EM in Polen – da bleibt kein Überwachungswunsch offen

Polens Polizei will nach FOCUS-Informationen während der Fußball-Europameisterschaft Hooligans mit Hightech in Schach halten. Handy-Ortung, Datenaustausch und Überwachungssysteme sollen Sicherheit in den Stadien garantieren. (Focus)

Das ungeschriebene Handbuch für InnenpolitikerInnen „Wie verkaufe ich dem Volk neue Überwachungsmethoden“, Untertitel „Was die Sicherheits-Industrie sich als Nächstes wünscht“ ist eigentlich ganz einfach aufgebaut:

In regelmäßigem Wechsel braucht es eine neue Bedrohung, jeweils so beschrieben, dass es a) schön gruselig und b) keine Gefahr besteht, dass sieh zuviele ordentlich unbescholtene Bürger mit den Überwachungsobjekten Gefährdern identifizieren.

Als da wären: Drogenhändler, Organisierte Kriminalität, Russenmafia, Frauenhändler (besonders geeignet, weil noch das Moment der beschützenswerten Opfer dazukommt), Terroristen, Hooligans. Wenn alle durch sind: von vorne anfangen.Demnächst sicher auch Hacker.

Große Sportereignisse (hat sich schonmal wer gefragt, warum immer die Innenminister auch für Sport zuständig sind?) bieten dafür jede Menge Vorteile: Viel Publikum, viel nationale Begeisterung = viel Zusammengehörigkeitsgefühl, viel Chaos = offensichtliche Notwendigkeit für Sicherheitsmaßnahmen, viel Bereitschaft, Maßnahmen zu akzeptieren um bloß ja dabeisein zu können.

Vor uns liegt also die Europameisterschaft.

Verdächtige Personen könnten bei Bedarf bereits ab dem Grenzübertritt überwacht werden, sagte ein Polizei-Sprecher zu FOCUS. Zu den geplanten Maßnahmen gehörten zudem Handy-Ortung sowie der Datenaustausch mit nationalen Polizei-Datenbanken.

Testweise soll auch das umstrittene intelligente Überwachungssystem Indect zum Einsatz kommen, das unter anderem digitalisierte Bilder der Überwachungskameras mit Informationen aus sozialen Netzwerken verknüpfen kann.

Hallo? INDECT? Das hier? Kai Biermann schrieb dazu schon 2009: Indect – der Traum der EU vom Polizeistaat.
Das eigens eingerichtete Sicherheits-Headquarter in Warschau, das mit Europol und Interpol vernetzt ist, soll nach Polizeiangaben präventive offene und verdeckte Überwachung während des Turniers sowie enge Kooperation mit internationalen Sicherheitsexperten gewährleisten. (alles Focus)
Außerdem: Scharfschützen, Schnellgerichte, Spezialscanner für radioaktives und pyrotechnisches Material, von der polnischen Militärakademie entwickelte Lasergeräte.
Es bleibt kein Wunsch offen.

Und wir dürfen uns sicher sein, dass all dies nach erfolgreichem Einsatz in Polen neue Anwendungsfelder finden wird.

US-Heimatschutzministerium überwacht Facebook und Twitter vollständig

Die E-Mail-Überwachung des BND ist schon wieder aus dem Bewusstsein verschwunden. Wir wurden damit beruhigt, dass nur internationale E-Mails nach Suchworten gescannt werden. Das klingt nach „Nigerianische Mafia schreibt an afghanische Drogenhändler“. Dabei hat noch niemand die Frage beantwortet, was die internationale von der nationalen E-Mail unterscheidet. Eine Vermutung ist, dass es die Endung .de beim Mail-Provider ist – damit wären dann alle Googlemail-Accounts gefährdet. Wir können also weiterhin davon ausgehen, dass die meisten Mails überwacht werden. Nach welchen Suchworten gesucht wird, kann bisher nirgends nachgelesen werden.

