Prozessbeginn und eine technische Panne

Heute begann in Berlin das Verfahren gegen die drei, denen die Bundesanwaltschaft aktuell vorwirft, ‚militante gruppe‘ zu sein. Erwartungsgemäß wird darüber viel geschrieben, zum Nachlesen verweise ich auf Google News. Der Link wird in Kürze sicher in’s Leere führen, stattdessen wird aber sicher ein umfassender Pressespiegel auf der Website des Einstellungsbündnisses stehen.

Neben den Details des Verfahrens ist noch sehr speziell, wie bei so einem Prozess ‚Öffentlichkeit‘ definiert wird. Alle, die den Prozess in Berlin besuchen wollen, müssen sich damit abfinden, dass ihre Ausweise kopiert werden und noch ein paar andere Kleinigkeiten, die sonst eher ungewöhnlich sind. 

Passend zum Anlass habe ich heute seit langem zum ersten Mal wieder ein schönes Beispiel einer Telefonüberwachungs-Fehlschaltung erlebt: ich wollte Andrej in seinem Frankfurter Büro anrufen, der Display des Telefons zeigt auch genau das an, aber stattdessen habe ich den Vater einer Freundin meines Sohnes am Apparat, der das lapidar so kommentiert: "Naja, wir wissen ja, wer alles zuhört".

Meine folgenden Versuche, Andrej sowohl per Festnetz als auch Handy zu erreichen, führen bei mir zu Freizeichen, bei Andrej, der die ganze Zeit neben den bewussten Telefonen sass, zu gar nichts. 20 Minuten später ging’s wieder.

(Meine zurückhaltende Bloggerei zur Zeit hat übrigens mit all dem nichts zu tun, sondern liegt daran, dass ich das erste Mal seit langem wieder einen ganz regulären Vollzeitjob habe, was neben banalem Alltag mit Kindern im Grunde keine Zeit übrig lässt.)

Dänische T-Shirt-Terroristen verurteilt

fighters and lovers - incriminated t-shirtsWährend ich in Malmö beim Europäischen Sozialforum von Seminar zu Seminar marschiere hörte ich von einem Terrorismusfall, der jenseits Skandinaviens nicht sehr bekannt ist. Heute gab es ein Urteil. Worum geht es?


Terroristische T-Shirts!

Eine Gruppe namens "Fighters and Lovers" verkauft T-Shirts mit Logos der FARC und der PFLP und will das damit eingenommene Geld den beiden Organisationen schicken. Das führt zu einer Anklage wegen Unterstützung der terroristischen Organisationen FARC und PFLP. In der ersten Instanz entscheidet ein Gericht, dass es sich dabei überhaupt nicht um terroristische Organisationen handelt – das musste nämlich zunächst geklärt werden. In der zweiten Instanz sind heute sechs Personen verurteilt worden, davon zwei zu sechs Monaten Haft und vier zu Bewährungsstrafen. Eine Person wurde freigesprochen: ein Hot-Dog-Verkäufer, der Werbeplakate für die T-Shirts in seinem Imbiss aufgehängt hatte.

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Interview zu Überwachung

Ich habe endlich geschafft, ein Interview so zu verarbeiten, dass es hier sichtbar wird (mit Hilfe, danke!). Aufgenommen wurde es schon im Mai, am Rande des Bukos durch ein Team des Offenen Kanals Dortmund. Leider habe ich nur meine Antworten und nicht die Fragen bekommen, aber die sind nicht so schwer zu raten. Es dreht sich um das anstehende BKA-Gesetz, Überwachung im Allgemeinen und Besonderen und was ich und andere davon halten.

Zum BKA-Gesetzentwurf gibt es am Montag übrigens eine öffentliche Anhörung des Bundestages, über die sicher noch allerhand berichtet werden wird (11 Experten und nicht eine Expertin, das ist schon relativ schamlos).

