Wissenschaftler aufgepasst

Sebastian Fischer hat für den taz einen Sprachprofiler interviewt, der das Bekennerschreiben zum Anschlag auf die Berliner S-Bahn untersucht hat.

Woran erinnert mich das bloß?

Der Bekenner ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit männlich, wahrscheinlich zwischen 20 und 30 Jahre alt und hat einen hohen Bildungsgrad.

Er stammt offenbar aus einem gutbürgerlichen sozialen Milieu, hat auf keinen Fall einen Hartz-IV-Hintergrund.

Der Staatsschutz wird nun nachschauen, ob der Autor an diesen Stellen noch mal mit sprachlichen oder argumentativen Parallelen in Erscheinung tritt.

Dann wird der Staatsschutz das Schreiben auch noch mit nichtanonymem Material aus der linken Szene abgleichen.

 

(Gefunden von einem, der gerichtsbekanntermaßen komplexe Texte schreiben kann.)

Zwei Meldungen über Flüchtlinge in Deutschland

Zwei Meldungen fanden heute ihren Weg zu mir, die viel über Medien, Wahrheit und Selberdenken mitteilen.

Nr. 1

„Experten kritisieren Abschiebepraxis als zu lasch“, Spiegel.

In einer schonungslosen Bilanz hat eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern die deutsche Abschiebepraxis kritisiert. Im Zentrum ihres Erfahrungsberichts steht nach Informationen des SPIEGEL der Vorwurf, es fehle Politikern und Behörden die Standhaftigkeit, Ausländer in ihre Heimatländer zurückzuschicken, selbst wenn diese vor Gericht in allen Fällen gescheitert seien.

Weiterzulesen hier. Die Arbeitsgruppe bestand aus Landes- und Bundespolizisten und arbeitete der der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Rückführung“ zu, beim Bundesinnenministerium. In Zahlen: 2010 haben 14,8 % der ‚Ausreisepflichtigen‘ Deutschland verlassen, 5,7% wurden abgeschoben. Die These: der Rest taucht unter, wird also „illegal“. Die Forderung: es muss härter durchgegriffen werden.

Nr. 2

Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen (1993 – 2010), ARI Berlin

Die Statisik des Bundesinnenministeriums belegt, daß im Jahre 2010 nur 21,6% der hier schutzsuchenden Flüchtlinge einen Aufenthalt bekommen haben. Damit ist die Quote der Menschen, deren Verfolgung und Notlage in irgendeiner Weise anerkannt wurden, im Vergleich zum Vorjahr um 12,1% gesunken – obwohl gleichzeitig die Asylerstantragszahl im Jahr 2010 um etwa 50% auf 41.332 angestiegen ist.

Die Antirassistische Initiative Berlin (ARI) dokumentiert seit 1993in über 6000 Einzelgeschehnissen die Auswirkungen des staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus auf die betroffenen Flüchtlinge. Auf Menschen, die in der BRD Schutz und Sicherheit suchten und aufgrund der rassistischen Sondergesetze und des Rassismus der Gesellschaft körperlich zu Schaden kamen.“ Und gibt einmal im Jahr den aktuellen Stand heraus, gerade also zum 18. Mal. (Pressemitteilung dazu, pdf)

Die Zahlen:

Die Dokumentation umfaßt den Zeitraum vom 1.1.1993 bis 31.12.2010.

  • 180 Flüchtlinge starben auf dem Wege in die Bundesrepublik Deutschland oder an den Grenzen,  davon allein 131 an den deutschen Ost-Grenzen, 2 Personen trieben in der Neiße ab und sind seither vermißt.
  • 511 Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt Verletzungen, davon 302 an den deutschen Ost-Grenzen,
  • 160 Flüchtlinge töteten sich angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen, davon 62 Menschen in Abschiebehaft,
  • 922 Flüchtlinge verletzten sich aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung (Risiko-Hungerstreiks) oder versuchten, sich umzubringen,
  • davon befanden sich 541 Menschen in Abschiebehaft,
  • 5  Flüchtlinge starben während der Abschiebung und
  • 407 Flüchtlinge wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Mißhandlungen während der Abschiebung verletzt,
  • 32  Flüchtlinge kamen nach der Abschiebung in ihrem Herkunftsland zu Tode, und
  • 529 Flüchtlinge wurden im Herkunftsland von Polizei oder Militär mißhandelt und gefoltert oder kamen aufgrund ihrer schweren Erkrankungen in Lebensgefahr,
  • 71  Flüchtlinge verschwanden nach der Abschiebung spurlos,
  • 13  Flüchtlinge starben bei abschiebe-unabhängigen Polizeimaßnahmen,
  • 8  Flüchtlinge starben durch unterlassene Hilfeleistung,
  • 444 wurden durch Polizei oder Bewachungspersonal verletzt, davon 139 Flüchtlinge in Haft.
  • 68  Flüchtlinge starben bei Bränden oder Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte,
  • 815 Flüchtlinge wurden z.T. erheblich verletzt,
  • 15  Flüchtlinge starben durch rassistische Angriffe auf der Straße und
  • 785 Flüchtlinge wurden durch Überfälle auf der Straße verletzt.

Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen seit 1993 mindestens 398 Flüchtlinge ums Leben –  durch rassistische Übergriffe und Brände in Flüchtlingsunterkünften starben 83 Menschen.

 

Aktuell sind in Hamburg Roma-Familien von Abschiebung bedroht.

Für US-Regierung sind GPS-Peilsender kein Problem

Manche erinnern sich noch an den an einem Auto heimlich angebrachten Peilsender, den niemand haben wollte, nachdem er gefunden worden war?

In den USA kommt das offenbar öfter vor als hier (bekannt wird).

Verborgen camerabewa...(Womit ich nicht sagen will, dass es diesseits des Atlantiks insgesamt besser aussähe, was skurrile Überwachungsphantasien angeht. Ein schönes Exemplar ist die Kamera hier rechts, die belgische Anarchisten kürzlich hinter der Lüftung fanden, direkt auf ihren Küchentisch gerichtet.)

Zurück nach Amerika: Wired Threat Level berichtet, dass eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bevorsteht, der – wenn er den Fall annimmt – über einen Widerspruch der Obama-Administration gegen ein Urteil zu entscheiden hat, dass Peilsender nur mit richterlicher Anordnung („Warrant“) an Fahrzeugen angebracht werden dürfen. Gefällt der Regierung nicht. (Change we can believe in..)

Es gibt unterschiedliche Meinungen von US-Gerichten dazu, ob ein Peilsender eher einer Überwachung ähnelt, die als direkte Observation durchgeführt wird, also durch reale Beamte, die jemanden auf Schritt und Tritt beobachten – was eine richtliche Anordnung erfordert. Oder aber – die Argumentation der Staatsanwaltschaften – ob es sich um allgemein und öffentlich zugängliche Informationen handele und damit ohne richterliche Intervention gepeilt werden könne. Noch ist das unentschieden.

Im Artikel werden mehrere ‚gefundene‘ GPS-Peilsender beschrieben, darunter auch einer, der im letzten Oktober von einem halben Dutzend FBI-Agenten zurückgefordert worden war, nachdem ein Freund des Betroffenen Bilder online gepostet hatte. In einem anderen Fall konnte eine Food-Not-Bombs-Aktivistin in ihren Akten nachlesen, dass der Peilsender angebracht wurde, weil es immer schwieriger wurde, sie zu observieren, nachdem ihr aufgefallen war, dass sie überwacht wurde.

Wen die technischen Details interessieren, kann bei ifixit.com gut dokumentiert verfolgen, wie das Innere und Äußere der Peilsender beschaffen ist: Tracking Device Teardown.

SummerWizz1 wundert sich darüber, dass der Chip im Sender von 1999 ist:

http://www.youtube.com/watch?v=P4m07-Ihtoo

Praktisch: How to check your car for a GPS tracker

 

(Via Kees)

I am Bradley Manning

Das Bradley Manning Support Network hat heute eine neue Kampagne gestartet: Wir alle sind Bradley Manning – „I am Bradley Manning

Es gibt eine Foto-Petition, an der sich möglichst viele beteiligen sollen mit Bildern, auf denen Ihr ein Schild hochhaltet, auf dem steht ‚I am Bradley Manning‘, mit einer kurzen Erklärung, warum Ihr mitmacht.

Wenn Ihr dies unterschreiben könnt und wollt

I stand for due process and the rights of whistle-blowers. I stand for fair and just laws. I stand for an end to unjust wars. I stand for better journalism, and government accountability. I stand for a more hopeful future, and I believe the public deserves the information to make it happen.

(Ich vertrete das Recht auf einen fairen Prozess und die Rechte von Wistleblowern. Ich stehe für faire und gerechte Gesetze. Ich stehe für das Ende ungerechter Kriege. Ich stehe für besseren Journalismus und die Rechenschaftspflicht von Regierungen. Ich stehe für eine hoffnungsvollere Zukunft und ich glaube, dass die Öffentlichkeit die dafür nötigen Informationen verdient hat)

Es gibt natürlich auch Katzen-Content! My personal favorite:

 

 

 

I am an Abyssinian hunting mice and mailmen in Charlottesville, VA.  I support Bradley Manning and open government, because if I can’t see the birds, I can’t catch them.

