Rechter Terror – A Work in Progress II

Einen aus RSS-Feeds gespeisten Live-Ticker gibt es bei Twitter: @nsuwatch

Dienstag, 22. November

tagesschau.de: Debatte über Rechtsextremismus im Bundestag. Betroffenheit, Vorwürfe und am Ende Einigkeit

Die Debatte war kontrovers, doch am Ende waren sich alle einig. In einer gemeinsamen Erklärung aller Fraktionen – eine Seltenheit im Bundestag – zeigten sich die Abgeordneten bestürzt über die Mordserie und baten die Angehörigen um Entschuldigung. Streit gab es um Ministerin Schröder.

Bernd Kastner, Süddeutsche: Neonazi-Gegner im Visier

Jetzt, da die rechtsterroristische Mordserie bekannt geworden ist, fordern Politiker jeder Couleur ein hartes Vorgehen gegen Neonazis. In München haben Nazi-Gegner aus dem linken Lager, aber auch aus der Mitte der Gesellschaft, immer wieder zu spüren bekommen, dass einem der Protest gegen Rechtsextreme recht viel Ärger einbringen kann. Bisweilen gehen Polizei und Justiz mit bemerkenswerter Akribie gegen bürgerliche Courage und zivilen Ungehorsam vor.

Thomas Denkler, Süddeutsche: Streit über Extremismusklausel im Bundestag. Union stellt Schröders „Gesinnungs-TÜV“ zur Debatte

Hat die Familienministerin kein Herz für den Kampf gegen Rechtsextreme? Kristina Schröder sieht sich in der Bundestagsdebatte um Rechtsterrorismus heftigen Angriffen der Opposition ausgesetzt. Sagen will sie nichts. Das macht dann CDU-General Hermann Gröhe für sie. Und stellt indirekt in Frage, wofür Schröder lange gekämpft hat.

Montag, 21. November

Andreas Förster, Berliner Zeitung: Terror-Spur führt ins Erzgebirge

Das Zwickauer Trio erhielt offenbar Hilfe von der rechtsextremen Szene in Sachsen. Trotz neuer Spuren sehen sich die Ermittler noch weit von einem Durchbruch entfernt.

Sondersitzungs des Innenausschusses

taz, 21.11.11: Appell gegen Neonazis. Was jetzt zu tun ist

Vor-Ort-Initiativen gegen rechte Gewalt und Projekte zur Hilfe von Opfern fordern eine Umkehr in der Politik staatlicher Behörden gegen Rechtsradikalismus.

1. Eingreifen und einmischen statt wegsehen
2. Mehr Demokratie statt mehr Verfassungsschutz
3. Zivilgesellschaftliche Expertisen anerkennen und nutzen
4. Staatliche Alimentierung der Neonazis beenden, V-Leute abschaffen
5. Lückenlose Aufklärung und Konsequenzen auf allen Ebenen
6. Nebelkerze NPD-Verbot ad acta legen
7. Engagement gegen Rechts braucht Anerkennung und Unterstützung statt Diffamierung und Kriminalisierung
8. „Extremismusklausel“ abschaffen
9. Langfristige Planungssicherheit für Projekte gegen Rechtsextremismus und Ausweitung der bewährten Beratungsprojekte in den alten Bundesländer
10. Rassismus endlich beim Namen nennen

Die zehn Punkte sind im Text ausführlicher erläutert.

Sonntag, 20. November:

Nils Minkmar, FAZ: Hauptsache, es macht Peng!

Zehn Menschen könnten noch leben, wenn die Geheimdienste ihre Arbeit getan hätten. Es ist Zeit, sie abzuschaffen.

Außerdem:

JG Stadtmitte Jena, 21.11.11: Broschüren über Rechtsextremismus in Jena

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Ausländerfeindliche und rechtsextremistische Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland im September 2011“ (pdf)

Viele Online-Auftritte haben Sonderseiten eingerichtet:

Rechter Terror – A Work in Progress

Mein Versuch, den Überblick zu behalten. Nicht vollständig, aber informativ (hoffe ich). Die Sammlung wird laufend erweitert, sachdienliche Hinweise bitte gern in die Kommentare!

Disclaimer: Es ist natürlich nicht so, dass ich alles für richtig halte, was hier steht. Interessant, ja. Aber denkt bitte weiter und bildet Euch jeweils eine eigene Meinung. (Manches ist sogar ziemlich verschwörungstheoretisch. Wie gesagt: selber denken). Update: Ich hab’s mir überlegt, Verschwörung & Co. bleiben, wo sie sind. Danke für’s Feedback!

