Protest gegen polizeiliche DNA-Speicherung

Aus der Rubrik: wenn sich Menschen Mühe machen, gute Presseerklärungen zu schreiben, muss ich nicht dran rumfrickeln:

Protest gegen polizeiliche DNA-Speicherung
Sicherheitsbehörden überschreiten rechtliche Grenzen

Ein Jahr nach dem Startschuss der Kampagne „DNA-Sammelwut stoppen!“ macht das Gen-ethische Netzwerk am Tag des Grundgesetzes, dem 23. Mai, erneut auf die problematische Expansion polizeilicher DNA-Datensammlungen und die Übertretung rechtlicher Grenzen durch die Sicherheitsbehörden bei der biologischen Vorratsdatenspeicherung aufmerksam.

„Wir haben es heute mit einer enormen Expansion biologischer Vorratsdatenspeicherung zu tun“, so Alexander Schwerin vom Gen-ethischen Netzwerk. Diese werde leider in der Öffent­lichkeit viel zu wenig thematisiert – ein Grund, warum Staatsanwaltschaften und Polizeidienst­stellen auch „regelmäßig relativ dreist jenseits rechtlicher Grenzen operieren“.

Zum Startschuss der Kampagne DNA Sammelwut stoppen hatte das GeN im letzten Jahr am 23. Mai 2011 einen Offenen Brief an die Justizministerin übergeben, der von etlichen Datenschutz- und Bürgerrechtsorganisationen unterzeichnet wurden war.

In diesem Jahr wird das GeN die inzwischen gesammelten individuellen Unterschriften unter den Offenen Brief in einer Protestaktion vor dem Bundesjustizministerium in Berlin verstreuen. Damit protestiert die Organisation dagegen, dass die sonst in Datenschutzfragen engagierte Justizministerin bisher keinerlei Schritte gegen die biologische Vorratsdatenspeicherung unternommen hat. Außerdem werden die Unterschriften auch formal als Liste an das Ministerium übergeben.

Mit von der Partie ist wie immer Willi Watte, ein überdimensioniertes Wattestäbchen, das die Kampagne als Maskottchen von Anfang an begleitet.

Ort: Bundesministerium der Justiz, Mohrenstr. 37, Berlin
Zeit: 13 Uhr

Zum Jahrestag der Kampagne veröffentlicht das GeN außerdem Fälle, in denen die Sicherheitsbehörden rechtlich gesetzte Grenzen gezielt überschritten haben. Die Beispiele zeigen erheblichen Hand­lungsbedarf bei der Kontrolle und rechtlichen Regelung von DNA-Sammlung und -Speicherung:

  1. Bei dem bundesweit bisher zweitgrößten Massengentest von 2009 bis 2010 in Gütersloh wurden über 11.000 DNA-Proben von einer nicht genauer definierten männlichen Bevölkerung genommen. Nur 27 Personen verweigerten sich dem offiziell freiwilligen Test. Dennoch galten sie von nun an als Tatverdächtige. Bei zehn von ihnen ordnete das Amtsgericht ohne weiteren Tatverdacht eine Zwangsentnahme des Speichels an. Schon die enorme Menge der gespeicherten Personen ohne genauere Vorgabe von Kriterien widerspricht der rechtlich vorgegebenen Verhältnismäßigkeit. Insbesondere aber die Tatsache, dass Personen verdächtigt wurden, die lediglich ihr Recht auf Datenschutz wahrnahmen, sprengt den rechtstaatlichen Rahmen. Dies sah das Landgericht Bielefeld auch so und erklärte die Zwangsmaßnahmen nach dem Widerspruch eines Betroffenen für rechtswidrig.
  2. Bei einem Einbruch in ein Büro der Stadtverwaltung in Erfurt im Jahr 2011, bei dem lediglich eine Sparbüchse mit 15 Euro entwendet wurde, forderte die Kripo alle Büroangestellten dazu auf, DNA-Speichelproben abzugeben. Sie drohte auch nachträglich noch telefonisch mit richterlichen Zwangsanordnungen, sollten einzelne die Teilnahme verweigern. Die Polizei begründete die Speichelproben mit einem Ausschlussverfahren, um so auf die DNA eines oder einer Tatverdächtigen zu schließen. Ein solches Verfahren ist vom Gesetz zur DNA-Datenspeicherung aber in keiner Weise gedeckt – DNA-Proben sind entweder bei Beschuldigten einer erheblichen Straftat rechtens – oder es muss bei einer DNA-Reihenuntersuchungen ein Kapitalverbrechen vorliegen Zudem deklarierte die Kripo diese Verfahren erst im Laufe der Kommunikation mit den Angestellten als „freiwillig“, informierte sie aber nicht von Anfang an über ihr Recht, sich gegen die Speichelprobe zu entscheiden. Einige Betroffene zeigten dennoch Zivilcourage und widersetzten sich dem Test.

Kontakte zu Betroffenen und weitere Informationen stellt das Gen-ethische Netzwerk gerne zur Verfügung.

