Die Netzpolitik der Großen Koalition

trb_icon_144_bigger.. besprach ich heute kurz in der Sendung Trackback von Radio Fritz. Das könnt Ihr hier nachhören, ab exakt Minute 30:00:

Netzpolitik gibt es ja eigentlich nicht, es ist ein Querschnittsthema, das viele andere klassische Politikfelder berührt. Entsprechend war nicht genug Zeit, alles Wichtige auch nur zu erwähnen.

Macht aber eigentlich auch nicht soo viel, weil ja noch gar nicht bekannt ist, was in der UADA (Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda) beschlossen wurde – die Dokumente ändern sich immer noch und freuen dann die, die die neuen Fassungen bekommen und veröffentlichen können. Einfacher wäre, wenn sie direkt veröffentlicht würden, aber das geht aus irgendwelchen Gründen nicht.

Ich habe beim Versuch, mir einen Überblick zu verschaffen, allerhand Zwischenstände und Interpretationen gelesen. Bitte schön:

23. November

Thomas Stadler / Carta: Koalition plant DNA-Rasterfahndung

21. November

Ilja Braun / Carta: Aktuelle Koalitionspapiere zu UADA, Kultur- und Wirtschaftspolitik (Update)

Markus Beckedahl / netzpolitik.org: Koa-Leaks: Neues aus #UADA, Wirtschaft sowie Kultur und Medien

Jelka Lerche, und / Zeit Online: Jetzt ein Internetministerium! Mit Infografik

Petra Sorge / Cicero: …hält Schwarz-Rot die Netzpolitik für einen Witz? Interview mit Lars Klingbeil

Digitale Linke: Koalitionsverhandlungen: Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“ streicht Forderung nach Internetausschuss und Internet(staats)minister

20. November

Ilja Braun / Carta: Die digitale Agenda der großen Koalition

Jan Moenikes: Digitale Agenda für Deutschland 2013-2017: Ein Werkstattbericht (Update)

19. November

Digitale Gesellschaft: Keine Netzneutralität für Mobilfunk; Formulierungen zum Netzwerkmangement lassen viel Raum für Verletzung der Netzneutralität; DPI-Reglungen zu schwammig

Halina Wawzaniak: Ein Blick auf die Digitale Agenda einer Großen Koalition

Digitale Linke: Digitale Linke veröffentlicht Vorlage zur Netzpolitik aus den Koalitionsverhandlungen

18. November

Patrick Beuth /Zeit Online: Schwarz-Rot entschärft seine Netzpolitik

14. November

Markus Beckedahl / netzpolitik.org: Koalitionsverhandlungen beschwören den Geist von ACTA in Deutschland

24. Oktober

Erik Meyer / Politik Digital: Koalitionsverhandlungen via Twitter? plus Storify dazu, das regelmäßig aktualisiert wird.

Bei Twitter findet Ihr das Thema über den Hashtag #UADA.

15 Minuten

medium_5094796158Ich bin gerade in Warschau bei der Konferenz Censorship, Democracy, Gender. Feminist critiques and resistances und habe heute vormittag an einem Panel über Feministische Medien und Zensur teilngenommen (danke nochmal für die vielen Reaktionen auf meine Bitte, Beispiele und Kommentare zu meinen Thesen zu schicken).

Auf dem Podium saß auch Roman Kurkiewicz, polnischer Journalist, der eine hübsche Geschichte erzählt hat: Er hat 2009 in seiner Sendung „Kurkiewy“ bei Radío Tok FM nur Frauen als Gesprächspartnerinnen eingeladen – als Expertinnen zu allen möglichen Themen, nicht etwa bloß zu ‚Frauenthemen‘.

Und beschrieb, was dabei schwierig war: eine Frau einzuladen, dauert zusätzliche 15 Minuten. Denn die meisten Frauen sind der Meinung, dass sie zu dem konkreten Thema nicht wirklich kompetent sind, nicht gern sprechen wollen, und ob nicht vielleicht besser der Chef/Professor kommen soll? Das darauf folgende Gespräch, sie zu überzeugen, dass sie auf jeden Fall selbst kommen soll, dauert im Schnitt 15 Minuten.

