Online-Tristesse

Flickr, by Madison Guy CC-Lizenz

Online-Journalismus ist eine schwierige Sache. Dabei könnte es so einfach sein: Mehr Kollaboration, mehr Inhalt, weniger Langeweile. Internet eben, kommt von „vernetzen“.

Geht natürlich nicht so einfach. Es muss Geld verdient werden, und weil das so ist, schießen sich die so genannten Qualitätsmedien lieber ins Knie statt was Gutes draus zu machen. Nein, selbstverständlich habe ich keine Patentlösung für’s Geldverdienen, ich bin aber auch keine Betriebswirtschaftlerin.

Alan Rusbridger, Chefredakteur des Guardian, hat die Frage, wie das mit dem Geld denn gehen soll, in Berlin vor zwei Jahren sehr souverän beantwortet. Sinngemäß hat er freundlich lächelnd erklärt, dass er als Chefredakteur Journalist sei und die Aufgabe habe, guten Journalismus zu machen. Für’s Geldverdienen seien andere zuständig. Einer der wenigen deutschen Chefredakteure, die was vom Netz verstehen, Wolfgang Blau, wechselt jetzt zum Guardian. Das spricht für sich und hinterlässt in der deutschen Medienlandschaft eine Lücke.

Die Lösung liegt irgendwo zwischen anderen Vergütungsmodellen und der Nutzung des Internets für besseren Online-Journalismus. Und das heißt eben nicht, dass Print besonders schön bunt ins Netz geschubst wird, sondern dass das Potential des Internets an sich genutzt wird.

Die deutsche Online-Presselandschaft tastet sich vorwärts wie im Nebel. Beraten von Horden von Klickzahl-Steigerungs-Schlaumeiern, gefangen in unverrückbaren Vorstellungen von „Qualitätsjournalismus“. (Qualitätsjournalismus ist keine Ironie, das ist völlig ernstgemeint.)

Alle für sich, sich zu Tode konkurrierend. Qualitätsjournalismus ist dann, aus Agenturmeldungen eigene zu machen. Der Journalismus besteht in dem Fall aus dem Anpassen des Vorgekauten an den Stil des jeweiligen Hauses, das Ziel ist, zuerst fertig zu sein. Ergebnis: meine Timeline wird im Minutentakt von der gleichen Nachricht, aber von den verschiedensten Medien beglückt.

Ich brauche diese Agenturmeldungen nicht. Twitter ist sowieso schneller. (Oder Google-News, aber das ist dann ja bald vorbei, wenn die Zeitungen auf die Verlinkungen von dort selbstmörderisch arrogant verzichten. Vielleicht auch aus Verzweiflung und Ignoranz, ich bin mir nicht sicher).

Dazwischen Bilderstrecken zur Steigerung der Klickzahlen, weil so die Werbung gezählt wird. Irgendwann wird rauskommen, dass Online-Werbung eine auf keiner Realität basierenden Luftblase ist, bei der sich alle Teilnehmenden wie Poker-Spieler gegenübersitzen und wichtig tun.

Warum wird die Zeit und das Können der sicherlich höchstqualifizierten AbsolventInnen diverser Journalistenschulen nicht dafür eingesetzt, gute Geschichten zu schreiben?

Es ist einfach nicht nötig, dieselbe Geschichte auf zig Websites zu spiegeln. Wir lesen nicht nur eine News-Website. Das Internet macht es möglich, relativ schnell von einer zu anderen zu springen, und das sogar, wenn keine direkten Links gesetzt sind.

 

Links zur Konkurrenz

Immerhin, neuerdings wird vorstellbar, Links zur Konkurrenz zu setzen. Nach ca. 10-15 Jahren, in denen die Nutzung des Internets für konventionelle Medien an Bedeutung zunimmt. Hurra.

Wer hat das Märchen erzählt, der Wald des Internets sei so erschreckend, dass die Menschen immer auf einer Website blieben, solange ihnen niemand den Weg woandershin zeigt? Dieser Glaube ist immer noch weit verbreitet, aber wenn ich den Wolf mal enttarnen darf: es stimmt nicht. Ich weiß nicht, ob die Leute, die das erzählen, selbst gelegentlich im Netz sind.

