Über Anne Roth

Schreibt ins Netz seit 1999 / Bis Dez. '23 Referentin für #Netzpolitik links im Bundestag / 2014 - 2017 Referentin im NSA-Untersuchungsausschuss / parteilos. Mehr über Anne Roth steht hier

Verfassungsschutz entscheidet in NRW über Gemeinnützigkeit

Wir waren alle empört, als wir im Sommer hörten, dass der Verfassungsschutz über die Gemeinnützigkeit von Vereinen entscheiden solle. Das wurde glücklicherweise in letzter Sekunde abgewendet.

Die Idee, versteckt im neuen Steuergesetz, war: wenn ein Verein im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, ist er extremistisch und kann damit nicht mehr gemeinnützig sein. Hat in der Folge also deutlich weniger Aussicht auf Förderung und kann auch keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen, bekommt also ziemlich sicher auch weniger Spenden.

Und wir dachten, das sei jetzt erledigt. Pustekuchen.

Mit dem Steuerbescheid vom 14.12.12 teilte uns das Finanzamt Wuppertal mit, dass dem Verband ab 2010 die Gemeinnützigkeit entzogen wird.
(…) Die unverschämte Begründung: “Der Verein wurde im Verfassungsschutzbericht 2010 als Vereinigung erwähnt, bei der es belegbare Hinweise für eine Einstufung als extremistische Vereinigung gibt.“

..schreibt der Frauenverband Courage.

Ich habe dann in den Verfassungsschutzbericht geschaut – immerhin 300 Seiten bloß für Nordrhein-Westfalen – und gleich drei Hinweise auf Courage e.V. gefunden. (Vorsicht beim Klicken, wer weiß, in welchem Honeypot ihr landet).

moskauCourage e.V. sei eine Vorfeldorganisation der MLPD.

Ui. Die MLPD. (Gibt’s die noch?)

Könnten sich bitte mal alle bei mir melden, die glauben, die MLPD wäre willens und in der Lage, die Republik zu stürzen?

Courage selber schreibt im übrigen, sie seien nicht Teil der MLPD, lediglich „für den breiten Zusammenschluss der Frauenbewegung ohne antikommunistische Ausgrenzung.“ Das Verhältnis von Verfassungsschutz und Kommunismus habe ich ja letzten Sonntag beim 29c3 schon erklärt.

Und was machen die konkret so Verfassungsfeindliches? Der Verband, so der VS-Bericht

..konzentrierte seine Arbeit vor allem auf die Vorbereitung der 1. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen vom 4. bis 8. März in Caracas/Venezuela, in dessen Rahmen auch der 100. Internationale Frauentag am 8. März gefeiert wurde.

Und:

Am 8./9. Oktober 2011 trafen sich Teilnehmer aus dem In- und Ausland in Gelsenkirchen zum 2. Internationalen Umweltratschlag. In Plenumsdiskussionen, Foren und Workshops wurden umweltpolitische Fragen diskutiert. Maßgebliche Trägerorganisationen waren unter anderem die MLPD, ihr Jugendverband ‚Rebell*‘ und ihr ‚Frauenverband Courage*‘.

Das ist alles.

Ach ja, und zur MLPD an sich und warum die ein Problem ist:

Die 1982 aus dem ‚Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands‘ (KABD) hervorgegangene MLPD bekennt sich nach wie vor zu den Lehren von Marx, Engels, Stalin und Mao Tse-tung und verbindet nach eigener Aussage „den Kampf um die Forderungen der Arbeiter- und Volksbewegungen mit dem Ziel der internationalen sozialistischen Revolution“. Die Zielsetzung der MLPD ist durch eindeutig verfassungsfeindliche Aussagen geprägt.

Hallo? Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden? Wird das nicht auch gern mal von konservativer Seite deklamiert? On the other hand – wer regiert gleich noch in Nordrhein-Westfalen? Liebe SPD- und Grünen-Mitglieder: findet Ihr das richtig?

Ich bin übrigens keine Kommunistin und halte Stalin für einen Verbrecher, falls irgendwie Missverständnisse aufkommen sollten.

Aber ich fände hilfreich, wenn anerkannt würde, dass der kalte Krieg vorbei ist, und es keine kommunistischen Vereinigungen in Deutschland mehr gibt, die von irgendwem ernstgenommen werden. Was wir allerdings haben, ist ein Nazi-Problem.

 

(Gibt es eigentlich noch mehr Fälle?)

LKA: Mietenproteste sind linksextremistisch

Wir haben gestern bei Kotti & Co. Silvester gefeiert, was sehr nett war und nicht annähernd so schrecklich, wie ich mir das am Kottbusser Tor vorgestellt hatte. Das Protestcamp gegen die hohen Mieten steht immer noch und ist inzwischen zu einer gemütlichen Hütte geworden.

