel.

Und weil dann nach §129a ermittelt wurde, wurde komplett überwacht.
Wolf Wetzel erfuhr das acht Jahre später und klagte dagegen. Las in den
Akten, was "V-Mann 123" angeblich gesagt hatte, was Wolf Wetzel
angeblich gesagt hatte. Nur: Wolf Wetzel hatte dieses Gespräch nie
geführt.

Weiterlesen

Klage gegen §129a-Überwachung Mittwoch in Berlin

Am Mittwoch findet in Berlin eine Verhandlung in einem ganz bizarren Verfahren statt. Wir landen in der ganz grauenhafte §129a-Mottenkiste.

Entweder hat ein V-Mann des Verfassungsschutzes (VS) die Gründe für eine §129a-Überwachung erfunden, oder der VS gleich den ganzen V-Mann. Und hat dabei ein paar Fehler gemacht. Sagt Wolf Wetzel, der Überwachte, und klagt jetzt dagegen (auch einer, der viel schreibt).

1998 wurde im Rahmen eines Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung (nach § 129a) vom Bundesamt für
Verfassungsschutz/BfV Maßnahmen zur Telefon- und Briefüberwachung
beantragt.

Ein solcher Eingriff erfolgt – der geltenden Rechtsprechung folgend –
nicht aufgrund der politischen Einstellung, sondern durch Darlegung
›tatsächlicher Anhaltspunkte‹, was – immerhin – einem Wirklichkeitsgrad
von plus/minus 50 % entspricht.

V-Mann 123

In seinem Blog Eyes Wide Shut beschreibt Wolf Wetzel, wie der Verfassungsschutz die "tatsächlichen Anhaltspunkte" mangels Anhaltspunkten eben erfunden habe:

Ein V-Mann des hessischen Verfassungsschutzes will just vor Beantragung
oben erwähnten Eingriffs ein Gespräch zwischen mir und anderen Personen
mitbekommen haben. (..)

Der V-Mann, der makabrerweise auch noch ›V-Mann 123‹ heißt, existiert gar nicht. Er ist eine Erfindung, das Gespräch wurde nie geführt.

Das abgehörte Telefonat, das die intensiven Beziehungen
terroristischer Mitglieder belegen soll, würde das Gegenteil beweisen,
wenn der Inhalt nicht unterschlagen worden wäre.

Überwachung durch den Verfassungsschutz muss durch den G10-Ausschuss des Bundestages genehmigt werden.

Offensichtlich ging der G-10-Auschuss davon aus, das es sich um eine
Telefonat zwischen ›Terroristen‹ handelte und verlängerte die
G-10-Maßnahmen um weitere drei Monate. Auch diese drei Monate vergingen
und ergaben nichts. Danach wurde keine weitere G-10-Maßnahme beantragt
bzw. genehmigt. Das 129a-Verfahren wurde eingestellt.

Wolf Wetzel hat gegen die Überwachung geklagt. Es geht ihm darum nachzuweisen, dass es den V-Mann gar nicht gab. 

Alles weitere am Mittwoch, 8.7., 10:30, im Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstr. 7, 10557 Berlin.

ObservantInnen gesucht

"Das BVA sucht für eine Sicherheitsbehörde am Dienstort Köln/Bonn Observanten/innen".

Meine erste Assoziation reichte zurück zu Ottos Ottifanten. Aber diese sind echt! Ich weiß leider nicht, was für Observiererei vom Bundesverwaltungsamt im Bereich "Sicherheit und Ordnung" (kein Scherz) zu erledigen ist. 

