So schnell kann’s gehen

Ein bisschen shoppen, Enkel fotografieren und .. zack! .. fertig ist das Terroristenpärchen: "A security guard told them that cameras were banned because of the risk of a terrorist attack."

Bisher hatte ich ja eher das Problem, dass Leute nicht verstanden haben, warum andere manchmal nicht fotografiert werden wollen (Stichwort "nichts zu verbergen"). Und dass mehr und mehr Menschen finden, dass Kameras mehr Sicherheit schaffen (ich habe gerade aus diesem Grund eine immens teures Sweatshirt bei Foebud’s erworben). Nu ist das also umgekehrt, und wahrscheinlich auch trotzdem gar kein Widerspruch.  

In dem Kontext bin ich noch über die ganz entzückende Global Incident Map gestolpert: "Terrorism Events and Other Suspicious Activity". Interessanter Beitrag zu unserem Preisausschreiben (das immer noch läuft!).

Warum das alles so ist, erklärte vor ein paar Tagen Juli Zeh ziemlich gut im Deutschlandfunk, die mit ein bisschen mehr Tiefgang als oft üblich erklärt, warum Staat und Privatsphäre eigentlich zwei paar Schuhe sind (mp3, flash). Dazu auch lesenswert "Auf dem Weg in den autoritären Staat" von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in den Blättern für deutsche und internationale Politik.

Gefunden bei Focus und Pickings.

1984 all überall

Was für ein Auftakt. Es geht um Überwachung und Sicherheit, wohin man guckt. Verfassungsklage Vorratsdatenspeicherung in wirklich allen Medien, dazu die Studie von Privacy International, bei der Deutschland im Ranking erheblich gerutscht ist, und Großbritannien will jetzt auch einen Hackerparagrafen. Dazu gab es gestern ein gutes Feature zum Thema Datenschutz von Hans Leyendecker im Deutschlandradio:

Ein tüchtiger Statistiker hat einmal ausgerechnet, dass jeder Brite bei
seinen Tagesverrichtungen bis zu 300- Mal am Tag gefilmt wird. Mehr als
vier Millionen Überwachungskameras gibt es in England. Die sprechende
Kamera erinnert an Orwells 1984, doch dieser Vergleich führt in die
Irre. Orwell wäre nie eingefallen, was es heute alles so gibt. …

Ein Frosch, den man in einen Kessel mit heißem Wasser wirft, springt,
wenn er denn kann, sofort wieder ins Freie. Setzt man ihn in einen Topf
mit kaltem Wasser und erwärmt das Wasser nur allmählich, bleibt er
drin. Aber seine Kräfte erlahmen. Wenn das Wasser sprudelt und kocht,
ist der Frosch tot. Auch die Privatsphäre verträgt zu viel Hitze nicht.

Zum hören als mp3 oder Flash.

 

Zum Ausgleich noch zwei Sachen, über die ich heute lachen musste, was das alles besser erträglich macht:

 

 

Responsible Behaviour

 

Responsible behaviour

(http://xkcd.com/364/#)

(Gefunden bei gulli, netzpolitik.org, Fefe und im IRC)

More best of..

Nachdem mein Blog seiner puren Existenz wegen jetzt zum Thema geworden ist, kann ich zumindest einleuchtend erklären, dass nicht nur die Annalistin in mir (annalist heißt ‚Chronistin‘ und ist mitnichten mein Name) den Überblick behalten will, sondern auch noch ein gewissermassen wissenschaftliches Interesse befriedigt werden will.

Ich habe also beim 24c3 dann vor allem über den Blog und weniger über das Verfahren selber geredet, weil gerade die Tatsache, dass ich über das Leben mit Überwachung blogge, Thema sein sollte. Ich bin Ende Oktober eingeladen worden, beim Congress zu reden, und als sich der erste Schock darüber, dass ich eine Stunde in diesem Riesen-Saal reden sollte, gelegt hatte, fing ich an, darüber nachzudenken, was denn den gemeinen Hacker interessieren könnte. Ich habe nachgefragt und Constanze Kurz sagte, dass gerade das Bloggen den Ausschlag gegeben hätte, also dass ich per Web 2.0 etwas öffentlich mache, das Betroffene von solcherart Verfolgung in der Regel für sich behalten. Genau darum geht es auch in vielen Nachfragen inzwischen: ist es nicht ein Widerspruch, sich gegen Überwachung zu wehren und die eigene Privatsphäre schützen zu wollen mit Hilfe eines Blogs, der sehr viel über dein Leben einer völlig unbekannten Öffentlichkeit mitteilt?