Das funktioniert so: ich habe ein paar Websites, deren RSS-Feeds ich mehr oder weniger regelmäßig durchgucke. News-Websites sind nur sehr wenige dabei. Nachrichten erfahre ich über Twitter oder andere Social Media und so bewege ich mich von einer Seite zur anderen, relativ schnell wechselnd. Und wenn mir eine Seite gut gefällt, komme ich wieder. Oft landet sie in meinem Feedreader. Andere Menschen machen das anders, aber das zugrundeliegende Muster bleibt: wenn etwas gut ist, kommen sie zurück.

Es ist wie im wirklichen Leben (das kann gar nicht oft genug gesagt werden): wenn mir ein Restaurant gefällt, gehe ich öfter dort essen.

Nochmal zurück zu den überall gleichen Themen: das ist furchtbar. Ja, sicher spielt Geschwindigkeit bei Nachrichten eine Rolle. Aber wie gesagt: wer aus welchem Vorstand zurückgetreten ist, wissen wir schon, das stand schon bei Twitter. Was fehlt, sind die Geschichten dahinter und drum herum.

Was fehlt, sind gut recherchierte Geschichten, mit Leuten, die etwas Neues zum Thema zu sagen haben. JournalistInnen wollen sie gern schreiben, wir wollen sie gern lesen. Und nicht über die ewig gleichen drei Themen oder die stetig wachsenden ‚Vermischtes‘ ‚Panorama‘-Rubriken.

Stattdessen müssen arme Figuren morgens um 4 Nachtschichten schieben, um noch mehr Aktualität zu simulieren. Wer braucht denn einen „Ticker“, der eine Debatte der Präsidentschaftskandidaten kommentiert? Wenn mich das interessiert, kann ich es mir selber angucken. Seit einer Weile wird uns simuliert, dass die Präsidentschaftswahlen so wichtig sind, als fänden sie hier statt. Selbst die Kindernachrichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Logo berichten darüber.

Ich glaube nicht, dass das viele mehr interessiert als etwa, warum der Berliner Bausumpf das Flughafendesaster produziert. Und zwar nicht nur das das so ist und alle ganz erschüttert sind, sondern warum und was dahinter steckt.

 

Investigativer Journalismus, wäre das nicht schön?

Mal wieder investigativ wäre gut, aber erstmal kriegen wir simuliertes Tempo in Form von „Live-Tickern“.

Die sind schnell, wir können gefühlt live dabei sein, und die ReporterInnen sind auch ganz nah am Geschehen.

[4.31 Uhr] Beide Kandidaten wenden sich nun direkt an die Wähler. Sie verweisen auf die Unterschiede in ihren politischen Programmen. Romney wirbt um die Unentschlossenen und sagt, er wisse, wie er mit dem politischen Gegner, … … … (spiegel.de, 23.10., +++ Minutenprotokoll +++)

Wozu ist ein Live-Ticker nötig? Er könnte einigermaßen zeitnah darstellen, was sich irgendwo abspielt, für das sich Leute in eben dieser Geschwindigkeit interessieren. Ich finde die meisten dieser Ticker unglaublich schlecht. Das hat auch damit zu tun, dass ich vor gut 10 Jahren schon an der Entwicklung solcher Online-Tickermeldungen beteiligt war und allerhand Energie und Herzblut darauf verwendet habe, eine System zu entwickeln, wie sowas sowohl schnell als auch mit hohem Informationswert stattfinden kann. Mich interessiert nämlich weder als Ticker, was ich selber online angucken kann (Spiegel Online, siehe oben), noch – in der taz gern verwendet – atmosphärische Beschreibungen im Stil „Neben der Demonstration wird Currywurst verkauft.“

Interessant wären Tickermeldungen zum Beispiel aus laufenden politischen Verhandlungen. Das können nicht alle: dazu ist nötig zu wissen, was am Verhandlungstisch passiert und interessant wird es erst, wenn jemand politisch so kommentiert, dass Interessen und Hintergründe verständlich werden. Und nicht erst am Tag danach, sondern während es passiert.

