gelbgrün – Bankleer-Plakat und Freundeskreis-Videoclip

Bankleer:  „Europäisches Unterbewusstsein I“ (2008)Das Plakat von bankleer "Europäisches Unterbewusstsein I" (hier rechts im Bild) ist online und auch gedruckt. Es ist Teil der zweiten Serie der ‚Posterkampagne‘ von ‚Land of Human Rights – Künstlerische Analysen und Visionen zur Situation der Menschenrechte in Europa‚: "Beginnend im September 2007 wird jedes halbe Jahr ein Set von 4 Postern
gedruckt, auf denen Werke von KünstlerInnen zu aktuellen
Menschenrechtsfragen auf der einen Seite und kurze Texte von
MenschenrechtsaktivistInnen, TheoretikerInnen oder von
Menschenrechtsfragen direkt betroffenen Personen auf der anderen Seite
abgedruckt werden.
" Es gibt 5000 Stück, die an vielen Orten in Europa zu haben sind, in Deutschland allerdings nur in München (Aspekte Galerie der MVHS) und Berlin (Künstlerhaus Bethanien).

"Europäisches Unterbewußtsein I" ist auch im Druckformat downloadbar. Auf der Rückseite steht ein Text, der eigentlich in Zusammenarbeit mit dem Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren, aber vor allem doch von Wolf-Dieter Narr geschrieben wurde (sich in einem großen, sehr heterogenen Bündnis unter Zeitdruck auf egal was zu einigen und mit KünstlerInnen und emeritierten Politik-Professoren abzustimmen: das muss erst noch geschafft werden): Verinnerlichter (Anti-)Terrorismus. Darin wunderschöne Narr-Sätze:

Die „Stasi“ und ihre graumäusigen Funktionäre würden gelbgrün vor Neid,
erführen sie wie technologisch sublim Daten heute überall abgezapft
werden, um terroristische Krümmungen präventiv entdeckend zu schaffen.
So lenken die staatlichen Instanzen von ihrer Verbrechensproduktion ab.
Man betrachte allein die unsägliche „Ausländerpolitik“! Oder
Heiligendamm, diese Riesendemonstration im Juni 2007 gegen den
unnötigen Verschwendungsgipfel G-8, der auf angeblich „gewaltbereite“
und „terrorismusgeneigte“ Teilnehmende abgesaugt wurde – mit
Eingriffsmitteln bis hin zu grundgesetzwidrigen Tornadoflügen.

Das leitet über zu einem Video des Freundeskreises Videoclips, das kürzlich zur Unterstützung der Bündnisarbeit produziert wurde und in dem einer der bewussten Tornado-Flüge beeindruckend gut zu sehen ist. Embedded abspielbar ist ‚Einstellung!‘ bei KanalB, dem Berliner Videoprojekt, mit und ohne englische Untertitel. Bei den Videoclips gibt es auch noch leinwandfähiges Format zum Download (die Anne im Video bin übrigend nicht ich). 

Es gibt kein Grundrecht auf innere Sicherheit

Sonst ist doch wirklich noch der blödeste Preis mindestens eine Meldung in ‚Vermischtes‘ wert, aber ich habe heute einen gefunden, den hatten außer der Frankfurter Rundschau und SWR Online nur ein paar regionale Käseblätter. Ein Geheimnis, sozusagen. Am 12.4. bekam Gerhard Baum (FDP, früher Innenminister) den Theodor-Heuss-Preis 2008 verliehen, außerdem gab es noch Medaillen gleichen Namens u.a. für den Grundrechte-Report und Foebud:

Wegen seines unermüdlichen Engagements zur Stärkung und Sicherung der
Bürger- und Freiheitsrechte wurde der frühere Bundesinnenminister
Gerhart Baum mit dem diesjährigen Theodor-Heuss-Preis ausgezeichnet.

Die dem Preis ebenbürtigen Theodor-Heuss-Medaillen 2008 gehen an die
Herausgeber des Grundrechte-Reports zur Lage der Bürger- und
Menschenrechte in Deutschland (www.grundrechte-report.de), an den seit
1999 in Russland arbeitenden Moskauer Focus-Korrespondenten Boris
Reitschuster (www.reitschuster.de), an FoeBuD e.V. als Ausrichter der
deutschen BigBrotherAwards (www.foebud.org; www.bigbrotherawards.de)
und an das jugendpädagogische Fanprojekt Dresden e.V.
(www.fanprojekt-dresden.de).
 

