Ein Orwellscher Alptraum

..sei unser Leben, findet Polylux:

Nahaufnahme: Mein Leben als Terrorist

Ohne stichhaltige
Begründung wird eine Berliner Familie seit einem Jahr vom BKA
überwacht, abgehört und beschattet. Die deutsche Terrorgesetzgebung –
ein Orwellscher Alptraum.

Die nächste Polylux-Sendung sehen Sie am Donnerstag, den 01.11.2007 um 23:45 Uhr.

Polylux-Scheinwerfer vor leerem Sofa[Aktualisiert: Das Filmchen ist online und wurde am Donnerstag von über 700.000 Leuten gesehen. Wiederholungen Sa 00:15, rbb und 11:15, 3sat]

Das würde ich so nicht völlig unterschreiben. Trotzdem beschäftige ich mich zunehmend mit der Frage, wie sich Überwachung auf das Verhalten auswirkt; sicher auch, weil ich so viel danach gefragt werde. Ich würde ja an sich sagen, dass ich mein Verhalten nicht wirklich verändere, andererseits gibt es natürlich bestimmte offensichtliche Kleinigkeiten (?). Schon vor einer Weile hatte Andrej mal seine BVG-Monatskarte vergessen. Jetzt ist Schwarzfahren in Berlin ob der Kontrolldichte nicht (mehr) wirklich empfehlenswert, aber die meisten würden in derselben Situation wahrscheinlich die paar Stationen fahren und hoffen, dass es gut geht. Vielleicht auch aus Versehen, denn wer eine Monatskarte hat, denkt ja sowieso meist gar nicht über Fahrkarten nach. In diesem Fall aber ist es an einem Tag gleich mehrfach vorgekommen, dass er schon in der U-Bahn war, realisierte, dass bei all der Begleitung noch wesentlich unvorteilhafter wäre, ohne Fahrschein zu fahren und kurz bevor die Türen schlossen, wieder raussprang, um noch eine Fahrkarte zu kaufen. Ob das die Verhaltensveränderungen sind, die gemeint sind, kann ich nicht sagen, obwohl ich vermute, dass nicht. Erwähnenswert ist es aber doch, vor allem der Bewegung wegen, die auf den U-Bahnsteigen entstand unter scheinbar ganz unbeteiligten Passanten, die wohl schon angenommen hatten, dass ihr Job hier erledigt gewesen sei. In dem Kontext würde mich mal interessieren, wieviele BeamtInnen eigentlich bei einer langfristigen Observation eingesetzt werden (‚langfristig‘ heißt langfristig, wie bei uns, im Unterschied zu Observationen (Überwachungen), die sich nur auf eine bestimmte Situation beziehen).

In der taz wurde die Frage der Auswirkung von Überwachung heute auch erörtert, in einem Interview mit einem  "Technikforscher":

 

Was ist dagegen einzuwenden,
dass Leute ihren Müll nicht mehr auf die Straße schmeißen, weil sie
wissen, dass sie von einer Kamera beobachtet werden?

Die Veränderungen werden sehr viel
tiefgreifender sein. Es gibt einen Versuch, bei dem in einem Raum ein
Foto aufgehängt wurde. Die Person darauf wurde den Versuchsteilnehmern
als Beobachter vorgestellt. Während des Experiments war im Verhalten
der Teilnehmer etwas Interessantes zu beobachten: Sie versuchten so zu
handeln, wie sie glaubten, dass es der Beobachter für richtig hielt.
Wenn Menschen überwacht werden, wollen sie konform mit den Werten der
überwachenden Autorität agieren. Überwachung fördert die innere Zensur.
Sie unterdrückt Widerspruchsgeist. Die große Gefahr ist, dass dies
unterbewusst geschieht. Man passt sich an und merkt es gar nicht. (…)

Gibt es denn Studien, die Ihre Einschätzungen stützen?

Zum Beobachtereffekt gibt es jede Menge
Untersuchungen, die das belegen. Eine interessante Studie gibt es
außerdem aus Kanada, die hat sich mit so genannten "überbeschützenden
Müttern" beschäftigt, deren Kinder sich bei ihnen dauernd beobachtet
fühlen. Das Ergebnis dieser Untersuchung war, dass solche Kinder nur
sehr schwer in der Lage sind, ethische Entscheidungen zu treffen und
einen eigenen Standpunkt in moralischen Fragen einzunehmen.