1999 ging die erste interaktive Nachrichten-Plattform online: Indymedia. Das ist jetzt ziemlich genau 13 Jahre her. Ein Jahr später gab es die ersten Meldungen in diesem Ticker-Stil, berichtet wurde von den Protesten gegen den IWF- und Weltbank-Gipfel in Prag. Indymedia entstand als Medium der Anti-Globalisierungsbewegung, als Kritik an der einseitigen Berichterstattung über Proteste und auch, weil in Australien das erste Content Management System entwickelt worden war, mit dem es möglich war, Internetseiten kollaborativ und mit wenig Vorwissen zu erstellen. Das gab es vorher nicht. Indymedia war die erste Website überhaupt, die das Kommentieren von Nachrichten ermöglichte und als sinnvollen Beitrag zur Content-Produktion betrachtete. Im Rückblick sehe ich das kritischer, aber es war definitiv ein großer Schritt für die Menschheit. Indymedia Deutschland trennt übrigens seit Jahren Kommentare in ‚inhaltlich sinnvolle Ergänzugen zum Text‘ (oben) und ‚alles andere‘ (hellere Schrift, unten). Warum diese Idee niemand kopiert, habe ich bis heute nicht verstanden.

Ticker wurden nicht von wenigen gemacht. Sie waren der Versuch, möglichst umfangreich und zeitnah von etwas zu berichten, in der Regel über Proteste gegen Globalisierungsgipfel oder ähnliche Großereignisse, aber auch vieles andere, das mit Sozialen Bewegungen zu tun hat und in den <hust> Qualitätsmedien nur erwähnt wird, wenn es eine ordentliche Randale gibt, um gleich darauf die RandaliererInnen zu disqualifizieren. Dabei haben die bloß gut verstanden, wie Medien funktionieren.

Das war möglich, weil viele unterwegs waren und deswegen viele Beobachtungen mit einspeisten. Es gab ein komplexes System der Überprüfung der einlaufenden Meldungen und ein Ergebnis, dass den LeserInnen ermöglichte, sich ein halbwegs umfassendes Bild der Situation zu machen. Sie wurden fast gleichzeitig in mehrere Sprachen übersetzt. Es gab ein riesiges Interesse an diesen Tickern, was sicher auch mit Sensationsgier zu tun hat, aber nicht nur. Ich habe selber über Jahre erlebt, dass die KorrespondentInnen der „echten Medien“ irgendwann die Segel strichen und anriefen, um mitzukriegen, was los war.

Logisch, die waren jeweils allein oder zu zweit, hatten wenig Kontakt zu denen, die die Proteste koordinierten und damit wenig Chancen, sich ein reales Bild von dem zu machen, was geschah. Würden diese JournalistInnen der unterschiedlichsten Medien zusammenarbeiten, wäre das möglich. Aus vielen einzelnen Puzzle-Steinen lässt sich etwas herstellen, das besser über das informiert, was passiert ist. So wie es bis heute ist – 10 Jahre später -, schreiben lauter QualitätsjournalistInnen über ihre individuellen Eindrücke, gespickt mit ein paar Kommentaren mehr oder wenig zufällig Herumstehender. Im Nachbarblatt klingt das ganz anders, kein Wunder, zwei Straßenecken weiter war es ja auch ganz ruhig. Oder, noch schlimmer, sie lassen sich bei der Pressekonferenz der Polizei diktieren, was geschah. Dass das nicht die ganze Wahrheit ist, könnten sie wissen.

Nun ist die Anti-Globalisierungsbewegung Geschichte, „Live-Ticker“ gibt es seit ein paar Jahren auch auf den meisten News-Websites. Leider haben sie nur einen Teil übernommen: die Darstellungsform (+++ 18:29 Der Sack Reis fiel um +++). Auf der Strecke geblieben ist, was das Internet sonst noch zu bieten hat: Kollaboration und Teilen. Wissen teilen, um etwas Besseres zu produzieren.