Tätigkeitsprofil

Aufgabenschwerpunkte:

  • verdeckte Beobachtung und Dokumentation von aus
    sicherheitlichen Gründen interessanten Personen, Sachverhalten oder
    Einrichtungen

Anforderungsprofil

  • abgeschlossene kaufmännische oder informationstechnische Berufsausbildung
  • Führerschein Klasse B und Bereitschaft zum Führen von Fahrzeugen
  • gute physische und psychische Belastbarkeit
  • hohes Maß an Teamfähigkeit und Flexibilität
  • gutes
    allgemeines technisches Verständnis und Bereitschaft zum Erlernen
    besonderer Fähigkeiten in den Bereichen Funk/Foto/Video und zur
    Teilnahme an fachspezifischen Lehrgängen und Schulungen
  • Bereitschaft zu unregelmäßigen Dienstzeiten, auch an Sonn- und Feiertagen
  • Bereitschaft zum Führen von Schusswaffen und zum Tragen von Schutzwesten
  • die deutsche Staatsangehörigkeit ist notwendig

Arbeitgeber-Leistungen

Die Einstellung erfolgt nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen
Dienst (TVöD) in der Entgeltgruppe E5 im vergleichbar mittleren Dienst.
Aufstiegsmöglichkeiten bis E8 sind gegeben. Daneben wird eine
Sicherheitszulage gezahlt. Übernahmen aus anderen Behörden unterliegen
der Einzelfallprüfung. Die Behörde verfolgt das Ziel der beruflichen
Gleichstellung von Frauen und Männern. Frauen werden daher ausdrücklich
zur Bewerbung aufgefordert.

Fefe hat das zu folgender Überlegung inspiriert, die wir familienintern zumindest mal kurz geprüft haben:

Wißt ihr, wer sich da mal bewerben sollte? Andrej Holm. Das wäre doch
mal ein ausgezeichnetes Kunstprojekt. Mal dokumentieren, wie den
Repressionsbehörden die Gesichtszüge entgleisen. 

Leider kann Andrej nicht Autofahren. Und ich finde das mit den Dienstzeiten am Wochenende nicht so gut.

(via)

Ein Tag im Leben eines Terror-Verdächtigen

Der Guardian erzählt die Geschichte von Mahmoud Abu Rideh, der seit 2005 mit einer Control Order lebt. Control Orders "beschützen die britische Öffentlichkeit vor dem Risiko des Terrorismus". Aktuell leben 20 Menschen in Großbritannien mit Control Orders.

Mahmoud Abu Rideh wurde 2001 festgenommen, war 23 Stunden täglich in Einzelhaft und wurde nach vier Jahren mit Control Order entlassen. Er hat bis heute nicht erfahren, was ihm vorgeworfen wird. Es gab keine Anklage, kein Verfahren und keine Akteneinsicht. Seit der Control Order vor vier Jahren darf er sich mit niemandem verabreden, darf weder Bankkonto noch Handy haben und darf nicht ins Internet. All dies betraf auch seine Frau und seine sechs Kinder, die ihn schließlich verlassen haben. Ein Ende ist sowenig absehbar wie er weiß, warum das alles passiert.

Mehrmals am Tag muss er zur Kontrolle die Polizei anrufen, das erste Mal um drei Uhr morgens. Es ist in dieser Situation unmöglich, einen Job zu finden. 

Er hat mehrmals versucht, sich umzubringen.

Ich bin allein. Ich habe keine Freunde. Alle haben Angst davor, mich zu treffen. Ich bin schon vorher der Folter entkommen, und jetzt werde ich von der britischen Regierung  gefoltert. Ich bin wie eine Maschine. Ich fühle nichts mehr. Ich bin schon tot.

„Bloggen gegen Überwachung“ in Bremen zum Hören

Der CCC Bremen, der mich vor zwei Wochen zu einer Veranstaltung eingeladen hatte, hat jetzt eine ungeschnittene Aufnahme ins Netz gestellt. Wer also eine aktuelle Variation von "Bloggen gegen Überwachung" hören möchte:

Die Veranstaltung komplett und ungeschnitten:

http://noblogs.org/flash/mp3player/mp3player.swf

mp3 | ogg

Zum Ton gehören eigentlich noch Bilder: es wird noch ein Video versprochen, bis dahin sind hier die Folien, die ich auch schon im Mai bei der SIGINT benutzt habe.