Zwischendurch habe ich diese Geschichte gehört:

Ende Oktober fanden bei Kotti & Co. Aktionstage statt:

Im Protestcamp und bei den UnterstützerInnen aus allen Stadtteilen macht sich der Eindruck breit, dass die PolitikerInnen in einer Parallelwelt leben, in der die soziale Realität vieler Mieterinnen und Mieter nicht vorkommt. Wir haben deshalb beschlossen, unsere Realität dorthin zu tragen, wo über uns entschieden wird.

Am zweiten Tag gingen etwa 20 Frauen zur Senatsverwaltung für Soziales, gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen in einem Haus in der Oranienstrasse 106 und trommelten auf Kochtöpfen. Warum?

„Unser Anliegen ist es ja, die Verdrängung durch die Jobcenter zu stoppen und beide Verwaltungen haben damit zu tun. .. Da diese unsere Sorgen die Verantwortlichen nicht zu interessieren scheinen, oder sie nichts davon wissen, sind wir vor die Senatsverwaltung für Soziales gezogen und haben dort mit den bewährten Kochtöpfen auf uns aufmerksam gemacht. „

Soweit so normal für Berlin (Kreuzberg). Die Senatsverwaltung war nicht amüsiert. Dann kam die Polizei, laut Bericht von Kotti & Co. gerufen von einem Passanten, und war der Meinung, es handele sich nicht um eine spontane Versammlung. (Spontane Demonstrationen sind erlaubt, nicht spontane Demonstrationen müssen angemeldet werden.)

Die Polizei brauchte eine Verantwortliche, die es natürlich nicht gab. Um das Ganze glimpflich über die Bühne zu bringen, erklärte sich Taina Gärtner, Bezirksverordnete der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, bereit.

Und bekam kurz darauf eine Vorladung vom LKA Berlin, konkret von Staatsschutz. (Als ich mich heute am Telefon mit jemandem von Kotti & Co. unterhielt, der bei dem Verhör dabei war, brach an dieser Stelle das Telefonat für ein paar Sekunden ab. War nach kurzer Stille aber wieder da).

Das Gespräch fand in einem Büro statt, von dem ich gern Fotos gesehen hätte. Die beschreibenden Worte waren: „Fast wie in The Wire, verbeulte Aktenschränke, ein winziges Fenster, furchtbar!“.

Und was hat also der Polizeiliche Staatsschutz mit 20 auf dem Gehweg stehenden Frauen zur tun? Das wurde im Verhör erklärt:

Es gibt bestimmte Themen, die für den Staatsschutz, Abteilung Linksextremismus, als relevant gelten. Dazu gehören Asyl & Flucht, und eben Mieten und Gentrifizierung.

Nochmal zum Mitschreiben: (Beschäftigung mit) Gentrifizierung = Linksextremismus.

Offenbar haben aus diesem Grund auch Beamte des LKA mehrere Lärm-Demos von Kotti & Co. observiert – das wurde den OrganisatorInnen von den ja auch immer anwesenden Mitgliedern der ‚Anti-Konflikt-Teams‘ mitgeteilt.

Das Verfahren gegen Taina Gärtner wurde mittlerweile wieder eingestellt.

 

 

Best of … Verfassungsschutz

Oder: Der Verfassungsschutz schützt die Verfassung so wie Zitronenfalter Zitronen falten.

Darüber habe ich eine Stunde Sonntag morgen beim 29c3, der jährlichen Konferenz des CCC gesprochen und das Video ist schon online:

http://www.youtube.com/watch?v=YeyR86Me6_Y

Auch als mp4 (sha1) und torrent.

Leider habe ich nicht geschafft, das Ganze so zusammenzukürzen, dass am Ende Zeit für Fragen und Kommentare geblieben ist, was mich wirklich ärgert. Umso mehr würde ich mich über welche hier freuen. Ich hätte auch gern am Ende noch ein bisschen klarer gemacht, worauf ich hinaus wollte und was das Fazit der ganzen Angelegenheit ist, aber vielleicht erklärt sich das ja auch einigermaßen von selbst. An die Reformierbarkeit der Verfassungsschutz-Behörden glaube ich derzeit nicht.

Feedback zum Talk könnt Ihr auch sehr gern beim CCC hinterlassen, und zwar hier rechts unten, indem Ihr auf den quietschgrünen Button klickt.

