Über Anne Roth

Schreibt ins Netz seit 1999 / Bis Dez. '23 Referentin für #Netzpolitik links im Bundestag / 2014 - 2017 Referentin im NSA-Untersuchungsausschuss / parteilos. Mehr über Anne Roth steht hier

„Geheimdienst hilft Linken“

Diese Überschrift lächelte mich Freitag in der Berliner Zeitung an. Hat man ja nicht alle Tage, dass der Geheimdienst Linke nicht verfolgt, sondern sogar helfen will.

Beim näheren Hinsehen bedauerlicherweise entpuppte sich das als leicht fehlgeschlagener Titel zur Meldung zum Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes für Linksextreme. Steht zwar überall, aber so neu ist das ganze nicht, weswegen es dem Pantooffelpunk schon im Sommer 2010 gelang, einen Aussteiger zu finden, der bereit war, über seine Erfahrungen zu sprechen:

Interview mit einem Aussteiger

5. Juli 2010, 11:48 Uhr von pantoffelpunk

Die Bundesregierung startete jüngst ein Aussteigerprogramm für Linksextremisten, dessen Sinn von vielen linken Gruppen und Aktivisten kritisiert wird. Ganz aktuell und exklusiv gibt es dazu auf pantoffelpunk.de ein Blitzinterview mit dem Aussteiger T.F.:

pantoffelpunk.de: “Herr F., sie sind aus der linksextremen Szene ausgestiegen. Wie haben Sie das geschafft?”

Herr F.: “Ich bin sonst jeden Dienstag zum Treffen der Autonomen Antifa meiner Stadt gegangen, an einem Dienstag im November des letzten Jahres allerdings bin ich von einem alten Bekannten, der mit der Szene nichts zu tun hat, zum Spieleabend eingeladen worden. Wir haben nett geklönt, ein paar Bier getrunken und witzige Gesellschaftsspiele gespielt. Das war ein sehr netter Abend.”

pp: “Wie ging es weiter?”

F.: “Am Ende des Abends fragten die mich, ob ich am nächsten Dienstag wieder kommen wolle, einer würde auch eine WII mitnehmen. Ich sagte zu und hielt meine Verabredung ein.”

pp: “Sie fehlten also wieder bei dem Treffen der Antifa? Wie haben ihre Kamer… Mitstreiter reagiert?”

F.: “Ich habe irgendwann S. von der Antifa angerufen und gesagt, dass ich Dienstags jetzt etwas anderes vorhätte und nicht mehr an den Treffen teilnehmen würde. Er war natürlich etwas enttäuscht, schließlich hatten wir davor Jahre lang gemeinsam im rechtsextremen Millieu recherchiert und Daten veröffentlicht, wir haben Aktionen geplant, Demos organisiert und Migranten bei der Suche nach Hilfen unterstützt.”

pp: “Wurden Sie in der Folgezeit unter Druck gesetzt und bedroht?”

F.: “Ja. Man hatte mir massiv damit gedroht, den Termin auf Mittwoch zu verlegen, ich solle doch bitte wieder dabei sein.”

pp: “Aber Sie sind hart geblieben?”

F.: “Ja, ich hatte schon länger keine Lust mehr, wollte das Feld den Jüngeren überlassen und auch wieder mehr Zeit für meine Freundin haben.”

pp: “Mussten Sie untertauchen?”

F.: “Ja, ich habe ein paar Antifas wiedergetroffen, als ich im letzten Monat im Freibad war. S. hat mich lachend untergeduckert. Einer hatte auch einen Ball mit. Wir haben dann eine Stunde lang “Schweinchen in der Mitte” gespielt und meistens war ich das Schweinchen. Dann musste ich Gott sei Dank raus, ich hatte nur ein Zweistundenticket und wollte nicht nachbezahlen.”

pp: “Herr F., wir danken für das Gespräch.”

