Terrorismus hinterm Ofen

Genau. Hört endlich mit dem Geheule auf.

Ich bin gespannt, wie das Fingerhakeln ausgeht. Mein Eindruck ist, dass obwohl von der „Jetzt ist es aber wirklich ernst“-Fraktion einiges aufgefahren wird, trotzdem zunehmend Leute deutliche Zweifel haben, denn das Muster ist ja immer das gleiche. Schön dazu in verschiedenen Beiträgen Fefe.

Ich war auch wirklich überrascht, dass die Terrorismus-Grusel-Nummer wieder rausgekramt wird. Eigentlich war die mit Schäuble ja eingemottet, es drohte vor allem der (eigene) Extremismus und, nachdem kein größeres Fussball-Event samt gewaltbereiten Hooligans zum Ausbau der Dateien bereit steht, war ich davon ausgegangen, dass demnächst mal wieder sowas wie Organisierte Kriminalität oder so über uns herfallen würde.

Meine Highlights bisher:

  • Der Berliner Innensenator Körting hat mit einem Statement für die Abendschau völlig in die Scheiße gegriffen (sorry).

  • Die gefährliche Bombe aus Namibia, die rein zufällig zum passenden Zeitpunkt bloß eine Übung war.
  • Die verlorenen gegangenen Gefährder, die das BKA eigentlich überprüfen wollte, aber dann nicht mehr konnte (wenn sie normale Überwachung schon nicht hinkriegen, wie soll das ohne Personal und Ausstattung mit den Computern denn was werden?).
  • Quarks & Co. zur Angst vor Terror, März 2008

To be continued..  Hinweise gern in die Kommentare

Mikey, 8, auf der No-Fly-Liste

Es ist bekannt, dass Terror-Hysterie bizarre Blüten treibt, auch und besonders in den USA. (Auch hier.)

Ein Zweig davon betrifft Kinder, die auf der No-Fly-Liste landen. Homeland Security kann sich das nicht erklären, und die Fluglinien trifft selbstverständlich auch keine Schuld.

Zu Mikey gibt es inzwischen eine Facebook-Gruppe Get Mikey OFF „The List“, wo sich die weitere Entwicklung verfolgen lässt.

Um zu verstehen, wie das kam, lohnt es auch die Berichte von Piloten zu lesen, die verweigern, bei jedem Flug durch Nacktscanner gehen zu müssen, oder bloß, den (extra metallfreien) Gürtel abzulegen, bevor sie durch den Metall-Detektor laufen.

http://www.boingboing.net/2010/11/11/tsas-new-book-for-ki.html

Boing Boing: "TSA's new book for kids: "My First Cavity Search""

(Danke an Kees, der ein großes Talent dafür hat, solche Geschichten zu finden, und ur5 für das Bild)

A propos Sicherheit

Flugsicherheit ist wieder in aller Munde. Passend erzählte mir heute Andrejs Anwältin eine Geschichte, die untergegangen war:

Als Andrej festgenommen worden war, wurde er zuerst ins Berliner LKA am Tempelhofer Damm gebracht und dann mit dem vielzitierten Hubschrauber zum Bundesgerichtshof geflogen, wo der Haftbefehl beantragt und dann auch beschlossen wurde. Christina (Clemm), die Anwältin, flog im Flugzeug hinterher, um dabei zu sein.

Vorher sagte sie mir, ich sollte ein paar Sachen für Andrej zusammenpacken. Ich kann mich an die Details nicht erinnern, aber gut an das Gefühl dabei. Sehr surreal. Was packt man jemandem für den Knast ein? Gibt es da Zahnpasta? Machen Sportsachen Sinn? Bücher? Wieviele? Für wie lange?

Falls Ihr je in die Situation kommt: Papier und Stifte sind wichtig. Briefmarken.

Ich weiß auch nicht mehr, was ich eingepackt habe, außer das eine Dose mit einem Stück Kuchen vom Kindergeburtstag am Tag vorher dabei war.

Christina nahm den kleinen Rucksack mit, hatte kein Gepäck, weil sie in Karlsruhe ja nicht bleiben wollte und reichte am Flughafen alles, was sie dabei hatte, als Handgepäck ein. Auch sie war mit anderen Sachen als Reiseorganisation beschäftigt. Die Fassungslosigkeit beim Check-In war entsprechend. Duschgel, Zahnpasta, eine Flasche Wasser.. wie gesagt, ich weiß nicht, was noch, aber es waren mehr als 100 ml Flüssigkeit.

Da standen sie sich gegenüber, Flugzeug kurz vor Take-Off, der Bundesgerichtshof wartet nicht.

Die Security-Frau: „…?“.
Christina, überrascht: „Oh – aber es ist ja auch gar nicht mein Gepäck! Das habe ich von jemand anderem bekommen!“
Security-Frau:“?!?!???“

Sie ließ sie durch. Mit dem gesamten Terroristengepäck. Glücklicherweise ist nichts explodiert.