Falls ich mir durch diesen Auftritt genauere Beobachtung durch den Verfassungsschutz eingehandelt haben sollte, was ja überhaupt nicht auszuschließen ist – jedenfalls ist es anderen so gegangen, nicht zuletzt Rolf Gössner, wie im Talk erwähnt -, dann müsste das ja sicherlich von der ebenfalls erwähnten G10-Kommission bzw. dem Parlamentarischen Kontrollgremium genehmigt werden. Liebe Mitglieder von G-10-Kommission und PKGr: ich baue darauf, dass Ihr Interesse daran habt, nach dieser Entscheidung gut schlafen zu können und also gut prüft, ob meine Meinung für die Verfassung tatsächlich ein Problem darstellt. Ich glaube das überhaupt nicht.

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Außerdem habe ich beim Kongress bei Deutschlandradio Kultur – Breitband über eher praktische Aspekte von Überwachung, meine Arbeit bei Tactical Tech und die kulturellen Differenzen zwischen Hackern und NGOs gesprochen, hier nachhörbar. Warum die Sendung Computer, Politik und Kochtöpfe #29C3 hieß, erschließt sich mir nicht, aber wenn wer den Kochtopf findet, wäre ich über eine Nachricht dankbar.

Die mp3 (8,9mb) – etwa ab Minute 18 bin ich dran.

Links zur Sendung:

Sowjetisches Ehrenmal im Zuckerbäckerstil

Wir haben am Freitag das Sowjetische Ehrenmal in Treptow gebacken. Das fällt etwas aus dem sonst üblichen Rahmen dieses Blogs, aber muss einfach sein. Außerdem ist ja Weihnachten.

Der Ruhm gebührt vor allem:

Franziska Kleiner, Michelle Teran und Diana McCarty, die alles ausgedacht, geplant und die Lebkuchenplatten gebacken haben. Danke!

(Übrigens zum dritten Mal, es gab schon zwei frühere Lebkuchen-Monumente.)

Außerdem mitgemacht haben Hito Steyerl und Filipa César, und unsere sechs Kinder.

 

 

 

 

 

 

 

 

Um den „Befreier“ angemessen darstellen zu können, war das zerbrechende Hakenkreuz notwendig. Ehrenvollerweise haben die Kinder diesen Part übernommen.

 

 

Nochmal von der Seite.

 

Sah unglaublich großartig aus, war aber im Prozess des Entstehens auch sofort der Zerstörung ausgesetzt. Das Schicksal aller Lebkuchenhäuser. Nächstes Jahr wieder.

Patriot Act erlaubt Zugriff auf Daten in der Cloud auch außerhalb der USA

Auch die (verhältnismäßig) starken europäischen Datenschutz-Regularien schützen EU-Daten in der Cloud nicht, haben niederländische Forscher in einer neuen Studie zu „Cloud Computing in Higher Education and Research Institutions and the USA Patriot Act“ festgestellt. Sie sagen:

Institutionen verlagern ihre Daten und IT-Operationen zunehmend in die Cloud. Die Konsequenz: Weniger Überblick und Kontrolle für die Regierungen über Daten für Strafverfolgung und Fragen der nationalen Sicherheit.

Konkret geht es um die Möglichkeiten, die sich die US-Regierung mit dem US-Patriot-Act 2001 gegeben hat.

Axel Arnbak, einer der Autoren der Studie, dazu auf CBS News:

Die meisten Cloud-Anbieter, darunter ganz sicher die Marktführer, fallen in die Zuständigkeit der US-amerikanischen Rechtsprechung entweder weil sie US-Firmen sind oder aber weil sie regelmäßig in den USA Geschäfte betreiben. Vor allem das FISA-Gesetz (Foreign Intelligence Surveillance Amendments Act) erleichtert es US-Behörden, kommunale und regionale Behörden zu umgehen und eine direkten und einfachen Zugang zu Cloud-Daten anzuordnen, die Nicht-US-BürgerInnen gehören, die außerhalb der USA leben, mit wenig oder keiner Verpflichtung zu Transparenz bezüglich dieser Praktiken – nicht einmal zur Anzahl solcher Abfragen.

Die Frage nach Zugriffsmöglichkeiten auf eigentlich durch Datenschutz-Regelungen geschützte Cloud-Daten ist nicht neu. Microsoft hat bereits 2011 zugegeben, dass nicht garantiert werden könne, dass seine KundInnen aus der EU überhaupt erfahren, wenn auf ihre Daten, die sich in Rechenzentren in der EU befinden, durch den Patriot Act legitimiert zugegriffen wird. Microsoft U.K. Managing Director Gordon Frazer 2011: „Und das kann auch kein anderes Unternehmen garantieren„.