Weitere Links gibt es bei netz-gegen-nazis.de

Dienstag, 8.11.

JG Stadtmitte Jena: Jenaer Notizen

Jena gehört zu jenen ostdeutschen Städten, in denen Neonazis auch vor 1989 aktiv waren.

In einer Art „Jahresrückblick“ des Oberbürgermeisters auf das Jahr 1998 wiederholte er seine Kritik an den „Radikalen von Links und von Rechts“, die die Stadt Jena „zum Aufmarschgebiet“ machen würden. (Ostthüringer Zeitung und Thüringer Landeszeitung vom 28. Dezember 1998)

Es zeigt sich in Jena insgesamt das Bild einer Kommunalpolitik, die zwar das Auftreten rechter Organisationen und Parteien ablehnt, dem aber linksalternative Gruppen und Veranstaltungen umstandslos gleichstellt und damit schon ihre eigene Unfähigkeit zur Analyse der tatsächlichen Situation

unter Beweis stellt. Zeigen antifaschistische Gruppen und Persönlichkeiten rechte Zusammenhänge auf oder protestieren dagegen öffentlich, laufen sie

Gefahr, in Verkehrung der Tatsachen zum eigentlichen Ärgernis zu werden.

Freitag, 11.11.

Bettina Gaus: Realität schlägt Fantasie

Interessant zu erfahren wäre auch, weshalb eigentlich im Zusammenhang mit toten Migranten stets so schnell die Rede war von möglichen Kontakten der Opfer zum kriminellen Milieu. Stehen Minderheiten hierzulande unter Generalverdacht, selbst wenn sie umgebracht werden?

Christian Rath, taz: Bundesanwaltschaft ermittelt. Polizistenmord Teil rechter Mordserie

Doch was verband die Opfer, außer der ethnischen Herkunft und dass sie in kleinen Läden arbeiteten? Die Polizei tappte im Dunkeln und ermittelte in alle Richtungen: Schutzgelderpressung, Mafia, Rassisten.

Gegen 2006 stellten Polizei-Profiler die These auf, dass es wohl ein fanatischer Einzeltäter sein müsse, der aufgrund eines persönlichen Erlebnisses einen tödlichen Hass auf Türken entwickelt habe.

Andreas Förster, Berliner Zeitung: Spur führt zu „Döner-Morden“

Der amtierende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum sagte, es seien in den Trümmern des Zwickauer Hauses unter anderem ein auf DVDs kopierter Film gefunden worden, in dem eine Gruppe mit dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ eine Rolle spielt und der Bezüge zu den Döner-Morden enthält. Die DVDs sollen zum Teil versandfertig verpackt gewesen sein.

Samstag, 12.11.

Tom Strohschneider, der Freitag: Zehn Tote und der rechte Terror

 

Bisher gingen die Ermittler im Zusammenhang mit den „Döner-Morden“ von allen möglichen Varianten aus – nur die Möglichkeit einer organisiert rassistischen Anschlagsserie kam den Behörden offenbar nicht in den Sinn. Erst war von Mafia die Rede, später von einem gestörten Einzeltäter.

Sonntag, 13.11.

Tom Strohschneider, der Freitag: Schafft das Amt ab!

Wozu braucht die Bundesrepublik diesen Verfassungsschutz überhaupt? Allein das Bundesamt verschlingt im Jahr fast 174 Millionen Euro – für die jährliche Herausgabe eines Heftes, in dem nachzulesen ist, was man auch anderswo erfahren kann? Zur Verhinderung einer der schlimmsten politischen Mordserien der vergangenen Jahrzehnte reichte es jedenfalls nicht.

Günther Lachmann und Florian Flade, Welt Online: Die mögliche Verbindung der Täter zum Geheimdienst

Bis heute bestreitet der Verfassungsschutz die drei angeworben zu haben. Die jetzt in dem vom Terror-Trio gemeinsam bewohnten Haus in Zwickau gefundenen Papiere erhärten allerdings den Verdacht, dass es doch eine Verbindung gegeben haben könnte.

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung stellten Sicherheitsbeamte in den Trümmern des Hauses sogenannte „legale illegale Papiere“ sicher. So werden von Geheimdiensten für Spionagezwecke ausgestellte Ausweispapiere bezeichnet.

Spiegel TV: Das Video der Zwickauer Terrorzelle

Montag, 14.11.

