CCC und die Folgen

Personifizierte Kinderspielplatz-Mama – na schönen Dank ;).

Es ist jetzt ein paar Stunden nach meiner einen Stunde im Saal 1 des Chaos Communication Congress. Es ist doch definitiv was anderes, dieselben Geschichten einer handvoll Leuten oder einem Saal mit Hunderten zu erzählen. Ich war wieder sehr von den positiven Reaktionen beeindruckt, und Standing Ovations  werde ich wohl so schnell nicht wieder kriegen. Danke! 

Update: wer möchte, kann das Ganze jetzt auch nachträglich hören (Teil 2) oder sehen

Und Feedback zur Veranstaltung geben:  https://cccv.pentabarf.org/feedback/24C3/event/2381.en.html

Ein wirklich großartiges Detail passend zum Thema liefert, Überraschung, ein halbe Stunde später mein Handy. Ich hatte ja erzählt, wie eigenartig es ist, wenn Handys plötzlich selbständig werden, telefonieren, sich abschalten, abstürzen, Funktionen verändern.

Ich wollte Andrej anrufen, drücke Kurzwahltaste 2, und es passiert.. nichts. Die Kurzwahltasten funktionieren nicht. Alle nicht. Ich wähle also unsere Festnetznummer, und die erscheint nur in Rudimenten. Ich probiere alle Zifferntasten. Statt 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 erscheint 0 1 4 5 6 7. Wär ja gelacht, wozu habe ich das Telefonbuch. Das Telefonbuch streikt komplett. Das Handy ist relativ neu und hatte bisher derlei Eigenwilligkeiten noch nicht gehabt. (Im Unterschied zu seinen zwei Vorgängern).

Ich habe mir ein Handy geborgt.

Und hatte mich gerade noch geärgert, dass ich (neben vielen anderen Sachen) vergessen hatte zu sagen, dass ich in letzter Zeit kaum noch ‚Geschichten‘ aufschreibe, weil diese Sorte Geschichten zur Zeit nicht stattfinden, die Überwachung also kaum wahrnehmbar ist. Damit hat sich das gerade erübrigt. 

Wobei mich wirklich interessieren würde, was das ist. Überwachung kann es ja nun wirklich eigentlich nicht gewesen sein, dazu waren sicherlich genug Beamte im Raum und am Rechner. Was also geschieht in Handys, damit die dieses absonderliche Verhalten an den Tag legen? Inzwischen geht alles wieder.

 

Kein Terror multimedial

Zu den Ereignissen der letzten Tage – die Veranstaltung in der NGBK zu den Parallelen zwischen dem Prozess gegen Steve Kurtz/Critical Art Ensemble und dem sog. mg-Verfahren und die BGH-Entscheidung, dass die letzten drei ‚Terroristen‘ aus der U-Haft zu entlassen sind, weil sie keine sind, samt Pressekonferenz – gibt es eine große Auswahl an Dokumentation: als Text-, Bild-, Ton- und Filmberichte. Da noblogs.org als nette unkommerzielle, unbezahlt betriebene Blog-Plattform hier mit blogschnickschnack.com nicht mithalten kann, gibt es das alles als Links.

Der Reihe nach:

Die NGBK-Veranstaltung wurde als Audio aufgezeichnet, in drei Teilen von je etwa einer halben Stunde. (download, mp3 Teil 1, Teil 2, Teil 3, Stream, Teil 1, Teil 2, Teil 3)

Im dritten Teil, ab Minute 6, berichte ich über Überwachung und wie sie sich im Alltag auswirkt.

Am nächsten Tag gab der BGH seine Entscheidung bekannt, dass die militante gruppe keine terroristische, sondern eine kriminelle Vereinigung sei und die drei, denen der Brandanschlag als Beweis der Zugehörigkeit zur mg ausgelegt wird, aus der Untersuchungshaft zu entlassen seien. Nach Zahlung einer Kaution von 90.000 Euro. Bis die aufgetrieben waren, verging noch ein Tag, und ich hoffe, dass sie nun heute (Donnerstag) wirklich entlassen wurden.