Baums Rede zur Preisverleihung stand heute gekürzt in der FR: Innere Sicherheit: Die bittere Wahrheit. Die ganze Rede ist dort auch als pdf verlinkt.

Ich würde Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble dann
zu folgen versuchen, wenn er in dem Spannungsverhältnis als
Sicherheits- und als Verfassungsminister Antworten auf Gefahren sucht.
Ich kann und will ihm nicht folgen, wenn er grundlegende Prinzipien
unserer bisherigen Rechts- und Verfassungsordnung infrage stellt. Das
sind die politischen und rechtlichen Unterscheidungen zwischen innerer
und äußerer Sicherheit, zwischen Verbrechen und Krieg, zwischen
Prävention und Repression, zwischen Polizei und Geheimdiensten,
zwischen Polizei und Militär.

Unsere Rechts- und Verfassungsordnung ist den Bedrohungen gewachsen.
Ganz entscheidend ist, dass ein neues Sicherheitsrecht kein dem
heutigen Strafrecht vergleichbares Schutzniveau garantieren würde.
Niemand hat bisher genau beschreiben können, wie ein dritter Weg
zwischen Straf- und Kriegsrecht aussehen könnte.

Der
Weg hin zu einer neuen Sicherheitsarchitektur wird vorbereitet durch
Angst einflößende Bedrohungsszenarien. Sie haben den Verfassungsrichter
Udo Di Fabio zu der Feststellung veranlasst, dass die "intellektuelle
Lust am antizipierten Ausnahmezustand kein guter Ratgeber" sei.

und, eigentlich der beste Satz darin:
 Es gibt kein Grundrecht auf innere Sicherheit.
Schön wäre, wenn dass auch die amtierenden InnenpolitikerInnen verstehen würden. Deren Verständnis von Sicherheit erinnert mich an den (ich glaube es war Kanther?), der sich nicht zu blöde war, öffentlich zu erklären, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung habe mit der Möglichkeit zu tun, sich zu informieren. 
 
Auch noch passend zum Thema hat es heute abend auf rbb die Sendung "Belauscht, bespitzelt, beobachtet –
Leben wir schon in einem Überwachungsstaat?
", online leider nur in einem für mich nicht sehbaren Format. Dafür in sehr illustrer Runde: Wolfgang Bosbach, Dieter Wiefelspütz, Konrad Freiberg, Constanze Kurz und Fransziska Drohsel. Hätte ich sehr gern gesehen, wenn jemand das in einem gängigen Format hätte (Nein, ich habe keinen Real Player) und mir irgendwie zukommen lassen könnte, wäre ich dankbar. Bosbach übrigens auf der rbb-Website mit dem großartigen Zitat:
„Niemand hat vor, einen Überwachungsstaat in Deutschland zu errichten.“
 

Vorladungen abgesagt & ein bisschen Werbung in eigener Sache

Am Wochenende flatterte uns wieder einer der beliebten kleinen Umschläge vom Bundesgerichtshof ins Haus, mit einer ausnahmsweise guten Nachricht: Die beiden weiteren noch angesetzten ZeugInnenvorladungen sind abgesagt. Eigenartiges Hin und Her, aber wir wollen uns nicht beschweren.

In der gleichen Post bekam ich die Mitteilung der Arbeitsagentur, dass gegen mich ein Ermittlungsverfahren wegen Begehens einer Ordnungswidrigkeit eröffnet sei. Ich wusste bisher gar nicht, dass das geht, aber der Schikanen gibt es ja viele.

