Die Horror-Show geht weiter

Ermittlungsrichter Hebenstreit (der anscheinend alles unterschreibt, was BAW/BKA
sich wünschen – hat der eigentlich nie Tatort gesehen? Da sind die
Richter irgendwie knackiger) hat der Vorladung von drei Zeuginnen im
mg-Verfahren zugestimmt. Die erste Vorladung findet Mittwoch (9.4.) in
Karlsruhe statt.

Update: Gut gegangen. Die heute vorgeladene Frau hat die Aussage verweigert und sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach §55 StPO berufen. Hebenstreit hat es akzeptiert und die BAW nicht.

Und, könnte man fragen, was ist das Problem,
wenn niemand was zu verbergen hat? Die Antwort stand kürzlich im
Spiegel (s.u.), allerdings bezogen auf die Stasi, was ja bekanntermaßen
was gaaanz anderes ist.

Schon im Oktober waren ca. 20 ZeugInnen vorgeladen
worden. Im November stufte der BGH das Verfahren vom
Terrorismus-Verfahren runter zu einem nach §129 (kriminelle
Vereinigung), und diverse andere §129a-Verfahren mussten von der BAW
abgegeben werden, weil es mit dem staatsgefährdenden linken Terrorismus
doch nicht so weit her ist.

Wir werden ständig gefragt, wann das sog.
mg-Verfahren endlich eingestellt wird. Und was geschieht?
Vorladungen nach Karlsruhe. Das ist keine freiwillige Veranstaltung,
und wenn die Vorgeladenen sich weigern sollten, über die Beschuldigten
auszusagen, können sie direkt im Gefängnis landen, für bis zu sechs Monate.

Dazu habe ich Anfang März die bewusste Spiegel-Passage gefunden,
die schön erläutert, warum jede scheinbar noch so belanglose
Information im Zweifelsfall eben doch eher gegen die Angeklagten
verwandt wird – wobei sie genau genommen ja immer noch nicht angeklagt
sind. Dann wären wir ja schon mal einen Schritt weiter und wüssten, was
eigentlich das Problem ist. Stattdessen werden munter weiter Daten
gesammelt und wird für völlig verhältnismäßig gehalten, Menschen aus
ihrem Alltag nach Karlsruhe zu zitieren und mit Haft zu bedrohen.

Im
Spiegel ging es um einen Schlittschuh-Trainer, der schon in der DDR
Schlittschuh-Trainer war und nebenbei Stasi-IM. Und das Problem, dass
er als Trainer deswegen nicht tragbar sei. Weil er aber nunmal so ein
guter Trainer ist und nicht irgendwen, sondern die Europameister im
Paarlauf trainiert, gab es ein Problem. Er selber findet ja, dass er
"gar nichts gemacht" und überhaupt nichts "Wichtiges" erzählt hat.
Damit er endlich begreift, dass bei der Stasi jede Information
verwertet wurde und alles wichtig war, musste er mit Gauck persönlich
reden. Der hat ihm erklärt, wie das funktioniert und dass es keine
unwichtigen Informationen gibt, aus Perspektive der Geheimdienste. 

 

Aber natürlich ist die Stasi was ganz anderes als das BKA. Ist sie wirklich, keine Frage. Warum dann nichts dagegen spricht, Stasi-Akten in der BRD  z.B. in Verfahren gegen ‚Staatsfeinde‘ weiter zu benutzen,
in der Annahme, dass plötzlich Staatsfeind-in-der-DDR in etwa dasselbe
ist wie Staatsfeind-in-der-BRD… eins der noch zu lösenden
historischen Rätsel. Mit dem Treppenwitz, dass die üblen Kontakte der
damaligen Staatsfeine (Ost) just die fies extremistischen Berliner
Grünen waren. Steht in den Akten (Ost und West).

Ich wünsche den
betroffenen Vorgeladenen alle erdenkliche Kraft für die Fahrten nach
Karlsruhe am 9. und 16. . Ich kann mir wenig Schrecklicheres vorstellen
als so eine Reise.

 Und hier die Passage aus dem Spiegel (10/08, vom 3.3.):

Es gab in den vergangenen Jahren viele Stasi-Affären im deutschen
Sport. Aber keine sorgte derart für Aufmerksamkeit wie die des
Eiskunstlauftrainers Ingo Steuer. Weil er lange keine Einsicht, keine
Reue zeigte. Einmal ließ er in einer Zeitung eine große Erklärung
drucken. Aber immer schimmerte diese eine Grundhaltung durch: "Ich hab
doch niemandem geschadet."

Der Fall Steuer hat noch mal eine
Debatte ausgelöst, wie das Land eigentlich mit Stasi-Leuten umgehen
soll. Alle gleich bestrafen? Oder gab es schlimme und weniger schlimme
Spitzel?

Wenn Themen dieser Art diskutiert werden, schlägt im
Sport die Stunde der Funktionäre. Der höchste deutsche Funktionär heißt
Thomas Bach. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB)
ist ein großer Diplomat. Er traf sich mit Leuten von der DEU, um eine
Lösung für den Fall Steuer zu finden. Man organisierte ein privates
Treffen zwischen dem einstigen IM Torsten und dem berühmtesten
Stasi-Experten des Landes, Joachim Gauck.

Gauck sitzt im Maritim Hotel, gegenüber der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Berliner Stauffenbergstraße.

Der ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde isst Streuselkuchen.

Er
kann sich an die Begegnung mit Steuer im Sommer 2006 noch gut erinnern.
Ein Mann, der bereute, was er getan hatte, aber nicht verstehen wollte,
dass die vermeintlichen Belanglosigkeiten, die er seinem
Führungsoffizier berichtete, irgendwem schaden konnten. Gauck erklärte
Steuer, warum alles, was man der Stasi erzählte, irgendwie irgendwann
irgendwem schadete. Nach einer Stunde hatte er den Eindruck, der Gast
habe verstanden. "Keine Beschönigung, keine Strategie des Leugnens",
sagt Gauck.

Es gibt Stasi-Experten, die die Meinung vertreten,
man dürfe keine Unterschiede machen. Gauck, ein früherer Pastor, gehört
zu den Leuten, die sagen, man müsse von Fall zu Fall entscheiden. Er
gab dem DOSB eine Empfehlung. Steuer solle nicht unbedingt als
Bundestrainer arbeiten, aber die Arbeit mit den Sportlern müsse möglich
sein.

Das war eine Art halbe Absolution. Man hatte eine Lösung: friedliche Koexistenz.

(Vergangenheit on Ice, von Gerhard Pfeil)

 

2 Gedanken zu „Die Horror-Show geht weiter

  1. Viel Kraft zum durchhalten wünsche ich allen, die in die „rechtsstaatliche“ Maschine gezogen werden!

  2. Hallo!
    Den Zusammenhang mit dem Staatsschtuz von West und Ost und den „extremistischen Berliner Grünen“ habe ich nicht verstanden. Warum ist das ein „Treppenwitz“.

    Könnten Sie mir das erklären? Ich erinnere mich knapp, dass die Grünen Berlins von „rechs“ bzw. von „Neonazis“ unterwandert wurden – so manch GRÜNER, und deswegen aufgelöst woren sind.

    MfG
    Ernst Uwe

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