 

It’s the end of the world as we know it

Wenn aber nicht alle das Gleiche machen (müssten), gäbe es Raum, etwas Neues zu machen. Seit Jahren nerven die Agenturmeldungen und ich wünsche mir schon länger Online-Journalismus, der – gern unterstützt von Technik – Meldungen an einer Stelle aggregiert und den JournalistInnen, die das ja schließlich gelernt haben, den Raum lässt, gute Geschichten zu schreiben oder – hold your breath – investigativ zu arbeiten. Geschwindigkeit ist nicht wichtig. Das kann das Internet selber, dafür braucht niemand eine Ausbildung. Was fehlt, ist Recherche, Hintergrund, Fachwissen.

Eine Utopie. Und dann lernte ich letzte Woche Géraldine Delacroix kennen, die mir leise und unaufgeregt von einer News-Website erzählte, bei der sie arbeitet, die genau das macht. Gegründet von JournalistInnen von vor allem Le Monde und Libération, finanziert durch LeserInnen (9€/Monat), frei von Werbung gibt es dort investigativen Journalismus: Mediapart.

Die Zeitungen gehen ein, die News-Websites strampeln und klammern sich an altbekannte Strohhalme. Die Zeitungskonzerne, die Alpha-Journalisten, die alberne Konkurrenz zwischen Print und Online, nicht zuletzt die Tradition spielen sicher eine Rolle. Weil es aber nicht mehr so werden wird, wie es war, wäre vernünftig, sich aufs Internet einzulassen in seinem gesamten Potential, statt es nur als weiteren Kanal zu betrachten, über den gesendet werden muss. Das funktioniert nämlich nicht. Und diese Erkenntnis ist nicht wirklich frisch.

 

 

„Ich bin kein Terrorist“ – Überwachung von AktivistInnen in den USA

Demokratische Rechtsstaaten haben gern mal ein Problem damit zu erkennen, wer ihnen gefährlich ist. Das ist nicht nur bei uns so. Der ACLU Massachussetts, eine US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation, hat die Polizei von Boston verklagt, Dokumente über die Überwachung der Friedensbewegung zugänglich zu machen. Und hat die Auswertung der Dokumente jetzt veröffentlicht. (Der vollständige Bericht als pdf)

Nach dem 11. September wurden Anti-Terror-Aktivitäten verstärkt. Gerichtet haben sie sich in Boston gegen Antikriegs-Initiativen etwa von Veteranen und gegen die Occupy-Bewegung. Gruppen wurden überwacht, Demonstrationen gefilmt, AktivistInnen verhört. Einige der Überwachten berichten von ihren Erlebnissen und schildern auch, wie sich die Überwachung auf ihre politischen Aktivitäten auswirkt:

Bei uns ist die Terror-Gefahr ja irgendwie kein Problem mehr. Konjunktur hat Extremismus und auch das geht gerade im Versagen der Behörden bei der Verfolgung von Nazis unter. Trotzdem wird der Feind links gesucht, wie jüngste Beispiele eindrucksvoll demonstrieren.

Das ausgesprochen lesenswerte Blog „Green is the new Red“ hat Anfang Oktober eine Studie des Congressional Research Service (vergleichbar mit dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages) ausgegraben, der sich ebenfalls mit dem sog. ‚Inlandsterrorismus‘ befasst: “The Domestic Terrorist Threat: Background and Issues for Congress

Im Bericht werden u.a. die Anwendung von Gewalt durch rechte (Nazis, AbtreibungsgegnerInnen) und linke (Tierrechts- und Umwelt-)Gruppen verglichen. Rechte Gewalt nimmt auch in den USA zu, linke Gewalt wird als Terrorismus bezeichnet, auch wenn dabei keine Personen zu Schaden kommen.