 

Und jetzt mal im Ernst: ich halte solche Programme für a) Quatsch und b) hochgradig demagogisch. Sie sind die Fortsetzung des Versuchs der gegenwärtigen Regierung, rechts und links (-extrem) gleichzusetzen. Es ist kein Geheimnis, dass das sowohl in der Theorie wie in der Praxis größtmöglicher Blödsinn ist. Rechte Ideologie hat völlig andere Ziele als linke. Linke haben seit den 80’er Jahren niemanden mehr umgebracht, Rechte sind eine permanente Gefahr und haben bis heute zahlreiche Menschen auf dem Gewissen. Nicht versehentlich. Wenn Linke/Linksextreme sich entscheiden, mit ihrem Leben was anderes anfangen zu wollen, dann tun sie das. Fertig aus. Niemand wird bedroht deswegen. Warum zum ‚Ausstieg‘ Hilfe nötig sein soll, hat noch niemand erklären können.

Das wäre eher komisch, solange es keine ernsthaften Konsequenzen hätte. Nur werden zur Finanzierung dieser ‚Linksextremismus‘- Aktivitäten solche gegen Rechtsextremismus zusammengekürzt. Und das ist dann tatsächlich gefährlich.

Video – Nach der Berliner Wahl: Wer ist die Piratenpartei?

Und gleich noch eine Veranstaltung, auch von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, auch im Betahaus, aber knapp einen Monat später.

Piraten auf Erfolgswelle. Nach der Berliner Wahl: Wer ist die Piratenpartei?

Mit Martin Delius, Piratenpartei Deutschland, Gero Neugebauer, Parteienforscher, Horst Kahrs, Grundsatzabteilung beim Parteivorstand Die LINKE. Ich fand’s interessant, logisch, ich konnte ja auch die Fragen stellen. Teils ein bisschen langatmig wahrscheinlich, aber dafür mit allerhand Tiefgang. Ob Euch das auch so ging, interessiert mich.

„Wie das Internet Politik verändert“

Kathrin Senger-Schäfer, MdB (medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion) im Gespräch mit Falk Lüke (Digitale Gesellschaft), Frank Rieger (Chaos Computer Club), Anne Roth (annalist.noblogs.org), Christoph Sydow (alsharq.de) und dem Publikum auf der netzpolitischen Konferenz von Bundesfraktion der LINKEN und Rosa-Luxemburg-Stiftung am 3.9. in Berlin: http://netzfueralle.de

Bei der netzpolitischen Konferenz von Rosa-Luxemburg-Stiftung und Linksfraktion gab es nicht nur das spontane Wikileaks-Panel, das hier schon dokumentiert wurde, sondern auch dieses ganz regulär im Programm.

Wer ist die Piratenpartei? Mittwoch 18 Uhr, betahaus Berlin

Die Frage enthüllt in ihrer grammatischen Komplexität schon das Problem. Müsste es nicht heißen „Was ist die..?“ ?

Oder „Warum ist die Piratenpartei?“?

Ich werde der Frage moderierend am Mittwoch nachgehen und hoffentlich Antworten und Denkanstöße bekommen von

Und zwar im Betahaus, Prinzessinnenstr. 19/20, 10969 Berlin // Als Facebok-Event

Organisiert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung:

Piraten auf Erfolgswelle

Nach der Berliner Wahl: Wer ist die Piratenpartei? Reihe «Politik aktuell»

In vielen Bewertungen wurden die Piraten als eine Nischenpartei für Netz & Nerds abgetan. Tatsächlich gelang dem Projekt bei keiner der vergangenen Landtagswahlen ein Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Am 18. September stimmten nun fast 130.000 Berlinerinnen und Berliner für die Piraten. Ist Berlin die Hauptstadt der Hacker und Club-Mate-Trinker? Wer ist die Gruppe der „digital natives“ tatsächlich? Oder waren es die Forderungen nach mehr Bürgerrechten, staatlicher Transparenz und einem kostenlosen Grundeinkommen, die auf Anhieb neun Prozent der Wähler mobilisieren konnten?

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung begrüßt die neue Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und diskutiert gemeinsam mit Vertretern der Piratenpartei die Gründe für ihren Erfolg.

Die Räumung des Kukutza

Jetzt wird’s ein bisschen themenfremd, das habt Ihr meiner alten Hausbesetzerinnen-Seele zu verdanken.

