Männer mitgemeint

Ein kleiner Ausflug auf meine Lieblingsnebenbaustelle: das F-Wort (nein, nicht ‚fuck‘). Ganz besonders leider ist die deutsche Blog- und allgemein Netzwelt im Bereich Feminismus eine große weite traurige Einöde. Und weil das so ist finden journalistische Meisterleistungen wie diese ab und zu den Weg an’s Licht – der Titel "Prahlen und tratschen" kommt nicht etwa vom Interviewten, sondern war Bestandteil einer Interviewfrage. Was schön illustriert, dass es weniger darum ging, Neues zu erfahren, als eher, vorgefasste Meinungen zu bestätigen. 

Und wie kann es anders sein: die Mädels schwatzen über belangloses Zeug und die Jungs schreiben mehr so Inhaltliches. Thema: bloggen Frauen anders? Ist die Welt eine Scheibe?

Wenn man so will, passe ich schön in’s Raster: ich behaupte ja gern, dass ich hier Alltagsgeschichten aufschreibe. Alltag mit Überwachung eben. 

Will sagen: ob das nicht auch durchaus eine Frage der Wahrnehmung ist? Das Frauen dazu neigen, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen, ist ja nichts Neues. Dass also, wenn man Frauen fragt, worüber sie schreiben, eher die Antwort kommt "Och, nichts Großartiges, nur so für mich eigentlich, im Grunde schreibe ich auch nur Sachen auf, die ich woanders interessant fand", überrascht nicht. Genausowenig wie dass Männer tendenziell sagen "Ich hab da drei total wichtige Themen und bin mit meinem Blog zu XY ganz zentral platziert!". Könnte ich je nach Tagesverfassung über diesen Blog beides sagen und es wäre nicht völlig falsch.

Wenn nun also ein ‚wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation‘ was über bloggende Frauen (und Männer) herausgefunden hat, dann endet das als der größte Blödsinn in den wie immer so seriösen Medien. Denn: wer entscheidet eigentlich, was wichtig ist? Die deutschen Blogcharts? Ich war schon vor Jahren erstaunt, mit wieviel Engagement eine ‚Hausfrau‘ ein Web-Forum mit allem multimedialen Schnickschnack betrieb, in dem es um nichts anderes ging als Mütter-und-Kind-Kuren, Erziehung und die Möglichkeit, rund um die Uhr in Kontakt zu bleiben. Mit einer enormen Zahl von Beteiligten. Geschmackssache, sicher, aber wie wichtig ist das so-und-so-vielte Wiederkäuen von IT-News auf der anderen Seite?

Und haben wir da nicht wieder diese uralte Geschichte von der Trennung des Öffentlichen und des Privaten? Wer hat noch nie am Kneipentisch darüber philosophiert, dass Frauen letzten Endes ja irgendwie auch viel Macht haben, weil sie im Haushalt das Sagen haben? Und das ist soo langweilig, auch wenn es neu verpackt als Blogger-Story daherkommt.

Gefunden habe ich die Geschichte bei Melanie Huber’s Kilroy Blog, die versucht, dem ganzen einen anderen Dreh zu geben – dass es nämlich eigentlich andere und relevantere Unterschiede gibt als den entlang der Gendergrenze. Jedenfalls wenn es darum geht, wer was warum schreibt.

Wer mehr und anderes über bloggende Frauen lesen will:

Es gibt sicher mehr, dies war keine besonders langwierige Recherche – ich freue mich über Lesetips diesbezüglich. Und gucke ansonsten neidisch nach Österreich, wo es tatsächlich eine wahrnehmbare Zahl feministischer Medien gibt. diestandard.at ist nur der Anfang.

Wie kam ich darauf? Eigentlich über den Umweg meines Schwatz-Themas Überwachung. netzpolitik.org schreibt heute über das neue Heft von “Forum Wissenschaft” mit dem Schwerpunkt “Kontrolle: Außer Kontrolle? ‘Innere Sicherheit’: Regulierung gesellschaftlicher Brüche”. Ein Text ist online, und darin leistet sich ein des Feminismus zunächst völlig unverdächtiger regulärer Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bielefeld mit den Arbeitsschwerpunkten Staat und Demokratie sowie Umweltrecht folgende Fussnote:

2) Die Männer werden im Folgenden bei der weiblichen Form miterfasst.