Andreas Förster, Berliner Zeitung: Der Verfassungsschutz subventionierte die Neonaziszene

Geld spielte offenbar keine Rolle – im Verfassungsschutz-Haushalt waren in den 90er-Jahren bis zu 800.000 Mark jährlich für V-Leute eingeplant.

Einer dieser Informanten – der Top-Nazi Tino Brandt – hatte 1994 die „Anti-Antifa-Ostthüringen“ gegründet, aus der zwei Jahre später der „Thüringer Heimatschutz“ (THS) hervorging, dem sich auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe anschlossen. 80 gewaltbereite Neonazis rechnete das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) damals der THS zu.

Die Zahl dürfte ziemlich genau sein, da der 1994 als V-Mann Nr. 2045 mit dem Decknamen „Otto“ angeworbene Brandt den Geheimdienst über die THS auf dem Laufenden hielt. Einige seiner Meldungen waren sogar so wertvoll, dass sie an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet wurden. Der Lohn war üppig – bis zu seinem Abschalten 2001 kassierte Brandt bis zu 40.000 Mark jährlich. Einen Großteil der insgesamt 200.000 Mark Spitzellohn investierte der V-Mann nach eigenen Angaben in den Aufbau des THS.

Frank Janssen, Zeit/Tagesspiegel: Die ungelösten Fragen über das Neonazi-Trio

Heribert Prantl, Süddeutsche: Nehmt die braune Gefahr endlich ernst!

Mord und Mord und Mord und Mord. Es ist unbegreiflich und unendlich verstörend: Jahrelang konnte eine rassistische Terrorbande durch Deutschland ziehen und Einwanderer exekutieren. Sie konnte Anschläge planen, Bomben bauen und werfen. Sie konnte all das auch deswegen tun, weil Polizei, Staatsschutz und Staatsanwaltschaft rassistische Motive überwiegend ausgeschlossen haben. Die Verbrechen wurden als Terrorakte nicht erkannt, es hieß, es handele sich um Einzeltaten, sie seien nicht zusammengehörig, angeblich nicht politisch motiviert.

Paul Wrusch, taz: Verfassungsschutz und Naziszene. Thüringer Kameraden

Helmut Roewer, bis zum Jahr 2000 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, hielt sich V-Leute aus der Naziszene. Heute schreibt er für einen rechten Verlag

M. Bartsch & P. Beucker & W. Schmidt, taz: Thüringer Rechtsterroristen Ungelöste Fälle werden neu aufgerollt

Am Montagnachmittag hielten alle Chefs der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern eine Krisenschalte ab. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte eine Umstrukturierung des Verfassungsschutzes.

Dienstag, 15.11.

Andreas Förster, Berliner Zeitung: Ein viel zu klares Bild

Denn je genauer man die Ereignisse der letzten Tage betrachtet, desto mehr verschwimmt die scheinbar klare Kontur dieses Falls. Es beginnt mit dem angeblichen Selbstmord der beiden Bankräuber in ihrem Wohnmobil.

Andreas Förster, der Freitag: Späte Suche nach den braunen Wurzeln

Dabei gab es schon Ende der 60er Jahre Berichte in westdeutschen Medien, dass frühere Nazis ihre Beamtenkarriere beim Verfassungsschutz fortsetzen konnten, obgleich sie direkt oder mittelbar an Gräueltaten des Hitler-Regimes beteiligt waren. Lanciert hatte diese Erkenntnisse häufig die ostdeutsche Stasi, die in DDR-Archiven lagernde Personalakten des NS-Regimes ausgewertet hatte.Diese Unterlagen – von denen viele noch heute im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde aufzufinden sind – belegen, dass eine Reihe ehemaliger Nazis sogar Spitzenposten im Kölner Bundesamt bekleideten.