In dem Kontext finde ich gleichermaßen shocking wie auch wieder nicht, dass Schäuble anscheinend wirklich kaum versteht, was er im Begriff ist, zu tun: 

Ich kann eine von insgesamt drei Frage stellen und werde vom
Moderator mit “der junge Herr hier vorne” angesprochen. Ich wende mich
an Herrn Schäuble: Ich konsumiere Medien über das Netz. Wenn jetzt
gespeichert werden soll,welchen Artikel ich wann wo lese und welchen
Fernsehsender ich wann wo sehe, soll ich dann das Internet
wegschmeissen, um meine Privatsphäre zu sichern?

Er versteht das nicht so wirklich. Er weiss nicht, worum es geht und
wer das speichert. Obwohl ich Vorratsdatenspeicherung gesagt habe. Und
argumentiert damit, dass er ja immer noch Zeitung lesen würde und die
jungen Menschen würden das halt im Netz tun mit allen verbundenen
Risiken. Und das man halt sowas speichern müsste. Ich frag nochmal
nach, warum denn dann die Daten gespeichert werden müssen und ob
gespeichert wird, wann er wo einen Artikel in der FAZ liest. Wieder
lange Antwort, vollkommen am Themavorbei.

(aus einem Bericht über eine Veranstaltung mit Schäuble und dem  Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, der sein neues
Buch „Das Ende der Privatsphäre – Der Weg in die
Überwachungsgesellschaft“
vorstellte, bei netzpolitik.org)

 

19 Gedanken zu „Ein Orwellscher Alptraum

  1. „Ich frag nochmal nach, warum denn dann die Daten gespeichert werden müssen und ob gespeichert wird, wann er wo einen Artikel in der FAZ liest. Wieder lange Antwort, vollkommen am Themavorbei“

    Ich freue mich bereits jetzt auf die Polylux-Sendung, und muss leider auch zeitgleich anmerken, dass diese wohl, im Vergleich zur Bevoelkerung, eher sehr wenige Menschen sehen werden. Na dann Prost!

    mfg
    me

  2. In meinem Fall wurde damals mein Surfverhalten überwacht (was sonst noch kann ich nicht sagen) und aus dem Besuch von online Sexshops das Indiz für eine geplante Straftat gemacht und auch meine Webseiten wurden auf Anweisung der Polizei aus dem Netz genommen, natürlich ohne richterliche Anordnung und ja ich gebe zu, es hat mein Verhalten verändert.

    Brisante Informationen habe ich aus dem naheliegenden Ausland per Post an Medienvertreter verschickt und gelegentlich lasse ich mein Handy liegen, nehme ein anderes mit das keiner kennt, denn mein Handy zeigt, seit ich es von der Kripo wieder habe ein seltsames Verhalten, liegt bewegungslos auf dem Tisch, hat volles Netz um sich plötzlich aus und wieder einzubuchen. Mein Freund hat mich bis vor ein paar Tagen ausgelacht, meinte ich leide an Paranoia, doch seit einigen Tagen wird er auch stutzig, denn nun kommt es bei ihm plötzlich auch zu seltsamem Handyverhalten, das es bis dahin nie gab. Auch mein Verhalten am Computer hat sich verändert, ich bin vorsichtiger geworden. Dinge, die nicht jeden etwas angehen werden, auf einem PC ohne Internet gemacht, dann 448 Bit verschlüsselt und danach mit einer SSL gesicherten VPN Verbindung in einem nochmals verschlüsselten Online-Safe abgelegt, wo sie vor jedem Zugriff sicher sind. Auch meine Site ist gespiegelt, liegt zusätzlich auf einem sicheren Server im Ausland, wo deutsche Willkür machtlos ist, was aufgrund der gemachten Erfahrungen logisch ist zumal ich bei „Worte sind wie Waffen“ den Staat offen angreife, mit Beweisen seine Rechtsbeugungen dokumentiere.

  3. Also ich bin wirklich geschockt. Habe jetzt diverse Artikel dieses Blogs durchgelesen und ich kann es einfach nicht verstehen, wie Mensch zu solchen Sachen fähig ist. Die Zukunft sieht nicht rosig aus..

    Was das Verhalten angeht, denke ich, es wird einem bewusst suggeriert, sich „konspirativ“ zu verhalten, vor allem denen, die sich auf kritischer Ebene mit solchen Themen befassen. Auch wenn das jetzt vielelicht noch ein bisschen überspitzt ist, aber die ganze Sache tendiert dazu, sämtliche Systemkritiker im Keim zu ersticken, um danach einen hirnlosen Rest (klingt hart, ist aber so) besser instrumentalisieren zu können.

    Ich werde den Blog gespannt weiter verfolgen und wünsche Euch und Eurer Familie und anderen Betroffenen viel Kraft.