Joris van Hoboken, ebenfalls Autor der Studie und Forscher am Institute for Information Law der Universität Amsterdam, kritisiert die Verschleierungstaktik der US-Regierung:

Während der Arbeit an der Studie, aber auch jetzt, nachdem sie veröffentlicht wurde, wurde deutlich, wie schwierig es ist, auch nur eine gemeinsame Grundlage für Diskussion oder gar Fortschritt bei diesem Thema zu finden. Die US-Regierung hat zum Beispiel erst kürzlich seine juristische Legitimation verteidigt (pdf), auf Daten von Nicht-US-BürgerInnen zugreifen zu können: das FISA-Erweiterungsgesetz von 2008, das wir in unserer Studie als besonders großzügig problematisiert haben. Wenn man das dem Statement über die fünf Mythen über den Schutz der Privatsphäre (pdf) des US-Botschafters bei der EU gegenüberstellt, könnte man fast den Eindruck haben, dass hier eine parallele Realität geschaffen wird.

Das vollständige Statement des US-Botschafters bei der EU, William E. Kennard, bei der 3. Jährlichen Europäischen Konferenz zu Datenschutz und Privatsphäre am 4. Dezember in Brüssel lässt sich hier nachlesen.

Besondere Brisanz bekamen die Ergebnisse der Studie in den Niederlanden in der vergangenen Woche, als bekannt wurde, dass US-Behörden möglicherweise Zugang zu den niederländischen PatientInnen-Daten haben. Das System zur digitalen Verwaltung der Daten wurde von CSC entwickelt, einer US-Firma mit einer Niederlassung in den Niederlanden, die die Daten auch weiterhin pflegt. Bereits im Juni hatte die sozialliberale Partei D66 darauf hingewiesen, dass die niederländischen Pässe von der US-Firma Morpho produziert werden und damit sämtliche Fingerabdrücke und weiteren biometrischen Daten US-Behörden per Patriot Act zugänglich sind . Die niederländische Innenministerin Lisbeth Spies erklärte gegenüber dem Parlament im Sommer, dass sie diese Möglichkeit nicht ausschließen könne. Die niederländische Ärzte-Vereinigung VPG klagt inzwischen gegen die digitale Patienten-Akte. Das Argument: die ärztliche Schweigepflicht kann nicht mehr garantiert werden.

CSC hat auch einen Sitz in Deutschland und wirbt u.a. mit den „Success Stories“ Software für Exporte des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Architecture Personnel Recovery beim Waffensystemkommando der Luftwaffe oder die e-Vergabe für das Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums.

 

Bild: Flickr, CC-BY-Lizenz, by FutUndBeidl

Crosspost von netzpolitik.org

Britischer Spitzel beim Sex von der Polizei vernachlässigt

1oo.ooo Pfund möchte Mark Kennedy von der britischen Polizei. Warum? Weil die ihn nicht davon abgehalten hat, sich zu verlieben.

?

Mark Kennedy war jahrelang undercover für verschiedenste Polizeien damit beschäftigt, politische Bewegungen auszuspionieren. Dabei hatte er auch sexuelle Beziehungen. Inzwischen klagen 10 Frauen und ein Mann deswegen gegen die britische Polizei. Nicht nur wegen Kennedy, es gab auch andere Fälle.

Und dafür will er jetzt Geld, denn

Mark Kennedy, who was known as Mark Stone until the activists discovered his identity in late 2010, filed a writ last month claiming damages of between £50,000 and £100,000 for personal injury and consequential loss and damage due to police „negligence“.

„I worked undercover for eight years,“ he told the Mail on Sunday. „My superiors knew who I was sleeping with but chose to turn a blind eye because I was getting such valuable information They did nothing to prevent me falling in love.“ (Guardian)

Vielleicht hilft das ja wenigstens, damit die zuständigen Behörden es sich nächstes Mal besser überlegen, und ein paar laufen offenbar noch herum: Deutsche Spitzel weltweit gut vernetzt.

 

Mark Kennedy war auch in Tarnac

Zu Mark Kennedy gehört auch seit kurzem die Pikanterie, dass er wohl auch mit der Terrorimus-Ermittlung gegen eine Gruppe aus Tarnac in Frankreich zu tun hatte. (Details u.a. in Giorgio Agamben über die neuen französischen ‘Terroristen’)

