Radio Netwatcher, eine wöchentliche Sendung des Freien Radio Orange 94.0 aus Wien, hat am Freitag ein Interview ausgestrahlt, dass sie mit mir im Dezember beim 25c3, dem 25. Kongress des Chaos Computer Club, geführt haben. Die ganze Sendung dauert eine Stunde. Ich habe das Interview rausgeschnitten – wer die ganze Sendung hören möchte, bitte hier entlang.
Es geht um den Stand der Dinge des Verfahrens, darum, wie unsere Kinder das alles verkraften und auch um ähnliche Verfahren in Österreich und Frankreich (die mehrfache Erwähnung meines angeblich existierenden "Fan-Clubs" hätte von mir aus nicht sein müssen..)
Am 22. Mai wurde in Mexiko der kolumbianische Soziologe Miguel Angel Beltrán Villegas festgenommen und als angeblicher FARC-Terrorist nach Kolumbien abgeschoben. Soweit das bisher nachzuvollziehen ist, sind die "Beweise" für sein terroristisches Agieren Hinweise auf einem letztes Jahr von der Armee gefundenen Computer. Forensiker von Interpol allerdings geben darauf nichts, weil die Daten auf dem Rechner offenbar manipuliert wurden (Telepolis: Sprengstoff aus dem Laptop, Juni ’08; Interpol-Bericht).
Andrés Hernández Vásquez, Anwalt und Doktorand an der Uni Mainz, vergleicht den Fall mit der Festnahme von Andrej Holm und schrieb den Artikel "Guantánamo in Kolumbien", angelehnt an "Guantánamo in Germany" von Saskia Sassen und Richard Sennett, im August ’07 im Guardian veröffentlicht.
Andrej hat diesen Text zur Unterstützung geschrieben:
Dr. Miguel Ángel Beltrán Villegas, Soziologe an der UNAM in Mexiko
wurde am 22. Mai mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der
kolumbianischen Guerilla FARC nach Kolumbien abgeschoben und dort
inhaftiert. Die wenigen Informationen, die in Deutschland zu diesem
Fall bekannt geworden sind, zeigen eine weitere skandalöse
Kriminalisierung von kritischen Wissenschaftler/innen im Namen des
angeblichen "Kampfes gegen den Terrorismus".
Die Abschiebung und Verhaftung von Dr. Miguel Angel Beltran erfolgte
auf der Basis einer selbst von internationalen Polizeibehörden umstrittenen Auswertung von Computerdaten, die einem FARC-Kommandanten
zugeschrieben werden.
Der konkrete Vorwurf gegen ihn ist die angebliche Infiltration
akademischer Zirkel in Lateinamerika, um diese unter die Führung der
FARC zu stellen. Dass dabei seine wissenschaftlichen Arbeiten zu einem
halben Jahrhundert Bürgerkrieg in Kolumbien als Indizien herbeigezogen
werden, zeigt, dass hier eine kritische und für den Staat unliebsame
Forschungsarbeit kriminalisiert werden soll. Ich unterstütze die
Forderung nach einer sofortigen Freilassung von Dr. Miguel Angel
Beltran.
Auch in Europa wurden in den vergangenen Jahren mehrere
Wissenschaftler wegen des Verdachts terroristischer Aktivitäten
festgenommen. Im Mai 2008 wurden zwei Wissenschaftler der Universität
Nottingham unter Anwendung des britischen "Terrorism Act" festgenommen
und mit Abschiebung bedroht. Anlaß war der Ausdruck von legal
erhältlichem Material für die Forschung über Al-Quaida.
Im November 2008 wurden im französischen Tarnac 10 Personen im Rahmen
von sogenannten Anti-Terrorermittlungen festgenommen. Unter ihnen der
Philosoph Julien Coupat, der über 6 Monate in Untersuchungshaft
festgehalten wurde. Begründung in seinem Fall unter anderem eine
vermutete Herausgeberschaft eines als linksextremistisch eingeschätzten
Buches "L"insurrection qui vient" (Der kommende Aufstand) sowie die
nicht bewiesenen Beteiligung an einer Unterbrechung des
Schienenverkehrs.
Julien Coupat musste inzwischen wegen Mangels an Beweisen freigelassen
werden. Ich selbst wurde im Juli 2007 als angeblich "intellektueller
Kopf" einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Indizien auch
hier meine wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie eine nie
verborgenen linke Gesinnung. Der Bundesgerichtshof hat den Haftbefehl gegen mich inzwischen aufgehoben und den ‚dringenden Tatverdacht‘ verneint.
In all diesen Verfahren gerieten Wissenschaftler/innen und ihre
Arbeitsweisen in den Fokus polizeilicher Ermittlungen. Kritische
Wissenschaft darf nicht auf dem Altar des internationalen "War on
Terror" geopfert werden.
Die von der mexikanischen Regierung vollzogene Abschiebung in das
immer noch von Menschenrechtsverletzungen geprägte Kolumbien erfolgte
ohne jede Rechtsgrundlage. Ich protestiere gegen diese illegale
Abschiebung durch die mexikanische Regierung und fordere die
unverzügliche und unversehrte Rückkehr von Dr. Miguel Angel Beltran
nach Mexiko.