Es ist, allerdings habe ja nicht ich mir ausgesucht, dergestalt zum gläsernen Menschen zu werden, sondern das hat sich die Frau Generalbundesanwalt ausgedacht. Nehme ich an. Ich bin auch dazu  interviewt worden, zu hören hier. (Leider sind die Fragen schlecht zu verstehen, aber mit ein bisschen rauf- und runterregeln geht es.)

Zurück zum wissenschaftlichen Interesse: ich habe schonmal angefangen, Reaktionen auf den Blog zu sammeln und das hat sich für den Vortrag als sehr praktisch erwiesen, denn das hat es einfacher gemacht, rauszufiltern, welche Leute den Blog lesen und warum. Und weil es nun auch auf den Vortrag allerhand Reaktion gab, sammele ich die wieder ein. Natürlich könnte ich das auch ganz privat auf meinem Rechner machen, aber ich hoffe jetzt mal, dass es doch die eine oder den anderen auch interessiert. Wenn nicht, klickt einfach weiter.

Bedauerlicherweise kann ich den letzten ‚Best of‘-Post nicht einfach vervollständigen, weil die Blogsoftware von noblogs.org aus unerfindlichen Gründen verweigert, ihn zu updaten. Aus dem Grund hab ich auch irgendwann damit aufgehört, und nachdem das noblogs-Forum italienisch ist, sind meine Möglichkeiten relativ eingeschränkt, das in Ordnung zu bringen.

Lange Rede.. here they are:
Weiterlesen

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“

Schön, dass das auch mal wieder jemand sagt. Köhler (Bundespräsident) findet den Stand der Dinge offenbar ausreichend alarmierend, um darauf hinzuweisen.

Bundespräsidenten haben ja anscheinend die Eigenart, mit dem Job nach und nach zu einer Art harmlosem Weihnachtsmann zu mutieren, wie auch sonst PolitikerInnen, wenn sie sich aus der Frontline zurückziehen. Geißler oder Blüm fand ich da sehr bemerkenswert. Plötzlich werden sie Gutmenschen, die stetig darauf hinweisen, dass wir die armen schwarzen Kinder in der Wüste nicht vergessen dürfen. Was grundsätzlich ja sogar stimmt, aber schöner wäre, wenn sie die Erkenntnis gehabt hätten, als sie noch die Macht hatten, etwas zu ändern. Ob der Fehler im System steckt? Genauso, wie sich aktuell viele fassungslos fragen, was wohl in den Leuten vorgeht, die Andrej so akribisch zum Terroristen machen wollen, frage ich mich, was genau in PolitikerInnenn vorgeht, die diese Häutungen erleben.

Anyway: Köhler sprach seiner Funktion angemessen mit der FAZ und hofft auf Läuterung der Koalition, denn:

Ich habe großen Respekt vor der Arbeit von Wolfgang Schäuble, der in
Zeiten des Terrorismus für die innere Sicherheit zuständig ist. Die
Bedrohungslage hat sich zweifelsohne verschärft. Und der technische
Fortschritt verschafft den Feinden unserer Gesellschaftsordnung neue
Kommunikationsmittel. Terroristen kennen keine Regeln. Ihnen ist jedes
Mittel recht. Heißt das, der demokratische Staat muss sich auf die
Ebene der Terroristen begeben, um sie wirksam bekämpfen zu können?
Schauen Sie: Amerika ist und bleibt für mich der Hort der Freiheit in
der Welt, und doch scheint mir, unseren amerikanischen Freunden ist im
Kampf gegen den Terrorismus etwas Wichtiges von sich selbst verloren
gegangen. Da brauchen sie unsere Unterstützung und unser Verständnis
dafür, wie tief sie der 11. September getroffen hat, und wir sollten
beides einbringen; nicht nur, weil wir in der westlichen
Wertegemeinschaft aneinander gebunden sind, sondern auch aus
Freundschaft. Gerade die Ursprünge dieser Freundschaft und unsere
vorangegangene schlimme Geschichte und ihre Aufarbeitung sind es doch,
die uns sensibel machen gegen Willkür und Regellosigkeit.

In
den siebziger und achtziger Jahren ist die Debatte über das
Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit schärfer geführt worden
als heute.

