Wohnraumüberwachung für alle

Was für eine Aufregung. Kameraüberwachung auch für ‚unbescholtene Bürger‘. Eklig, in der Tat – ich frage mich schon eine Weile, ob wir sowas in der Wohnung haben und ob ich (samt Kindern) eigentlich als unbescholten gelte und derlei Fragen mehr, die seit gestern, als Details des geplanten BKA-Gesetzes bekannter wurden, viel Aufsehen erregen. MIch interessiert mindestens genauso, wie lange Kameras wie auch Wanzen eingesetzt werden können, wenn es wie bei uns anscheinend einen totalen Stillstand in der Ermittlung gibt und die Staatsanwaltschaft gern einfach noch ein bisschen Daten sammeln möchte, bis sie vielleicht irgendwann mal genug über uns weiß? Oder haben die da auch Personalengpässe, wie beim BKA, weswegen sie einfach gerade nicht schaffen, das ganze endlich einzustellen?

Interessanter wäre die Frage, wenn es nicht so eindeutig um ‚unbescholtene Bürger‘, sondern vielleicht sowas wie Eigentumsdelikte ginge – ist die Kamera im Zimmer von 16-jährigen chronischen Kaugummiklauern ok?  

tagesschau.de hat eine Umfrage zu ‚Kameras in Wohnungen‘, und die Ergebnisse sind bei der Fragestellung wenig überraschend, andererseits auch ganz schön, dass jetzt ein bisschen Empörung aufkommt. Da ist offenbar die Grenze erreicht, wo viele doch was zu verbergen haben.

Die Ergebnisse der Umfrage:

Ein Gesetzentwurf sieht vor, dass das
Bundeskriminalamt in bestimmten Fällen auch Wohnungen von
unbescholtenen Bürgern mit Wanzen und Videokameras überwachen darf. Was
denken Sie: Ist dies ein notwendiger Preis für die Innere Sicherheit
oder ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre?

  • Die Maßnahme ist angebracht: 33 Stimmen, dies entspricht circa 3.8%
  • Die Maßnahme geht zu weit: 843 Stimmen, dies entspricht circa 96.0%
  • Dazu habe ich keine Meinung / Ist mir egal: 2 Stimmen, dies entspricht circa 0.2% Stimmen gesamt: 878
(Stand 18.4. ca. 13:30)
 
Mal angenommen, die Kameras würden jetzt noch nicht eingesetzt – und alle, die sich mehr damit beschäftigen, zucken bei der Frage eh mit den Schultern und sagen ‚ganz egal, der Verfassungsschutz macht das ja sowieso‘ – dann kann ich als praxisnahes Beispiel dazu, wohin das führt, gern immer wieder den schwarzen Beutel zitieren.
Die Annahme, dass Andrejs Eltern in so einem Beutel gefährliches Beweismaterial während seiner Inhaftierung in ihrer Wohnung aufbewahrten, mit ihm nach seiner Entlassung darüber am Telefon schwatzen und den dann Sonntag nachmittag mit der U-Bahn zu uns tragen, führte nicht nur zu einer weiteren Hausdurchsuchung, sondern auch zu einem Austauch von amtlichen Dokumenten ihrer sich darüber beschwerenden Anwältin, der BAW und dem BGH. Jeder Mensch mit einem Funken gesunden Menschenverstandes fängt bei dieser Geschichte an zu lachen und fragt, ob sie sich schon entschuldigt haben. BAW und Herr Hebenstreit allerdings sind bis heute der Meinung, dass das alles vollkommen rechtmäßig war (siehe Der schwarze Beutel – The Sequel).
 
Ein eigenes Thema ist noch die Ziehung der Grenze zwischen ‚bescholten‘ und ‚unbescholten‘..

9 Gedanken zu „Wohnraumüberwachung für alle

  1. Was mich an den Diskussionen um das neue BKA-Gesetz schockiert ist, dass die entsprechenden Politiker und Akteure damit umgehen, als hätte es nicht jüngst zwei ziemlich wegweisenden BVG-Urteile gegeben und als würden sie mit einem „Pff“ die Verweise des BVG auf rechtsstaatliche Prinzipien vom Tisch wissen, ganz so als ginge sie das ja gar nicht an… und die Stasi 2.0-Vergleiche werden vorallem immer treffender je länger man diesen Leute zusieht. Das macht mir augenblicklich echt Angst. so long

  2. Das ist ein Ablenkungsmanöver. Sie schreiben was rein, wo die Empörung groß ist, dann können sie es dann rausnehmen und stehen als die großen Datenschützer da und nebenher gehen die ganzen anderen Schweinereien in dem Gesetz durch. Wie z.B., dass es auf einmal überhaupt Videoüberwachung geben soll oder dass das BKA zur Geheimpolizei mutiert oder oder …

  3. Es scheint so zu sein, dass ein Verdächtiger automatisch nicht mehr „unbescholten“ ist. Ansonsten macht ja der in vielen Medien zu lesende Satz, dass auch „Unbescholtene“ überwacht werden, wenn der Verdächtige sich in ihrer Wohnung aufhält, keinen Sinn.

    Interessant. Sehr interessant…

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  9. Die Umkehrung der Beweislast begann doch genau genommen schon vor Jahren, als die Musikindustrie anfing IP Adressen vermeintlicher Rechteverletzer in simple Textdateien zu werfen und diese der Staatsanwaltschaft übergab. IP Adressen in eine *.txt speichern kann jeder, dazu gehört gar nichts. Trotzdem war es aber auch da dann schon so, dass man durch das simple Vorhandensein in der Liste „schuldig“ wurde. Jeder, dem eine solche IP zugeschrieben wurde, musste beweisen das er es nicht war. Keine Spur von in dubio pro reo.

    Ich denke es ist nur inzwischen schon so weit, dass immer mehr Bevölkerungsschichten von diesen Dingen betroffen sind. Oder soweit, dass auch die Ersten merken, dass es eben doch jeden treffen kann und gar nicht soviel dazu gehört. Anfangs waren es ja nur die scheinbaren Randgruppen um die sich dank fehlender Solidarität sowieso keiner schert.

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