Das GeN ruft Betroffene polizeilicher DNA-Sammelwut dazu auf, sich gegen solche übergriffigen Maßnahmen zur Wehr zu setzen und die bürgerrechtlich dazu aktiven Organisationen wie das Gen-ethische Netzwerk in Berlin oder Institutionen wie die Datenschutzbeauftragten der Länder darüber zu informieren.

Weitere Informationen

www.fingerwegvonmeinerDNA.de

Kontakt

Uta Wagenmann: 01525 3166698

 

TED-Talk: Christopher Soghoian – Why Google Won’t Protect You From Big Brother

Internet-basierte Unternehmen, Soziale Netzwerke und Telekommunikations-Firmen haben viele Daten und geben sie an Behörden weiter. Überwachung war mal teuer und (verhältnismäßig) schwierig für Polizeien und Geheimdienste. Die verfügbaren Daten vereinfachen das. Mehr noch die Sozialen Netzwerke („Wenn du dafür bezahlst, bist du Kundin. Wenn du nichts bezahlst, bist du das Produkt“).

Christopher Soghoian lesen lohnt sich auch sonst: z.B. über sein Blog Dubfire oder Twitter

Zum TED-Talk gibt es eine kurze Zusammenfassung von Jay Stanley, ACLU: The Government, Privacy, and Companies (The Ones We Pay and the Ones We Don’t)

Dazu passt auch der Talk von Jacob Applebaum und Dmytri Kleiner bei der re:public. Leider noch nicht online, aber hier der Text dazu:

Privacy, Moglen, @ioerror, #rp12

Ägypten? Nein, Deutschland: Proteste gegen Finanzkrise verboten

Die realexistierende Demokratie zeigt sich von ihrer besten Seite. Vom 16.-19. Mai sollen in Frankfurt/Main die „Europäischen Aktionstage Blockupy Frankfurt“ stattfinden, „gegen das Krisenregime der Europäischen Union“. Und was macht die Stadt Frankfurt? Verbietet die Demonstrationen.

Bitte?

Interview mit dem Ordnungsdezernenten von Frankfurt/Main:

Herr Frank, Sie verbieten die geplanten Blockupy-Proteste ab 16. Mai …

Erst einmal will ich feststellen: Wir als Ordnungsbehörde nehmen das Demonstrationsrecht sehr ernst. Es ist ein hohes Gut. Im Regelfall unterstützen wir Leute bei der Organisation gewaltfreier Demonstrationen. Im Fall von Blockupy ist es leider so, dass es im Internet Hinweise gibt, dass es sich nicht um eine normale, friedfertige Demonstration handelt.

Sondern?

Hier soll unsere Stadt über mehrere Tage lahmgelegt, blockiert werden. Das können wir nicht hinnehmen.

Abgesehen von den, sagen wir mal, problematischen Aspekten für die Demokratie an sich, ist es ja auch nicht so, dass sowas gut funktioniert. Ich erinnere an den G8-Gipfel 2007 – die Mobilisierung lief zwei Monate vorher ziemlich schleppend, und dann wurde verboten, was ging. Plus ein paar Hausdurchsuchungen, und zack: der Protest wurde ein voller Erfolg. Die Verbote wurden hinterher vom Verfassungsgericht als illegal erklärt. Aber was schert das die hessischen Beamten.

Es sieht auch jetzt nicht so aus, als ob alle zuhause bleiben würden, die nicht in Ordnung finden, dass uns hier Wachstum und Aufschwung (wessen?) suggeriert werden, während Deutschland maßgeblich mit dafür verantwortlich ist, dass rund um uns rum die Leute verarmen und verhungern und ihre Kinder weggeben müssen, weil sie sie nicht mehr ernähren können.

Von Pax Christi bis zur Antifa gibt es Protesterklärungen, und der aktuelle Stand scheint zu sein, dass nicht mehr alles, aber doch alles, was für Donnerstag und Freitag geplant ist, verboten ist. Zwischendurch war auch mal versucht worden, bestimmten Leuten den gesamten Aufenthalt in Frankfurt zu verbieten. Nicht zwei oder drei, sondern gleich mal 400. Weil die im März schonmal wegen der Finanzkrise demonstriert hatten. Wenn sie das in Ägypten…

In Frankfurt gibt es diese Pikanterie, dass die Stadt schwarz-grün regiert wird. Die Grünen demontieren die Grundrechte also recht aktiv mit, dafür gehört auf der anderen Seite die Grüne Jugend (Bundesverband) mit zum aufrufenden Bündnis. Die haben sicher unterhaltsame Debatten untereinander, könnte ich mir vorstellen.

Bei den Banken ist der Ärger angekommen: die EZB hat eine Sitzung vorverlegt, manche Banken montieren lieber die Schilder ab, andere empfehlen ihren Angestellten, sich zu de-uniformieren.

Mittwoch mittag geht’s los. Donnerstag werden Plätze besetzt, Freitag die EZB blockiert und Samstag wird eine große, internationale Demonstration stattfinden. Daran wird das Verbot nicht viel ändern, aber es wird kein Ruhmesblatt auf die lupenreinen Demokraten werfen.