Dass er das dann alles auch mit in den Knast nehmen durfte, wo ordentliche Terroristen selbst neugekaufte Bücher nur eingeschweißt und direkt von ausgesuchten Buchhandlungen erhalten dürfen, hat später Christina ziemlich fassungslos gemacht. Auch den selbstgebackenen Kuchen.

Der Jemen hat übrigens bereits am Samstag bekannt gegeben, dass keine UPS-Frachtfugzeuge den Jemen am Tag des ‚Bombenfundes‘ verlassen haben und es sowieso gar keine solchen Direktflüge in die USA oder nach Großbritannien gibt.

Snuggly der Sicherheitsbär und die Internet-Überwachung

Der Sicherheitsbär ist zurück, diesmal zum Thema Quellen-TKÜ* oder, umgangssprachlicher, Internet-Überwachung. Snuggly ist von Mark Fiore.

„Wenn Du nichts zu verbergen hast, brauchst Du auch keine Privatsphäre!“

Gefunden habe ich diesen Snuggly beim EFF, die auch darauf hinweisen, dass Pulitzer-Preisträger Mark Fiore zeitweise bei den iPhone Apps nicht zugelassen war. Die Erklärung ist fast ein eigenes Blogpost wert: Er hat öffentliche Personen ins Lächerliche gezogen!

Ältere Snuggly’s: The Spies Who Love You and Constitutional Compromise.

Mehr zu den aktuellen Plänen der Obama-Administration im Handelsblatt, bei Heise, der taz, Gulli, sämtlich basierend auf diesem Artikel in der New York Times.

*Credit goes to Ralf Bendrath, für kompetente Beratung in Fragen zum Vokabular

Vier Monate für Facebook-Freundschaft

Oder: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern..

Der Tierrechtsaktivist Rod Coronado wurde Anfang August in den USA zu weiteren vier Monaten Gefängnis verurteilt. Mit dem Akzeptieren einer Facebook-Freundschaftsanfrage habe er gegen seine Bewährungsauflagen vertoßen.

Rod Coronado (*1966) ist mehrmals im Kontext Tierrechte verurteilt worden, u.a. für die gewaltfreie Störung von Berglöwen-Jagden, Freilassung von Versuchstieren, Zerstörung einer Tierversuchsforschungseinrichtung und zuletzt für eine öffentliche Veranstaltung, bei der er sehr allgemein erklärt haben soll, wie Brandsätze hergestellt werden. Diese letzte Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wird in die sog. Greenscare– Verfolgungswelle von Tierrechtsaktivisten unter dem Label Öko-Terrorismus eingeordnet.

Ebenfalls in die Biografie von Rod Coronado gehört das Versenken zweier Schiffe der isländischen Walflotte als Mitglied der NGO Sea Shepherd.

Rod Coronado hat sich bereits 2006 von der Anwendung von Gewalt distanziert.

Die Facebook-Anfrage, die ihm jetzt zum Verhängnis wurde, kam vom ehemaligen Vorsitzenden von Greenpeace USA und Earth First! Gründungsmitglied Mike Roselle. Facebook oder allgemein Soziale Netzwerke wurde explizit in den Bewährungsauflagen gar nicht erwähnt. Vorgeworfen wurden ihm nicht erlaubte Kontakte und die Benutzung eines öffentlichen Computers (was, wenn ich es richtig versehe, vorher hätte explizit genehmigt werden müssen).

Ob sein Facebook-Profil explizit überwacht wurde, ist anscheinend im Verfahren nicht deutlich geworden. Klar ist aber, dass der eine Klick zum Akzeptieren der Freundschaft ausreichte. Ob Rod Coronado Mike Roselle jemals persönlich getroffen hat, ist nicht bekannt.

Unmittelbares Bedürfnis. Markus Mohr erinnert an Fritz Teufel

Ganz ausnahmsweise hier mal die Kopie eines Artikels, der am 17.7. in der jungen Welt erschien, die nicht alle ihre Artikel frei zugänglich im Netz hat. Eine Erinnerung von Markus Mohr an eine in den Nachrufen unterbelichtete Seite von Fritz Teufel.

Unmittelbares Bedürfnis

Warum Fritz Teufel einmal einem Bundesanwalt einen Fausthieb verpaßte

Am Samstag, den 21. Mai 1977 wurden Ronald Fritzsch, Gerald Klöpper,
Till Meyer, Ralf Reinders, Andreas Vogel und Fritz Teufel morgens aus
der U-Haft in Berlin-Moabit ins Polizeipräsidium am Tempelhofer Damm
verbracht. Die »Sechserbande« aus der »Bewegung 2. Juni« wurde
beschuldigt, den CDU-Politiker Peter Lorenz entführt zu haben. Da die
Ermittler große Beweisnot litten, verfielen sie auf den Einfall, die
Beschuldigten sage und schreibe 140 Zeugen vorzuführen. Auf Beschluß von
Horst Kuhn, Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, sollte das »auch
gegen den Willen der Beschuldigten, erforderlichenfalls unter Anwendung
unmittelbaren Zwanges« erfolgen. Bei Reinders, Vogel und Teufel sei »die
Haar- und Barttracht (…) zum Zwecke der Gegenüberstellung« so zu
ändern, »daß das Aussehen der Beschuldigten wieder dem zur Zeit ihrer
Festnahme entspricht«, verfügte Kuhn. Auf zwei lange Tage war die Sache
angesetzt, »die Fesselung der Beschuldigten« durchweg gestattet.
Gewieft, wie sich Ermittlungsrichter Kuhn vorkam, sah er von einer
»vorherigen Anhörung« zum Zwangsvorführungsprogramm ab, »weil dadurch
der Zweck der geplanten Maßnahmen gefährdet würde«.