Ich habe mich im letzten Herbst, wo ich ja sonst nichts zu tun hatte, auf Anraten meines Agentur-für-Arbeit-Sachbearbeiters per Existenzgründungszuschuss selbständig gemacht (eine sehr schöne Erfahrung war das; nur die ALGII-Formulare sind schlimmer, würde ich sagen). Und nun soll ich das der Agentur zu spät mitgeteilt und damit die Zahlung von zuviel ALG erschlichen haben. Wie das geht, wenn ich gleichzeitig beim gleichen Amt von ALG zu Existenzgründungszuschuss wechsele und alles beim gleichen Sachbearbeiter abwickele, mit Unterlagen, in denen als Voraussetzung für alles weitere ganz oben das Datum der Selbständigwerdung einzutragen ist – ein neues bürokratisches Wunder. Aber es soll ja gar nicht so selten vorkommen, dass am Rande an sich schon vollkommen korrekter politischer Ermittlungsverfahren die wundersamsten behördlichen Maßnahmen auftauchen. Das nehmen wir jetzt mal gelassen hin und sortieren es in die Kategorie ‚unsportlich‘.

Allerdings, würde jetzt mein Existenzgründungscoach (feine Sache, das) sagen, dass ich die Gelegenheit nicht versäumen sollte, darauf hinzuweisen, dass das Ziel dieser Gründung ist, Geld zu verdienen. Ich blende also mal einen kleinen Werbeblock ein:

Auch Terroristenfamilien wollen finanziert sein, gar nicht zu reden von Anwaltskosten und dergleichen. Bedauerlicherweise ist kritische Stadtsoziologie zwar zunehmend gefragt, aber nicht gut bezahlt. Das Dasein als ‚Freundin von Andrej Holm‘ ist neuerdings sehr zeitaufwändig, wird aber leider gar nicht bezahlt (bevor wer kreischt: damit meine ich die Beschäftigung mit dem Verfahren, vorher gab es diese Identität als solche gar nicht).


Deswegen:


Ich schreibe auch für Geld. Und bin für Vorschläge fast aller Art ausgesprochen offen,   thematisch gern zu den Themen Innere Sicherheit A-Z. Ich rede auch gern über diese Themen und suche aktuell außerdem nach SponsorInnen für ein im Entstehen befindliches Buch über unsere Erlebnisse des letzten Jahres. Tips zu potentiell interessierten Verlagen oder Stipendien oder anderen möglichen Geldquellen nehme ich gern. Details per Mail an [annalist at riseup.net] .

Deformation professionelle

..nennt Heribert Prantl das Phänomen, an dem die Innenminister leiden. Oder eher alle, die ihren Maßnahmen ausgesetzt sind. Er hat ein neues Buch geschrieben mit dem Titel: "Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit der Angst Politik macht." Im Interview heute in Das Parlament sagt er so schöne Sätze wie

Die Sicherheit ist in diesem Land nicht notleidend, sehr wohl aber sind es die Bürger- und Freiheitsrechte.

Zur deformation professionelle der Innenminister:

Das Recht ist für sie, bei Schäuble besonders, weniger Garant der
Freiheit als Diener der Ordnung. Im Wort Ordnung steckt das lateinische
"ordo", das im Mittelalter die Ausrichtung allen Irdischen auf einen
göttlichen Endzweck bedeutete. Was damals der göttliche Endzweck war,
ist heute für maßgebliche Politiker die innere Sicherheit. Ihr ordnet
sich alles unter, auch das Recht. Das ist ein falsches Verständnis von
Recht. Recht dient auch der Freiheit, Recht sichert Freiheit.

Und:

Wer glaubt, dass man den Terrorismus und Verbrechen besser bekämpft,
wenn man Rechtsgarantien beiseite räumt, unterliegt einem furchtbaren
Irrtum. Letztendlich muss der Staat seinen Bürgern auch sagen, dass er
bei aller Sorgfalt einen absoluten Schutz nicht gewährleisten kann. Man
muss akzeptieren, dass es Risiken gibt, die kein Rechtsstaat und
vielleicht nicht einmal ein totalitärer Staat ganz beseitigen kann.

Nicht dass das nicht schon gesagt worden wäre, aber um den göttlichen Endzweck Sicherheitsstaat in Frage zu stellen, kann es sicherlich (!) gar nicht oft genug gesagt werden. 