In den USA ist es der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Privacy Information Center (EPIC) jetzt gelungen, eine andere Sichwortliste zu veröffentlichen. Dort gibt es ein Informationsfreiheitsgesetz, das möglich macht, staatliche Dokumente einzufordern. Ganz einfach ist das auch nicht, eine Klage ist nötig (und teuer). Epic klagt seit Februar 2011, um Informationen über die DHS-Überwachung von sowohl sozialen Netzwerken als auch traditionellen Medien zu bekommen.

In diesem Fall erfolgreich: Jetzt ist bekannt, nach welchen ca. 500 Worten das Department of Homeland Security (DHS, Heimatschutzministerium) soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook durchsucht (ich nehme nicht an, dass sie nach nationalen und internationalen Accounts unterscheiden).

Kurz zusammengefasst von Mashable:

Wie bei früher bekannt gewordenen solchen Listen ist auch diese so, dass es schwierig ist, nicht erfasst zu werden. Dabei sind z.B.:

Ice, Storm, Help, Extremism, Pirates, Nuclear, Tucson

Die vollständige Liste gibt’s hier, oder ab Seite 20 des Original-Dokuments des DHS: Analyst’s Desktop Binder 2011 (pdf) der „Media Monitoring Capability“ (Medien-Überwachungs-Einheit).

Wohin das führt und warum niemand zu glauben braucht, dass die nur echte Terroristen suchen, beschreibt die Süddeutsche, die den Fall von Leigh Van Bryan aus Irland zitiert. Der twitterte vor seiner US-Reise „I go and destroy America“ – und musste nach der Ankunft gleich wieder nachhause fliegen.

CNN zitiert Benjamin Franklin:

Any society that would give up a little liberty to gain a little security will deserve neither and lose both.

Auch dazu: The Young Turks:

Nachtrag: Berlins Brennende Autos

Der Autobrandstifter Andre H. aus Moabit steht gerade vor Gericht. Motiv „diffuser Sozialneid“ und „irgendwie verliebt“ (Tagesspiegel).

102 Autos soll er angezündet haben. Als links kann er beim besten Willen nicht bezeichnet werden, auch wenn das Motiv „Ich fand es ungerecht, dass sich andere teure Autos kaufen können und ich in Schulden stecke“ eine gewisse Verwandschaft zu linken Ideen hat.

„Dabei lebte der blasse Typ mit Stirnglatze bis dahin völlig unauffällig. Er ist gelernter Maler und Lackierer, lebte mit seiner behinderten Schwester und seiner krebskranken Mutter in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in Moabit. Kein Alkohol, keine Drogen, tief religiös und in einer mormonischen Gemeinde.“ Berliner Kurier

Hat sich eingentlich irgendwer von denen entschuldigt, die der todsicher linksradikal-terroristischen Autoanzünder wegen mehr Überwachung gefordert hatten? Mehr V-Leute in der linken Szene? Vorratsdatenspeicherung? Überhaupt wegen der ganzen Hetzerei? Und erst die Funkzellenabfragen – die sind ja schon völlig in Vergessenheit geraten, obwohl sie nullkommanix gebracht haben, außer eben schön viel Daten für die polizeilichen Datenbanken.

„Insgesamt gingen 2011 in Berlin mehr als 700 Autos in Flammen auf. Etwa die Hälfte wird linksextremen Kreisen zugerechnet. Die übrigen Bandstiftungen sollen auf das Konto von Trittbrettfahrern und Versicherungsbetrügern gehen.“ Focus

Es wäre interessant zu erfahren, woher die Einschätzung stammt, dass die Hälfte ‚linksextremen Kreisen‘ zugerechnet wird. Genauso geraten wie alle anderen Zahlen? Einst sagte ein Sprecher der Berliner Polizei, immer, wenn ein verbranntes Auto einen bestimmten Wert übersteigt, werde von einer linksradikalen Tat ausgegangen.