Daher empfiehlt die Studie den US-Abgeordneten auch, sich damit zu befassen, auf welcher Grundlage etwas als Terrorismus definiert werden sollte:

  • Wie kommt es dazu, dass eine bestimmte Richtung von Opposition vom Justizministerium und FBI als Terrorismus-Bedrohung im Innern beschrieben werden?
    • Welche Kriterien werden dabei angewandt?
    • Welche Anzahl von Straftaten oder Anschlägen führen dazu, dass einer bestimmten Ideologie eine neue extremistische Bedrohung zugeschrieben wird? Spielt dabei eine Rolle, wie schwer die Verbrechen waren, die einer Ideologie zugeschrieben werden?
  • Ab wann gilt die Bedrohung durch einen ideologisch motivierten Inlandsterrorismus als beendet?
    • Sollte es die Möglichkeit für die Öffentlichkeit geben, die Regierung aufzufordern, bestimmten Bedrohungen als Ermittlungsprioritäten auszuschließen?

(Jerome P. Bjelopera: The Domestic Terrorist Threat: Background and Issues for Congress, Seite 10)

Fragen, die sich deutsche Parlamente gern auch mal stellen könnten. Nachdem der Verfassungsschutz abgeschafft wurde.

Hacker News Puzzle

It was good to see how much interest my two posts on details of police surveillance in Germany generated outside the country. In fact much more than in Germany itself. Thanks! I’ll try and post this kind of news more often in English as well.

One of the articles that got a lot of attention was this one German Police eavesdropping Facebook, Gmail, Skype Conversations by The Hacker News. Unfortunately it mixes up some details:

An eavesdropping tool allegedly used by the German government to intercept Skype calls is full of security problems and may violate a ruling by the country’s constitutional court, according to a European hacker club. The information was released as part of a move towards financial transparency. The government released figures of expenses incurred by the Federal Ministry of the Interior following a parliamentary inquiry.

The ‚eavesdropping tool‘ is the trojan virus analysed by the CCC (the ‚European hacker club‘) one year ago. This was not released now and certainly not as a move towards financial transparency. The released figures mentioned in my blogpost two weeks ago very likely also cover payments for the trojan by Digitask – the company that sold the trojan to the government – but that’s not entirely evident from the covered document by the Federal Ministry of the Interior in July.

The Chaos Computer Club obtained several versions of a program that has allegedly been used by German law enforcement in possibly hundreds of investigations to intercept Skype calls, said Frank Rieger, a member of the club. On page 34 and page 37 of the report the cost …

Frank did say that, only not just now. While the report is all new.

I do think it’s great the issue got coverage from the Hacker News and I completely agree with the conclusion:

Tapping a phone is acceptable in today’s democracy because there are procedures in place for that sort of surveillance, But we are sort of sleep walking quietly from one level to the next.

Just wanted to be clear about what’s what: There’s been one year in between the latest publication of news by the CCC about the government trojan and then my blogpost about public spending on surveillance equipment. My impression is that the post on Hacker News got a bit confused over that. Or that maybe too much got edited out of the original version?

And THEN, one week later, the government had to admit that they haven’t found anyone who’d develop a brandnew trojan virus for them so they won’t have to buy more from DigiTask, contrary to what they promised. But that’s a different story again. (Which I’d love to see on some more news sites).

 

One year later: German police unable to develop ’state trojan‘

One year after the Chaos Computer Club found and analysed an illegal trojan virus used by German police, the so-called „state trojan“, and one year after the German Federal Minister of Justice, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger had promised „total transparency and clarification(DE) German police still don’t have an alternative to relying on software by private companies for the infiltration of computers.

Recent answers of the interior ministry to questions by Jan Korte (DE), MP Left party, clearly state that the ministry one year later is still lacking the capacity to do as promised: to develop a software for lawful interception that complies with a decision by Germany’s Federal Constitutional Court.

(Questions and answers in German, pdf)

The original „state trojan“ by Digitask did far more than what is allowed by German law:

The Chaos Computer Club (CCC) has recently received a newer version of the „Staatstrojaner“, a government spyware. The comparison with the older version, already analyzed by the CCC with the actual Sniffer-code from December 2010, revealed new evidence. Despite the claims of the responsible parties, the Trojan can still be remote-controlled, loaded with any code and also the allegedly „revision-proof logging“ can be manipulated. (CCC, 26 Oct 2011)

Also see Several German states admit to use of controversial spy software (Deutsche Welle).