 

Kollektion

Es gibt so viele schöne Dinge, ich fange hiermit auch an, gelegentlich kommentierte Links der geneigten LeserInnenschaft anzubieten:

  • Gentrifizierung ist ja seit ungefähr Juli ’07 deutlich mehr im Gespräch als früher. In Hamburg fand letztens ein thematisches Wochenende zu dieser Frage statt, und es gab folgende Vorschläge dazu, wie sie sich verhindern ließe:

 
http://www.youtube.com/watch?v=onjunugRb44

  • Kein Datenschutz im Antiterrorkampf: Für "TerroristInnen" sollen noch mehr als bisher schon diverse rechtsstaatliche Grundsätze außer Kraft gesetzt werden, schreibt Kai Biermann in Zeit Online.
    "Innenminister Schäuble will vom Bundestag ein Abkommen mit den USA zum
    Austausch von Daten sogenannter Gefährder durchwinken lassen.
    Abgeordnete und Datenschützer haben jedoch heftige Bedenken
    ". Es geht
    aber nicht nur um Terror (angenommenen, nicht verurteilten), sondern um
    "Fingerabdrücke, Genprofile, Adressen" von vielen anderen. 400.000
    Gencodes, 3,2 Mio. Fingerabdrücke: alles ab über’n Teich. Und
    "personenbezogene Daten, aus denen die Rasse oder ethnische Herkunft,
    politische Anschauungen, religiöse oder sonstige Überzeugungen oder die
    Mitgliedschaft in Gewerkschaften hervorgeht (…)
    " sind auch kein
    Problem.
  • Die EU will schon das ‚Anstacheln zu terroristischen Straftaten‘ unter Strafe stellen: "Der Entwurf sieht vor, dass das Verbreiten einer
    Botschaft unter Strafe gestellt wird, wenn dies mit dem Vorsatz
    geschieht, zu einer terroristischen Tat anzustiften. Dabei soll es
    keine Rolle spielen, „ob dabei terroristische Straftaten unmittelbar
    befürwortet werden“ und ob es in der Folge tatsächlich zu einer
    terroristischen Straftat kommt.
    "
  • Wichtiger Schlag gegen Terror-Eltern und ihre schwerkriminellen Kinder gelungen! Ich bin sehr froh, dass wir uns trotz anstehender Einschulung unseres Sohns nicht umgemeldet haben. Ich werde oft gefragt, warum ich das nicht mache, wo doch die Schulsituation in Berlin-Mitte so unerfreulich ist und er also leider nicht in die ca. 500m entfernte Schule wird gehen können. Jetzt weiß ich, dass ich mich richtig entschieden habe (vor allem, weil ich annahm, dass wir mit der Vollüberwachung dann garantiert Ärger kriegen). In Großbritannien hat eine Familie allein wegen des Verdachts des UmmeldensBerti, der Biometriebär eine Terrorfahndung an den Hals gekriegt.
  • Nach Snuggly, dem Sicherheitsbär stelle ich vor: Bert, der Biometriebär, bereits am 1.4. in Futurezone:
    Süß, lehrreich und charmant: "Bert, der Biometrie-Bär" soll den Kindern
    der EU beibringen, wie man seine Tatzen so auf den
    Fingerabdruck-Scanner legt, dass der Große Bär nicht böse wird.
Veröffentlicht unter de

Rechnen (können und wollen)

Mich sprang heute am Kiosk die Schlagzeile eines Blattes an, von dem ich bisher gar nicht wusste,Welt Kompakt 11.4. Linke Gewalt dass es existiert: Welt-Kompakt. "Linke Gewalt nimmt dramatisch zu". Oh, dachte ich, das klingt nach einem 1a-Hetzartikel. Was ihn halbwegs unterhaltsam macht, ist die Grafik, die den meisten Platz einnimmt. Die illustriert nämlich sehr schön, dass die politisch motivierten Kriminalität von rechts grob dreimal so häufig vorkommt wie von links (Die hellblauen Balken sind die rechten, die roten die linken – besser zu sehen bei Welt Online). Nebenbei auch ist gut zu sehen, dass die sog. ‚Ausländerkriminalität‘ im Vergleich vollkommen marginal ist.