Bei der Berliner Zeitung sieht das so aus:

403 Fälle von Autobrandstiftungen wurden im vergangenen Jahr insgesamt registriert. Dabei wurden 537 Autos direkt angezündet. 222 weitere Fahrzeuge wurden von den Flammen in Mitleidenschaft gezogen. Weniger als ein Drittel der Taten wurde nach Einschätzung der Polizei aus politischer Motivation begangen.

 

„Die Methode war denkbar einfach: Ein Grillanzünder auf dem Vorderreifen des Wagens, mit dem Feuerzeug angezündet – das hatte er in einer Fernsehreportage gesehen.“ Süddeutsche

D.h. jede Reportage, die die Grillanzünder erwähnt, gleitet haarscharf an der Aufforderung zu Straftaten vorbei.

Die BZ hat sogar ein von der Überwachungskamera aufgenommenes Bild. Woher hat sie das eigentlich?

Ansonsten spielen angezündete Autos ja gerade kaum eine Rolle. Werden welche angezündet? Von wem? Warum (nicht)? Wieso redet niemand drüber? Wann wird wieder darüber geredet werden? Demnächst in diesem Kino.

Nacktscanner fördern Terrorismus

So oder so ähnlich könnten die Überschriften zum Video von Jonathan Corbett lauten, der getestet hat, wie sich Nacktscanner austricksen lassen. Am lebenden Objekt US-Flughäfen, was schon ziemlich mutig ist. Er hat sich dabei gefilmt und das samt Beschreibung im Video verewigt:

Es gibt allerhand Rummel:

Ein weiteres Beispiel dafür, dass der Sicherheits-Hype nicht mit Sicherheit, sondern dem erfolgreichem Lobbyismus der Sicherheits-Unternehmen zu tun hat.

 

via Liminal States

 

Schröders Linksextremismus-Programm wissenschaftlich durchgefallen

Mit Studien hat die Bundesregierung in letzter Zeit nicht so viel Glück. Weniger Beachtung als die Muslim-Schock-Studie fand leider der Zwischenbericht des Deutschen Jugendinstituts (DJI), das Kristina Schröders 2010 gestartetes Programm „Demokratie stärken gegen Linksextremismus und Islamismus“ evaluiert.

Im Bereich „Linksextremismus“ fällt auf, dass zwar die Mehrheit der Projekte das Thema „Linksextremismus“ dezidiert aufgreifen möchte, dass hierbei aber sehr unterschiedliche Phänomene (z.B. „Menschenfeindlichkeit“, „Orientierungslosigeit“, „Terrorismus“ oder „Überwachung“) bearbeitet werden, bei denen der allgemeine bzw. der jugendpolitische Bezug zur Thematik teilweise noch Klärungsbedarf aufweist. Hier empfiehlt die Wissenschaftliche Begleitung, die (Weiter-)Entwicklung des sozialwissenschaftlichen Forschungsstandes und den Fachaustausch zu fördern und die Phänomene, die im Rahmen des Programmes bearbeitet werden sollen, auszudifferenzieren (z.B. „autonome Szene“, „Aktionsorientierung“). Zu überdenken wäre, diese ggf. nicht übergreifend mit dem sozialwissenschaftlich umstrittenen Label „Linksextremismus“ zu belegen. (DJI, Ergebnisbericht der Wissenschaftlichen Begleitung des Bundesprogrammes „Initiative Demokratie stärken“. Berichtszeitraum 1.1.2011 – 31.12.2011. S. 106)

Die taz dazu: „Harscher kann Kritik von Wissenschaftlern kaum ausfallen.

Leider darf Kristina Schröder machen was sie will. Auch 2,5 Mio. Euro im Kampf gegen den Linksextremismus ausgeben, der sich laut Studie gar nicht so richtig zum bekämpfen eignet. Die vielfach zitierten Junge-Union-Sauffahrten nach Berlin werden davon genauso finanziert wie die Zeitbild-Broschüre, bei der schon das Symbol für Videokamera ein Hinweis auf linksextreme Gesinnung ist.

