Kollektion #5a

(eigentlich #5, die gibt’s aber schon, weil ich #4 übersprungen habe)

 
 

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Telefonfehlschaltungen, Robbenbabies und ein Scheinwiderspruch

So ein schönes Exemplar von Telefonfehlschaltung:

Ich rief heute abend den Kinderarzt an, um mir vom Anrufbeantworter die Öffnungszeiten ansagen zu lassen, mehrere Freizeichen, „Sie rufen außerhalb der Öffnungszeiten der Praxis von Dr. xx an, die Öffnungszeiten sind Montags von…“. Direkt im Anschluss rufe ich Andrejs (nicht mehr ganz) neue Büronummer an.

Mehrere Freizeichen, „Sie rufen außerhalb der Öffnungszeichen der Praxis…“. Ich denke, dass ich mich vertippt habe, gucke auf’s Telefondisplay und da steht: „Andrej Büro“. Zu hören ist weiterhin die Kinderarztpraxis.


Bei der Podiumsdiskussion Samstagabend bei den Datenspuren in Dresden zum Thema Lobbyismus, Aktivismus sagte Sven Lüders von der Humanistischen Union, dass Gruppen und Organisationen, die im Bereich Grundrechte/Datenschutz aktiv sind, Robbenbabies brauchen. Greenpeace engagiere sich für Umweltschutz und bleibe im Gedächtnis wegen spektakulärer und einprägsamer Bilder, etwa denen der erschlagenen Robbenbabies. Im Bereich Sicherheit gibt es keine Bilder, die das einstürzende World Trade Center ersetzen können – 40.000 abgehörte Telefonanschlüsse sind beeindruckend, aber nach ein paar Wochen wieder vergessen.

Ich denke über den Zusatz „Robbenbaby des CCC“ nach.

Bei derselben Diskussion gab es eine bizarre Kontroverse zwischen Andreas Pfitzmann und Sven Lüders. Sven Lüders fragt, welche Möglichkeiten es gibt, Menschen beim Umgang mit Computern den Schutz der Privatspäre zu erleichtern, oder sie davon zu überzeugen, dass der sinnvoll ist. Andreas Pfitzmann hält das für die falsche Herangehensweise und denkt, dass das Aufgabe der IT-produzierenden Unternehmen sein müsste, ähnlich wie auch Automobilkonzerne und der TÜV für sichere Autos sorgen und nicht die AutofahrerInnen selber.

Ich verstehe den Widerspruch nicht: warum nicht beides? Ich finde gut, dass ich nicht selber darüber nachdenken muss, welche Gurte mich am besten vor Schädelhirntrauma schützen, aber halte gleichzeitig auch viel von Verkehrserziehung. Glücklicherweise gibt es ja nicht eine zentral gelenkte Organisation, die sich für Zukunft des Datenschutzes interessiert, sondern viele Gruppen, die unterschiedliche Interessen haben. Ideal fände ich, wenn sich die einen dafür einsetzten, dass mehr Computer produziert werden, die als Standard verschlüsselte Festplatten mitliefern und andere an wirklich einfach verständlichen und zugänglichen Anleitungen arbeiteten.

 

Erneute Niederlage für Harms

..findet ddp, und dann kann man das ja auch ruhig so stehenlassen.

Hätte das BKA auf der Suche nach Bekennerschreiben der ‚militanten gruppe‘ die Post an B.Z., Berliner
Morgenpost, Berliner Zeitung und Tagesspiegel durchsuchen dürfen? Hätte es nicht, weil die Deutschland gültige Pressefreiheit eigentlich dazu da ist, zu verhindern, dass etwa Quellen von JournalistInnen der Polizei bekannt werden.

Wieder mal geschlampt, Frau Harms. Dass sie das nötig hat..

Datenspuren

In Dresden findet am Wochenende das vom Chaos Computer Club Dresden
(C3D2) veranstaltete
Symposium
Datenspuren
statt. Ich freue mich, mit unserem sehr speziellen Fall in der Ankündigung eine so prominente Rolle zu haben und bin gespannt auf das sonstige Programm, bei dem es – das sagt schon der Titel – viel um Datenschutz und Innenpolitik geht.

Anne Roth (hält) einen Vortrag zu der
Frage "Was
ist Terrorismus?"
, in dem sie aus dem totalüberwachten
Alltag ihrer Familie berichten wird. "Ich erwarte mir von dem
Vortrag, dass das Auditorium einen sehr lebendigen Eindruck von
den teilweise absurden Ermittlungs- und Überwachungsmethoden in
diesen konkreten Fall erhält. Das ganz persönliche Schicksal ist
hier in meinen Augen ein ganz wichtiger Impuls für die öffentliche
Debatte, die so oft von technischen Vokabeln wie
Vorratsdatenspeicherung oder Spähprogramm geprägt ist.", so Mirko
Swillus vom CCC Dresden über den Vortrag der Partnerin von Andrej
Holm.

 

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Kollektion #5

Ick seh allet - CCTV Die Telekom macht’s möglich – das Thema Überwachung ist so allgegenwärtig, dass gar nicht möglich ist, alles zu verfolgen, was gerade dazu gesagt und geschrieben wird. Das Foto stammt von der Schönhauser Allee in Berlin.