Julia Jüttner, Spiegel Online: Die Rätsel von Zwickau

DLF: Streetworkerin Kathrin Schuchardt über Rechtsextremismus in Ostdeutschland: „Man kannte die Namen, man kannte die Gesichter“

Johannes Radke, Störungsmelder/Zeit Online: Nazi-Spitzel außer Kontrolle

Klar ist: Schon Ende der neunziger Jahre lief der Einsatz von V-Leuten in der Thüringer Naziszene, in der das mörderische Trio radikalisiert wurde, gehörig aus dem Ruder. Drei Jahre nach dem Abtauchen von Beate Z., Uwe M. und Uwe B. titelte die Thüringer Allgemeine: “Verfassungsschutz bezahlt weiter rechte Führungskräfte, NPD finanziert Aufmärsche aus der Thüringer Staatskasse.”

hr online: „Kleiner Adolf“ beim Verfassungschutz

Der Mann, der zur rechten Szene gehört, ist nach wie vor Mitarbeiter des Landes Hessen, wie bei einer Sitzung im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages (PKG) bekannt wurde. „Er arbeitet im Augenblick bei der Bezirksregierung in Hessen“, sagte der PKG-Vorsitzende Thomas Oppermann über den ins Zwielicht geratenen hessischen Verfassungsschützer.

Thomas Holl, Katharina Iskandar, FAZ: Verdächtiger Verfassungsschützer. Spitzname „kleiner Adolf“

Der Verfassungsschützer, der sich am Tatort eines Mordes der Neonazi-Terrorgruppe befand, hegte wohl rechtes Gedankengut. Er war unter dem Spitznamen „kleiner Adolf“ bekannt. In seiner Wohnung wurden Waffen und Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“ gefunden.

Lutz Schnedelbach, Berliner Zeitung: Verdächtige Gegenstände neben rechtsradikalen Flugblättern gefunden

In der Einfahrt eines Parkhauses an der Bismarckstraße in Charlottenburg ist heute morgen eine gelbe Einkaufstüte aus Plastik entdeckt worden. Sie war gefüllt mit einer Flüssigkeit. Ob es sich dabei um Benzin handelte, teilte die Polizei bisher nicht mit. Neben der Tüte lag ein Zettel, auf dem stand: „Ausländer raus!“

Peter Carstens, FAZ: Im Zweifel gegen den Zweifel

Man sei, sagt Wiefelspütz, im Bereich Rechtsextremismus offenbar „nicht einmal ansatzweise richtig aufgestellt“. In den kommenden Wochen und Monaten seien die vergangenen mehr als dreizehn Jahre – so lange hatten die drei Jenaer Neonazis des NSU unentdeckt eine Blutspur durch Deutschland gezogen – „Tag für Tag neu aufzuhellen“. Schon nach wenigen Ermittlungstagen ist bereits abzusehen: Am Ende werden die Sicherheitsbehörden nicht gut dastehen.

Mittwoch, 16.11.

Jörg Schindler, Berliner Zeitung: Mord unter Aufsicht

Gleichwohl seien die Ermittlungen gegen den Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, der suspendiert wurde und heute im Regierungspräsidium Kassel tätig sein soll, im Januar 2007 eingestellt worden. Man habe es zu seinen Gunsten ausgelegt, dass sich der Mitarbeiter „nur“ in der Nähe von sechs der neun Mord-Tatorte befunden hätte.

Florian Gathmann, Matthias Gebauer, Veit Medick, Spiegel Online: Neonazis hatten auch Politiker im Visier

… Namen und Adressen von 88 Personen – darunter mindestens zwei Politiker des deutschen Bundestags und auch Vertreter türkischer und islamischer Organisationen. Insgesamt soll es sich um rund tausend Datensätze handeln, hieß es aus dem Umfeld der Ermittler.

Jochen Bittner, Christian Denso, Michael Kraske, Toralf Staud, Zeit Online: Verbrecher und Versager

Nur eines scheint dieser Tage sicher. Allein haben die drei Verdächtigen nicht gehandelt. Das Bild einer vollkommen abgekapselten Killer-Sekte führt offenbar in die Irre. »Es muss eine Struktur bereitgestanden haben«, sagt ein hochrangiger Ermittler, der mit dem Fall befasst ist.

Julia Kuttner, tagesschau.de: „Dieses Gelaber ist so unwürdig“ Interview mit Anetta Kahane

„Ich finde das den Opfern gegenüber total unwürdig. Diese ganze Streiterei, ob das nun rechtsextrem motiviert ist, ist unwürdig. Da war ein Nazi, da war ein gewisses atmosphärisches Umfeld, da ist ein Opfer und dann zu sagen: ‚Naja, das Opfer war ja betrunken, und wer weiß…‘, das ist einfach unwürdig. Das ist ein Teil des grundsätzlichen Problems, das wir haben.