Hierzu gibt es eine Fülle von Presseartikeln, zu finden im Pressespiegel der Website des Einstellungsbündnisses (wird vervollständigt – weitere Fundstücke bitte an einstellung[at]so36.net).


Heute fand dann eine Pressekonferenz statt, bei der auch die Berliner Abendschau zugegen war und einerseits Andrej ausführlich interviewt hat und andererseits einen kurzen Beitrag für die heutige Abendschau-Sendung produziert hat.

Das Interview ist im Abendschau-Blog zu sehen:

Die Abendschau-Sendung verbirgt sich theoretisch hinter dieser Adresse rtsp://stream4.rbb-online.de/rbb/abendschau/2007-11-29.rm, die war aber heute abend nicht erreichbar.

Die gesamte Pressekonferenz gibt es auch zum Hören, downloadhttp://www.freie-radios.net/mp3/20071129-pressekonfer-19912.mp3 oder als Stream, 27 Minuten.

Radio Corax (Halle) und Radio FSK (Hamburg) haben berichtet:
Terrorverdacht ist Makulatur
Ausserkraftsetzung der Haftbefehle – Zur BGH Entscheidung
129aVerfahren und millitante Gruppe

Ein hübsches Motiv fand ich dank Kai Raven auf der Seite der Humanistischen Union, die kommentiert, dass der BGH außerdem dieser Tage entschieden hat, dass das BKA keine Briefe zu sortieren hat.

Und zum Schluss wieder was zum Lesen, in der Zeit:
"Aus der Balance" von Ex-Verfassungsrichter Dieter Grimm

Im Kampf gegen den Terrorismus läuft der Staat Gefahr, die Freiheit der Sicherheit zu opfern. Eine Antwort auf Wolfgang Schäuble

Wer die Freiheit für den Preis der Sicherheit hält, hat schlecht gerechnet. Zwar stimmt es, dass die Freiheit wenig nutzt, wenn man unausgesetzt um Leib und Leben fürchten muss. Seinen Bürgern Sicherheit zu gewährleisten ist die erste Aufgabe des Staates. Wenn er sie nicht mehr erfüllt, verliert er seine Legitimation. Aber stimmt es auch, dass jemand, der seine grundrechtlich geschützte Freiheit gegenüber der Staatsgewalt aufgibt, sich sicher fühlen kann? Oder hat er nur eine Gefahrenquelle gegen die andere ausgewechselt?

Freiheit und Sicherheit sind keine Gegensätze. Sie sind aber auch nicht notwendig in Harmonie. Freiheit produziert Sicherheitsrisiken, die sich nur durch Freiheitsbeschränkungen eindämmen lassen. Dabei darf aber das Ziel nicht aus den Augen verloren werden. In einem Land, das sich nach bitteren Erfahrungen in seinem obersten Verfassungsgrundsatz auf Achtung und Schutz der Menschenwürde festgelegt hat, geht es um die Sicherheit der Freiheit. In einem solchen Land darf dem Staat nicht jedes Mittel zur Bewahrung der Sicherheit recht sein.

Damit wächst der Informationshunger des Staates erheblich. Er lässt sich freilich nur heimlich stillen. Deswegen wachsen auch die Geheimdienste und ihre Befugnisse. Die Vorteile der vorverlagerten Prävention sind allerdings nicht kostenlos zu haben. Wo erst Verdachtsmomente gesammelt werden sollen, trifft sie potenziell jeden und alles, weil bei der Verdachtssuche nichts unverdächtig ist, nicht das Buch aus der Bibliothek, nicht der Wecker auf dem Nachtisch, nicht der Ort, an dem man seine Freunde trifft.