    Liebe Grüsse aus der Schweiz (die noch nicht so weit ist, aber dennoch auf bestem Wege)

  4. „Dies ist eine Geschichte eines Jungen, der sich von Hochhaus stürzt, und wärend er fällt, sagt er sich immer wieder: „Bis hierhin lief es noch gut, bis hierhin lief es noch gut, bis hierhin lief es noch gut.“

  5. Einfach aus der U-Bahn springen?

    Man will sich wohl den Überwachungsmaßnahmen entziehen?!

    😉

  6. Was soll der Scheiß? Was bringt es Schäuble zu wissen, welche Artikel ich mir ansehe? Welche Musik ich täglich von Napster auf meinen Player lade?

    Aber für Schäuble bin ich ja auch ein Terrorist, ich habe dieses Blog angeguckt!
    [Ironie] Gleich noch ne Bauanleitung für ne Atombombe laden und die selbige danach aufn Schäuble schmeißen^^[/Ironie]
    Irgendwann wird sich das Netz selbst rächen, da bin ich sicher!

  7. Ja … man passt sich an, man agiert wie ein Schauspieler, der eine gut … der andere weniger !
    Wichtiger ist, so man sich dessen (überwacht zu werden) bewußt ist, das Spiel halt mitzumachen.
    Sich halt „normal“ zu bewegen … auch mal was „böses“ zu tun, wie diese Zeilen hier zu schreiben …
    Da ich in der DDR aufgewachsen und erzogen wurde, fällt es mir persönlich recht leicht mich anzupassen ohne meine Ziele den „Aggressoren“ meiner Rechte zu verraten … was denen recht merkwürdig vorkommt, da ich keinerlei „außergewöhnliche“ Kontakte Pflege … sie tappen im Dunkeln …
    Selbst diese Zeilen kommen ihnen suspekt vor, schon allein das ich diese Schreibe, mir meiner Situation bewußt bin un sie dennoch nichts greifbares in der Hand haben, als diverse Kommentare in irgendwelchen Webblogs … komischerweise scheine ich dennoch ein „Insider“ zu sein und selbst meine Überwacher können bestätigen das ich es nicht sein kann … aber das was ich schreibe spricht (für Insider) Bände !
    Ich habe mich schon zur Zeit meiner Lehre (Anno Knipps) und davor mit den Fragen der EDV beschäftigt … ich habe auch die Antworten gefunden !
    Nun bin ich Nutznießer der Antworten und meine Überwacher haben von der rudimentäten Materie der Datenübertragung soviel Ahnung wie ein Nudelteigholz vom Eierkochen !
    Die Netzwerktechnik unserer bundesregierung ist noch immer so löcherig wie ein Schweizer Käse, die Chinesen ?
    Ich bitte euch, ich habe den Auftrag bekommen bei einem Chinesischen Kollegen nach Viren zu suchen … es war eine zweistellige MB Zahl auf seiner Maschine … danach wunderte er sich, das er mit seiner Maschine wieder richtig arbeiten könne und bedankte sich bei mir … 2 Wochen später war der Virenscanner abgeschaltet … aus „Performancegründen“ … was soll man von einem Chinesischen Programmierer erwarten …
    Was ich mache läuft konzertiert ab, ich Spiele mein Planspiel und unsere Regierung ihres … ich habe meine „Erfolge“ und es macht mir nur Spass zu sehen und zu lesen was „Die Anderen“ so über mich verfassen …

    Ich weiß, ich bin ein Arschloch … aber hey, das muss man in BNDeutschland sein, nicht Herr Zarkowski ?

  8. Ich lese gerade das Buch „Heil Hitler das Schwein ist tot“ von Rudolph Herzog.Ich fand dort den folgenden „Witz“ aus der Nazizeit.

    §1 Wer etwas unternimmt oder unterlässt,wird bestraft.
    §2 Die Strafe richtet sich nach dem gesunden Volksempfinden.
    §3 Das gesunde Volksempfinden wird durch den Gauleiter festgelegt

  9. Auahauaha‘ da ist jemand gaaaanz Sauer !

    Mein Kommentar wird erst vom Blogwarth gelesen … böööse Falle !

