Spucke für Frau Harms

Am Montag muss Andrej bei der Polizei spucken, vulgo "durch die freiwillige Abgabe einer Speichelprobe" einer "zwangsweise Entnahme einer Blutprobe" zuvorkommen.

Erstaunen über die Ermittlungsmethoden ist bei diesem Verfahren schon reichlich geäußert worden. Sehr schön zum Thema bei trueten.de:

Wer bislang dachte, mittels DNA Tests ließe sich nur die Vaterschaft eindeutig feststellen, irrt.
Offenbar ist der Bundesgerichtshof zu der Erkenntnis gekommen, daß sich
mittels dieses Test auch die Autorenschaft bestimmter Texte feststellen
läßt.

Wozu das also? Wie ich schon schrieb, findet selbst der Herr Ermittlungsrichter am BGH Hebenstreit – derselbe, der bisher immer alle Ermittlungsmethoden abgesegnet hat – dass "nur geringer Tatverdacht" bestünde, aber wegen des Gewichts des Tatvorwurfs dieses trotzdem "verhältnismäßig" sei. Weil ja irgendwie naheliegt, dass noch irgendwas Spannendes zutage getreten sei: dem ist (unseres Wissens) nicht so. Der BGH hat ja hinreichend deutlich gemacht, dass für so ein Verfahren mehr nötig ist als bloß Vermutungen und außer dem Anfangsverdacht (die Bibliotheken, Lesen und Schreiben können und so) nicht so richtig viel vorliegt. Und mehr steht auch in all den Schreiben der BAW nicht.

Und so sieht es eher so aus, als ob Monika Harms mit aller Gewalt versucht, sich am allerletzten Strohhalm festzuklammern, um noch irgendeinen Beweis an Land zu ziehen. Vielleicht hat er ja doch irgendwas angezündet? Und wenn nicht, dann ist es doch schön, wenigstens eine ordentliche Probe zu haben, damit auch die nächsten Jahre immer mal wieder geguckt werden kann..

Nicht nur Andrejs DNA wird analysiert, sondern die von allen Beschuldigten. Mit Ausnahme von einem, dem schon im Frühjahr bei einer Verkehrskontrolle wegen seines angeblich ‚auffälligen‘ Fahrstils Blut entnommen wurde mit dem Argument, dass Pusten nichts ergeben hätte und also das Blut auf eventuelle Drogen zu testen sei. Und wundersamerweise ist das dann beim BKA gelandet – die DNA braucht also jetzt nicht mehr entnommen zu werden.

Auch bei allen anderen Beschuldigten müsste eigentlich ausreichend Material da sein. Sowohl BKA&Co. als auch eher fiktionale Ermittler im Kino benutzen so aparte Ermittlungsmethoden wie das Einsammeln alter Zigarettenkippen oder benutzter Flaschen in Kneipen, um an die bewussten Proben zu kommen. Sowas würde ich wirklich gern auch mal live sehen, wie die in gutbesetzten Kneipen schnell Flaschen, Aschenbecher, alte Taschentücher einpacken, in Mülleimern rumwühlen usw.

Wir sind am Montag um 14 Uhr am Polizeirevier Invaliden- Ecke Brunnenstraße. Und wenn sich jemand mit einem Transparent dazu stellen möchte und bekunden, dass Andrej nicht der einzige ist, der schonmal ‚marxistisch-leninistisch‘ geschrieben hat, wären wir nicht traurig. Was jetzt aber bitte niemand als Einladung unsererseits zu einer Demonstration oder Kundgebung oder so verstehen soll, weil wir die ja dann anmelden müssten oder uns sonst eine Ordnungswidrigkeit zuschulden kommen ließen (glaube ich? Dieser Satz war ganz besonders an die unterschiedlichen OrdnungshüterInnen gerichtet: wir rufen nicht auf, zu gar nichts!). Schaffen wir gerade nicht.

Update: es gibt doch eine Kundgebung. Montag, 14.1. 13:30
"Da bleibt mir glatt die Spucke weg…"

Berlin-Mitte, Brunnen- Ecke Invalidenstraße
U8 Rosenthaler Platz oder S-Bhf Nordbahnhof

Das Thema schreit ja förmlich nach hübschen Transparenten. 