Es deutet sich jedoch an, dass mit dem Begriff „Linksextremismus“ so unterschiedliche Phänomene bezeichnet werden, dass zweifelhaft erscheint, inwieweit „Linksextremismus“ im sozialwissenschaftlichen und im pädagogischen Bereich … einen geeigneten Oberbegriff darstellt. (DJI-Bericht, S. 109)

Die Zeitbild-Broschüre kriegt gesondert ihr Fett weg:

Darin werde suggeriert, bereits die Äußerung „durch radikale Umverteilung müssen soziale Unterschiede beseitigt werden“, sei linksextremistisch, rügt das DJI. Das verdeutliche „den Bedarf an der Erforschung des Gegenstands, seiner möglichen Vorfelder und Ursachen, bevor pädagogische Prävention betrieben werden kann“. (taz)

Den Zwischenbericht gibt es weder beim Familienministerium noch beim DJI, aber die taz hat ihn.

Das Ministerium bewahrt Haltung:

In einer Stellungnahme gegenüber jW hat das Familienministerium gestern insistiert, »von einer negativen Bewertung oder gar scharfer Kritik konkreter Projektergebnisse durch das DJI kann keine Rede sein«. Es sei darum gegangen, »die Ausgangslage zum Start der Projekte zu beschreiben«, und diese sei »leider durch erhebliche Wissens- und Forschungslücken gekennzeichnet«. (junge welt)

Gefunden habe ich all das bei meinem neuen Lieblingsblog zum Thema: (links)extremismus.

 

Foto: Frank Hamm, CC-Lizenz, Flickr

 

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Zeit-Quiz: Wodurch machen Sie sich verdächtig?

Zeit Online hat ein sehr hübsches kleines Überwachungs-Quiz zum Thema „Wodurch machen Sie sich verdächtig?“. Es geht um überwachte E-Mails, Stille SMS, US-Heimatschutz, Funkzellenauswertung, Staatstrojaner.

Gar nicht so einfach – ich hatte sechs von sieben Fragen richtig. Wie schnell und warum wir diese Details vergessen, auch wenn wir uns viel mit Überwachung beschäftigen, erkärte letzte Woche Rebecca MacKinnon, als sie in Berlin ihr Buch „Consent of the Networked“ vorstellte: Die Leute nehmen Überwachung hin, weil sie nicht merken, dass es sie gibt.

1. Frage:
Die deutschen Geheimdienste haben im Jahr 2010 rund 37 Millionen E-Mails entdeckt, in denen Begriffe wie „Bombe“ vorkamen. Nach wie vielen Schlüsselbegriffen haben BND, Verfassungsschutz und MAD gesucht?

1.500? 15.000? 150.000? Hier klicken

mg-Überwachung durch den Verfassungsschutz war illegal

Das Gespenst militante gruppe (mg) kommt immer wieder. Denken z.Z. wahrscheinlich vor allem die versammelten Sicherheitsbehörden. Am Donnerstag, oh Genugtuung, wurde in Berlin eine Klage gegen den Verfassungsschutz verhandelt. Wegen der jahrelangen Überwachung von Leuten, denen Mitgliedschaft in der mg unterstellt wurde. Eine ganz andere Gruppe von Leuten übrigens als die, mit denen gemeinsam Andrej deswegen überwacht wurde; war ja auch Jahre vorher.