Damals ging es vor allem um den RAF-Terrorismus,
und ich erinnere mich an den einen oder anderen Vorschlag, der weit
über das Ziel hinausging. Der Rechtsstaat hat diese Bewährungsprobe
bestanden. Daran sollten wir uns erinnern.

Aus Ihren
Äußerungen spricht die Sorge, dass es beim Kampf gegen den Terrorismus
zu Grenzüberschreitungen kommen könnte. An wem ist es, sie zu
verhindern?

An uns allen. Und eine große Koalition aus beiden
Volksparteien hat die große Chance, beim Thema „Innere Sicherheit“ mit
einer Stimme zu sprechen. Gerade in diesem Bereich muss es um die Sache
gehen. Die Grenze dessen, was wir einsetzen wollen, zieht unumstößlich
Artikel 1 des Grundgesetzes, der auch auf Terroristen angewendet werden
muss: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Auch die FAZ hat mittlerweile eine Kommentarfunktion, übrigens!

Passend dazu ein Bericht in der taz, das sich auch mit dem Thema Würde beschäftigt. Viele Menschen sind und waren entsetzt, wenn ich etwa davon erzähle, wie wenig Rücksicht seitens des BKA zum Beispiel auf unsere Kinder genommen wird. Ich glaube, dass es unseren Kindern noch vergleichsweise gut gegangen ist angesichts der wenigen Berichte darüber, wie Kinder von Flüchtlingen hierzulande behandelt werden:


"Schrecklich entwürdigend" 

Madina H. weiß nicht mehr weiter. In den letzten
Tagen ist sie nervös, gereizt, depressiv. Nachts muss sie weinen.
"Durch diese Abschiebung habe ich den Krieg vergessen", lautet das
ernüchternde Urteil der 36-jährigen Tschetschenin.

Seit sechs Wochen wohnt sie mit ihrem Mann und
ihren drei Kindern in einem Flüchtlingsheim nahe Warschau. Im selben
Zimmer ist ein Ehepaar mit drei Kindern untergebracht sowie eine
weitere Frau mit drei Kindern. Nur ein Vorhang trennt das Zimmer vom
Flur ab. Heißes Wasser gibt es nur für zwei Stunden am Tag, deswegen
kann sich Madina H. nur alle zwei, drei Tage waschen. Sohn Adam isst
kaum noch, hustet ständig und schlägt oft mit der Faust gegen die Wand.
Aus dem Zimmer traut er sich nur, wenn der Vater nach draußen zum
Rauchen geht. Der sieben Monate alte Säugling Aischat ist stark
erkältet. Weil für ihn keine Geburtsurkunde vorliegt, weigern sich die
Ärzte, ihn zu behandeln. (…)

Am frühen Morgen, die Familie schläft noch,
dringen Polizisten in das Asylbewerberheim in der Spandauer
Motardstraße ein. Vor den Augen der Kinder legen die Polizisten dem
Vater Handschellen an. Solche Szenen kennen die Kinder aus
Tschetschenien. In blaue Müllbeutel packen die Beamten die Habe der
Familie. Sohn Adam schreit, läuft rot an und versteckt sich. Zuerst
will er nicht mitgehen, als er dann aber sieht, dass alle gehen, kommt
er doch mit. "Wenn ich das beschreibe, wird mir selber ganz elend",
sagt Valid D.

Immer wieder halten die Eltern den Polizisten
ein Attest für die Kinder vor, das von einer Kinderärztin ausgestellt
worden ist – doch vergebens. Die sechsjährige Tochter Hava ist erkältet
und muss sich im Polizeiauto übergeben. Säugling Aischat und der
siebenjährige Adam sind ebenfalls erkältet. Beide nehmen Antibiotika.
Adam leidet außerdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung und
wurde im Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin behandelt.

Das Attest für Adam habe dem Bundesamt seit
Monaten vorgelegen, sagt Anwältin Behrens. Schuld am Trauma von Adam
seien die Erlebnisse in Tschetschenien: Mehrmals habe die Familie
Hausdurchsuchungen miterlebt. Wegen seiner Gegnerschaft zur
russlandtreuen Regierung Kadyrow in Tschetschenien sei der Vater
verfolgt worden. (…)

Auf der Fahrt zur Grenze weinen und husten die
Kinder. Dort angekommen, müssen die fünf in eine kalte Zelle und werden
von Beamten verhört. In einem Schnellgerichtsverfahren werden sie ohne
Beisein eines Anwalts wegen illegaler Ausreise verurteilt. "Ich habe
nicht verstanden, dass das eine Gerichtsverhandlung war; das habe ich
erst verstanden, als man gesagt hat, dass wir zwei Jahre auf Bewährung
bekommen haben", so Valid D.