Donnerstag, 17. November

Heribert Prantl, Süddeutsche: Wenn der Staat versagt

Eine Duldsamkeit gegenüber dem Rechtsextremismus und die Unduldsamkeit gegenüber dem Linksextremismus könnte mit dem Kalten Krieg zu tun haben, in dem ein Teil der Verfassungsschützer groß geworden ist.

deStandard.at: Weitere Liste mit tausenden Namen bei Neonazis entdeckt

Bei den neuen Unterlagen handle es sich um eine Sammlung von Daten, die für die Zwecke der Rechtsextremisten offenbar relevant gewesen seien, zitierte die „Passauer Neue Presse“ aus Kreisen von Sicherheitsbehörden. Demnach sei nicht von „Todeslisten“ die Rede gewesen.

stern.de: … und der braune Mob darf marschieren. Interview mit Bodo Ramelow, Chef der Linksfraktion Thüringen

„Lesen Sie mal nach, was der sächsische Politologe Eckhard Jesse sagt, der regelmäßig viele Veranstaltungen für die Verfassungsschutzämter macht. Zu Jesses Schülern gehört zum Beispiel Mario Voigt, CDU-Generalsekretär in Thüringen. Jesse redet vom weichen Extremismus der Linken, der gefährlicher sei als die NPD. Das sagt der auch öffentlich. Kein Wunder, dass von der sächsischen CDU die Menschen kriminalisiert werden, die gegen braunen Ungeist auf die Straße gehen.“

W. Schmidt & A. Speit, taz.de: Verbindungen des Nazi-Terrortrios. Der Staat, der Terror und die Partei

Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe soll 2004 an einer NPD-Weihnachtsfeier teilgenommen haben. Auch andere Spuren verbinden das Trio mit der Partei.

Freitag, 18. November

Frank Jansen, Tagesspiegel.de: Ermittler prüfen Hintergrund nicht aufgeklärter Taten

Zehn Morde, 14 Banküberfälle und ein Anschlag mit einer Nagelbombe werden dem Jenaer Neonazi-Trio bislang angelastet. Welche Taten könnte es noch begangen haben?

Martina Borusewitsch, T-Online.de: Jagdszenen auf dem Weihnachtsmarkt. Wie Beate Zschäpe zuschlug

Aber es war hellichter Tag, als Katharina König, Tochter einer Pfarrersfamilie, zusammengeschlagen wird – auf dem Rückweg von einem Fußballspiel. Niemand griff ein. „Die anderen Fußballfans liefen vorbei und guckten zu“, erinnert sie sich. Niemand habe das ernst genommen, die Vorfälle seien als „rivalisierende Jugendgruppen“ abgetan worden.

In diesem Umfeld seien Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt zu verorten – „und zwar in der ersten beziehungsweise zweiten Reihe in Jena“, so König. Zu regelrechten Treibjagden kam es jedes Jahr auf dem Jenaer Weihnachtsmarkt – auf dem Zschäpe eine Freundin Königs zusammengeschlagen habe.

Sebastian Gierke, Süddeutsche: Debatte um Extremismusklausel. Wie Ministerin Schröder den Kampf gegen rechts erschwert

Nur ein halbes Jahr war „die Wand der Toleranz“ in Limbach-Oberfrohna unbefleckt – bis Mittwochnacht. Dann wurde sie mit weißer und schwarzer Farbe übermalt. Statt des Symbols für ein friedliches, tolerantes Miteinander in der westsächsischen Stadt: schwarze Balken, gesprüht von Neonazis, eine braune Machtdemonstration.

 

Außerdem

DISSkursiv: V-Leute bei der NPD. Geführte Füh­rende oder Füh­rende Geführte? (2002)

DISSkursiv: Zum Thema NPD-Verbot.. (2008)

7h3linguist’s journey:  Rechtsmotivierter Terror in Deutschland seit 1945

Große Anfrage, Antwort vom 27.9.11: Mindestens 137 Todesopfer rechter Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland seit 1990 (pdf)

Amadeu-Antonio-Stiftung: 182 Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt seit 1990

Insgesamt wurden seit 1990 182 Menschen Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt. Die offiziellen Statistiken sprechen allerdings nur von 47 Opfern.

Mut gegen rechte Gewalt: 182 Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt seit 1990

Todesopferliste aktualisiert: Seit 1990 wurden in Deutschland 182 Menschen Opfer rechtsextremer oder rassistischer Gewalt. Die rassistische Mordeserie von 2000 bis 2007 zeigt einen würdelosen Umgang der staatlichen Behörden mit rechtsextremer Gewalt.