Wann gab es das zuletzt? Wer traut sich denn überhaupt noch, in ordentlichen Texten, die für Geld geschrieben werden, auch nur ein großes ‚I‘ zu verwenden? Und dann meint Andreas Fisahn in "Sicherheit und Eigennutz – Entwicklungen von Repression und Überwachung" Männer ganz nebenbei einfach mit. Bravo!

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15 Gedanken zu „Männer mitgemeint

  1. Wann gab es das zuletzt? Wer traut sich denn überhaupt noch, in ordentlichen Texten, die für Geld geschrieben werden, auch nur ein großes ‚I‘ zu verwenden?

    Ich hab das gerade erst in den letzten Wochen bei der Lektüre des Buchs »Producing Open Source Software« von Karl Fogel [1] bemerkt. Der Mann schreibt konsequent »she« und »her« – in einem Bereich wo fast nur Männer vertreten sind, wirkt das bei jeder neuen Textstelle ungewohnt und überraschend. 🙂

  2. Kleine Anekdote: Irgendwann Anfang der 90er in einem Fachbereichsrat Informatik: Eine Neue Prüfungsordnung stand an. Die Fachschaft wollte die Formulierung „Frauen sind immer mitgemeint“ in „Männer sind immer mitgemeint“ ändern. Die anwesenden Herren Professoren hatten keine Einwände. War ja logisch. Weniger logisch war es für die selbe Professorenriege auch mal eine Frau auf eine Profstelle zu hieven, dass wurde regelmässig weggetrickst mit irgendwelchen hanebüchenen Begründungen.

    Das klingt erstmal belanglos, aber es ist glaube ich typisch für das Genderthema in Nerdkreisen: Wenn mal irgendwie die Wahrnehmung da ist, dass es überhaupt ein Problem gibt, dann ist man auch ungewöhnlichen Lösungen gegenüber offen. Oft hapert es aber genau an dieser Wahrnehmung.

  3. Dein Schwatzthema, wie Du es so lieb umschreibst, halte ich für sehr thematisch, obwohl es zugleich auch extrem privat ist. Dennoch würde ich klar der Thematik den Vorrang geben.

    Nun, in mir steckt wohl doch mehr Jungfrau als Tierkreiszeichen, denn als Typ blogge ich also eher untypisch. (wie konnte das nur geschehen) Aber das muß ich auch, denn wenn es ein paar Ziele gibt, die teilweise recht unformuliert im Hinterkopf hängen und mich zum bloggen seid Jahren brachten, dann doch der, an den Blogcharts sich vorbei zu bloggen.

    Ich lese oder schreibe doch nicht um Chartstürmer zu werden. Da kann ich mir meine Selbstbestätigung auch anders organisieren.

    Wie dem auch sei, lese Deine maskulinen Beiträge ganz gern und mach mir offensichtlich viel zu feminine Gedanken drüber. Naja, kann damit ganz gut leben & gedenke mich auch weiterhin Blogchartsresistent durch die Weiten der digitalen Netze zu bewegen.

    Bye Tom

  4. Moin,

    also, Menschen die bloggen um irgendwo hoch in den Bloggercharts zu stehen sind entweder schlimme Poser oder Sie wollen Geld mit ihrem Blog verdienen. Beides führt gerne zu miserablen Ergebnissen.

    Die Diskussion über die Form in Texten (er/sie/es…bla bla bla) halte ich für eine total veraltete Diskussion…wen interessiert das denn heute noch? Schreibt doch einfach was euch natürlich über die Lippen kommt, der Rest lenkt den Geist doch nur vom Thema ab. Jeder der/die heute noch die Gleichberechtigung anzweifelt ist sowieso aus dem letzten Jahrhundert und kann kaum noch ernst genommen werden…Lebt sie einfach und diskutiert nicht ständig darüber. (Sorry, bin in einem Haushalt aufgewachsen in dem der Geschlechterkampf seit 25 Jahren täglich ausgetragen wird…es wird einfach langweilig auf die Dauer und ich verstehe das Problem einfach nicht mehr)

    Mir ist es auch ein Rätzel warum man sich jetzt (egal ob als Mann oder Frau) speziell für Blogs interessieren sollte die von einem bestimmten Geschlecht geschrieben wurden. Meist bedeutet es ja, dass wenn das Geschlecht des Bloggers/der Bloggerin in den Vordergrund gestellt wird, dass sich der Blog ständig mit dem Thema Geschlechterkampf befasst…ÖÖÖÖÖÖÖÖde.