Hier kann gegen das Verbot unterschrieben werden.

Wem das alles zu kompliziert ist: hier folgen Twitter | Facebook

Eine Frage des Überlebens

Ausnahmsweise pure Buchwerbung. Ich habe es noch nicht gelesen, aber ich bin sicher, es lohnt sich.

Eine Frage des Überlebens
Stanislaw Markelow
über Rechtsstaat und Rechtsbruch, Nationalismus und Neonazismus und soziale Bewegungen in Russland

Herausgegeben von Ute Weinmann und dem Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. in Kooperation mit Deutsch-Russischer Austausch e.V.

Den russischen Anwalt Stanislaw Markelow nahm in Deutschland eine bereitere Öffentlichkeit erst nach seinem Tod wahr. Er und die Journalistin Anastasia Baburowa wurden im Januar 2009 im Moskau auf offener Straße ermordet. Die Mörder stammen aus der russischen Neonaziszene und sind inzwischen verurteilt, die Spur hätte aber genauso gut woanders hinführen können, beispielsweise in die russische Kaukasusrepublik Tschetschenien. Dort gelang Stanislaw Markelow in einem spektakulären Prozess erstmals die Verurteilung eines Angehörigen der Russischen Föderalen Streitkräfte aufgrund der Beteiligung am „Verschwinden“ eines Bewohners der Tschetschenischen Republik.

Stanislaw Markelow hat als Anwalt hervorragendes geleistet, aber er beschränkte sich nicht nur auf seine Berufsausübung, sondern engagierte sich darüber hinaus in den sozialen Bewegungen und beteiligte sich an Umweltprotesten. Theoretische Reflexionen und historische Bezüge waren für ihn eng mit seiner Praxis als Anwalt und politischer Aktivist verknüpft. Diese Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit geht aus seinen zahlreichen Publikationen hervor, darunter Kommentare, Reden, Streitschriften und für diverse Zeitschriften verfasste Beiträge. Der Großteil fand Eingang in das Buch „Stanislaw Markelow: Nikto krome menja“ („Niemand außer mir selbst“), einer im Jahr 2010 in Moskau herausgegebenen Textsammlung, die darüber hinaus eine ganze Reihe biografischer Notizen von Freunden und Bekannten enthält.

Das Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. veröffentlicht nun gemeinsam mit dem Deutsch-Russischen Austausch e.V. erstmals eine Auswahl an Publikationen von Stanislaw Markelow in deutscher Sprache.

Das Buch kann beim Bildungswerk unter der Mailadresse info@bildungswerk-boell.de kostenlos angefordert werden.

Für den 15. Juni ist eine Buchpräsentation in Berlin geplant.

Axel E. Fischer, das Freie Internet und ich

Gab’s letzten Freitag bei nano, 3sat. Eingebettet in einen Beitrag über die re:publica wurden uns ähnliche Fragen gestellt: Brauchen wir ein freies Internet? Muss das Urheberrecht an das digitale Zeitalter angepasst werden? Sind die Möglichkeiten der politischen Teilhabe ausreichend?

Axel E. Fischer ist der Vorsitzende der Enquête-Komission Internet & Digitale Gesellschaft des Bundestages und in der CDU.

http://www.youtube.com/watch?v=y0uuWE_RHbk

(Ca. die ersten sechs Minuten der Sendung.)

Mit dem Begriff „Freies Internet“ habe ich regelmäßig meine Schwierigkeiten. Es ist ein weißer Schimmel – Internet ist qua Definition frei. Wenn es nicht frei ist, wird es zensiert und eingeschränkt.

Update – FBI bringt heimlich Riseup-Server zurück (Video)

Neues vom vom FBI beschlagnahmten Riseup/May First/ECN-Server:

Erst wurde er ohne weitere Benachrichtigung mitgenommen, jetzt hat das FBI ihn heimlich zurückgestellt. Allerdings gab es inzwischen eine Kamera, die das Geschehen in der Server-Farm beobachtete. Die Aufnahme hat May First letzte Woche veröffentlicht:

Bei archive.org oder YouTube (mit adäquater Musik)

May First hat den Server inzwischen natürlich wieder aus dem Betrieb genommen und untersucht ihn aktuell.

Der EFF hat ebenfalls verschiedene neue Informationen:

Inzwischen ist klar, dass die Beschlagnahmung des Servers, auf dem ein anonymer Remailing-Service lief, m angeblichen Grund für die Beschlagnahmung nichts geändert hat. Die Uni Pittsburgh bekommt weiterhin Bombendrohungen.

Dass auf dem Server lediglich der Remailer installiert war, der keinerlei Aufschluss über die Nutzer zulässt, wusste das FBI auch schon vor der Beschlagnahmung, erklärt der EFF. Inzwischen gibt es auch den richterlichen Beschluss (PDF).

Unbegründete Beschlagnahmungen von Hardware durch das FBI und andere US-Behörden beschäftigen den EFF auch in anderen Fällen. Im März wurde das FBI verurteilt, $100.000 an den Long Haul Infoshops in Berkeley zu zahlen.