Die jahrelange Ausspähung der zeitweise zwölf angeblichen mg-Aktivisten erfolgte mit enormem Aufwand: Bei U. etwa wurden sämtliche seiner Telefonate, E-Mails und Postsendungen kontrolliert, auf die Eingangstür seiner Wohnung und seiner Bäckerei waren Kameras gerichtet, selbst sein Auto wurde verwanzt. Der Ertrag war gleich null: Belege für eine Mitgliedschaft in der mg oder auch nur für Hilfsdienste zugunsten der linksradikalen Brandstifter wurden bei der acht Jahre andauernden Rundumüberwachung bei keinem der Verdächtigen gefunden. (Freitag)

 

Selbst zeitweises Nichttelefonieren habe das Bundesamt als Anhaltspunkt für den angenommenen Verdacht angesehen, erklärten die Richter. Das heißt, wer telefoniert, macht sich verdächtig, wer belanglose Gespräche führt, noch verdächtiger und wer gar nicht telefoniert, ist extrem verdächtig, weil er seine Untergrundaktivitäten besonders geschickt tarnt. Es gab keine Taten, keine Täter, nur einen Verfassungsschutz, der sich über alle Rechtsnormen hinweggesetzt hat. (Neues Deutschland)

Es geht nicht nur um den Verfassungsschutz, sondern auch um die G10-Kommission. Die genehmigt die Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste, also auch des Verfassungsschutzes. Bei dieser ‚ersten Runde‘ angebliche mg ging das acht Jahre lang (1998 – 2006).

..alle drei Monate wurden die Maßnahmen als „zulässig und notwendig“ bestätigt. (Freitag)

Schmankerl:

Auch falle auf, dass in den Jahren 1998 bis 2000 in den Berichten der G10-Kommission an den Bundestag keine Überwachungsmaßnahmen gegen linksextremistische Personen erwähnt wurden. „Das könnte den Schluss zulassen, dass in diesen Jahren das Gremium überhaupt nicht mit dem Vorgang befasst gewesen ist“, sagt Anwalt Gerloff. (Freitag)

Warum machen sich die Betroffenen die Mühe? So eine Klage schüttelt man sich ja nicht aus dem Ärmel. Das ist mühsam, dauert und Spaß macht es auch keinen.

Es sei ihm nicht um Revanche gegangen, sondern darum, dem Verfassungsschutz zu zeigen, „dass er nicht alles machen kann, was er will“. Die Sache sei ja eine Posse, findet U. – wäre sie nicht so ernst. Denn während das Amt exzessiv gegen links ermittelte, hätten Nazis unbemerkt gemordet. (taz)

Auftritt Verfassungsschutz:

Es sei Pflicht der Staatsschützer gewesen, nach den schweren Anschlägen alle Spuren zu verfolgen, so Wolff. Die Beschatteten seien langjährig in der linken Szene aktiv gewesen, hätten in Polittexten Wortgruppen benutzt, die auch in Bekennerschreiben der „militanten gruppe“ auftauchten.

Wortgruppen, sicher. Die G10-Kommission ist übrigens dieselbe, die die Überwachung der 37 Mio. E-Mails aller E-Mails genehmigt. Bombe, und so.

Es hat sich gelohnt:

… das Gericht beschert den Staatsschützern die nächste Klatsche: Auch die fünf Richter werten die Observationen als rechtswidrig. Für die Maßnahmen hätten „von Anfang an keine gesetzlichen Voraussetzungen“ vorgelegen, urteilen sie. (…)

.. „tatsächliche Anhaltspunkte“ für die Zugehörigkeit der Beschatteten zur „militanten gruppe“ nie geliefert.  (taz)

Griechenland – Not in my Name

Ich freue mich über ACTA-Proteste, aber mindestens so sehr wünsche ich mir, dass auch hier Menschen gegen den Wirtschaftskrieg gegen Griechenland auf die Straße gingen, der von Deutschland maßgeblich verantwortet wird. Und zwar nicht, weil es auch für uns hier irgendwann eng wird, sondern weil es unerträglich ist, dass ausgerechnet Deutschland für das Elend der Griechinnen und Griechen verantwortlich ist. Während noch immer die Massaker des Zweiten Weltkriegs nicht entschädigt sind.

not in my name.

