Kollektion

Es gibt so viele schöne Dinge, ich fange hiermit auch an, gelegentlich kommentierte Links der geneigten LeserInnenschaft anzubieten:

  • Gentrifizierung ist ja seit ungefähr Juli ’07 deutlich mehr im Gespräch als früher. In Hamburg fand letztens ein thematisches Wochenende zu dieser Frage statt, und es gab folgende Vorschläge dazu, wie sie sich verhindern ließe:

 
http://www.youtube.com/watch?v=onjunugRb44

  • Kein Datenschutz im Antiterrorkampf: Für "TerroristInnen" sollen noch mehr als bisher schon diverse rechtsstaatliche Grundsätze außer Kraft gesetzt werden, schreibt Kai Biermann in Zeit Online.
    "Innenminister Schäuble will vom Bundestag ein Abkommen mit den USA zum
    Austausch von Daten sogenannter Gefährder durchwinken lassen.
    Abgeordnete und Datenschützer haben jedoch heftige Bedenken
    ". Es geht
    aber nicht nur um Terror (angenommenen, nicht verurteilten), sondern um
    "Fingerabdrücke, Genprofile, Adressen" von vielen anderen. 400.000
    Gencodes, 3,2 Mio. Fingerabdrücke: alles ab über’n Teich. Und
    "personenbezogene Daten, aus denen die Rasse oder ethnische Herkunft,
    politische Anschauungen, religiöse oder sonstige Überzeugungen oder die
    Mitgliedschaft in Gewerkschaften hervorgeht (…)
    " sind auch kein
    Problem.
  • Die EU will schon das ‚Anstacheln zu terroristischen Straftaten‘ unter Strafe stellen: "Der Entwurf sieht vor, dass das Verbreiten einer
    Botschaft unter Strafe gestellt wird, wenn dies mit dem Vorsatz
    geschieht, zu einer terroristischen Tat anzustiften. Dabei soll es
    keine Rolle spielen, „ob dabei terroristische Straftaten unmittelbar
    befürwortet werden“ und ob es in der Folge tatsächlich zu einer
    terroristischen Straftat kommt.
    "
  • Wichtiger Schlag gegen Terror-Eltern und ihre schwerkriminellen Kinder gelungen! Ich bin sehr froh, dass wir uns trotz anstehender Einschulung unseres Sohns nicht umgemeldet haben. Ich werde oft gefragt, warum ich das nicht mache, wo doch die Schulsituation in Berlin-Mitte so unerfreulich ist und er also leider nicht in die ca. 500m entfernte Schule wird gehen können. Jetzt weiß ich, dass ich mich richtig entschieden habe (vor allem, weil ich annahm, dass wir mit der Vollüberwachung dann garantiert Ärger kriegen). In Großbritannien hat eine Familie allein wegen des Verdachts des UmmeldensBerti, der Biometriebär eine Terrorfahndung an den Hals gekriegt.
  • Nach Snuggly, dem Sicherheitsbär stelle ich vor: Bert, der Biometriebär, bereits am 1.4. in Futurezone:
    Süß, lehrreich und charmant: "Bert, der Biometrie-Bär" soll den Kindern
    der EU beibringen, wie man seine Tatzen so auf den
    Fingerabdruck-Scanner legt, dass der Große Bär nicht böse wird.
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Rechnen (können und wollen)

Mich sprang heute am Kiosk die Schlagzeile eines Blattes an, von dem ich bisher gar nicht wusste,Welt Kompakt 11.4. Linke Gewalt dass es existiert: Welt-Kompakt. "Linke Gewalt nimmt dramatisch zu". Oh, dachte ich, das klingt nach einem 1a-Hetzartikel. Was ihn halbwegs unterhaltsam macht, ist die Grafik, die den meisten Platz einnimmt. Die illustriert nämlich sehr schön, dass die politisch motivierten Kriminalität von rechts grob dreimal so häufig vorkommt wie von links (Die hellblauen Balken sind die rechten, die roten die linken – besser zu sehen bei Welt Online). Nebenbei auch ist gut zu sehen, dass die sog. ‚Ausländerkriminalität‘ im Vergleich vollkommen marginal ist.