  5. Sehr schade dass mein Beitrag unerwünscht ist, wo er doch nur als Kontaktaufnahme gedacht war.

    Denn Dein Blog und mein Projekt sind durchaus nicht themenfremd … aber anders gesehen, sollte ich mich vielleicht doch besser aus der pseudopolitisch und angeblich anti-militanten linken Party-Szene Berlins heraushalten ! Vielen Dank dass du mich daran erinnert hast.

    S.

  6. Danke für den interessanten Beitrag.:-)
    In meiner Diplomarbeit waren auch Männer mitgemeint. Bei der Recherche ist mir aufgefallen, dass das anscheinend in der englischen Literatur verbreiteter ist als bei uns. Aber ich benutze auch manchmal aus ästhetischen Gründen die männliche Variante.
    Und was ist eigentlich mit dieser These: Die hohe Kunst ist es, fundierte Informationen unterhaltsam zu verpacken. Und Frauen fällt es leichter als Männern, literarisch zu schreiben, oder es steht ihnen näher, weil sie mehr lesen. (Statistisch gesehen sind sie doch die größte KundInnengruppe des Buchhandels?)?? Und weil sie häufiger als Männer Geisteswissenschaften studieren?

  7. Zensur, weil mir nicht klar werden wollte, was eine Singlebörse mit Bezug zu Facebook mit meinem Blog zu Überwachung zu tun hat. Das sah mir doch arg nach Werbung aus, gebe ich zu. Und die streiche ich tatsächlich.

    „nicht themenfremd“ – da fehlt mir gerade zugegeben der Blick für die thematische Verwandschaft. Wir sind alle Männer, Frauen und suchen andere? Und überwachen die Umgebung, um sie zu finden? Als Tip für unglückliche ObservationsbeamtInnen? Keine schlechte Idee vielleicht.

  8. da du ja anscheinend nicht die zeit hattest dir babondo.com genauer anzusehen, will ich den zusammenhang am besten nochmal langsam und deutlich erklären, damit es jeder mitbekommt:

    Wenn man sich daran stört dass man stärker beobachtet wird als einem lieb ist, was macht man denn dann am besten ? eine möglichkeit ist, es allen freundINNEN zu erzählen damit man sein eigenes gewissen beruhigen kann. das ändert nur leider garnichts an der situation.

    eine andere möglichkeit ist, die überwachung an sich ad-absurdum zu führen, z.b. indem man sein eigenes tun freiwillig und für alles sichtbar irgendwie veröffentlicht. leider ändert auch dass nichts an der situation, aber es geht schon mal ein ganzes stück weiter als nr.1

    und noch eine möglichkeit ist die methoden, verfahren und werkzeuge, die die überwachung erst möglich machen ALLEN zur verfügung zu stellen, nicht nur den überwachern. denn überwachungstechniken sind nur deshalb ein problem weil sie nur speziellen behörden zur verfügung stehen, und nicht von privatpersonen im selben umfang genutzt werden können. denn wenn dass so wäre, dann könnte man ganz plötzlich die übwachungswerkzeuge gegen die überwacher selbst richten und damit ihre besondere machtposition aufheben. denn was wäre wenn der kleine anonyme bka beamte hinter seinem analysebildschim plotzlich merkt dass seine zielperson (zu überwachende person) seine eigene telefonnummer kennt, weiss auf welchen websiten er sich angemeldet hat, welche hobbies er pflegt und ob ihn vor kurzem seine freundin verlassen hat, bzw er eine in einer singlebörse sucht ?

    und genau dass passiert, zugegebenermassen nur ansatzweise, auf babondo.com.