16 Gedanken zu „Spucke für Frau Harms

  1. die speichelprobe ist also keineswegs freiwillig. denn freiheit bedeutet, sich entscheiden zu können, ob man etwas überhaupt tun will.
    werden die erhobenen daten eigentlich gelöscht, wenn sich Andrejs unschuld herausstellt? und wie kann man sicher sein, daß sie gelöscht wurden?

  2. Stimmt man durch die „freiwillige“ Abgabe nicht einer dauerhaften Aufbewahrung der Probe implizit zu, schliesslich haette man das ja verweigern koennen?

  3. Meines Erachtens nach müssen die Proben sofort vernichtet werden, wenn das Verfahren beendet ist.
    Auszug aus §81a StPO:
    (3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrundeliegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.
    http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__81a.html

    Sehr interessant finde ich in dieser Hinsicht auch den Weg der Blutprobe des Autofahrers. Denn die kann einem ja im Prinzip immer abgenommen werden. Dazu braucht es ja nicht mehr, als der Behauptung: „Sie fahren aber komisch.” Damit wäre es ja ein leichtes von einem in einem anderen Verfahren Beschuldigten eine DNA-Probe zu bekommen!?

  4. Da muss schon viel Staatsidealismus unterwegs sein wenn man daran glaubt, dass einmal entnommene DNA-Proben nach dem Prozess (oder wann auch immer) komplett vernichtet werden.

    Zumindest Geheimdienste wie der Verfassungsschutz werden es sich nicht nehmen lassen, DNA-Proben eines als linksextremistisch/linksterroristisch eingestuften Menschens werden weiterhin zu speichern.

  5. Einige sollten sich mal näher mit den Staatsschutzprozessen Anfang 80iger auseinandersetzen, dazu vielleicht noch die Abhandlungen/Erklärungen/Stellungnahmen der politischen Gefangenen. Der Staatsschutz hat nur ein Ziel – dazwischen gibt es nix.
    Übrigens würde ich die Speichelprobe nicht freiwillig abgeben – der Staat darf hier ruhig seine Gewalt durch „zwangsweise Blutentnahme“ nach außen dokumentieren.

  6. @3: Es mag ja sein, daß die Blutproben und anderen Zellen vernichtet werden müssen. Doch was ist mit den daraus gewonnenen Datensätzen? Was ist mit den Backups und Ausdrucken und Sicherungskopien?

  7. Ich will hier nicht missverstanden werden. Simon hatte gefragt, ob die Probe vernichtet werden muss. Und ich bin der Meinung: &#x201EJa, muss sie.” Ob das dann tatsächlich gemacht wird ist wohl eher eine Glaubensfrage. Und insbesondere das Löschen der Datensätze ist ja gar nicht nachweisbar.
    Rein theoretisch (Gesetzestreue vorausgesetzt) würde die Probe (und folglich auch die Datensätze) nach Abschluss des Verfahrens gelöscht werden.
    @jo: Ich denke da gar nicht so idealistisch.

  8. Ja die Probe wird sicher vernichtet. Aber vom Ergebniss, dem „Datebsatz“ steht da nichts..

  9. Naja, wenn man das bissel Spucke durch nen PCR jagt, kann man gut und gerne Spuren legen, die ’nachweislich‘ auf Andrej hinweisen.

    Es braucht nur einen übermotivierten Beamten …

  10. Vor allem auch nett, dass es gegen solche Beschlüsse des BGH nicht einmal Rechtsmittel gibt (siehe §304 StPO):
    „(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.“
    Man könnte also höchstens noch Verfassungsbeschwerde (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, siehe dazu das Volkszählungsurteil!) einlegen.

  11. Auszug:
    Die Koalition aus SPD und Grünen hat Ende 2003 beschlossen, dass Werbung für Terroristen und mittelschwere Straftaten grundsätzlich nicht mehr nach Paragraf 129 a verfolgt werden sollen. Aus dem Gesetzestext und seiner Entstehungsgeschichte geht klar hervor, dass dies auch Brandanschläge auf Sachen einschließt, solange sie die Bundesrepublik insgesamt nicht erheblich schädigen. Da müssten schon Atomkraftwerke brennen. Autos anzuzünden, wie es die sogenannte militante gruppe getan hat, reicht dafür nicht aus.

    http://www.taz.de/…/?src=SZ&cHash=9b516e0026

  12. Die Speichelprobe wird wahrscheinlich unter anderem dazu benutzt, um Klebereste der Briefumschläge der Bekennerbriefe zu testen.

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