—Fiorenza Sack

 

 


16. Mai – Polizeigewalt außer Kontrolle?

Interessante Veranstaltung:

Polizeigewalt außer Kontrolle? Unabhängige Untersuchungsinstanzen als Mittel gegen Polizeiübergriffe

Rechtswidrige Gewaltanwendung durch Polizeibeamte ist keine Ausnahmeerscheinung sondern ein alltägliches Phänomen. Den jährlich mehr als 1.600 Strafanzeigen gegen Polizisten steht ein mutmaßlich sehr großes Dunkelfeld gegenüber. Betroffene verzichten angesichts der geringen Erfolgsaussichten und der Gefahr von Gegenanzeigen zumeist auf eine Strafanzeige. Selbst wenn die Betroffenen Anzeigen erstatten, werden 95-98 Prozent der Verfahren eingestellt. Einschlägige Verurteilungen finden sich nur in Einzelfällen.

Die Ausübung staatlicher Macht und Gewalt durch die Polizei muss wirksamer kontrolliert werden. Die in Berlin nun eingeführte Kennzeichnungspflicht ist ein erster kleiner Schritt in diese Richtung. Dies reicht jedoch bei weitem nicht aus. Das Defizit bei der Kontrolle polizeilicher Gewaltausübung besteht nicht nur in der oft schwierigen Identifizierung der handelnden Beamten, sondern ebenso in schlampig geführten Ermittlungen durch die Polizei, Falschaussagen bzw. einer „Mauer des Schweigens“ bei den Kollegen der Beschuldigten und dem institutionellen Näheverhältnis von Polizei und Justiz. Wahrzunehmen ist etwa, dass Polizisten im Strafverfahren bei vielen Richtern einen Vertrauensvorschuss genießen.

Angesichts dessen kann eine wirksame Kontrolle nur durch eine unabhängige, polizeiferne Instanz gewährleistet werden. Im Rahmen der Veranstaltung wollen wir die Praxis von Strafverfahren gegen Polizisten beleuchten und der Frage nachgehen, welche Modelle es für eine unabhängige Kontrollinstanz gibt, wie sich diese in der Praxis bewährt haben und welche Anforderungen an sie gestellt werden müssen. Weiterlesen

Österreich online

Wir waren eine Woche in Österreich, ich habe drei Vorträge gehalten und bin gefühlt in dem Vielfachen an Aufnahmen und Interviews dazu zu finden. Regelmäßige LeserInnen von annalist werden hier nicht viel Neues erfahren.

26. April, Wien: Du bist Terrorist_in?, Kulturverein w23
27. April, Wien: Bloggen/Blogging – Anne Roth, Miss Baltazar’s Laboratory
28. April, Linz: Du bist Terrorist, Wissensturm / servus.at

Radio FRO – Frozine: Du bist Terrorist_in? (Wien)
Ungeschnittener O-Ton von der Veranstaltung „Du bist Terrorist_in?“ im W23 vom 26. April 2011, Wien. Ungefähr bei Minute 15′ hat leider das Aufnahmegerät ausgesetzt, es fehlen daher ein paar Minuten. Ohne Publikumsdiskussion

ichmachpolitik.at: Anne Roth übers Bloggen im Rahmen von Mz Baltazars Laboratory (Wien)

 

Radio FRO – Frozine: Du bist Terrorist? (Linz)
In der aktuellen Ausgabe des FROzine beschäftigen wir uns mit einem der freigesprochenen Tierschützer, nämlich Chris Moser und einem Vortrag von Anna Roth im Wissensturm zum Thema „Du bist Terrorist?“ am 28.04.2011. Durch die Sendung führt Sarah Praschak.

Radio FRO – Frozine: Bist du Terrorist? Der Fall Andrej Holm aufgerollt (Linz)
Anne Roth erörterte in ihrem Vortrag in Linz, am 28. April, Aspekte der Überwachung, der Vorratsdatenspeicherung, der aktuellen Sicherheitspolitik und versucht ein Bewusstsein zu erzeugen für Aktivitäten in den „ Gratis-Plattformen“ . Ein Beitrag von Simone Boria.

zip-fm 5. Mai 2011
Bin ich sogar Terrorist? Ohne dass ich es weiß? Mache ich mich verdächtig, indem ich unverdächtig handle?Solche und Weitere Fragen tauchen auf, wenn man sich mit dem Fall Andrej Holm beschäftigt. Beispiel: Strafverfolger schöpften Verdacht, weil Andrej Holm zu einem politischen Treffen – Achtung – „möglicherweise kein Handy mitnahm“. Anne Roth, seine Lebenspartnerin hat darüber geschrieben und zwar in ihrem Blog „annalist“. Sie fragt sich etwa, wie exponiert bin ich eigentlich? Gerade jetzt, im Zusammenhang mit der Volkszählung ab kommendem Montag durchaus ein Thema. Oder auch: Welche Gefahren verbergen sich hinter den sogenannten „sozialen Netzwerken“ im Internet?  Anne Roth im Gespräch mit dem Freien Radio FRO aus Linz.