In Frankreich war seine Rolle erstmals im Februar 2011 im Wochenmagazin L’Express thematisiert worden. Anfang dieses Jahres tauchte er in einem Buch auf, das der Journalist Daniel Dufresne der Tarnac-Affäre widmete und für dessen Recherchen er sich sowohl mit den »Terrorverdächtigen« als auch mit Polizisten und Nachrichtendienstmitarbeitern getroffen hatte. Dufresne ist der Ansicht, die Affäre sei Gegenstand einer politisch-ideologischen Verblendung, die einerseits mit der Rolle der damaligen Innenministerin Michèle Alliot-Marie – die felsenfest an einen bevorstehenden »großen linksterroristischen Anschlag auf französischem Boden« glaubte – und ihrer fragwürdigen Berater zusammenhänge,… (…)

Das Material für diese Thesen lieferte unter anderem Kennedy. (Jungle World)

Seine Aktivitäten in Deutschland könnte sicher auch noch detaillierter untersucht werden:

There are particular concerns about his deployments in Germany, where he was twice arrested, once for committing an arson attack. (Guardian)

In Kanada z.B. hatte er

gegenüber der Presse erklärt, er sei damit beauftragt gewesen, wie die Spitzel in Kanada Aktivisten schwerere Tatvorwürfe anzuhängen, anstatt gegen sie lediglich wegen Delikten wie Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch zu ermitteln. (Telepolis)

Der Chef der Londoner Metropolitan Police meint übrigens, dass sexuelle Beziehungen zwischen Spitzeln und Überwachten nicht zu vermeiden sind.

Bild: Flickr, by bildpilot, CC-BY-NC-SA-Lizenz

Speakerinnen 2.0 – 2. Anlauf für eine neue Plattform

Es wird einen neuen Anlauf geben, die schon existierende und viel genutzte Speakerinnen-Liste zu verfeinern. Hintergrund: bei vielen Panels und Konferenzen und Podcasts und Sendungen sprechen viel weniger Frauen als repräsentativ wäre.

Wenn das kritisiert wird, liegt es immer daran, dass keine geeigneten Frauen gefunden wurden. Um dem abzuhelfen, gibt es die Liste. Aus verschiedenen Gründen ist sie verbesserungsfähig. Nach einem Gespräch nachts bei Twitter gab es Anfang November einen Anlauf für Speakerinnen 2.0, der krankheitsbedingt ausfiel. Hier nachzulesen: “Ich habe einfach keine Referentin gefunden!”

Deswegen jetzt nochmal:

Am Mittwoch, den 5. Dezember
um 20 Uhr
im Partizip Futur, Wattstr. 10 in Berlin

wollen wir anfangen, an Speakerinnen 2.0 zu arbeiten.

CC-BY: Kathy Meßmer und Sonya Winterberg

Warum?

  • Weil wir uns nicht mehr den Mund fusselig reden wollen, dass es genug kompetente Frauen gibt
  • Weil wir glauben, dass die alte Liste verbessert werden kann und die neue
    • sich nicht primär auf Netzfeminismus beziehen,
    • besser durchsuchbar sein,
    • mehr Features haben (Referenzen, Tags, Themen),
    • Lesestoff dazu anbieten, wie es besser geht,
    • gute und schlechte Beispiele zeigen soll
  • Weil wir denken, dass eine eigene Website dafür hilfreich ist
  • Weil wir Frauen ermutigen wollen, zu sprechen
  • Weil wir mehr kompetente Frauen auf der Bühne und am Mikro sehen wollen

Wer daran praktisch mitarbeiten will, ist herzlichst willkommen!

Wir suchen:

  • TexterInnen
  • DesignerInnen
  • FotografInnen
  • Datenbank-KönnerInnen
  • Website-BauerInnen
  • ein bisschen Geld – also neben Spenden gern auch Antrag-SchreiberInnen (oder BewilligerInnen!!)
  • Ideen-HaberInnen (es gibt sicher noch mehr als die oben genannten Dinge, für die Speakerinnen 2.0 gut sein könnte)

Bei Bedarf wird es die Möglichkeit geben, von zuhause teilzunehmen etwa per Skype oder Google-Hangout: bitte meldet das rechtzeitig an inkl. Eurer technischen Präferenzen, z.B. hier in den Kommentaren oder per Mail an mich.

Es gab beim ersten Versuch schon eine Menge Interesse – wir hoffen auf einen fulminanten Start! Sekt und Selters sind selbstverständlich inbegriffen.

Wer die Entstehung im Detail nachlesen möchte:

http://storify.com/annalist/uber-frauenlose-panels-bei-twitter

 

Bild: Flickr, by norfolkdistrict, CC-Lizenz

Tracking von Frauen in Saudi-Arabien, oder: Wenn alle voneinander abschreiben

Das Netz ist schön dafür, dass alles vernetzt ist (sic!), dass es schnell geht, dass ich mitkriege, was geschieht (wenn ich will).

Haken: wenn alle voneinander oder den Agenturen abschreiben, spielen wir Stille Post.