Jörg van Essen von der FDP findet auch: "Starker Zuwachs linksextremistischer Straftaten ist beunruhigend". Soweit noch im (liberalen) Rahmen, aber seltsam diese Passage: "Dabei steht außer Frage, dass der leichte Rückgang der Zahl
rechtsextremer Straftaten keine Entwarnung darstellt. Der deutliche
Zuwachs bei linksextremistischen Straftaten gibt allerdings Anlass zu
großer Sorge. Er zeigt, dass Aktionen von Terrorverdächtigen wie zum
Beispiel von Mitgliedern der „militanten Gruppe“ nicht länger
verharmlost werden dürfen.
" Der Zusammenhang fehlt leider, und dass das mg-Verfahren kein Terrorismus-Verfahren mehr ist, muss der zuständige Mitarbeiter verschlafen haben.

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Die Horror-Show geht weiter

Ermittlungsrichter Hebenstreit (der anscheinend alles unterschreibt, was BAW/BKA
sich wünschen – hat der eigentlich nie Tatort gesehen? Da sind die
Richter irgendwie knackiger) hat der Vorladung von drei Zeuginnen im
mg-Verfahren zugestimmt. Die erste Vorladung findet Mittwoch (9.4.) in
Karlsruhe statt.

Update: Gut gegangen. Die heute vorgeladene Frau hat die Aussage verweigert und sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach §55 StPO berufen. Hebenstreit hat es akzeptiert und die BAW nicht.

Und, könnte man fragen, was ist das Problem,
wenn niemand was zu verbergen hat? Die Antwort stand kürzlich im
Spiegel (s.u.), allerdings bezogen auf die Stasi, was ja bekanntermaßen
was gaaanz anderes ist.

Schon im Oktober waren ca. 20 ZeugInnen vorgeladen
worden. Im November stufte der BGH das Verfahren vom
Terrorismus-Verfahren runter zu einem nach §129 (kriminelle
Vereinigung), und diverse andere §129a-Verfahren mussten von der BAW
abgegeben werden, weil es mit dem staatsgefährdenden linken Terrorismus
doch nicht so weit her ist.

Wir werden ständig gefragt, wann das sog.
mg-Verfahren endlich eingestellt wird. Und was geschieht?
Vorladungen nach Karlsruhe. Das ist keine freiwillige Veranstaltung,
und wenn die Vorgeladenen sich weigern sollten, über die Beschuldigten
auszusagen, können sie direkt im Gefängnis landen, für bis zu sechs Monate.

Dazu habe ich Anfang März die bewusste Spiegel-Passage gefunden,
die schön erläutert, warum jede scheinbar noch so belanglose
Information im Zweifelsfall eben doch eher gegen die Angeklagten
verwandt wird – wobei sie genau genommen ja immer noch nicht angeklagt
sind. Dann wären wir ja schon mal einen Schritt weiter und wüssten, was
eigentlich das Problem ist. Stattdessen werden munter weiter Daten
gesammelt und wird für völlig verhältnismäßig gehalten, Menschen aus
ihrem Alltag nach Karlsruhe zu zitieren und mit Haft zu bedrohen.

Im
Spiegel ging es um einen Schlittschuh-Trainer, der schon in der DDR
Schlittschuh-Trainer war und nebenbei Stasi-IM. Und das Problem, dass
er als Trainer deswegen nicht tragbar sei. Weil er aber nunmal so ein
guter Trainer ist und nicht irgendwen, sondern die Europameister im
Paarlauf trainiert, gab es ein Problem. Er selber findet ja, dass er
"gar nichts gemacht" und überhaupt nichts "Wichtiges" erzählt hat.
Damit er endlich begreift, dass bei der Stasi jede Information
verwertet wurde und alles wichtig war, musste er mit Gauck persönlich
reden. Der hat ihm erklärt, wie das funktioniert und dass es keine
unwichtigen Informationen gibt, aus Perspektive der Geheimdienste. 

 

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Mein kleiner grüner Kaktus

Preisausschreiben-Ausstellung Tacheles FlyerNach dem gerade beendeten Preisausschreiben zur Frage "Was ist eigentlich Terrorismus" bin ich kurz davor ein neues auszuloben. Nicht ohne allerdings darauf hinzuweisen, dass es gerade im Berliner Tacheles eine Ausstellung mit einigen der Einsendungen dazu gibt: Kunsthaus Tacheles, Oranienburger Strasse (Berlin), Neue Galerie 4. Stock, täglich 15-20 Uhr (außer am 3.4., weil dann da irgendeine Veranstaltung stattfindet. Noch bis zum 13.4., danach eine Woche im Bethanien.