The German minister of the Interior, Hans-Peter Friedrich, then promised that the software was going to be produced in-house (DE).

The new replies by the ministry prove him wrong:

The software by DigiTask GmbH that was used in the past for computer surveillance (lawful interception) is not currently being used by federal public authorities anymore.

The software that will be used for computer surveillance will be developed by a competence centre established within the Federal Criminal Police Office. It will be safeguarded that the source code will be audited regarding its range of functions by qualified experts. It will also be accessible for the relevant authorities for data protection (among others the Federal Commissioner for Data Protection).

For the time until the afore mentioned in-house development is completed the Federal Criminal Police Office is preparing a commercial interim solution. The source code of that software has to undergo extensive audits with respect to the demands by the Federal Constitutional Court. (my translation, A.R.)

In a reply to the second question by MP Korte the ministry states that it doesn’t know whether software by DigiTask or other commercial developers designed for lawful interception is being used by state police forces in Germany. Further details are classified and only accessible to MP Korte.

The spokesman on domestic policy of Angela Merkels conservative party in parliament, Hans-Peter Uhl, commented (DE):

The development of a software by the Federal Criminal Office is presumably going to take months if not years. We may even have to ruefully admit that we lack the capability completely.

 

 

Coverage in German media:

 

„Ich habe einfach keine Referentin gefunden!“

Der ewige Dauerbrenner „Keine bzw. kaum Frauen als Referentin oder sonst Vortragende bei Konferenz #wichtig12“ fand am Wochende seine x-te Fortsetzung. Der Journalistinnenbund schrieb deswegen einen pampigen Offenen Brief an die OrganisatorInnen des Mainzer Medien Disputs.

Sehr geehrter Herr Prof. Leif,

herzliche Gratulation zur programmlichen Gestaltung des diesjährigen MainzerMedienDisputes – und zur Auswahl Ihrer Gäste auf den Podien.

Wir freuen uns, dass es Ihnen durch fundierte Recherche gelungen ist, die Panelrunden aus konsequent männlicher Sicht zu besetzen. … (pdf)

Die waren darauf sehr beleidigt

Wir, die Organisatoren des Mediendisputs, haben den „offenen Brief“ des Journalistinnenbundes mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen. Der „offene Brief“ erweckt den Eindruck, dass es dem Journalistinnenbund nicht um das Anliegen der Frauen sondern um persönliche Profilierung geht.

Sonntag vormittag war die Geschichte Thema meiner Twitterwelt. Die Empörung hielt sich in Grenzen, irgendwann erschöpft sich das Thema wahrscheinlich. Die Frage „Was tun“ ist auch nicht erquicklich. Antje Schrupp finde, es sei nicht unser Job.

Wer Frauen als Speakerinnen will, muss sie sich selber suchen und sein Konzept überdenken.

Das hat sie später in einem eigenen Blogpost noch ausgeführt: Kurz meine fünf Zent zum Mainzer Männer-Medien-Disput. Ich finde ihre Gedanken wie immer an sich richtig, aber nicht uneingeschränkt alltagstauglich, jedenfalls nicht für meinen Alltag. In dem gibt es nämlich sehr regelmäßig entweder Vorkommnisse wie beim Mainzer Medien Disput und da stimme ich Antje zu: denen ist nicht zu helfen. Wobei ich mich über alle freue, die es trotzdem versuchen – wenn ein bisschen Gewicht dahinter ist, um so besser, aber allein sicher völlig aussichtslos. Oder aber ich stoße auf durchaus gutwillige Frauen wie Männer, die zu ihrem Spezialthema wirklich keine Frauen finden, oder nur welche, die absagen, oder gar ihre männlichen Vertreter schicken.

Ich gestehe denen zu, dass das ein Problem ist. Nicht wirklich meins, aber das Ergebnis stört mich trotzdem, denn der allgemeine Eindruck, dass es keine kompetenten Frauen gäbe, ist schon ein Problem – für mich, andere Frauen und Männer und Kinder. Ich gerate also in solche Gespräche, inzwischen durchaus auch, weil ich von Dritten als dauerprotestierende Expertin für Frauenmangel herangezogen werde. Und soll dann die Lösung des Dilemmas aus dem Ärmel ziehen. Habe ich natürlich nicht.