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Terrorismus bleibt kompliziert

So oder so:

Bekämpfung des internationalen Terrorismus erfordert eine neue Kronzeugenregelung
Cop2Cop (Pressemitteilung) 12. Sept. 2008

(so ähnlich bei ravenhorst)

Angst essen Denken auf: DIW-Studie zu Angst vor Terrorismus

Sieben Jahre nach den Anschlägen vom 11. September sorgen sich die
Deutschen mehr um den globalen Terrorismus als um ihre persönliche
wirtschaftliche Lage.

Die Befunde sind wichtig für den politischen Umgang mit Terrorismus. Wer sich große Sorgen macht, wird
eher bereit sein, Einschränkungen zu akzeptieren – etwa bei Bürger- und
Freiheitsrechten.

Das sagt nicht irgendein dahergelaufener Bürgerrechtsspinner, sonder die DIW-Expertin Cathérine Müller.

Mehr dazu im DIW
Wochenbericht 37/2008.

Schön ist die Schwerpunktsetzung beim Vergleich ‚Angst vor Terrorismus‘ vs. ‚Angst um persönliche wirtschaftliche Lage‘.
Im Text weiter unten spielen Bürgerrechte aber durchaus auch ein Rolle. Das wird sicher in den nächsten Tagen durch die Medien gereicht werden, wir dürfen gespannt sein.

Österreichische TierrechtlerInnen freigelassen

Die seit dem 21. Mai in Untersuchungshaft sitzenden restlichen neun von ursprünglich zehn österreichischen TierrechtlerInnen sind gestern nachmittag überraschend freigelassen worden.

Die TierrechtlerInnen waren nach §278a des österreichischen StGB festgenommen worden, der die Bildung krimineller Vereinigungen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft und zu den sog. Vereinigungsparagraphen §§278a-d gehört, die mit den deutschen §§129 bzw. 129a vergleichbar sind. Der an sich gegen Organisierte Kriminalität gerichtete §278a wird in Österreich auch als „Anti-Mafia-Paragraf“ bezeichnet.

Den Beschuldigten wird die Beteiligung an Buttersäureattentaten und Brandanschlägen gegen
Kleiderhandelsketten und Tierfarmen vorgeworfen, die über 600.000 Euro Schaden verursacht haben sollen. Den TierrechtlerInnen wurde u.a. zum Verhängnis, dass sie E-Mails und Festplatten verschlüsselt hatten – dies wurde in der Argumentation der Staatsanwaltschaft zur Verdunkelungsgefahr und begründe also die Untersuchungshaft. Als Reaktion darauf riefen die IG Kultur Österreich und das freie Wiener Radio ORANGE 94.0 im Juni zu „dezentralen Verschlüsselungstagen“ auf. Es sollte der Bürgerservice des österreichischen Innenministerums mit verschlüsselten E-Mails zu überschüttet werden.

Die Begründungen für die Vorwürfe waren so vage, dass eine internationale Protestwelle einsetzte. Die grüne Nationalratsabgeordnete Brigid Weinzinger hatte den Behörden bei einer Pressekonferenz nach den Verhaftungen vorgehalten, dass nach elfjähriger Ermittlungstätigkeit der Polizei die Untersuchungshaft nicht mit konkreten Tatvorwürfen, sondern mit Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr begründet wurde. Weinzinger kritisierte, dass außer „einem Buttersäureanschlag, dem Verkleben eines Schlosses sowie der Bedrohung einer Pressesprecherin eines Unternehmens“ nichts zur Last gelegt wurde. „Dafür wurde eine nebulöse ‚kriminelle Organisation‘ konstruiert„.

Zahlreiche Prominente, Parteien und Organisationen hatten gegen die Festnahmen protestiert und gefordert, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung und politische Betätigung respektiert werden müsse. Unter den
Festgenommenen war auch der Vorsitzende des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) Dr. Martin Balluch, der von den österreichischen Grünen inzwischen als Kandidat für die Nationalratswahlen nominiert wurde sowie Sabine Koch, Mitarbeiterin von Radio Orange 94.0, die aus der U-Haft für die Wiener Landesliste der Grünen kandidierte.