 

Der neue Wettbewerb müsste sich dann um Veranstaltungsankündigungen drehen. Es findet gerade eine lange Serie von Informationsveranstaltungen rund um das sog. ‚mg-Verfahren‘ statt. In aller Kürze: das Verfahren läuft weiter, nicht mehr als Terrorismus-Verfahren, sondern wegen ‚Bildung einer kriminellen Vereinigung‘. Überwachung vermutlich wie gehabt. Wir warten seit Monaten darauf, dass sich die Bundesanwaltschaft mal dazu durchringt, mit einer Klageschrift den nächsten Schritt zur Eröffnung des eigentlichen Prozesses zu gehen (angekündigt war das das erste Mal für Januar) oder aber endlich einzustellen, was doch sehr breit als unsäglicher Quatsch wahrgenommen wird. Nun ja. Stattdessen gab es nochmal die Entnahme von DNA-Proben und für April sind jetzt neue ZeugInnen nach Karlsruhe vorgeladen, denen ebenfalls bis zu sechs Monate Haft drohen, wenn sie sich weigern, etwas über die Beschuldigten auszusagen.

Über dies und mehr also viele Veranstaltungen, die komplette und immer wieder aktualisierte Liste auf der Website zum Verfahren. 

Nicht zu schlagen ist wahrscheinlich nach die Ankündigung aus Kiel? Dazu gibt es auch einen schicken Flyer (pdf), dem ich ein paar kleine grafische Ausschnitte entnommen habe, die ihr hier rechts und links sehen könnt. Obwohl uns auch die eigens erstelle Seite für die Veranstaltungen, die wir Anfang März in Bern gemacht haben, wirklich gut gefiel: http://stopp129a.immerda.ch/. Alles jeweils zur Nachahmung empfohlen, und obwohl gerade die Terminkalender relativ ausgebucht sind, freuen wir uns immer über nette Einladungen. Donnerstag bin ich bei der re:publica, und sehr neugierig darauf.

 

 

 

Männer mitgemeint

Ein kleiner Ausflug auf meine Lieblingsnebenbaustelle: das F-Wort (nein, nicht ‚fuck‘). Ganz besonders leider ist die deutsche Blog- und allgemein Netzwelt im Bereich Feminismus eine große weite traurige Einöde. Und weil das so ist finden journalistische Meisterleistungen wie diese ab und zu den Weg an’s Licht – der Titel "Prahlen und tratschen" kommt nicht etwa vom Interviewten, sondern war Bestandteil einer Interviewfrage. Was schön illustriert, dass es weniger darum ging, Neues zu erfahren, als eher, vorgefasste Meinungen zu bestätigen. 

Und wie kann es anders sein: die Mädels schwatzen über belangloses Zeug und die Jungs schreiben mehr so Inhaltliches. Thema: bloggen Frauen anders? Ist die Welt eine Scheibe?

Wenn man so will, passe ich schön in’s Raster: ich behaupte ja gern, dass ich hier Alltagsgeschichten aufschreibe. Alltag mit Überwachung eben. 

Will sagen: ob das nicht auch durchaus eine Frage der Wahrnehmung ist? Das Frauen dazu neigen, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen, ist ja nichts Neues. Dass also, wenn man Frauen fragt, worüber sie schreiben, eher die Antwort kommt "Och, nichts Großartiges, nur so für mich eigentlich, im Grunde schreibe ich auch nur Sachen auf, die ich woanders interessant fand", überrascht nicht. Genausowenig wie dass Männer tendenziell sagen "Ich hab da drei total wichtige Themen und bin mit meinem Blog zu XY ganz zentral platziert!". Könnte ich je nach Tagesverfassung über diesen Blog beides sagen und es wäre nicht völlig falsch.