Anschließend wird die Familie in einen Zug nach
Warschau gesetzt, ohne dass ihnen gesagt wird, wohin sie gehen sollen.
Mit den letzten 120 Euro kaufen sie die Fahrkarten. Am späten Abend
kommen sie in Warschau an – ohne den ganzen Tag etwas zu essen oder zu
trinken bekommen zu haben. Um Mitternacht stehen sie bargeldlos am
Bahnhof; wo sie übernachten können, wissen sie nicht, denn zum 60
Kilometer entfernten Flüchtlingsheim fährt kein Bus mehr. 

weiter

Letter to friends

Dear all,

we have not managed for a while to put together a summary of what is happening concerning ‚our‘ terrorism case. Unfortunately there was no more English language coverage in the media and we are moving closer to our personal limits when it comes to keeping up with the pace of this campaign. Now, near the end of the year when hopefully most of you and us will find the time to sit back and relax, I’d like to send you a short email with the latest developments.

Also please note the information at the end of this email about a lecture in English language I will be giving next Thursday in Berlin
during the CCC Congress which will be streamed via internet and later will be ready for download.

We would also like to use the opportunity to ask you one more time t consider donating for the campaign. We have received an amazing lot of donations, thank you all. Unfortunately law cases are expensive – as you all know – and we continue to depend on more donations to be able to pay an group of very dedicated lawyers, and support the seven accused plus close to 20 witnesses. In German law they are all threatened with up to six months of coercive detention and/or high fines if they refuse to testify against their friends, collegues or (former) room mates.
http://einstellung.so36.net/en/donations

The great news ist that already Nov 28 the other three who were arrested in July were set free. Arrest warrant still in place, but the Federal High court decided that they should be let out of prison on bail. It was not easy to raise the €90.000 Euro, but one day later everyone set free.

The other important detail is that the court in this same decision decided that all seven are no longer accused of forming a terrorist organisation. An intense public debate in most of the big German media preceded this, discussing how a terrorist organisation can and should be defined today. Most statements after the decision by the High Court agreed with us that this constitutes another ’slap in the face‘ of the Federal Prosecutor. On the other hand the court also decided that all seven are now to be prosecuted for forming a ‚militant organisation‘, §129 instead of §129a of the German penal code, possible sentences up to 5 instead of up to 10 years of prison.

Not what we had hoped for, but a lot more than most had thought possible.

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During this time we have extended our campaign calling for the end to all $129a-proceedings on the grounds that these inquiries are mainly used to intimidate and spy on activist movements. Several other investigations under this article against activists are being conducted.

// For background on the German anti-terrorim article §129a see again „Crime by association – Terrorist law used to criminalise critical research“, by Statewatch (http://einstellung.so36.net/en/ps/392). //

We have organised two larger events in Berlin in November and December that attracted large audiences. Both were recorded and are online – for those of you who do understand German. One drew the parallel to the case against the american artist Steve Kurtz, member of the Critical Art Ensemble and accused of bioterrorism in 2004 (details at http://www.caedefensefund.org). We showed excerpts of the excellent documentary by Lynn Hershman ‚Strange Culture‘, http://strangeculture.net/ and if you have the chance to see it don’t miss it!

// Audio recording at http://einstellung.so36.net/de/ps/723 //

The other event, „We are all terrorists“, took place in the Volksbühne theatre. Actors did a reading of excerpts of adapted case files in the beginning and then suspects in four different terrorism cases against political activists presented details from their respective cases. Often similar absurdities such as it being considered suspicious that a group of young antifascists did not participate in the protests against the G8, did not mention certain issues in their phone calls, did not discuss antimilitarim – they, too, are accused of setting fire to army vehicles. Again only in German, but very much worthwhile watching.

// Video at http://chaosradio.ccc.de/ctv106.html //

We’d love to have the capacities to translate all of this into English, but for the moment we don’t. If anyone can think of possible funding for translations/subtitling of any of this please let us know.

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Coming up:
Thursday, Dec 27, 18:30 GMT+1 during the 24th annual Chaos Communication
Congress (http://events.ccc.de/congress/2007/Welcome!)