Schließer und Polizeibeamte nutzten die Gelegenheit, ihr Mütchen an den
Genossen zu kühlen. Als die Gefangenen sich ihrer Überführung
widersetzten, erhielten sie Schläge in die Nieren. Haarbüschel wurden
ausgerissen. Bei der Vorführung auf dem Präsidium standen dann hinter
jedem Gefangenen mehrere Polizisten. Ein Beamter hielt den Kopf fest,
ein anderer hantierte mit einer am Handgelenk befestigten Knebelkette.
Versuchten die Gefangenen, den Kopf zu senken oder die Augen zu
schließen, wurden die Knebelketten in drastischer Weise zugeschnürt.
»Na, gib ihm doch!« riefen die Polizisten. »Dreh mal fester– guck mal,
wie schön meiner steht!« oder: »Zwei Umdrehungen sind noch drin,
Fritze!« Die Hände einiger Gefangener liefen blau an. Bei Reinders
platzte die Haut in Richtung Ellenbogen auf. Er blutete stark.

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Das Phantom der Online-Durchsuchung

Kabel / Flickr, von Megan Goodchild http://www.flickr.com/photos/megangoodchild/4625008206/ Lizenz http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.enSieh mal an. Die Online-Durchsuchung gibt’s gar nicht. Wer glaubt’s? 

Das Innenministerium (BMI) jedenfalls behauptet jetzt, es sei seit der Einführung am 1.1.2009 noch nie online-durchsucht worden. Dafür war sie ganz schön teuer:

  • 101.582 € Sachkosten (BKA)
  • 581.000 € Personalkosten (BKA)
  • Über eventuelle Kosten für die Länderpolizeien weiß das BMI nichts.

Ich bin wahrscheinlich relativ unverdächtig, große Sympathien für Angehörige der Polizei zu hegen. Zu recht. Aber wenn ich jetzt Polizistin wäre, würde ich mich vielleicht doch mal beschweren, dass knapp 700.000 € in den Wind geschossen werden, während jede Menge Personal fehlt und die restlichen ihre bürokratischen Kleinigkeiten auf besseren Taschenrechnern erledigen müssen.

Wirklich in den Wind geschossen? In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken im Bundestag erkärt das BMI, über die Anwendung durch BND und Verfassungsschutz nichts sagen zu können bzw. zu dürfen.

Golem.de zitiert allerdings den Spiegel, in dem im März 2009 stand, dass 2008 2.500 Mal onine durchsucht worden sei, dazu gab es den Einsatz von Keyloggern.

Burkhard Schröder hat eine Liste von Zitaten seit Ende 2006 zusammengesammelt, die zumindest ahnen lassen, dass das BMI es mit der Wahrheit evtl. nicht so supergenau genommen hat.

 

Bild: Megan Morris, Flickr / CC-Lizenz

14-Jähriger wegen Zeichnung als Terrorist beschuldigt

The Young Turks haben einen ziemlich unwirklichen "Terrorismus"-Fall ausgegraben. Einem 14-jährigen Achtklässler aus Georgia, USA, wird "terroristische Bedrohung" vorgeworfen. Er hat im Unterricht ein wenige Zentimeter großes Bildchen gezeichnet, auf dem eine Waffe zu sehen ist, die auf seinen Lehrer gerichtet ist. Unschön, keine Frage, sicher auch ein passender Moment für LehrerInnen und Eltern, um mal nachzufragen, aber Terrorismus ja wohl kaum. 

Im Film wird der Junge von seiner Mutter als Autist beschrieben, der einen IQ von 75 hat und sich auf dem Entwicklungsniveau eines Drittklässlers befindet. Ob das zwingend zusammenhängt, weiß ich nicht, aber es ist eigentlich auch irrelevant.

Sie sagt auch, dass dies die Auswirkungen der Null-Toleranz-Richtlinien sind, die an vielen US-amerikanischen Schulen eingeführt wurden und dass sie sich juristisch gegen die Beschuldigung ihres Sohnes wehren wird.

http://www.youtube.com/watch?v=MA-xER60VFA

Cenk Uygur, Moderator von The Young Turks:

Jetzt bezeichnen sie
alles als Terrorismus, habe ich doch gesagt. Es fängt mit richtigem
Terrorismus an, dann kommt Drogenkriminalität, dann alle, die Hasch
rauchen und jetzt reicht es, wenn Du die falschen Bilder malst.

 

Via GreenIsTheNewRed.com.