Aktuelles Beispiel: die Meldung, dass Frauen aus Saudi-Arabien, die das Land verlassen, elektronisch an ihren Herrn und Gebieter verpetzt werden, der dann eine SMS kriegt. Grauenhaft auf allen Ebenen, keine Frage.

Geht überall rum, hat ja auch alles Potential: Überwachung, elektronisch, Frauenunterdrückung, irgendwo da unten.

Ist aber doch nicht ganz so, wenn dem Post auf Riyadh Bureau Glauben geschenkt werden kann:

Is the Saudi Government Monitoring Women?

An uproar broke out on Twitter last week when some Saudi women discovered that their male guardians began receiving text messages on their phones informing them that the women under their custody have left or entered the country.

Reporting on the uproar, AFP described it this way: “women in Saudi Arabia are now monitored by an electronic system that tracks any cross-border movements.” This description is inaccurate.

..

At first, I did not understand the uproar on Twitter because I thought this notification system has been in place for a couple of years now.

..

When I asked why the uproar now when this has been going on for at least a couple of years now, people told me that the difference is that in the past you had to register for the service to to receive the notification text messages. Now, they said, you get the messages even if you don’t register with the ministry.

This doesn’t make sense. How is it possible for the Ministry of Interior (MOI) to send you these messages if you don’t give them your number?

As you can see here, you opt for the service. If you don’t want to get the SMS notifications then simply don’t register with the ministry. If you registered and want to opt out, the TOCs say at the end that “Both, Subscriber and MOI have the right to end the subscription at any time without showing cause.” Opting out does not mean that your dependents would no longer need permission for travel, but rather that you would have to visit the passport office to issue the permit instead of doing that conveniently online.

Das ist auch alles nicht schön, in keinster Weise. Aber ein bisschen anders als: (nur) die saudischen Frauen kriegen neuerdings elektronische Fußfesseln.

Gehört auch zum echten Qualitätsjournalismus: nicht alles unbesehen abschreiben.

Disclaimer: ob das stimmt, was Riyadh Buereau schreibt, kann ich nicht beurteilen.

 

Bild: Flickr, CC-Lizenz, by Anduze traveller

Das kleine digitale Horrorkabinett

Alles so gefährlich im Internet, sagen die einen. Ihr habt keine Ahnung, sagen die anderen.

Hier eine Sammlung von Schauerlichkeiten, die mir in letzter Zeit im Netz begegnet sind:

The Independent: Activists warned to watch what they say as social media monitoring becomes ’next big thing in law enforcement‘

Kronanwalt John Cooper beschreibt die Bedeutung von Sozialen Netzwerken für die britische Polizei. In Deutschland sieht das nicht viel anders aus. Ich teile seine Einschätzung, dass Social Media für politisches Engagement Vorteile haben kann, wenn sie mit Bedacht genutzt werden. Dass Polizeien, Staatsanwaltschaften und Geheimdienste ebenfalls zunehmend dort ermitteln, ist ja nicht überraschend.

Außerdem geht es um Cryptoparties, die britische Extremismus-Polizei-Datenbank, und Occupy London als terroristische Bedrohung.

„These social networks are all, in my opinion, forces for good; I am a great fan. But they are liable to abuse and misuse. And, not only are the police catching up, the courts are too. The Lord Chief Justice is very social media-aware and in fact allowed tweeting from court.

„It is right to say the criminal courts are social media friendly; the law is beginning to understand them. If people continue to use social media in a naïve way then legitimate individuals are probably going to give too much away.“

 

DLF: Online-Überprüfung potenzieller Straftäter. Kommunikationsanbieter helfen der Polizei

Dazu passt gut dieser Beitrag von Philip Banse im Deutschlandfunk, u.a. mit Ulf Buermeyer, über die Zusammenarbeit von Polizei und Social-Media-Plattformen.

Im zweiten Halbjahr 2011 etwa haben deutsche Behörden demnach über 1.400 Mal Nutzerdaten von Google-Kunden angefragt, in 45 Prozent der Fälle hat Google diese Daten auch geliefert. Ob es nach deutschem Recht erlaubt ist, diese Daten herauszugeben oder nicht, überprüft kein deutscher Richter, sondern allein Google. Sollen etwa ganze E-Mails beschlagnahmt werden, müsste das in Deutschland in der Regel ein Richter anordnen. Bei Google-Mail entscheidet das allein Google. Und so kann es durchaus vorkommen, dass deutsche Ermittler wesentlich mehr Daten bekommen als sie eigentlich angefragt hatten.

Zum Nachhören als MP3.