What is terrorism? And who is terrorising whom?
I’ll be giving a 1h lecture about life with surveillance as the partner of a terrorism suspect about life with surveillance and blogging about
it. Details at http://events.ccc.de/congress/2007/Fahrplan/events/2381.en.html

Find out when the live stream is happening in your part of the world at http://tinyurl.com/2r5klz

Details about documentation will be published soon at http://events.ccc.de/congress/2007/Conference_Documentation


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Last but not least we prolongued the deadline for our contest „What is terrorism“.

You can still send in / upload your contributions with your definition of terrorism until Feb 15! See other contributions at http://einstellung.so36.net/en/what-is-terror/contributions and please forward this information.
All the best from Berlin and looking forward to a better 2008

Schäuble 2.0 und das Menschenrecht auf Sicherheit

Es gibt Dinge, denen ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Bundesinnenminister Schäuble und US-Heimatschutzminister Chertoff diese Woche im Spiegel-Interview:

"Guantanamo ist nur ein Symbol" 

Spiegel: (…) Können Sie sich wenigstens dazu durchringen, dass Guantanamo keine Lösung ist?

Schäuble: Jeder in Europa stimmt zu, dass Guantanamo nicht die Lösung sein kann. Da gibt es für mich kein Augenzwinkern. Gegen Guantanamo zu sein ist einfach, die Entwicklung konstruktiver Vorschläge ungleich schwieriger. Aber all das führt uns doch dazu, dass wir offen darüber nachdenken müsen, was die Alternativen sein können. Das tun wir.

Spiegel: Her Chertoff, sind Sie bereit, Guantanamo zu schließen?

Chertoff: Präsident George W. Bush hat es so gesagt: Es wäre wunderbar, wenn wir Guantanamo schließen könnten. Aber darum geht es nicht. (…)

(…)

Chertoff: Zu Einzelfällen möchte ich mich nicht äußern, aber hier ist das Problem: Im amerikanischen Gerichtssaal unter amerikanischem Recht müssen wir Beweise in einer für alle Parteien nachprüfbaren Weise sammeln und Zeugen präsentieren. Wir können doch nicht in Afghanistan rumlaufen und die Taliban bitten, uns in Ruhe Tatortfotos schießen zu lassen.

Spiegel: Was ist denn mit den Berichten über die Misshandlungen von Gefangenen durch das sogenannte Waterboarding etwa, bei derm der Häftling fürchten muss zu ertrinken? Das ist doch der wahre Grund, warum Sie die Gerichte scheuen.

Chertoff: Nein. Für uns ist zum Beispiel schwierig, dass jeder Verdächtige in amerikanischen Verfahren das Recht auf einen Anwalt und Aussageverweigerung hat. (…)

Spiegel: Mit Verlaub, aber das Recht auf einen Anwalt ist eine der fundamentalen Errungenschaften des Rechtsstaats.

Chertoff: Nicht im Krieg. (…)

Spiegel: Herr Schäuble, fürchten Sie nicht, dass der Kollateralschaden für den Rechtsstaat durch diese Praxis gewaltig ist?

Schäuble: Wir haben uns ja genau deshalb zusammengesetzt und ringen um Lösungen, um das zu verhindern. Sie sehen doch an diesem Gespräch: Es ist schwierig und genau deshalb werde ich keine Denkverbote akzeptieren.

(…)

Spiegel: Wie definieren Sie die derzeitige Situation? Bekämpfen wir den Terrorismus – oder befinden wir uns in einem Krieg gegen den Terrorismus, wie es die amerikanische Regierung seit Jahren behauptet?

Schäuble: Das ist doch eine Frage der Semantik. Die Vereinten Nationen haben den USA jedenfalls das Recht zugesprochen, sich gegen einen bewaffneten Angriff zu verteidigen.

(…)

Spiegel: Können Sie denn zumindest die Sorge nachvollziehen, dass, während Sie noch nach Regeln suchen, die Menschenrechte verlorengehen?

Schäuble: Ja, aber ich glaube, wir bemühen uns alle, dass genau das nicht geschieht. Und ich will daran erinnern, dass eines der fundamentalen Menschenrechte auch das Recht auf Sicherheit ist.