Dr. Andrej Holm
Institut für Humangeographie
Universität Frankfurt am Main
Hicham Yezza, einer der beiden Uni-Angehörigen aus Nottingham, die im Mai 2008 unter Terrorismus-Verdacht festgenommen worden waren, hat am 12. Februar ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Einwanderungsgesetz verloren. Dies kann zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe und danach zu seiner Abschiebung nach Algerien führen. Das Urteil wird für Freitag, den 6. März erwartet.
Hicham Yezza war im letzten Mai festgenommen worden, weil er für einen Kollegen ein Handbuch von Al-Qaeda ausgedruckt hatte, das legal erhältlich ist. Sein Kollege, Rizwaan Sabir, forscht über Al-Qaeda. Alle Informationen hierzu hätten von den beiden Beschuldigten und ihren KollegInnen auch einfach erfragt werden können.
Nicht ganz frisch, aber auch sensationell: Greenpeace Dänemark wurde im Juni 2005 wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt. Eigentlich waren, im Oktober ’03, ganz normal ein paar Aktivisten auf das Gebäude des dänischen Landwirtschaftsrats in Kopenhagen geklettert und hatten ein Transparent runtergehängt. Damit das klappt, hatten sie unten die Türen zugekettet. Vor der Tür gab es einen Infostand, und an die PassantInnen wurden Flugblätter verteilt. Thema: genetisch verändertes Schweinefutter. Hinterher sind sie wieder runtergekommen, haben sich festnehmen und abführen lassen. Einkalkuliert war ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch und dafür eine Geldbuße.
Soweit lief alles nach Plan, aber dann erinnerte sich die Staatsanwaltschaft, dass auch Dänemark nach dem 11.9.01 neue Anti-Terror-Gesetze eingeführt hatte.
Die ‚offizielle Version‘ der Aufnahme von Terrorist All-Stars ist vom CCC veröffentlicht worden und jetzt auch bei archive.org (und Google-Video, danke an F!XMBR). Eine Stunde (englisch) über Anti-Terror-Verfahre gegen Menschen oder Gruppen, die von den meisten Menschen nicht als TerroristInnen gesehen werden würden. Die Beispiele sind aus Großbritannien, Frankreich, Österreich, Portugal, Neuseeland und den USA.
Der Film ist von Lynn Hershman, und Steve Kurtz‘ Frau Hope wird von Tilda Swinton gespielt, die dieses Jahr Präsidentin der Jury der Berlinale sein wird.
Den Text gibt es nicht schriftlich, nur die ‚Folien‘ (pdf), die Bilder und Links enthalten.
Update: inzwischen gibt es Terrorist All-Stars als Audio-Dateien:
http://noblogs.org/flash/mp3player/mp3player.swf
Auf der Website des 25c3 ist es möglich, anonym Feedback zu den Vorträgen abzugeben, wer das möchte, bitte hier entlang. Das freut mich natürlich (in der Regel).
Vorbemerkung des Übersetzers: Am 11. September 2008 wurden eine
Reihe von Dokumenten zum Prozeß gegen Ethel und Julius Rosenberg auf
der Internetseite des unabhängigen National Security Archive erstmals
veröffentlicht. (http://www.gwu.edu/~nsarchiv/news/20080911/index.htm)
Zugleich erschien in der New York Times ein Artikel mit überraschenden
Aussagen von Morton Sobell, einem Verteidiger der Rosenbergs. Auf die
daran anknüpfende Diskussion reagierten die beiden Söhne der
Rosenbergs, Michael und Robert Meeropol, mit eigenen Stellungnahmen.
Der folgenden Text antwortet auf einen Kommentar von Ronald Radosh in
der Los Angeles Times vom 17. September. Er erschien in der LA Times am
5. Oktober 2008. Inzwischen sind auf der Website nsarchive.org weitere
Dokumente zum Prozeß veröffentlicht worden.
Wir
sind die Söhne von Ethel und Julius Rosenberg. Wir waren kleine Kinder
– 10 und 6 Jahre alt – als unsere Eltern auf dem elektrischen Stuhl in
Sing Sing getötet wurden, weil sie das "Geheimnis der Atombombe" der
Sowjetunion verraten haben sollen.
…
Dieser Fall enthält eine klare Warnung. Er zeigt Tendenzen unserer
Regierungen öffentliche Furcht zu erzeugen und auszubeuten,
Bürgerrechte zu zerstören und die Verfahren der Justiz zu manipulieren.
In unsere heutigen politischen Situation haben sich die Ziele der
Vorwürfe geändert, aber die Taktiken der Mächtigen sind ziemlich die
gleichen.
Die Bundesanwaltschaft, die ja bekanntlich im Wald immer viele Räuber vermutet und hinter jedem linken Baum einen Terroristen sieht, verdächtigt seit Jahren die unterschiedlichsten Leute, zur ‚militanten gruppe‘ zu gehören oder sonstwie latent terroristisch zu sein. Drei davon wurden, so sagt das BKA, dabei erwischt, wie sie Bundeswehr-LKW anzünden wollten und denen wird seit einer Woche in Berlin-Moabit der Prozess gemacht.
Passend zum Ereignis werden still und leise gleich zwei (ehemalige) §129a-Verfahren eingestellt, die jeweils viel Wirbel gemacht haben, als sie durch die Medien gereicht wurden