Ein Haus in Bilbao wurde geräumt. Nicht irgendein Haus, sondern das Kukutza. Sowas habe ich sonst noch nirgends gesehen. Ich war da mal vor fast zehn Jahren, und wurde mit sehr offenen Armen aufgenommen, obwohl mich niemand kannte. Seht Euch das Video an, dann versteht Ihr, was ich meine.

Das Haus wurde seit Mittwoch nicht nur geräumt, es wird abgerissen. Offenbar ist der ganze Stadtteil in Aufruhr, wahllos werden Menschen verprügelt, niemand in den Stadtteil hineingelassen und sogar der Strom abgestellt.

Das Haus war offensichtlich ein 1a-Kulturzentrum und hat viel erledigt, wofür Städte sonst viel Geld bezahlen (früher oder später). Wozu die Räumung gut sein soll.. ach ja, die Sache mit dem Eigentum.

Radio Dreyeckland hatte kurz vor der Räumung jemanden interviewt, der gerade dort war:

Bilder von der Räumung, ein Video und die obligatorische Facebook-Seite. Außerdem ein Flugblatt (pdf) mit Hintergründen und Bilder von Transparenten etc. zum Thema in Deutschland.

 

£20,000 Entschädigung für Terrorismus-Festnahme in Nottingham

Rizwaan Sabir, der als Doktorand legal ein Al-Qaeda-Hadbuch heruntergeladen hatte, war 2008 in Nottingham festgenommen worden und war sieben Tage in Untersuchungshaft. Jetzt hat er als Entschädigung £20,000 bekommen. Außerdem eine Entschuldigung. Wer vorige Woche „Freiheit oder Sicherheit“ bei arte gesehen hat, erinnert sich sicher an den Fall.

Guardian: Student in al-Qaida raid paid £20,000 by police

BBC: Police agree £20,000 payment over Rizwaan Sabir arrest

Wir werden ja öfter mal gefragt, ob es eigentlich eine Entschuldigung für irgendwas gab, oder auch eine Entschädigung. Gab es nie. Eine Entschädigung .. dazu hätten wir genau den (finanziellen) Schaden nachweisen müssen (bei Soziologen nicht so einfach). Wahrscheinlich psychologische Gutachten anschleppen. Haben wir natürlich nicht – in den Wochen und Monaten im Herbst 2007 hatte ich andere im Kopf. Die in Deutschland festgelegte Entschädigungs-Summe für U-Haft ist so lächerlich, dass sie nicht ausgleicht, was es an Nerven kostet, sich damit zu beschäftigen. Die Notwendigkeit, sich hinterher neue Computer zu kaufen, nachdem die alten Wochen und Monate beim BKA waren, wäre vermutlich auch nicht anerkannt worden.

Jedenfalls: Glückwunsch nach Nottingham!

Freiheit statt Angst 2011

Halb voll oder halb leer, das Glas? Dieses Jahr waren weniger für Freiheit statt Angst auf der Straße, aber trotzdem viele.

http://www.flickr.com/photos/anne_roth/6134234114/

Was mir an dieser Demo – neben dem Thema – gefällt ist, dass sich viele Leute echt Mühe geben und viel selbstgebasteltes Gedöns mitbringen. Schöne Bilder gibt’s u.a. hier. Die dpa zählte 5000, ich hätte 3-4000 geschätzt. Im Grunde war es unmöglich zu zählen, denn auf der gesamten Strecke von Pariser Platz über Unter den Linden bis Alex war zwischen Demonstrierenden, Touris und Einkaufenden nicht immer leicht zu unterscheiden. (Pressespiegel)

Aktuell ist das Thema weiterhin. Wer denkt, wir hätten mit dieser Bewegung die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft, hat recht und unrecht: sie biegt wieder um die Ecke. Deswegen ist es wichtig, die aktuelle Petition zu unterschreiben. Nur wenn bis zum 14. September 50.000 Unterschriften zusammen kommen, gibt es eine mündliche Anhörung im Bundestag. Also unterschreibt!