Nichts gewusst? Nazis, Verfassungsschutz und der Rest

Angesichts der sich überschlagenden Berichte zu den Thüringer Nazis fällt mir eigentlich nur eins ein:

Und wem nützt das?

Es muss doch wirklich niemand so tun, als sei irgendwas davon unbekannt gewesen. Ich gehe nicht so weit, allgemeine Heuchelei zu unterstellen – abgesehen von den zuständigen Politikerinnen und Politikern. Die wussten Bescheid. Wenn nicht, sollten sie erst recht zurücktreten. Der Verfassungsschutz ist ein eigenes Kapitel, über das wohl noch geredet werden wird (wenn sich danach irgendetwas ändert, fresse ich einen Besen).

Aber dass hierzulande regelmäßig Migrantinnen und Migranten, Obdachlose, Behinderte, Andersdenkende, Linke umgebracht werden, ist schon so normal, dass die meisten Morde maximal in der Randspalte vorkommen.

Morde. Genau. Terror. Es gibt Regionen, in denen das zum Alltag gehört. Und Programm der Regierung ist, denen, die versuchen, etwas dagegen zu tun – wenn es die Polizei schon nicht macht -, per Extremismus-Klausel den Boden unter den Füßen weg zu ziehen. Von einer Ministerin, zuständig für Frauen und Familie, deren Nähe zum Rechtsextremismus bekannt ist. Die dafür sorgt, dass Frauen am Herd bleiben, oder wenigstens ordentlich hungern samt ihren Hartz-IV-Blagen.

Wir wissen das. Es laut zu sagen, führt im Zweifelsfall zusätzlich zum Ärger mit den Nazis zu staatlicher Überwachung. Oder gleich zu einem eigenen Verfahren, nach dem Gießkannenprinzip: wird schon die Richtigen treffen und wenn nicht, dann schreckt es zumindest ab. Siehe Sachsen. Und, ach ja, Thüringen.

Es ist normal. So normal, dass es zusätzlicher Skandale bedarf, damit es nicht als nervend wahrgenommen wird, wenn die Gutmenschen wieder die gute Laune in der Timeline stören. Die Link(sextremist)en werden rausgefiltert und müssen sich sowieso erstmal erklären, weil sie bei der letzten Demo soviel Pfefferspray provoziert haben mit ihren gewalttätigen Kapuzen.

Und wem nützt das?!?

 

Petition von RoG für Online-AktivistInnen in Ägypten

Update: Alaas Haft wurde heute um weitere 15 Tage verlängert.

Reporter ohne Grenzen ruft dazu auf, die

Petition zur Einstellung der Verfolgung von Internet-Dissidenten sowie zur umgehenden und bedingungslosen Freilassung der ägyptischen Blogger Maikel Nabil Sanad und Alaa Abdel Fattah

zu unterschreiben. Sie richtet sich an den ägyptischen Ministerpräsidenten. Ich weiß selbst, wieviel mehr Eindruck internationale Einmischung auf Richter macht. Jede und jeder einzelne, der und die aus den ägyptischen Gefängnissen wieder frei kommt, ist ein Gewinn.

Bei aller Skepsis gegenüber Clicktivism halte ich das für eine gute Sache. Ägypten rutscht offenbar inzwischen zurück in ein System harter Repression. Die Petition soll Ende des Jahres an die ägyptische Botschaft in Berlin übergeben werden.

Aus der Pressemitteilung dazu:

Ein Militärgericht verurteilte den 25-jährigen Maikel Nabil Sanad am 10. April. 2011 zu drei Jahren Haft. Sanad, ein Kriegsdienstverweigerer, veröffentlichte in seinem Blog einen kritischen Bericht zur Rolle des Militärs während der Revolution im Januar. Aus Protest gegen die unrechtmäßige Gefängnisstrafe ist der inhaftierte Blogger im August in den Hungerstreik getreten. Am 18. Oktober entschied ein Gericht, ihn in eine psychiatrische Klinik einzuweisen.

Zuletzt wurde am 30. Oktober dieses Jahres der prominente ägyptische Blogger Alaa Abdel Fattah festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, bei der Demonstration von koptischen Christen am 9. Oktober in der ägyptischen Hauptstadt zur Gewalt aufgerufen zu haben. Er wollte lediglich über die Ereignisse berichten und half während des Protestes, Verletzte ins Krankenhaus zu schaffen.

„Diese unrechtmäßigen Repressionen, Anschuldigungen und Inhaftierungen müssen gestoppt werden“, fordert ROG. Ansonsten drohe eine Rückkehr in die Ära Mubarak. „Der Übergang zu Demokratie und Menschenrechten ist gefährdet“, warnt die Organisation.

