Na also: Verfahren gegen Berliner Buchhändler eingestellt

Am zweiten Verhandlungstag wurde das Verfahren gegen Berliner Buchhändler eingestellt, die mittels bedruckten Papiers u.a. gegen das Waffengesetz verstoßen haben sollen. Details siehe Die Zeitschrift als Waffe. Mehr Durchsuchungen in Berlin. und Offline-Zensur – Prozessbeginn gegen linke BuchhändlerInnen.

Die Pressemitteilung der Initiative unzensiert.lesen:

Viel Lärm um nichts?!

Erstes Strafverfahren gegen Berliner Buchhändler eingestellt

Nach Durchsuchungen im Buchladen mit großem Polizeiaufgebot und der  Anwendung verschärfter Sicherheitsmaßnahmen im Gerichtsverfahren auf die  Prozessbesucher, wurde das erste Strafverfahren gegen den  Geschäftsführer des Kreuzberger Buchladens oh21 am zweiten  Verhandlungstag sang- und klanglos eingestellt. Selbst die Berliner  Staatsanwaltschaft musste einsehen, dass die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Anklage lieferte.

Die Anklageschrift gegen den Geschäftsführer lautete auf „Beihilfe zu  Anleitung zu Straftaten“ und „Verstoß gegen das Waffengesetz“.  Hintergrund der Gerichtsverhandlung ist eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen drei Berliner Buchhandlungen und  Infoläden, die seit 2009 mehrfach von polizeilichen Durchsuchungen betroffen waren. Die Berliner Staatsanwaltschaft strebt mit den Verfahren an, die Buchhändler für die Inhalte von Flugblättern und  Zeitschriften verantwortlich zu machen, die in ihren Läden ausliegen.

Sollte sich die Staatsanwaltschaft mit dieser Position durchsetzen, könnten in Zukunft alle Buchhändler, Kneipenbesitzer oder Ladenbetreiber für die bei ihnen ausliegenden Flyer, Aufrufe und Zeitschriften haftbar gemacht werden. Man würde von ihnen verlangen, sich zur vorgeschalteten Zensursintanz staatlicher Behörden zu machen.

Der Ausgang des ersten Verfahrens hat nun gezeigt, dass die Staatsanwaltschaft mit diesem Anliegen nicht so einfach durchkommt. Die nun erfolgte Einstellung könnte auch richtungsweisend für die weiteren Verfahren sein.

Weitere Informationen unter www.unzensiert-lesen.de

Wolfgang Blau: Sieben Branchenmythen des Journalismus

Die Anhörung des Medienausschusses des Bundestages zu Qualitätsjournalismus hatte ich schon erwähnt, andere auch. Angenehm überrascht hatte mich, dass bestimmte – aus meiner Sicht konstruierte – Trennlinien zwischen Bloggerinnen und Bloggern auf der einen und Journalistinnen und Journalisten auf der anderen Seite mit großer Selbstverständlichkeit dekonstruiert wurden. Diese Trennlinien werden von Teilen beider Seiten sehr geliebt, aber vielleicht erledigt sich das dann ja langsam. Ich muss übrigens zugeben, dass ich bisher davon ausgegangen war, dass die Vokabel „Qualitätsjournalismus“ höchstens ironisch benutzt wird. Dem ist nicht so, der Dünkel reicht bis hin zu Professuren zum Thema (ein solcher Professor war anwesend).

Carta hat die Anhörung nicht nur live gebloggt, sondern dankenswerterweise gestern das Statement von Wolfgang Blau extra veröffentlicht, das auch noch auf meiner To-Do-Liste stand. Der Chefredakteur von Zeit Online hat die aus seiner Sicht sieben häufigsten Mythen über den Zustand des Journalismus beschrieben und kurz erläutert, warum es sich um Mythen handelt. Ich hoffe inständig, dass einige der hiesigen OberjournalistInnen sich das anhören, die Depression ablegen und in der Moderne ankommen.