WienTV – Nachrichten vom 3. Mai

WienTV.at: Interview Anne Roth Langversion (Wien)

„Mit Kabelbindern ruhig gestellt“ – Durchsuchung in Dresden

Bild: de.indymedia.org

Bild: de.indymedia.org

Die Dresdner „Praxis“ ist am Dienstag morgen ab halb 5 von 150 PolizistInnen durchsucht worden. Hintergrund ist die Kriminelle Vereinigung (§129 StGB), deren Bildung 17 Menschen aus Sachsen und Brandenburg vorgeworfen wird.

Die Durchsuchung diente anscheinend nicht nur dem Finden von Dingen, sondern sollte wohl BewohnerInnen wie auch der Nachbarschaft nachhaltig Eindruck machen:

Bewohner seien mit Kabelbindern »ruhig gestellt« und Maschinenpistolen quasi als Drohung zur Schau gestellt worden – so schildert die Linksabgeordnete Julia Bonk eine Razzia, die gestern früh im alternativen Wohnprojekt »Praxis« im Dresdner Stadtteil Löbtau durchgeführt wurde. Die Bewohner, zu denen auch Familien mit Kindern gehören, seien »als Straf- und Gewalttäter der gefährlichsten Sorte« behandelt worden, sagte Bonk. (Neues Deutschland)

Die Praxis hat diverse Nazi-Angriffe überstanden, darunter einen unter den Augen der Polizei am 19. Februar, das Video dazu hat viel Aufsehen erregt. Bei einem anderen Angriff wurde ein Molotow-Cocktail ins Haus geschmissen. Jetzt die oben beschriebene Durchsuchung. Wie die Leute das aushalten, ist mir ein Rätsel. Respekt.

Gefunden wurden unter anderem Laptops, Computer, Mobiltelefone, unzählige Steine, die als Wurfgeschoss verwendet werden könnten, so genannte Sturmhauben und Plakate mit gewaltverherrlichendem Inhalt, sagte Haase. Nach Angaben des LKA sei auch eine Zwille – eine Art Steinschleuder – sowie mehrere dafür einsetzbare Stahlkugeln sicher gestellt worden. (LVZ Online)

Steine, Computer und eine Zwille. Soso.

Die FDP Sachsen ist sich offenbar für nichts zu blöde:

Offenbar ist Polizei und Staatsanwaltschaft ein neuer Schlag gegen gewalttätige Linksextremisten gelungen. Zu diesem Erfolg ist den Ermittlern zu gratulieren.

LiWoLi 11 – Art meets Radical Openness

Auf dem Linzer Hauptplatz (dem zentralen Platz) wird gerade mit unübersehbaren Transparenten für LiWoLi 11, die Linuxwochen Linz geworben. Wäre nicht schön, wenn sich das als Standard für das Verhältnis von Städten zu Open Source Software oder Offener Kultur im weiteren Sinne entwickelte?

Die diesjährigen Linuxwochen Linz haben das Motto Art meets Radical Openness und finden vom 12.-14. Mai in der Linzer Kunstuni statt.

LiWoLi fokussiert als offenes Labor auf freie/Open Source Software (FLOSS), Open Hardware und freie Inhalte in digitaler Kunst und Kultur. Diese Themen werden im Rahmen einer Ausstellung, von Künstlerinnen-Workshops und wie jedes Jahr von Vorträgen, Presentationen und Sound-Performances erforscht. Die Teilnahme am gesamten Programm ist offen für alle Interessierte.

Das Programm ist vielfältig und vor allem auf Vermittlung von praktischem Wissen ausgerichtet. Zu lernen gibt es C/Overt operations with CCTV sniffing, Collaborative open source video editing, Performing Open Source, Linux Mint Debian Remix oder  Laser hacking workshop. Und und und. Die Vortragenden kommen aus zig Ländern.

Besonders gern sähe ich ja “Terrorist Tamagotchi” Data, money and how it feels to become a terrorist.

Das Ganze ist eine so feine Sache, dass es mehr Aufmerksamkeit verdiente. Falls Ihr also noch spontan ein paar Tage nach Linz fahren wollt..?