(…)

 Der Spiegel, 50/ 2007, S. 27

DNA-Proben

Fantastisch. Der Herr Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hat der Entnahme einer DNA-Probe von Andrej zugestimmt. Also, um genau zu sein, der "Entnahme von Körperzellen im Wege einer Blutprobe des Beschuldigten". "Die zwangsweise Entnahme einer Blutprobe kann durch die freiwillige Abgabe einer Speichelprobe abgewendet werden." Wie reizend.

Warum die dabei  behilflich sein soll, rauszukriegen, ob jemand bestimmte Texte geschrieben hat, erschliesst sich mir nicht so recht. Aber der Herr Ermittlungsrichter findet, dass "trotz des geringen Tatverdachts (…) die Maßnahme in Anbetracht des Gewichts des Tatvorwurfs auch verhältnismäßig" sei. Aha.

Es fragen gerade viele Leute, die die juristischen Details nicht so verfolgen und die nicht so akribisch Zeitung lesen wie wir, ob jetzt das Verfahren gegen Andrej eigentlich beendet sei. Weit entfernt, würde ich sagen. Es wird jetzt anstatt wegen Bildung einer terroristischen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt – das einzige, was es nicht mehr gibt, ist der Haftbefehl. Das war natürlich ein großer Schritt vorwärts, aber mitnichten schon die Einstellung des Verfahrens. Es wird weiter ermittelt und wird dann auch zu einem Prozess deswegen kommen, wenn nicht doch noch jemand denkt, dass die Einstellung hier die klügere Variante wäre.

Gerade habe ich im Wochenrückblick von gulli.com auf die Frage

Wie erging es dir, euren Kindern und deinem Lebensgefährten in dieser Woche?

noch geantwortet:

(…) Ansonsten war die Woche so stressig wie alle seit dem 31.7., und vor
allem aber auch sehr großartig, weil die letzten drei in diesem
§129a-Verfahren wegen Terrorismus Angeklagten gegen Auflagen aus der
Untersuchungshaft entlassen wurden.

Mit dem Eintreffen der Post vom BGH hat sie an Großartigkeit deutlich verloren. 

 

Nie wieder Terrorist

Champagner!

Der BGH gab eben bekannt, dass er entschieden hat, dass die drei noch in U-Haft befindlichen Terroristen keine sind und deswegen auf Kaution freizulassen sind. Kriminell sollen sie sein. Um Andrej und die restlichen drei Beschuldigten geht’s in der Entscheidung nicht, was in der Natur des Sache liegt, weil ja über die Haftbeschwerde der drei in U-Haft entschieden wurde. Aber ich kann mich nur ganz schlecht vorstellen, dass die nun weiter Terroristen sein sollen.

En Detail:

 

Haftbefehle gegen mutmaßliche Mitglieder der
"militanten gruppe" außer Vollzug gesetzt

Der Generalbundesanwalt führt gegen drei
Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, sie hätten
als Mitglieder der linksextremistischen, gewaltbereiten Organisation
"militante gruppe" in der Nacht des 31. Juli 2007 versucht, in
Brandenburg/Havel drei Lkw der Bundeswehr in Brand zu setzen. Die
Beschuldigten waren durch observierende Polizeikräfte in unmittelbarer
Tatortnähe festgenommen worden; die an den Fahrzeugen angebrachten
Zündvorrichtungen hatten noch rechtzeitig entfernt werden können. Wegen
dieses Verdachts hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf
Antrag des Generalbundesanwalts gegen die Beschuldigten Haftbefehle
erlassen. Diese sind rechtlich auf den Vorwurf der Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung, der versuchten Brandstiftung und der
versuchten Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel gestützt.