Jörg van Essen von der FDP findet auch: "Starker Zuwachs linksextremistischer Straftaten ist beunruhigend". Soweit noch im (liberalen) Rahmen, aber seltsam diese Passage: "Dabei steht außer Frage, dass der leichte Rückgang der Zahl
rechtsextremer Straftaten keine Entwarnung darstellt. Der deutliche
Zuwachs bei linksextremistischen Straftaten gibt allerdings Anlass zu
großer Sorge. Er zeigt, dass Aktionen von Terrorverdächtigen wie zum
Beispiel von Mitgliedern der „militanten Gruppe“ nicht länger
verharmlost werden dürfen.
" Der Zusammenhang fehlt leider, und dass das mg-Verfahren kein Terrorismus-Verfahren mehr ist, muss der zuständige Mitarbeiter verschlafen haben.

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Die Horror-Show geht weiter

Ermittlungsrichter Hebenstreit (der anscheinend alles unterschreibt, was BAW/BKA
sich wünschen – hat der eigentlich nie Tatort gesehen? Da sind die
Richter irgendwie knackiger) hat der Vorladung von drei Zeuginnen im
mg-Verfahren zugestimmt. Die erste Vorladung findet Mittwoch (9.4.) in
Karlsruhe statt.

Update: Gut gegangen. Die heute vorgeladene Frau hat die Aussage verweigert und sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach §55 StPO berufen. Hebenstreit hat es akzeptiert und die BAW nicht.

Und, könnte man fragen, was ist das Problem,
wenn niemand was zu verbergen hat? Die Antwort stand kürzlich im
Spiegel (s.u.), allerdings bezogen auf die Stasi, was ja bekanntermaßen
was gaaanz anderes ist.

Schon im Oktober waren ca. 20 ZeugInnen vorgeladen
worden. Im November stufte der BGH das Verfahren vom
Terrorismus-Verfahren runter zu einem nach §129 (kriminelle
Vereinigung), und diverse andere §129a-Verfahren mussten von der BAW
abgegeben werden, weil es mit dem staatsgefährdenden linken Terrorismus
doch nicht so weit her ist.

Wir werden ständig gefragt, wann das sog.
mg-Verfahren endlich eingestellt wird. Und was geschieht?
Vorladungen nach Karlsruhe. Das ist keine freiwillige Veranstaltung,
und wenn die Vorgeladenen sich weigern sollten, über die Beschuldigten
auszusagen, können sie direkt im Gefängnis landen, für bis zu sechs Monate.

Dazu habe ich Anfang März die bewusste Spiegel-Passage gefunden,
die schön erläutert, warum jede scheinbar noch so belanglose
Information im Zweifelsfall eben doch eher gegen die Angeklagten
verwandt wird – wobei sie genau genommen ja immer noch nicht angeklagt
sind. Dann wären wir ja schon mal einen Schritt weiter und wüssten, was
eigentlich das Problem ist. Stattdessen werden munter weiter Daten
gesammelt und wird für völlig verhältnismäßig gehalten, Menschen aus
ihrem Alltag nach Karlsruhe zu zitieren und mit Haft zu bedrohen.

Im
Spiegel ging es um einen Schlittschuh-Trainer, der schon in der DDR
Schlittschuh-Trainer war und nebenbei Stasi-IM. Und das Problem, dass
er als Trainer deswegen nicht tragbar sei. Weil er aber nunmal so ein
guter Trainer ist und nicht irgendwen, sondern die Europameister im
Paarlauf trainiert, gab es ein Problem. Er selber findet ja, dass er
"gar nichts gemacht" und überhaupt nichts "Wichtiges" erzählt hat.
Damit er endlich begreift, dass bei der Stasi jede Information
verwertet wurde und alles wichtig war, musste er mit Gauck persönlich
reden. Der hat ihm erklärt, wie das funktioniert und dass es keine
unwichtigen Informationen gibt, aus Perspektive der Geheimdienste. 