Wenn nun also ein ‚wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation‘ was über bloggende Frauen (und Männer) herausgefunden hat, dann endet das als der größte Blödsinn in den wie immer so seriösen Medien. Denn: wer entscheidet eigentlich, was wichtig ist? Die deutschen Blogcharts? Ich war schon vor Jahren erstaunt, mit wieviel Engagement eine ‚Hausfrau‘ ein Web-Forum mit allem multimedialen Schnickschnack betrieb, in dem es um nichts anderes ging als Mütter-und-Kind-Kuren, Erziehung und die Möglichkeit, rund um die Uhr in Kontakt zu bleiben. Mit einer enormen Zahl von Beteiligten. Geschmackssache, sicher, aber wie wichtig ist das so-und-so-vielte Wiederkäuen von IT-News auf der anderen Seite?

Und haben wir da nicht wieder diese uralte Geschichte von der Trennung des Öffentlichen und des Privaten? Wer hat noch nie am Kneipentisch darüber philosophiert, dass Frauen letzten Endes ja irgendwie auch viel Macht haben, weil sie im Haushalt das Sagen haben? Und das ist soo langweilig, auch wenn es neu verpackt als Blogger-Story daherkommt.

Gefunden habe ich die Geschichte bei Melanie Huber’s Kilroy Blog, die versucht, dem ganzen einen anderen Dreh zu geben – dass es nämlich eigentlich andere und relevantere Unterschiede gibt als den entlang der Gendergrenze. Jedenfalls wenn es darum geht, wer was warum schreibt.

Wer mehr und anderes über bloggende Frauen lesen will:

Es gibt sicher mehr, dies war keine besonders langwierige Recherche – ich freue mich über Lesetips diesbezüglich. Und gucke ansonsten neidisch nach Österreich, wo es tatsächlich eine wahrnehmbare Zahl feministischer Medien gibt. diestandard.at ist nur der Anfang.

Wie kam ich darauf? Eigentlich über den Umweg meines Schwatz-Themas Überwachung. netzpolitik.org schreibt heute über das neue Heft von “Forum Wissenschaft” mit dem Schwerpunkt “Kontrolle: Außer Kontrolle? ‘Innere Sicherheit’: Regulierung gesellschaftlicher Brüche”. Ein Text ist online, und darin leistet sich ein des Feminismus zunächst völlig unverdächtiger regulärer Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bielefeld mit den Arbeitsschwerpunkten Staat und Demokratie sowie Umweltrecht folgende Fussnote:

2) Die Männer werden im Folgenden bei der weiblichen Form miterfasst.

Wann gab es das zuletzt? Wer traut sich denn überhaupt noch, in ordentlichen Texten, die für Geld geschrieben werden, auch nur ein großes ‚I‘ zu verwenden? Und dann meint Andreas Fisahn in "Sicherheit und Eigennutz – Entwicklungen von Repression und Überwachung" Männer ganz nebenbei einfach mit. Bravo!

Veröffentlicht unter de, O+

Zypries gegen Kampf gegen Terror?

Schon etwas älter, aber wir sind ja auch gerade erst wieder gekommen:

Brigitte Zypries fand letztens, dass "dass neben der Bekämpfung des Terrorismus andere wichtige Bereiche nicht vernachlässigt werden" dürfen, z.B. Rechtsextremismus – so weit so schön. Leider wenig überraschend ist ihr Fazit,
dass mehr in Polizei und Justiz investiert werden solle. Und ob der
ihrer Meinung nach zu verstärkende Kampf gegen Organisierte
Kriminalität und Mafia in der Praxis für uns alle besser ausfällt als
der Krieg gegen Terror, darf bezweifelt werden.

So oder so wunderbar der Einstieg von tagesschau.de: "Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat davor gewarnt, dass der
Sparkurs der Länder und der Kampf gegen den Terrorismus die Polizei
schwächen.
" Wie der Kampf gegen den Terrorismus die Polizei schwächt, das hätte ich gern nochmal erklärt..

Wo ich schon bei den Leitmedien bin, noch ein Nachtrag zum geschlampten SPON-Bericht: auch bei spiegelkritik.de steht inzwischen, dass es mindestens nicht geschadet hätte, wenn der Autor uns mal kontaktiert hätte.

Dann hätte er nämlich auch erfahren, dass Andrej nicht nur vom Verfassungsschutz überwacht wird, und das auch nicht erst seit seiner Festnahme letzten Juli. Aber nichts für ungut, dass er sich allerhand Mühe gemacht hat, ist dem Artikel schon anzusehen.