Seda Gürses über Datenschutz im Medienradio

Ich glaube, ich sagte schon, dass ich großer Fan von Seda Gürses bin?

Philip Banse hat sich zwei Stunden mit ihr für das Medienradio über Datenschutz unterhalten. Über die Europäische Datenschutzrichtlinie, das Google-Institut, Missverständnisse, die entstehen, wenn JuristInnen und InformatikerInnen über Datenschutz reden, warum alte Vorstellungen von Datenschutz heute sinnlos sind, aber auch über Open Data und Open Government. Und was Datenschutz heute sein könnte und müsste, der den Stand der Technik berücksichtigt.

Niemand sollte mehr über Datenschutz, und Privatsphäre, und Privacy (und den Unterschied zwischen beiden) reden, ohne hier zugehört zu haben.

Zum Embedden ist die Datei zu groß, deswegen:

 

Klout control

Ich bin heute über einen hübschen hasserfüllten Blogpost zu Klout gestolpert. Der Einstiegssatz verrät die Richtung:

„If you’re not paying for the product, you are the product.“

Klout ist einer von unzähligen Diensten, die auf undurchsichtige Weise den ‚Erfolg‘ der eigenen Social-Media-Aktivitäten messen (und die von anderen). Und die gemessene ‚Bedeutung‘ in Zahlen ausdrücken, dazu ziemlich konfuse Grafiken. (Gibt es eigentlich diese taz-Rubrik noch? Das könnte jetzt neu für Online erfunden werden).

Charlie Stross hat in Evil social networks kurz und nachdrücklich erklärt, was der Haken dabei ist. Dazu hat er sich durch das Kleingedruckte gelesen und festgestellt, dass Klout nach britischem Recht eigentlich verboten gehört, jedenfalls in der derzeitigen Form. Das müsste alleine kein Grund sein, es nicht zu benutzen. Das Kleingedruckte aber schon.

Das gilt nämlich schon als akzeptiert, wenn die Seite nur angesurft wird, ohne Anmeldung oder gar Zustimmung. Alle Daten in Reichweite werden an Dritte weiterverkauft. Alle erreichbaren Daten über Deine Kontakte sind auch mit dran. Account löschen nur mit Anwalt.

Stross dazu:

Here in the civilized world we have a fundamental right to privacy. Klout, by its viral nature (and particularly by tracking people without their prior consent) is engaging in flat-out illegal practices.

Die Details führt er dann aus.

Hallo Herr Weichert?

(Disclaimer: ich habe mich da auch schon eingeloggt, Neugier, na klar.)

(via)

Fragen zu Auto-Brandstiftungen

Es gibt Geschichten, die könnte das Leben nicht besser schreiben.

Andre H. aus Berlin-Moabit also hat die Autos angezündet. Dass bei uns heute noch nicht das Telefon geklingelt hat, liegt wohl nur daran, dass er kein Soziologie-Student, sondern Hartz IV-Empfänger ist. James Braun hat ihn gefangen.

Seit der Erfolg der Berliner Polizei gemeldet wurde, frage ich mich, wann denn ein bisschen Demut seitens der verbalen Brandstifter zu sehen sein wird? Noch in der Aktuellen Stunde zu linksextremistisch motivierter Gewalt letzten Donnerstag im Bundestag wurden wieder die linksextremen TäterInnen beschworen. Das ist an sich schon eine demagogische Schweinerei, weil ja selbst die Polizei sagt, dass sie in der Regel nicht wissen können, wer die Autos anzündet. Und dann eben ab einer bestimmten Preisklasse davon ausgeht, dass es wohl ein politisches Motiv sei, ergo: Linksextremisten.

Für die Fahnder bestätigt sich mit der Festnahme die oft geäußerte Vermutung, dass der Großteil der Brandstiftungen nicht von extremistischen Tätern begangen wurde. (Berliner Morgenpost)

Wird dann jetzt eigentlich die Statistik korrigiert, die mit den Prozentzahlen zu linken TäterInnen??

Andererseits: der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei ist pflegt, von Fakten unbeeindruckt, das Stereotyp:

Brandanschläge bleiben ein Mittel der öffentlichen Aufmerksamkeit auch für extremistische Kräfte. (Focus)

Das Motiv, der Sozialneid des Hartz-IV-Empfängers, der mit seiner kranken Mutter in einer Wohnung lebt, könnte natürlich auch politisch interpretiert werden. So weit zu gehen, den Ärger der Armen als linksextrem zu definieren, sind wir allerdings noch nicht.