Auf die Beschwerden der Beschuldigten hat der für
Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die
Haftbefehle abgeändert und gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die
Beschuldigten sind zwar der Tat vom 31. Juli 2007 und auch der
Zugehörigkeit zur "militanten Gruppe" dringend verdächtig. Dies
begründet jedoch in rechtlicher Hinsicht nicht den Vorwurf der
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a StGB),
sondern nur denjenigen der Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung (§ 129 StGB). Obwohl die Tätigkeit der "militanten gruppe"
darauf ausgerichtet ist, Brandanschläge namentlich gegen Gebäude und
Fahrzeuge staatlicher Institutionen sowie privatwirtschaftlicher
Unternehmen und sonstiger Einrichtungen zu begehen, kann die
Gruppierung nicht als terroristische Vereinigung eingestuft werden.
Zwar handelt es sich bei derartigen Taten um potentiell terroristische
Delikte aus dem Katalog des § 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB. Seit der
Neufassung der Vorschrift im Jahr 2003 ist die Beteiligung an einer
Organisation, die auf die Begehung derartiger Straftaten ausgerichtet
ist, indes als Betätigung in einer terroristischen Vereinigung nur noch
dann strafbar, wenn die Taten dazu bestimmt sind, im Einzelnen
aufgezählte – staatsgefährdende – Ziele zu erreichen und darüber hinaus
"durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder
eine internationale Organisation erheblich schädigen" können. Mit der
Einfügung dieser allerdings wenig bestimmten zusätzlichen Merkmale hat
der Gesetzgeber die Strafbarkeit nach § 129 a Abs. 2 StGB nach
ausführlicher Erörterung im Gesetzgebungsverfahren bewusst deutlich
eingeschränkt. Dies führt im Fall der "militanten gruppe" dazu, dass
sie lediglich als kriminelle Vereinigung angesehen werden kann; denn
die von ihr bereits begangenen und beabsichtigten Taten sind nach der
Art ihrer Begehung – auch unter Berücksichtigung ihrer Frequenz und
Folgen – nicht geeignet, die Bundesrepublik Deutschland im Sinne des
Gesetzes erheblich zu schädigen. (weiter)

Und weil es dazu ja noch mehr zu sagen gibt, gibt es morgen dazu eine Pressekonferenz, zu der alle eingeladen sind, die darüber berichten wollen.

Ein Terrorist

Ein error ist..

gefunden bei gulli.com.

Der Überwachungsalltag bleibt spürbar, weniger für uns, dafür mehr für FreundInnen und Bekannte:

  • EIner, der auch als Zeuge vorgeladen wurde, konnte bereits letzte Woche weder mich noch Andrej auf unseren Handys erreichen. Unter Andrejs Nummer gerät er an eineihm unbekannte Frau, beide sind sich schnell einig, dass sie sich nicht kennen. Unter meiner Nummer gibt es eine englischsprachige Ansage, die nicht meine ist ‚Please call again later..‘
  • Einer der anderen Beschuldigten im Verfahren bestellt sich per Post ein neues Handy: die Packung ist aufgerissen, so sehr, dass die Post sie in eine Tüte packt mit einem Aufkleber, dass die Verpackung zu stark beschädigt sei
  • Ein anderer Zeuge hat auf seinem Handy 12 sms gespeichert und erhält plötzlich die Meldung, dass der Speicher nun voll sei
  • Eine Freundin bekommt immer beim ersten Anruf, den sie machen will nachdem sie Andrej anrief, die Nachricht, dass die Nummer nicht vergeben sei
  • Ein Bekannter bemerkt beim Telefonieren plötzlich einen starken Hall. Den gab es bei Telefonaten vor längerem schonmal: sein Vater hatte die Angewohnheit, mit amerikanischen Billig-Anbietern zu telefonieren, und die Umleitung dorthin erzeugte denselben Effekt
  • Auf dem Display von Andrejs Handy erscheint immer dann, wenn er gute FreundInnen anruft, die Meldung ‚Rufumleitung nur wenn [Nummer oder eingespeicherter Name]. Andrej selbst hat allerdings keine Umleitungen veranlasst.

Ansonsten stelle ich fest, dass es gerade unglaublich viele Texte, Videos, Plakate.. zum Thema Terrorismus gibt. Zur Abwechslung mal eins über die Polizei, dass mir gut gefiel:

polylog 'we are the world'

"We are the world", by polylog wildpark.

(noblogs.org embeddet nicht, daher der Umweg) 

Too Much Coffee

Die Frage danach, was Terrorismus sei, ist weiter offen und ehrlich gestanden nehme ich nicht an, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird. Um die Annäherung an eine Antwort voranzutreiben seien alle weiterhin aufgefordert, sich am Preisausschreiben zu beteiligen, und/oder attraktive Preise zu spenden!

Die wunderbare Ivana hat dieses gefunden, und nebenbei einen kurzen Überblick auf slowenisch kroatisch verfasst.

Zu der Frage, wer Andrej heute vor der Uni gefilmt hat: nicht das BKA, sondern Polylux. Das Ergebnis gibt es Donnerstag. Ebenfalls im Fernsehen gab es diesen Fall, bei dem schon linksbündiges Times New Roman als Indiz reichte.