Ein Offener Brief, z.Z. vor allem von französischen Intellektuellen unterstützt:

Retten wir die griechische Bevölkerung vor ihren Rettern

In eben dem Moment, in dem jeder zweite jugendliche Grieche arbeitslos ist, in dem 25000 Obdachlose durch die Straßen von Athen irren, in dem 30% der Bevölkerung unter die Armutsschwelle gefallen sind, in dem Tausende von Familien dazu gezwungen sind, ihre Kinder zur Arbeit zu schicken, damit sie nicht vor Hunger und Kälte sterben, in dem die neuen Armen und die Flüchtlinge sich auf den öffentlichen Müllhalden um die Abfälle streiten – in eben diesem Moment zwingen die „Retter“ Griechenlands unter dem Vorwand, dass die Griechen „sich nicht hinreichend Mühe geben“, diesem Land einen neuen Hilfeplan auf, der die verabreichte tödliche Dosis noch einmal verdoppelt. Dieser Plan schafft das Recht auf Arbeit ab, stürzt die Armen in extremes Elend und bringt zugleich die Mittelklassen vollständig zum Verschwinden.

Das Ziel dieser Operation kann gar nicht die „Rettung“ Griechenlands sein: in diesem Punkt sind sich alle Wirtschaftswissenschaftler einig, die überhaupt diesen Namen verdient haben. Es geht darum Zeit zu gewinnen, um die Gläubiger zu retten, während zugleich das Land in einen zeitverschobenen Konkurs getrieben wird. Und es geht vor allem darum, Griechenland zu einem Laboratorium einer gesellschaftlichen Veränderung zu machen, die dann in einem zweiten Schritt auf ganz Europa verallgemeinert werden wird. Das auf dem Rücken der Griechen experimentierte Modell ist das einer Gesellschaft ohne öffentliche Dienste, in der die Schulen, die Kliniken und die Abgabestellen für Medikamente zu Ruinen verfallen, in der Gesundheit zu einem Privileg der Reichen wird und in der die besonders verwundbaren Bevölkerungsteile zu einer planmäßigen Eliminierung bestimmt sind, während jene, die noch Arbeit haben, zu extremen Formen der Verarmung und der Prekarität verurteilt werden.

Damit diese Offensive des Neoliberalismus aber ihre Ziele erreichen kann, muss ein Regime eingesetzt werden, dass die elementarsten demokratischen Rechte schlichtweg einspart. Wir müssen daher sehen, wie in Europa auf Anweisung der Retter Regierungen von Technokraten gebildet werden, die sich einen Dreck um die Volkssouveränität kehren. Damit geht es um eine Wende in den parlamentarischen Regimen, in der zu beobachten ist, wie die „Volksvertreter“ den Experten und den Bankern freie Hand geben und auf das ihnen zugeschriebene Recht, Entscheidung zu treffen, einfach verzichten. Gewissermaßen ein parlamentarisch vollzogener Staatsstreich, der dann auch gegen die Protestaktionen des Volkes auf einen erweitertes Arsenal an Unterdrückungsmaßnahmen zurückgreift. Auf diese Weise hat in dem Moment, in dem die Abgeordneten – in direktem Gegensatz zu ihrem bei ihrer Wahl übernommenen Auftrag – das von der Troika (EU, ECB, IMF) diktierte Abkommen ratifiziert haben, eine Staatsgewalt, der jegliche demokratische Legitimität abgeht, die Zukunft des Landes für dreißig oder auch vierzig Jahre verpfändet.

weiter..

Es gibt Übersetzungen in die meisten europäischen Sprachen.

Update: Hier kann unterschrieben werden (Danke Ingo)

2010 wurden in Deutschland 37 Mio. E-Mails überwacht

So eine Überschrift gibt’s in der ‚Bild‚ ja auch nicht alle Tage. Sprich, wenn sogar die das bemerkenswert finden, muss es ernst sein.