Ich kann auch keine Expertinnen backen, wo es keine gibt. Ich bin andererseits aber fest davon überzeugt, dass es auch im realen Leben Filterbubbles gibt, also das Phänomen, dass ich nur sehe, was ich sehen will bzw. kenne. Die ewigen selben drei Experten zum Thema XYZ. Man will ja auch wen Bekanntes da sitzen haben, ein Perpetuum Mobile, denn wer bekannt ist, wird immer bekannter. Die kluge Post-Doktorandin oder experimentierfreudige Denkerin oder Macherin hingegen hat keine Chance. Und zudem ganz anderes zu tun – „Wir haben ganz offen eingeladen, es hat sich einfach keine (an)gemeldet / beworben / was eingereicht“. …

Kalter Kaffee. Wer Frauen will, muss sie suchen und einladen. Engagiert.

Das war der Auftakt für das Twitter-Gespräch: Die durchaus praktische „Speakerinnenliste“ von Netzfeminismus.org reicht nicht. Nötig sind mehr Themen, mehr Expertise, bessere Durchsuchbarkeit.

Was fehlt: Beschäftigung mit der Frage, wie Frauen gefunden werden können, wenn die zwei Passenden abgesagt haben

Antje, wie gesagt, fand, das sei nicht unser Job. Mein Interesse ist nicht, irgendjemandes Job zu machen, sondern eher mein Leben zu erleichtern, wenn ich auf eine Website verweisen kann, wo jede Menge kompetente Frauen zu finden sind. Dazu Beispiele, wie andere an das Thema herangehen, und außerdem eine Liste peinlicher Beispiele, wie man’s nicht macht. Da möchte man dann ja hoffentlich auch nicht draufstehen, vielleicht noch mit Prozentangabe von Frauen an allen Vortragenden..

Das fand Interesse. Spontan geäußerte Vorschläge: nur soviele Männer einladen, wie Frauen gefunden wurden. Verschiedene Verweise auf gute Beispiele:

Es gab Angebote zu sprechen

ich würde ja zu ziemlich vielen Themen sprechen, aber ich sehe nicht, warum ich mich anbieten sollte wie sauer Bier (@habichthorn)

zu helfen

Gutes Thema, klinke mich da gerne mit ein. Hab Erfahrung aus der DJ-Szene wo es in den 90ern ja auch genau darum ging (@Barbnerdy)

Ich bin gern dabei. Wie wäre es denn einfach mal mit einem Live-Treffen von Interessierten in Berlin #startschuss (@tanjaries)

und zu vernetzen

wäre so eine Speakerinnendatenbank nicht auch was für die #dmw? Zwar beschränkt auf digital, aber ein Anfang // @CarolinN (@kommanderkat)

Die Idee einer neuen Website nahm ein bisschen Form an, auch mit kreativen Elementen

mir schwebt ne Seite vor, auf der groß übliche Verdächtigen abgebildet sind & wenn man draufklickt kommen weibl. Alternativen 🙂 (@totalreflexion)

ja. ich helf da auch gern. Ob man dafür Gelder bekäme, um das richtig groß umzusetzen? (@totalreflexion)

Es folgte das Unvermeidliche: ein Doodle zur Findung eines freien Abends, an dem das alles genauer besprochen werden kann. Das gibt es jetzt, für alle, die das nicht nur diskutieren, sondern was machen wollen: eine Website basteln, Texte schreiben, Anträge schreiben, Referentinnen finden und sortieren und findbar machen, ein passendes Design entwickeln, evtl. eine Datenbank..

Macht mit – tragt Euch ein, kommt, und wenn Ihr nicht in Berlin seid, machen wir ein Hangout oder was auch immer Beteiligung von anderswo ermöglicht.

Mein Traum wäre, dass es anfangs aufwendig ist und sich dann weitgehend von selbst erledigt und vor allem, dass ich nicht mehr erklären muss, wo die Frauen für die Panels denn herkommen sollen.