 

Nadir: Plötzlich plappern Anna und Arthur

Eins der Urgesteine des deutschen Digital-Aktivismus, Nadir.org, hat kürzlich im etwas schrulligen Stil der 80er mit der Faust auf den Tisch gehauen und daran erinnert, dass unabhängige Technik- und Kommunikations-Infrastruktur mal aus der Notwendigkeit entstanden ist, ohne staatliche Überwachung zu kommunizieren. Ich teile nicht alles, was sie sagen und vor allem das Vokabular macht mir Gänsehaut, aber ein wahrere Kern steckt schon drin.

Da wir uns seit Jahren mit dem Netz und Computern, Systemadministration, Programmieren, Kryptographie und einigem mehr beschäftigen und teils damit unser Geld verdienen, ist Facebook quasi ein natürlicher Feind für uns. Da wir uns außerdem als Linke verstehen, addiert sich dazu noch eine Analyse der politischen Ökonomie Facebooks, in der „User_innen“ zum Produkt werden, an das gleichzeitig auch verkauft wird.

 

Pro Publica: Yes, Companies Are Harvesting – and Selling – Your Facebook Profile

Wussten wir irgendwie, aber ein Brief zweier US-Kongress-Abgeordneter förderte kürzlich im Detail zutage, wie große Verbraucherdaten-Firmen Daten über NutzerInnen sammeln, auswerten und verkaufen. Kurz gesagt sammeln sie alles ein, was öffentlich zugänglich ist, werfen es in ihre Datenbanken, erstellen Personenprofile und verkaufen die dann je nach Bedarf. Je detaillierter, desto teurer.

Epsilon, a consumer data company that works with catalog and retail companies, said that it may use information about social media users’ “names, ages, genders, hometown locations, languages, and a numbers of social connections (e.g., friends or followers).”

It also works with information about “user interactions,” like what people tweet, post, share, recommend, or “like.” ..

Other companies, including Acxiom, include social media profile data as part of detailed profiles on individual consumers.

Die Kongress-Mitglieder sind empört.
(Die Annahme, sowas gebe es nur in den USA, halte ich für zu optimistisch. Sachdienliche Hinweise gern in die Kommentare)

 

Reuters: Social networks scan for sexual predators, with uneven results

Das ist aber nicht alles. Verschiedene Anbieter scannen auch den Inhalt der Kommunikation, die über Netzwerke läuft. Facebook sagt dazu, dass es besser ist, Inhalte von Programmen auf problematische Inhalte überprüfen zu lassen, als dass Facebook-Angestellte selbst die Chats und Postings mitlesen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz ist ein Problem, das real ist und für das es bisher keine von allen akzeptierten Lösungen gibt.

Facebook’s extensive but little-discussed technology for scanning postings and chats for criminal activity automatically flagged the conversation for employees, who read it and quickly called police.

Officers took control of the teenager’s computer and arrested the man the next day, said Special Agent Supervisor Jeffrey Duncan of the Florida Department of Law Enforcement. The alleged predator has pleaded not guilty to multiple charges of soliciting a minor.

Davon auszugehen, dass solche Software nur dazu benutzt wird, sexuelle Übergriffe bzw. die dazu nötigen Kontaktaufnahmen zu verhindern, ist allerdings unrealistisch. Gefüttert mit einer Vokabelsammlung aus dem Themenfeld ‚Extremismus‘ macht sich das für den polizeilichen Appetit im Bereich politische und soziale Bewegungen sicher hervorragend. Und dass bspw. deutsche Behörden viel Geld für Software für die Überwachung von Mail-Providern und Sozialen Netzwerken ausgeben, war ja neulich schon herausgekommen.

 

Sonst noch:

Baltimore Sun: MTA recording bus conversations to eavesdrop on trouble

Im US-Bundesstaat Maryland werden Gespräche in öffentlichen Bussen aufgezeichnet. Dazu werden Mikrofone in die Video-Kameras eingebaut, die in den Bussen sowieso installiert sind. Alles im Sinne der Verbrechens-Aufklärung und des Service, versteht sich. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU ist nicht begeistert – vor allem, weil genau dies 2009 schon explizit verboten wurde.

„People don’t want or need to have their private conversations recorded by MTA as a condition of riding a bus,“ said David Rocah, a staff attorney with the Maryland chapter of the ACLU. „A significant number of people have no viable alternative to riding a bus, and they should not be forced to give up their privacy rights.“

Das Argument, es müsse für mehr Sicherheit gesorgt werden, ist bekannt. Ungewöhnlich ist, dass die Baltimore Sun dem Artikel ein Video hinzufügt, das über homo-/transphobe Gewalt berichtet.