 

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Mein kleiner grüner Kaktus

Preisausschreiben-Ausstellung Tacheles FlyerNach dem gerade beendeten Preisausschreiben zur Frage "Was ist eigentlich Terrorismus" bin ich kurz davor ein neues auszuloben. Nicht ohne allerdings darauf hinzuweisen, dass es gerade im Berliner Tacheles eine Ausstellung mit einigen der Einsendungen dazu gibt: Kunsthaus Tacheles, Oranienburger Strasse (Berlin), Neue Galerie 4. Stock, täglich 15-20 Uhr (außer am 3.4., weil dann da irgendeine Veranstaltung stattfindet. Noch bis zum 13.4., danach eine Woche im Bethanien.

 

Der neue Wettbewerb müsste sich dann um Veranstaltungsankündigungen drehen. Es findet gerade eine lange Serie von Informationsveranstaltungen rund um das sog. ‚mg-Verfahren‘ statt. In aller Kürze: das Verfahren läuft weiter, nicht mehr als Terrorismus-Verfahren, sondern wegen ‚Bildung einer kriminellen Vereinigung‘. Überwachung vermutlich wie gehabt. Wir warten seit Monaten darauf, dass sich die Bundesanwaltschaft mal dazu durchringt, mit einer Klageschrift den nächsten Schritt zur Eröffnung des eigentlichen Prozesses zu gehen (angekündigt war das das erste Mal für Januar) oder aber endlich einzustellen, was doch sehr breit als unsäglicher Quatsch wahrgenommen wird. Nun ja. Stattdessen gab es nochmal die Entnahme von DNA-Proben und für April sind jetzt neue ZeugInnen nach Karlsruhe vorgeladen, denen ebenfalls bis zu sechs Monate Haft drohen, wenn sie sich weigern, etwas über die Beschuldigten auszusagen.

Über dies und mehr also viele Veranstaltungen, die komplette und immer wieder aktualisierte Liste auf der Website zum Verfahren. 

Nicht zu schlagen ist wahrscheinlich nach die Ankündigung aus Kiel? Dazu gibt es auch einen schicken Flyer (pdf), dem ich ein paar kleine grafische Ausschnitte entnommen habe, die ihr hier rechts und links sehen könnt. Obwohl uns auch die eigens erstelle Seite für die Veranstaltungen, die wir Anfang März in Bern gemacht haben, wirklich gut gefiel: http://stopp129a.immerda.ch/. Alles jeweils zur Nachahmung empfohlen, und obwohl gerade die Terminkalender relativ ausgebucht sind, freuen wir uns immer über nette Einladungen. Donnerstag bin ich bei der re:publica, und sehr neugierig darauf.

 

 

 

Männer mitgemeint

Ein kleiner Ausflug auf meine Lieblingsnebenbaustelle: das F-Wort (nein, nicht ‚fuck‘). Ganz besonders leider ist die deutsche Blog- und allgemein Netzwelt im Bereich Feminismus eine große weite traurige Einöde. Und weil das so ist finden journalistische Meisterleistungen wie diese ab und zu den Weg an’s Licht – der Titel "Prahlen und tratschen" kommt nicht etwa vom Interviewten, sondern war Bestandteil einer Interviewfrage. Was schön illustriert, dass es weniger darum ging, Neues zu erfahren, als eher, vorgefasste Meinungen zu bestätigen. 

Und wie kann es anders sein: die Mädels schwatzen über belangloses Zeug und die Jungs schreiben mehr so Inhaltliches. Thema: bloggen Frauen anders? Ist die Welt eine Scheibe?