Amnesty International Österreich kritisierte die Anwendung des Vereinigungsparagrafen §278a und weist in einer eigenen Erklärung vom 4. Juni darauf hin, dass Amnesty auch schon in einer Stellungnahme zur Änderung des Paragrafen im Jahr 2002 die unklare Definition der Organisierten Kriminalität, die dem §278a zugrunde liegt, bemängelt habe.

Amnesty International ist daher irritiert darüber, dass die angeblich vorliegende, konkrete Beweislage nicht in entsprechende Strafverfahren wegen Sachbeschädigung, Nötigung bzw. gefährliche Drohung mündet, sondern das, aus unserer Perspektive problematisch unbestimmte Gesamtdelikt der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation verfolgt zu werden scheint.

Offenbar führte nun eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegen die Freilassung des ersten der zehn am 13. August dazu, dass die für die Haftbeschwerde zuständige Oberstaatsanwaltschaft nicht nur die Freilassung des ersten Tierrechtlers als rechtmäßig einstufte, sondern auch gleich noch für alle anderen verfügte.

Auf Radio Orange 94.0 wurde heute morgen das erste Interview mit einer der Freigelassenen, Sabine, gesendet (mp3):

Es war total überraschend, ich habe überhaupt nicht damit gerechnet. Plötzlich geht meine Tür auf und die Beamtin sagt zu mir „Sie können nachhause gehen, Sie werden’s nicht glauben“.(…) Das war drei Stunden nach meinem Besuch, wo ich noch an der Plexiglaswand meine FreundInnen gesehen und mich von ihnen verabschiedet habe.

Beim Cultural Broadcasting Archive gibt es inzwischen auch einen Mitschnitt der Pressekonferenz zur Entlassung.

(zuerst bei gulli.com)

Peilsender die 3.

Peilsender Bad OldesloeNach allerhand witzigem, aber nichtsdestotrotz ernstem Hin und Her um einen Peilsender im gewesenen Terrorismus-Verfahren Bad Oldesloe geht die Frage, vom wem das Ding ist, jetzt in die nächste Runde. 

Die Berliner Zeitung meldet heute gutgelaunt auf Seite 1, dass der hier offenbar ziemlich kreative Anwalt Alexander Hoffmann das Gerät jetzt ordnungsgemäß beim Fundbüro melden will: Ausgepeilt.

Hintergrund dazu: 

Im Verfahren gegen Andrej wird es auch gerade kreativer:

da ja die BAW personell so schlecht ausgestattet ist, dass es dort niemand schafft, die Akten auf CD zu brennen und wir andererseits gern endlich verstehen würden, was eigentlich noch das Problem ist, bot Andrejs Anwältin an, dann eben nach Karlsruhe zu fahren, um sie dort einzusehen. Auf Kosten der BAW, versteht sich. Wir sind gespannt.

Nächster Schritt im neuseeländischen „Terror“-Verfahren

the police are the real terrorists - banner, oct 15 solidarity new zealandEin weiterer Fall von TerroristInnen, die inzwischen doch keine mehr sind, ist der von 20 Menschen in Neuseeland, die im Rahmen einer landesweiten ‚Anti-Terror-Razzia‘ am 15. Oktober letzten Jahres verhaftet worden waren. Am Montag beginnen die Vorverhandlungen zum Verfahren. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, an angeblichen Trainingslagern im Urewera-Gebiet auf der nördlichen Insel Neuseelands teilgenommen und dort gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben.

Auch Neuseeland hat ein Anti-Terror-Gesetz, das nach dem 11. September ’01 eingeführt wurde. Es war der Hintergrund der Durchsuchungsaktion vom 15. Oktober, bei der für einen Tag ein ganzes Maori-Dorf abgeriegelt wurde, 60 Häuser und ein vollbesetzer Schulbus durchsucht und die BewohnerInnen festgehalten wurden. Der Terrorvorwurf wurde inzwischen fallengelassen, aber es wird nun über die Anklage
wegen 20 verschiedener Vorwürfe verhandelt, darunter Waffenbesitz und Umgang mit Waffen in sog. Ausbildungslagern.

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