Und ich muss sagen, dass ich das als Schwierigkeit schon von vielen gehört habe, die versuchen, Frauen zu irgendwas einzuladen. Nicht schön, aber wegreden hilft auch nicht. Roman Kurkiewicz sagt dazu: einen Mann einzuladen, dauert genauso lange wie die Frage dauert, dann kommt nur noch die Rückfrage: „Wann soll ich kommen?“ – maximal zwei Minuten.

Die Sendung gab es 10 Monate, dann wurde sie aus Gründen eingestellt, die nichts damit zu tun hatten, wer eingeladen wurde. Großartiges Beispiel, finde ich. Hat sowas in Deutschland schonmal jemand probiert?

Ich habe ihn nach den Reaktionen auf das Sendekonzept gefragt und es gab zwei: eine bezog sich darauf, dass er beim Sprechen teilweise ‚gendert‘, also also etwa „Direktorin“ statt Direktor“ sagt (dyrektor – dyrektorka), was auf Polnisch gemacht werden kann, aber nicht muss – ähnlich wie im Deutschen. Die Reaktion wie gehabt: er verhunze die polnische Sprache.

Die andere typische Reaktion warf ihm vor, Männer zu benachteiligen.

Gab es so einen Versuch eigentlich in unserem so viel fortschrittlicheren Land schonmal? Möchte nicht mal jemand? Mehr Aufmerksamkeit gibt’s dafür garantiert. (Dauert halt ein bisschen länger in der Vorbereitung.)

 

 

Foto: World Bank Photo Collection, via photopin, CC-BY-NC-ND-Lizenz

Nachtrag zur Berliner Funkzellenabfrage

Fast schon wieder vergessen – die Berliner Funkzellenabfrage (FZA). Hier eins der seltenen Gespräche mit Andre Meister von netzpolitik.org, der die Geschichte ausgegraben hat – kurz nach der Innenausschuss-Sitzung im Berliner Abgeordnetenhaus (Landesparlament):

PiRadio: Vorratsdatenspeicherung & Funkzellenabfrage – Gespräch mit netzpolitik.org auch zum Anhören (mp3).

4.200.000 Verkehrsdaten und 960 Teilnehmerdaten. So viel hat allein die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes in den letzten vier Jahren gesammelt. Ein Grund für uns mit Andre von netzpolitik.org über Funkzellenabfragen, Vorratsdatenspeicherung und deren Folgen zu reden. Als erstes haben wir ihn gefragt, wie denn Funkzellenabfrage funktioniert…

Update: Es geht mit einer ungeheuren Überraschung weiter: Berlin hat mehr Handy-Daten ausgewertet als bekannt

Auf der Suche nach Autobrandstiftern hatte die Polizei in den vergangenen Jahren in 375 Ermittlungsverfahren insgesamt 4,2 Millionen Mobilfunkverbindungen in Tatortnähe registriert, also Telefonate und Kurzmitteilungen (SMS). Zusätzlich zu diesen Daten sind seit 2009 in mehr als 800 weiteren Verfahren Funkzellen und Kennern zufolge dadurch bis zu acht Millionen Verbindungen in der Hauptstadt ausgewertet worden – insgesamt also rund zwölf Millionen.

Morgen wird das Thema ausführlich im Bundestag in einer Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages erörtert. Die Stellungnahmen der Sachverständigen gibt es jetzt schon, darunter die von Ulf Buermeyer (pdf) und Johannes Eisenberg (pdf)

Mir sind inzwischen mehrere Juristen begegnet, die die FZAs in Berlin weniger dramatisch finden als die in Dresden. Wenn ich es richtig verstanden habe, weil in Dresden Demonstrationen betroffen waren und in Berlin sehr viel genauer festgelegt war, wann und wo Daten ausgewertet werden. Also weniger „Unbeteiligte“ – potentiell. Nur: wenn wir in Berlin bei inzwischen 12 Millionen Datensätzen sind, frage ich mich, ob das immer noch gilt? Ich finde nicht.

Aber die Perspektive von AnwältInnen („ganz normales Ermittlungsinstrument“) ist sowieso (immer) anders, und hier vor allem anders als die der interessierten Öffentlichkeit, die das offenbar ziemlich skandalös findet alles. Aus Gründen.