Wenn man so will, passe ich schön in’s Raster: ich behaupte ja gern, dass ich hier Alltagsgeschichten aufschreibe. Alltag mit Überwachung eben. 

Will sagen: ob das nicht auch durchaus eine Frage der Wahrnehmung ist? Das Frauen dazu neigen, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen, ist ja nichts Neues. Dass also, wenn man Frauen fragt, worüber sie schreiben, eher die Antwort kommt "Och, nichts Großartiges, nur so für mich eigentlich, im Grunde schreibe ich auch nur Sachen auf, die ich woanders interessant fand", überrascht nicht. Genausowenig wie dass Männer tendenziell sagen "Ich hab da drei total wichtige Themen und bin mit meinem Blog zu XY ganz zentral platziert!". Könnte ich je nach Tagesverfassung über diesen Blog beides sagen und es wäre nicht völlig falsch.

Wenn nun also ein ‚wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation‘ was über bloggende Frauen (und Männer) herausgefunden hat, dann endet das als der größte Blödsinn in den wie immer so seriösen Medien. Denn: wer entscheidet eigentlich, was wichtig ist? Die deutschen Blogcharts? Ich war schon vor Jahren erstaunt, mit wieviel Engagement eine ‚Hausfrau‘ ein Web-Forum mit allem multimedialen Schnickschnack betrieb, in dem es um nichts anderes ging als Mütter-und-Kind-Kuren, Erziehung und die Möglichkeit, rund um die Uhr in Kontakt zu bleiben. Mit einer enormen Zahl von Beteiligten. Geschmackssache, sicher, aber wie wichtig ist das so-und-so-vielte Wiederkäuen von IT-News auf der anderen Seite?

Und haben wir da nicht wieder diese uralte Geschichte von der Trennung des Öffentlichen und des Privaten? Wer hat noch nie am Kneipentisch darüber philosophiert, dass Frauen letzten Endes ja irgendwie auch viel Macht haben, weil sie im Haushalt das Sagen haben? Und das ist soo langweilig, auch wenn es neu verpackt als Blogger-Story daherkommt.

Gefunden habe ich die Geschichte bei Melanie Huber’s Kilroy Blog, die versucht, dem ganzen einen anderen Dreh zu geben – dass es nämlich eigentlich andere und relevantere Unterschiede gibt als den entlang der Gendergrenze. Jedenfalls wenn es darum geht, wer was warum schreibt.

Wer mehr und anderes über bloggende Frauen lesen will:

Es gibt sicher mehr, dies war keine besonders langwierige Recherche – ich freue mich über Lesetips diesbezüglich. Und gucke ansonsten neidisch nach Österreich, wo es tatsächlich eine wahrnehmbare Zahl feministischer Medien gibt. diestandard.at ist nur der Anfang.

Wie kam ich darauf? Eigentlich über den Umweg meines Schwatz-Themas Überwachung. netzpolitik.org schreibt heute über das neue Heft von “Forum Wissenschaft” mit dem Schwerpunkt “Kontrolle: Außer Kontrolle? ‘Innere Sicherheit’: Regulierung gesellschaftlicher Brüche”. Ein Text ist online, und darin leistet sich ein des Feminismus zunächst völlig unverdächtiger regulärer Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bielefeld mit den Arbeitsschwerpunkten Staat und Demokratie sowie Umweltrecht folgende Fussnote:

2) Die Männer werden im Folgenden bei der weiblichen Form miterfasst.

Wann gab es das zuletzt? Wer traut sich denn überhaupt noch, in ordentlichen Texten, die für Geld geschrieben werden, auch nur ein großes ‚I‘ zu verwenden? Und dann meint Andreas Fisahn in "Sicherheit und Eigennutz – Entwicklungen von Repression und Überwachung" Männer ganz nebenbei einfach mit. Bravo!

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