Hintergrund ist ein Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG), das theroretisch die Geheimdienste überwacht. Weil die sonst von überhaupt niemandem kontrolliert werden, im Unterschied etwa zu BKA und der Polizei im Allgemeinen, die im Vergleich zum PKG ein Hort der Transparenz sind. Hier entsteht die Pikanterie im Kontext Linkspartei, dass die Linke per PKG den Verfassungsschutz überwacht, der seinerseits die Linke überwacht. So oder so ist das alles aber so geheim, dass die, die kontrollieren, all ihr Wissen für sich behalten und mit ins Grab nehmen müssen. Demokratie eben.

Im Bericht (PDF)

geht es um Auskunftsverlangen bei Telekommunikationsunternehmen und den Einsatz des IMSI-Catchers zur Ermittlung des Standortes von Mobilfunkgeräten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), den Bundesnachrichtendienst (BND) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD).

.. für das Jahr 2010. Digitale Linke hat die Details. Es steht erwartungsgemäß nicht soo viel drin, außer dass der Verfassungsschutz deutlich mehr Abhörmaßnahmen dokumentiert als die beiden Auslandsgeheimdienste BND und MAD. Warum, werden wir wohl nie erfahren.

Interessant wäre, woher die ‚Bild‘ die Zahl der 37 Mio. überwachten E-Mails hat, die steht nämlich nicht im Bericht. Auch nicht, wie das genau passiert und nach welchen Schlagworten gesucht wird.

Im Jahr 2010 wurden danach 37.292.862 Emails und Datenverbindungen überprüft, weil darin bestimmte Schlagwörter (z.B. Bombe, Atom, Rakete usw.) vorkamen. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr mehr als verfünffacht. 2009 waren 6,8 Mio. Internet-Kommunikationen überprüft worden.

Aber vielleicht weiß ja Twitter-Star Peter Altmaier (CDU) mehr? Der war 2010 der  Vorsitzende des PKG und hat den Bericht unterschrieben.

Update: Verschwörungstheorie zurück, es gibt eine einfache Erklärung: Es gibt zwei Berichte

  • Den G-10-Bericht 2010 – Bericht gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) (Drucksachen-Nummer 17/8639, veröffentlicht am 10.2.12)
  • Den TBG-Bericht 2010 – Bericht zu den Maßnahmen nach dem Terrorismusbekämpfungsgesetz (Drucksachen-Nummer 17/8639, veröffentlicht am 10.2.12)

Die Zahlen der überwachten E-Mails etc. stehen im G10-Bericht, allerdings auch da nicht die Suchworte, die bei BILD genannt werden. Vielleicht lohnt es sich, beim Parlamentarischen Kontrollgremium selbst genauer nachzusehen, aber ich ahne, dass das da auch nicht steht.

Polizeigewerkschaft macht sich Gesetze, wie es ihr gefällt

Das machen wir ja nicht zum Spaß, und schon gar nicht bei irgendwelchen Eierdieben. Hier geht es um die Aufhellung terroristischer Netzwerke. (Rainer Wendt)

Spätestens hier ist klar: da stimmt was nicht. Wenn die Polizeigewerkschaft die Terroristen bemüht, sind die Grundrechte schon zerbröselt.

Das Verfassungsgericht sollte es wieder richten. Freitag wurde über eine Klage aus dem Umfeld des AK Vorrat entschieden. Gegen den Zwang, persönliche Daten beim Kauf von SIM_Karten angeben zu müssen, Speicherung von Daten bei Telekommunikations-Unternehmen (TelKos) länger als nötig, staatlichen Zugriff auf Daten. Details bei netzpolitik.org

Andreas Bogk, CCC, im heutejournal zum Sprecher der Polizeigewerkschaft: „Er ruft die Polizisten des Landes, auf das geltende Recht zu brechen!“. Nicht neu, aber nicht häufig in den Abendnachrichten:

http://www.youtube.com/watch?v=vrwU1rX7xf4

Gulli dazu.