  9. Ich kann Martin nur zustimmen. Die Zeit, wo man darüber nachdachte, nur ja paritätisch zu schreiben, ist vorbei, Inhalt ist wieder das, woraus es ankommt. Und jede Person sollte so schreiben, wie sie natürlicherweise spricht.

    Und was das große I mitten in den Wörtern betrifft, die sind nach alter wie neuer Rechtschreibung falsch. Und wie (m)ein Kollege drauf kommt, das mit dem Wort Kolleginnen die männliche Form mitgemeint sein könnte, nur weil er einen Phallus (I) reinmalt, ist mir immer noch schleierhaft.

  10. hier ist der interviewte Wissenschaftler.. 😉

    „Und wie kann es anders sein: die Mädels schwatzen über belangloses Zeug und die Jungs schreiben mehr so Inhaltliches. Thema: bloggen Frauen anders? Ist die Welt eine Scheibe?“

    Hmm, ich weiß nicht, ob ich in dem Interview so rüberkomme, als würde ich das meinen. Wenn ja, wäre das schade – mir ist eigentlich wichtig, genau auf diese verzerrte Wahrnehmung hinzuweisen: dass Frauen vermeintlich banal und Männer vermeintlich relevant bloggen würden. Das hat meines Erachtens tatsächlich viel mit der Trennung von öffentlich und privat zu tun, und mit der Art, wie in der Blogosphäre (Aufmerksamkeits-)Hierarchien entstehen.

  11. ..an Jan Schmidt, den interviewten Wissenschaftler. Mir ging es um den Tsp-Artikel, nicht Deine Studie bzw. mehr um die Fragen als Deine Antworten. Das hätte ich deutlicher machen sollen. Deine Studie habe ich nämlich noch gar nicht gelesen, aber das hole ich noch nach.

  12. Es mag ungerecht sein, von einem Salzstreuer zu sprechen, statt von einer Salzstreuerin. Ich denke man (das meint die Menschen), muß das ebenso akzeptieren, wie den Umstand, daß die Männchen unserer Spezies im Stehen Wasser abschlagen können, während die Weibchen sich dazu in die Hocke begeben müssen.

    Daß Buben für die gleiche Tätigkeit höher bezahlt werden als Mädchen ist ebenfalls ungerecht, aber auch tatsächlich ein guter Grund etwas daran zu ändern.

    Das über Schreibweisen regeln zu wollen erscheint mir allerdings absurd. Die Geisteshaltung mag vielleicht die Sprache beeinflussen, aber umgekehrt wird doch kein eingefleischter Macho zum Frauenversteher, wenn er an jedes maskuline Substantiv „Innen“ anzuhängen genötigt wird.

    Zudem frage ich mich, warum gerade emanzipierte Frauen sich selbst diskriminieren, indem sie beispielsweise Frauenparkplätze für nötig erachten.

  13. @fellow passenger: Frauen können tatsächlich im Stehen pinkeln. Sowohl mit eigenen Augen gesehen, als auch auf verschiedenen Webseiten Anleitungen gefunden (inkl. so einem kleinen Trichter, für mehr Komfort).

    Die Bezeichnungen haben tatäschlich einen psychologischen Effekt. Das generische Maskulinum wird ja bei „typisch weiblichen“ Berufen nicht verwendet (Krankenschwestern etwa oder Vorzimmerdamen) und vermittelt so den Eindruck das eben bestimmte Berufe für Männer wären. Wenn man dann auf einmal durch die Bank weg von Krankenpflegern und Ingeneurinnen spricht und damit dennoch alle in diesen Feldern tätigen anspricht, verändert das durchaus die Wahrnehmung dieser Tätigkeiten.

    Schließlich Frauenparkplätze. Ich bezweifle mal stark, dass alle emanzipierten Frauen die sich wünschen. Es geht dabei wohl eher um ein diffuses Sicherheitsbedürfnis das einige Frauen trifft, wenn es um dunkle, menschenleere Parkhäuser geht. Dabei werden eher Männer von Unbekannten auf der Straße etc angegriffen… Warum Frauen sich aber nun damit diskriminieren versteh ich nicht.

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