  10. Hier mal so ein Paar Linkers … so zum Schmunzeln:

    http://www.taz.de/digitaz/2007/08/15/a0071.1/text.ges,1

    http://radio-utopie.de/index.php?themenID=1027

    … und nicht vergessen, nach dem Schmuzeln etwas Empörung aufzutragen, das dies alles Propaganda gegen den Rrrechts-Staat ist und ruhig bleiben, denn wer „Aufmuckt“ bekommt was er verdient, die volle Härrrte des Rrrechts-Staates !
    Bei allem Zynismus, der mir innewohnt … ist es doch traurig, warum sind wir Deutschen im Osten Damals auf die Strasse gegangen ?
    Die NVA stand mit „Kupferkopf“ in den Seitenstrassen … ich frage mich allen ernstes, was wäre passiert so der Befehl gekommen wäre ?
    Er kam nicht, glück für uns, aber die „Oberen“ hätten ihn geben dürfen !
    Der Jung hätte den Befehl gegeben, ohne es zu dürfen !
    Der Wolfgang will ihn geben und muss ihn geben, so sein Busenfreund Karlheinz nach Deutschland heimkehren sollte … er müsste ansonsten umziehen, in engere Räumlichkeiten … aber was sorgt er sich ? Die Justitz ist doch auf seiner Seite, nicht ?

    Für alle „Ex-DDR“ Bürger kann ich da nur sagen, erzieht eure Kinder so, wie ihr es von euren Eltern gelernt habt !
    Freiheit gibt es nur für den, der sie sich Kaufen darf !

    … einen schönen Sonntag noch !

  11. Ich denke schon, dass sich Überwachung auf das eigene Verhalten auswirkt, auch wenn dies auf den ersten Blick vielleicht nicht so offensichtlich ist. Es wirkt sich auf jeden Fall auf das Denken aus.

    Ich schreibe das aus eigener Erfahrung, denn mein Freund wurde zwei Wochen lang von der Polizei observiert und sein Telefon abgehört. Da wir häufig zusammen unterwegs sind, zusammen wohnen und auch den selben Telefonanschluss benutzen, war ich also nicht nur emotional, sondern auch faktisch von der Überwachungsmaßnahme mitbetroffen. Dieser Fall liegt nun schon 3 Jahre zurück und ist im Vergleich zu dem im Blog geschilderten geradezu lächerlich.

    Und dennoch sind wir beide seitdem etwas paranoider geworden (wer weiss wann sich so etwas wiederholt), vermuten manchmal Polizisten wo keine sind, und/oder drehen nochmal eine Extrarunde um den Block um zu gucken ob jemand hinterher läuft. Beim Telefonieren bleibt immer dieses unangenehme Gefühl jemand anderes würde noch zuhören. Auch wenn die Überwachung schon eine Weile zurück liegt, das Gefühl lässt sich (voerst?) nicht ebenso abstellen. Wenn wir rumblödeln geht es nicht selten um das Thema Überwachung/Überwacher (wohl auch eine Form der Verabeitung). Und gelegentlich kommt es vor, dass wir unser Handeln selbst durch das Auge eines imaginären Überwachers betrachten.

    Übrigens hat inzwischen mein Freund vor Gericht erwirkt, dass die Anordnung zur Observation/Telefonüberwachung von der Polizei zurück genommen werden musste. Das heißt, offiziell hat es nun diese Anordnung und damit auch die Überwachung nie gegeben und die damit gewonnenen Daten müssen (zumindest offiziell) gelöscht werden. Darüber haben wir uns natürlich gefreut. Und dennoch, die Spuren die es bei uns hinterlassen hat, lassen sich nicht mal so eben löschen, und sicher sein, dass so etwas nicht noch einmal passiert, können wir auch nicht.

    Im übrigen ist der Link zum Taz-artikel nicht ganz richtig. Dieser sollte aber hoffentlich tun 😉 http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/man-passt-sich-an-und-merkt-es-nicht/?src=SE&cHash=60df460c61

  12. Nach dem TV-Bericht dürfte es für Euch nun schwieriger sein, die Zunicker oder Nichtnickeraberkomischkucker einzuordnen.

  13. Heute musste ich feststellen, dass es viel schlimmer ist wenn man erkennen muss, dass man dem was sich Rechtsstaat nennt nicht vertrauen kann. Die damalige (ob sie beendet ist?) Überwachung hat mein Verhalten verändert unbestritten doch viel schwerer hat es mich getroffen als ich heute erkennen musste, dass ich verloren habe, von dem was sich Rechtsstaat nennt im Stich gelassen worden bin.

  14. Ich bitte alle Leser hier die Seite http://www.k-d-e.info zu beachten – nein nicht meinetwegen – es geht dort darum was sich dieser Staat an nahezu unvorstellbarem erlaubt wenn es um die Einflussnahme in menschliches Leben geht. Insbesondere eine Frau betreffen verstößt das gegen alle moralischen Grundsätze was sich in den kommenden Tagen auf der Seite beweisen wird.

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