Und dann lese ich, dass der Täter seit dem 23. August bekannt war. Seit Ende August dann wurden die 150 Berliner FahnderInnen von der Bundespolizei unterstützt (Handelsblatt). Einen Monat vor der Abgeordnetenhaus-Wahl in Berlin. Hallo?

Die verschiedenen mit großer Fanfare präsentierten ‚echten‘ Linksextremen wurden doch immer gleich auf der Straße festgenommen, ohne sich weiter groß mit Beweisen aufzuhalten – und jetzt wird zwei Monate gewartet? Wie erklärt sich das denn?

Zugegeben hat der die Taten „nach beharrlichen Befragungen“ (Berliner Zeitung, Print).  Hat den ein Arzt gesehen hinterher?

Und schließlich: Im Spiegel ist von insgesamt 470 beschädigten Fahrzeugen in Berlin in diesem Jahr die Rede, in Brand gesteckt worden seien 341. In der Berliner Zeitung ist im selben Artikel von 550 beschädigten Fahrzeugen  und dann in einem zusätzlichen Kasten von 470 angezündeten plus 183 beschädigten Autos die Rede (macht 653). Der schon zitierte GdP-Sprecher der Festgenommene behauptet, der Festgenommene sei nicht mal für ein Zehntel der Brandstiftungen verantwortlich. Damit wäre wir bei mindestens 700-1000 Autos dieses Jahr, je nach Zählweise.

Mal sehen, wie das bis zur Ernennung des neuen Berliner Innensenators weitergeht.

Herzlich Willkommen ..

.. an die Leserinnen und Leser des gedruckten Freitag, die nach der Lektüre meiner Texte zur Überwachung hier vorbeischauen. Die Berichte über Überwachung während des §129(a)-Verfahrens gegen Andrej Holm sind in der Rubrik „Überwachung im Alltag“ versammelt, am besten von hinten nach vorn, also chronologisch, zu lesen. Dort findet sich auch die Geschichte vom „Schwarzen Beutel„.

Update: Der Artikel ist jetzt online: Bitte recht freundlich

140 Sekunden / Elektrischer Reporter

Zu diesem Tweet gab es im „Elektrischen Reporter“ gestern 140 Sekunden:

Es ist unmöglich, ein kompliziertes Strafverfahren in 140 Sekunden darzustellen. Zwangsläufig fehlt also viel. Und ich bin echt beeindruckt vom Team der 140 Sekunden, die das aus einem mehrstündigen Gespräch destilliert haben.

 

Visualisierung des 15. Oktober in Rom in den Sozialen Netzwerken

Rom und die dortigen Aktivitäten zum 15. Oktober spielten in den deutschen Nachrichten nur wegen der Krawalle eine Rolle. Und nicht nur hier, auch in Italien und anderswo. Die Gewaltfrage ist ein nicht endenwollendendes Paradox: Gerade die, die den Nachrichtenwert eines Protests nur danach beurteilen, wie gewalttätig er war, verurteilen die Gewalt am kompromisslosesten. Finde den Fehler.

Es wäre die Frage zu stellen, welche Mitverantwortung also die Medien tragen: Genauso wie im Netz alle Kopfstand machen, um in irgendwelchen Charts vordere Plätze zu belegen oder gar im Print zitiert zu werden, bringt auch der Protest nur Quote, wenn’s brennt.

VersuS hat die Aktivitäten in den Sozialen Netzwerken Twitter, Facebook und Foursquare während der Krawalle in Rom visualisiert:

In ihrem eigenen Text VersuS – Rome, October 15th, the riots on social networks stellen sie ein paar Fragen, die sich daraus ergeben. Mir kommen die ziemlich hypothetisch vor, weil etwa davon ausgegangen wird, dass eine sinnvolle Auswertung der Sozialen Netzwerke bei Protesten der Polizei behilflich sein könnte, ihrer Aufgabe nachzukommen, sich um Gesundheit und Wohlergehen der Bevölkerung zu kümmern.

These and other topics will be discussed at the Share Festival and at the FabLab Italia during the first week of November 2011, where we will present the “VersuS” project.

VersuS is a spin-off of the ConnectiCity project, and is intended to create tools that enable us to imagine, design and create new tools for the city.