Zwei Tage später fand ein #nfbb – Netzfeministisches Biertrinken in Berlin – statt, wo das natürlich weiter Thema war. Dabei ging es u.a. darum, dass der Ansatz ‚Ich habe ein Konzept und suche die passende Frau dafür und wenn ich sie nicht finde, nehme ich einen Mann, der findet sich sowieso‘ schon falsch ist. Ausgehend von der Annahme, dass ein Podium, das nur mit weißen deutschen Akademikern besetzt ist, einen viel zu kleinen Teil der möglichen Perspektiven auf ein Thema darstellt, ist mehr nötig als herumzufragen, ob für Position xy eine Frau existiert. Vielmehr müsste nach kompetenten Frauen Ausschau gehalten werden und gefragt werden, was sie zum Thema beitragen können. Es gibt tatsächlich Konferenzen, bei denen das praktiziert wird.

Etwa analog zur wissenschaftlichen Fragestellung: wenn ich vorher schon weiß, was ich rauskriegen will, wird nichts Neues herauskommen. Wenn ich erst die Frage entwickle, dann die Methoden und tatsächlich forsche, lerne ich vielleicht etwas.

Passt schlecht zu 95% der hierzulande organisierten Konferenzen, aber bekanntlich sind die mehrheitlich .. ja auch nicht wirklich überraschend.

PS:

As predicted by Courtney’s description above, we got the entire host of responses. We came prepared though.

I’m not an expert on anything.”, “I don’t work on anything interesting at the moment.

— We offered a brainstorming session, a 10-minute chat, an hour long phone call, whatever was required. It turns out that there’s something of interest hidden in everybody, but self-censoring often keeps it hidden. In the right conversation, these things will emerge. It might turn out that the result is not something that is relevant for your event, but more often than not it is. And even then, we ended up suggesting other events to submit a proposal to.

I only know what everybody else already knows.”, “I wouldn’t be able to add anything worthwhile to the topic.

— Everybody is a unique snowflake. You have your own interests, projects you follow, philosophies that inspire you, people you admire. The combination of all these things gives you a unique perspective on the world. And more often than not, that perspective is worth sharing.

JSConf EU (October 6th-7th, Berlin)

Way to go.

 

Veröffentlicht unter O+

German police monitors Skype, GoogleMail and Facebook chat

The German government a while ago answered questions about expenditures by the federal ministry of home affairs for private service providers – hardly noticed by the English speaking world. The parlamentary enquiry („Minor interpellation“) no. 17/10077 by Jan Korte, MP of The Left party, has now been translated into English.

Download the document in English (pdf) or German (pdf).

The answers were far more detailed than one would expect.

There’s 43 pages (this includes questions), 20 of which are tables that list who was contracted, how much money was paid, what for and how each paid item was used. Even though 12 out of 30 answers were defined as classified information – e.g. questions regarding Germany’s domestic and foreign intelligence services or the Federal Office for Information Security (BSI) –  there’s still some interesting news to be found.

The German ministry for home affairs and thus the German police clearly state that they are monitoring Skype, Google Mail, MSN Hotmail, Yahoo Mail and Facebook chat if deemed necessary. Money is spent on trojan viruses and we can be quite certain which company produces the IMSI catchers used by German police. We know how much money was spent by the Federal Police on border control biometrics, on passenger information systems and telecommunications surveillance. Digitask, a company whose reputation was clearly damaged after its trojan virus was found and analysed by the Chaos Computer Club in 2011, seems to still be a regular contractor of German authorities. Altogether more than a billion Euro was spent on private services by German police and other public authorities in the realm of the ministry of home affairs in the years 2002 – 2012.

The translation into English, commissioned by MP Korte, leaves out the 20 pages that contain tables with data who was paid how much for what exactly. If your preferred translation website can’t be of help, let me know and I’ll do my best. I noticed one mistake in the translation of question no. 10: „Federal Agency for the Protection of the Environment (BfV)“ should instead be the domestic secret service „Bundesamt für Verfassungsschutz BfV“.

 

 

Picture: Toban Black, Flickr, CC licence