Natürlich ist so eine Anhörung nicht das Ziel aller Wünsche, aber sie hilft schon enorm dabei, noch sehr viel mehr Menschen für das Thema zu interessieren.

Die beiden Highlights der Demo waren für mich Nina Hagen und Lothar König.

Viele waren sich ja für Nina Hagen zu cool – ich würde mir mehr Leute wünschen, die sich nach so einem Leben nicht zu schade sind, auf dem Alex deutlich zu sagen, was sie von der aktuellen politischen Lage halten. Nina Hagen hat da schon in den Sechzigern Lieder gesungen. Heute hat sie daran erinnert, dass Martin Luther King 1964 in der Marienkirche ganz in der Nähe des Alex war und hat die Demo in eine Linie gestellt mit dem damaligen Einsatz für Freiheit. Außerdem hat sie so schön gesungen wie immer. Das reichte von „We shall overcome“ (mit Mitsingen!) bis Brecht. Vorsichtshalber hat sie das dazu gesagt, und wahrscheinlich hat sie nicht so schief damit gelegen, dass die meisten den gesungenen Brecht sonst nicht erkannt hätten..

Auch Lothar König hat erst seine Stasi-Akte und dann die gerade erhaltenen §129-Akten hochgehalten. Er hat ziemlich klare Worte zur Verfolgung von Antifa-Aktivitäten in Dresden gesagt und Bibelstellen zitiert, die ohne Bibel wahrscheinlich ausreichend wären, ein neues Verfahren wegen Aufruf zu Straftaten zu kassieren. Außerdem hat er auf den gerade erschienenen Bericht des Datenschutzbeauftragten über die Dresdner Handy-Überwachung hingewiesen und angekündigt, dass am Montag zahlreiche betroffene Geheimnisträger (ÄrztInnen, JournalistInnen usw) die sächsische Staatsanwaltschaft verklagen werden. Wer auch in Dresden war und sich an den Klagen beteiligen möchte, kann sich an die JG Jena wenden.

Für ihn ist wichtig, sich von Hausdurchsuchungen und Strafverfahren nicht einschüchtern zu lassen. Egal, ob sie von der Stasi oder vom Verfassungsschutz angeleiert wurden. Zum Schluss hat er noch denen ins Gewissen geredet, die sich im ewigen Hick-Hack zwischen Antideutschen und Antiimps verfangen. Es gibt wichtigeres zu tun.

Freiheit statt Angst 2011

Seehr schade, dass Lothar König vom Zeitplan-einhaltenden Padeluun von der Bühne gefegt wurde, denn eigentlich wollte der noch ein Abschiedslied mit Nina Hagen singen, und das wäre großartig geworden.

DLF: Der Fall Lynne Stewart. Eine amerikanische Geschichte

Im Deutschlandfunk gab es gestern das Feature „Der Fall Lynne Stewart. Eine amerikanische Geschichte„. Über Lynne Stewart hatte ich hier schonmal geschrieben, als sie im November 2009 in New York inhaftiert wurde. Im Juli 2010 wurde die bekannte Anwältin zu 10 Jahren verurteilt. Eine sehr gruselige Geschichte.

Im April 2002, sieben Monate nach 9/11, wird die Bürgerrechtsanwältin Lynne Stewart in New York verhaftet und der Beihilfe zum Terrorismus bezichtigt. Sie war die Verteidigerin des „Blinden Scheichs“ Omar Abdel-Rahman, der in den USA als Mastermind für den ersten Anschlag auf das World Trade Center zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.

Anfang der 90er-Jahre hatten die Amerikaner dem geistigen Führer der Islamistischen Bruderschaft aus Ägypten Aufenthalt gewährt. Er galt ihnen als Freiheitskämpfer, weil er Freiwillige für den Kampf gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan rekrutiert hatte.

Lynne Stewart hatte gegen die verschärften Haftbedingungen verstoßen, die gegen den Scheich verhängt worden waren. Dafür wurde die damals 70-jährige Anwältin im Juli 2010 zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Das Feature als mp3 (20mb) / Text / pdf.

 

Danke für den Hinweis!