1. Blogs stellen eine Gefahr für taditionelle, kommerzielle Medien dar.

2. Google ist schuld am Niedergang der Tageszeitungen.

3. Nur Print- und Broadcastmedien können für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Meinungspluralismus sorgen.

4. Der Online-Journalismus hat noch kein Geschäftsmodell.

5. Das Internet begünstigt eine Boulevardisierung des Journalismus.

6. Ohne öffentlich-rechtliche Online-Auftritte hätten die kommerziellen Websites in Deutschland sehr viel bessere Chancen, profitabel zu werden.

7. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang einiger klassischer Medien droht auch ein Niedergang des Journalismus und eine substantielle Gefahr für die Demokratie. (Carta)

Noch nicht einzeln gibt es die Statements von Katharina Borchert, Geschäftsführerin Spiegel Online oder auch @lyssaslounge, Hans Leyendecker, netzwerk recherche, und Matthias Spielkamp, irights.info, die ebenfalls das Gespenst verscheucht haben, dass in etwa so heißt: „Die Blogger kommen, lasst uns einen Zaun bauen, sonst werden wir alle verhungern! Und die Demokratie bricht zusammen!“. Es gibt aber auch die komplette Aufnahme der Anhörung (auch als mp4).

Ich mache mir wenig Hoffnung, dass die Anhörung Bundestagsentscheidungen positiv beeinflussen wird, aber sie war ein Schritt in die richtige Richtung. Wobei es natürlich auch Statements gab, die ganz andere Meinungen vertreten haben, und ich natürlich nicht alles teile, was gesagt wurde usw usf. Trotzdem. Glas viertelvoll.

Twitter and the resignation of Germany’s minister of defense

Germanys extremely popular minister of defense Karl Theodor zu Guttenberg resigned from office yesterday. There are two or three interesting aspects which make this resignation different from others.

The starting point was an article about his doctoral thesis (law) containing a number of plagiarisms, published maybe three weeks ago. This led to a vast wiki-based online collaboration of many people looking for pieces in the thesis that were in fact copied from elsewhere. Within days it turned out that approx. 70% of the 400+ pages didn’t have the necessary footnotes. The collaboration on this was started on Google docs but was moved to a proper wiki shortly after: http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/GuttenPlag_Wiki

Guttenberg and his political allies – including the chancellor – tried to belittle the whole affair as irrelevant to his being minister of defense. Alongside wild public debates an open letter was set up by doctoral students protesting against the belittlement of their academic work. Within days 30.000 signatures were collected online and handed over to the chancellor. Almost – the students were refused at the entrance of the Office of the Federal Chancellor and told that because of terrorism dangers the signatures couldn’t be accepted.. (not sure if this is really true but it could be). They were all over the news anyways.

Lastly Berlin’s first demonstration took place last saturday that was organised solely through Twitter and social networks. Some 500 people gathered in Berlin’s commercial center and marched to the ministry of defence holding up shoes – a reminiscence to the Arab shoes. This got attention in virtually all of Germany’s news, major tv news included. I’ve never participated in a demonstration that small – there wasn’t even music – that got this much national attention. (Some pictures here http://www.flickr.com/photos/tags/guttbye/interesting/)

Another Twitter revolt, style: western industrialised country? I don’t think so. Both tv and big printed papers played the decisive role. But what’s interesting is how public attention is moving ‚our‘ way. Why would less than 500 people protesting against a corrupt defense minister play any role at all? Because ‚the net people started it‘, via Twitter.

The fact that the amount of plagiarism in the dissertation was detected so fast by using a wiki played a role. It was noted widely that online collaboration can be very different and very effective in campaigning against politicians who didn’t have to fear this kind of attack so far.

Both the plagiarism detectives and the doctoral students wouldn’t have been able to get together, do something and go public this waybefore.

We’ve had Twitter, wikis, open letters online for a while. What’s new is the way this is being discussed. And the resignation of the most popular politician Germany’s had for years.