Deswegen darf man auch nicht der Beschwichtigung trauen, wer sich nichts vorzuwerfen habe, habe auch nichts zu befürchten. Jeder muss befürchten, dass seine Kommunikation überwacht wird. Niemand kann sicher sein, dass ihm daraus keine unangenehmen Folgen erwachsen. Ist man einmal im Verdachtsraster hängen geblieben, sind Beschattung und Ausforschung der Nachbarn, Beförderungsverweigerungen im Flugzeug, der Verlust des Arbeitsplatzes wegen Sicherheitsbedenken nicht mehr völlig fern. (weiter)

 

Interview 30. September

"Wenn Du die Akten liest, siehst du, dass Dein Leben permanent in einer Weise interpretiert wird, wie Du es nicht führst."

Am Rand der Veranstaltung "Ist jetzt alles Terrorismus? Die politische Dimension des §129a" am 30. September in der Berliner Volksbühne (Video, Audio) hat mich Stefan Zimmer von der Berliner Radiokampagne danach gefragt, welche Auswirkungen §129a-Verfahren auf politische Aktivitäten, aber auch auf den ganz normalen Alltag haben.

download bei freie-radios.net, direkt anhören

(Hintergrund zu den beiden im Interview erwähnten §129a-Verfahren: 9. Mai / 31. Juli)

Ein Orwellscher Alptraum

..sei unser Leben, findet Polylux:

Nahaufnahme: Mein Leben als Terrorist

Ohne stichhaltige
Begründung wird eine Berliner Familie seit einem Jahr vom BKA
überwacht, abgehört und beschattet. Die deutsche Terrorgesetzgebung –
ein Orwellscher Alptraum.

Die nächste Polylux-Sendung sehen Sie am Donnerstag, den 01.11.2007 um 23:45 Uhr.

Polylux-Scheinwerfer vor leerem Sofa[Aktualisiert: Das Filmchen ist online und wurde am Donnerstag von über 700.000 Leuten gesehen. Wiederholungen Sa 00:15, rbb und 11:15, 3sat]

Das würde ich so nicht völlig unterschreiben. Trotzdem beschäftige ich mich zunehmend mit der Frage, wie sich Überwachung auf das Verhalten auswirkt; sicher auch, weil ich so viel danach gefragt werde. Ich würde ja an sich sagen, dass ich mein Verhalten nicht wirklich verändere, andererseits gibt es natürlich bestimmte offensichtliche Kleinigkeiten (?). Schon vor einer Weile hatte Andrej mal seine BVG-Monatskarte vergessen. Jetzt ist Schwarzfahren in Berlin ob der Kontrolldichte nicht (mehr) wirklich empfehlenswert, aber die meisten würden in derselben Situation wahrscheinlich die paar Stationen fahren und hoffen, dass es gut geht. Vielleicht auch aus Versehen, denn wer eine Monatskarte hat, denkt ja sowieso meist gar nicht über Fahrkarten nach. In diesem Fall aber ist es an einem Tag gleich mehrfach vorgekommen, dass er schon in der U-Bahn war, realisierte, dass bei all der Begleitung noch wesentlich unvorteilhafter wäre, ohne Fahrschein zu fahren und kurz bevor die Türen schlossen, wieder raussprang, um noch eine Fahrkarte zu kaufen. Ob das die Verhaltensveränderungen sind, die gemeint sind, kann ich nicht sagen, obwohl ich vermute, dass nicht. Erwähnenswert ist es aber doch, vor allem der Bewegung wegen, die auf den U-Bahnsteigen entstand unter scheinbar ganz unbeteiligten Passanten, die wohl schon angenommen hatten, dass ihr Job hier erledigt gewesen sei. In dem Kontext würde mich mal interessieren, wieviele BeamtInnen eigentlich bei einer langfristigen Observation eingesetzt werden (‚langfristig‘ heißt langfristig, wie bei uns, im Unterschied zu Observationen (Überwachungen), die sich nur auf eine bestimmte Situation beziehen).

In der taz wurde die Frage der Auswirkung von Überwachung heute auch erörtert, in einem Interview mit einem  "Technikforscher":

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