 

Deutsche Welle: E-Book is reading you

E-Books sind noch nicht im Bewusstsein überwachungssensibler Menschen angekommen. Daber haben sie jedes Potential. 25% der Deutschen besitzen E-Books, im ersten Halbjahr 2012 wurden 4,6 Mio. E-Books heruntergeladen. Und wievielen ist klar, dass nicht nur ihr Gerät weiß, wie schnell sie lesen und was sie dabei markieren?

E-Books haben zwar viele Vorteile, doch sie bringen auch Risiken mit sich, sagt Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz. Vor allem, wenn man die E-Books von den großen Anbietern herunterlädt. Denn durch eingebaute Synchronisierungsfunktionen in den Leseprogrammen haben diese einen detaillierten Einblick in das Leseverhalten ihrer Kunden. Weichert erklärt auch, warum das so ist:

„Es ist für Amazon oder für andere E-Book-Anbieter total spannend zu erfahren, wer ich bin und für was ich mich interessiere. Wie ich lese, wie schnell ich lese, wo ich Anmerkungen mache und welche sonstigen Lesegewohnheiten ich habe. Alles das kann man zumindest indirekt aus den Nutzungsdaten ableiten.“

 

Bild: Poster Boy NYC,  Flickr, CC-Lizenz

 

Liebe Marissa, .. wo zum Teufel bleibt das HTTPS für Yahoo-Mail?

Marissa Mayer, CEO von Yahoo!, hat heute Post bekommen. 26 AktivistInnen und Organisationen, die sich für digitale Sicherheit, Menschen- und Bürgerrechte einsetzen, fordern Yahoo in einem Offenen Brief auf, als letzter großer kommerzieller Mailanbieter endlich HTTPS für Webmail anzubieten.

Darunter Vertreter von EFF, Global Voices, Privacy International, Cyber Arabs, Reporter ohne Grenzen, IMMI, BigBrotherAwards und und und.
Disclaimer: auch Tactical Tech, für die ich arbeite.

Dear Ms. Mayer:

As privacy, security, and human rights advocates and organizations from around the world, we are writing to you to express our deep concern with Yahoo!’s continued delay in supporting encrypted connections to its vital communications services. As individuals who engage with at-risk communities targeted for surveillance and censorship, we see on a daily basis how this negligence endangers human rights activists who fight in some of the most repressive environments to protect the basic freedoms that we take for granted. (…)

Over the last several years, Yahoo! has repeatedly been urged by security experts to adopt HTTPS, but has taken no visible steps to do so. Unfortunately, this delay puts your users at risk, which is particularly disturbing since Yahoo! Mail is widely used in many of the world’s most politically repressive states. There have been frequent reports of political activists and government critics being shown copies of their email messages as evidence during interrogation sessions, underscoring the importance of providing basic measures to protect the privacy of e-mail.

Der Brief als pdf.

HTTPS verschlüsselt die Kommunikation zwischen Browser und Webserver, verhindert also, dass alles, was z.B. in Formulare aller Art eingetragen und abgeschickt wird, mitgelesen werden kann. Das betrifft alle, die ihre E-Mail nicht per Mail-Programm, sondern direkt im Browser als Webmail lesen. Wenn Ihr das im offenen WLAN macht, können Eure Nachbarinnen und Nachbarn mitlesen, mit minimalem Aufwand – das ist weder verboten noch kosten die Programme Geld, die dafür nötig sind.

Ob Eure Mails sicher übertragen werden, erkennt ihr daran, ob in der Adresszeile des Browsers httpS://.. statt http:// steht. Das Firefox-/Chrome-Addon HTTPS Everywhere des EFF hilft schon weiter: es aktiviert diese Option automatisch bei allen Websites, die https anbieten.

Alle anderen großen (Web-)Mailanbieter bieten HTTPS an. Yahoo-Mail wird immer noch viel benutzt, gerade auch in Ländern und Regionen mit hohem Überwachungsdruck. Für sie wäre HTTPS wichtig.

Für alle, denen spontan viel Besseres als HTTPS einfällt: Klar, besser wäre, sie würden den Anbieter wechseln. Klar, es gibt viele andere Methoden, die zu viel mehr Sicherheit in der Online-Kommunikation führen. Das wissen auch alle, die den Brief unterschrieben haben.

Es ist keine Entweder-Oder-Frage. Ein Brief an Yahoo hindert niemanden daran, GPG-Mailverschlüsselung oder Tor zu propagieren. Wenn aber Yahoo das kleine bisschen zusätzliche Sicherheit für seine NutzerInnen anböte, könnte vielleicht das eine oder andere Leben gerettet werden.

Support gern auch über Twitter: #DearMarissa