  • Bespitzelung offenbar auch bei der Bahn und Network Deutschland spähte angeblich auch für die Bahn
    Na sowas. Wir wissen, seit wir im August einige Akten zum Verfahren bekamen, dass unsere Bahncard-Daten an’s BKA weitergegeben wurden, damit nachvollziehbar war, wann wir mit der Bahn wohin gefahren sind.
  • Alltag Überwachung – Dossier von tagesschau.de, schon von 2007 und jetzt wieder auf die Startseite gehievt. Passt prima zu meinem Tag (~Rubrik) "Überwachung im Alltag".
  • Ortungssystem ermöglicht Spionage per Handy
    Der Sohn lässt sich per Handy von Papa orten und sagt tatsächlich den schönen Satz "Ich habe nichts zu verbergen!"
  • "Es ist die Angst vor dem Neuen" oder "Sammelsurium der Grausamkeiten" – Ziercke zum BKA-Gesetz
  • Neue Umfrage zum Sicherheitsgefühl der Deutschen: "In Übereinstimmung mit einer neuerlichen EU-Studie
    zeigten sich 78% der Befragten sehr besorgt um die Gefahr eines
    illegalen Zugriffs auf oder eines Missbrauchs ihrer persönlichen
    Daten." Die Angst vor Anschlägen ist nicht annähernd so groß – da muss
    die innenpolitische Propagandamaschine wohl weiter ran. Immer schön
    beim Einschlafen murmeln: Wovor haben wir Angst? Terrorismus!
  • NATO startet "Cyber Defense"-Zentrum.
    Estland errichtet NATO- Kompetenzzentrum zur Abwehr von
    Internet-Angriffen direkt neben Militärfriedhof ein. Dort soll bewiesen
    werden, dass DDoS-Attacken keine spontane Protestform, sondern "Cyber-Terrorismus" sind.
    "Das Zentrum versteht sich ausdrücklich nicht als militärische
    Einheit zur Überwachung des Internets rund um die Uhr – eine solche
    unterhält die NATO im belgischen Mons – sondern als "weiches
    Instrument" zur Entwicklung von Konzepten, Strategien und
    Technologien."
  • Schäuble will Bundeswehr gegen innere Bedrohung einsetzen. "„Zwischen Freiheit und Sicherheit gibt es keinen Widerspruch“, erklärte
    Schäuble. „Wir müssen beides miteinander verbinden. Demokratisch
    verfasste Rechtsstaaten sind entstanden, um die Rechte der Menschen zu
    schützen. Wir bedrohen nicht die Freiheit und Grundrechte, sondern
    schützen sie.“" Na dann.
  • Dunkin‘ Donuts zieht Werbung zurück, weil ein schwarz-weißer Schal darin als Terror-Werbung interpretiert wird: "Die Kritiker hatten in dem Schal eine Art Palästinensertuch gesehen,
    das nach ihrer Ansicht für muslimischen Extremismus und Terrorismus
    steht."
  • Main Core, oder Online-Durchsuchung á la USA: "The all-too-believable central suggestion in the piece is that the US
    Government is running — without permission from its Congress — a
    program that allows it to conduct ‘computer searches through massive
    [unspecified] electronic databases’ in order to discover people who
    might be considered ‘potential threats’ in the event of a ‘national
    emergency’. (…) One knowledgeable source claims that 8 million Americans
    are now listed in Main Core as potentially suspect. In the event of a
    national emergency, these people could be subject to everything from
    heightened surveillance and tracking to direct questioning and possibly
    even detention." Da geht’s uns doch noch verhältnismäßig gut.
  • Wer fliegen will, möge davon absehen, Anhänger oder T-Shirt-Aufdrucke zu tragen, die Waffen darstellen: No t-shirt, no flight und
    Torontonian Tries to Board Plane at Kelowna Airport while Toting a Gun
    (via)

Peilsender gibt’s nur gegen Quittung zurück

Der bösgläubig gefundene Peilsender ist letzte Woche vor Gericht auf eine verständige Richterin getroffen. Die fand, dass Peilsender nur zurückgefordert werden können, wenn auch belegbar ist, von wem sie sind – und es will immer noch niemand so richtig gewesen sein:

Zivilrichterin Katja Krebs hatte zu dem Zeitpunkt bereits klar gemacht,
was sie von der Klage hält: gar nichts. Es sei überhaupt nicht
ersichtlich, dass das Land Schleswig-Holstein beziehungsweise das
Landeskriminalamt (LKA) wirklich der Besitzer des Ortungsgerätes sei.
Alleine das Überwachungsprotokoll reiche dafür nicht aus, ebenso sei
der Einbau des Senders am Wagen von Daniel S. nicht nachvollziehbar.
„Der Klage fehlen damit elementare Voraussetzungen“, sagte Richterin
Krebs.

(Lübecker Nachrichten)

Weitere ähnlich süffisante Berichte:

Nicht online ist der Kommentar aus der taz vom 30.5.:

(…) Warum schreibt das LKA das Gerät nicht einfach unter Spesen eines missratenen Einsatzes ab? Und warum ist das LKA nicht in der Lage, Belege für den Besitz vorzulegen? Vielleicht ist der Verdacht von Anwalt Axel Hoffmann nicht verkehrt, dass der Peilsender gar nicht dem LKA gehört, sondern dass das von anderen nur vorgeschoben wird, die im Verborgenen bleiben möchten, um es wieder zu beschaffen. Respekt vor den klaren Worten von Richterin Katja Krebs. Ohne Quittung läuft
nichts. (…)

 

„Don’t Criminalise Academics“

Es gibt eine Website für den kürzlich in Nottingham, UK, festgenommenen Universitätsangestellten Hicham Yezza, der am Samstag nach Algerien abgeschoben werden soll. Dort gibt es auch Briefe, die an das UK Home Office (Innenministerium) geschickt werden können: 

http://freehichamyezza.wordpress.com/what-can-we-do/

 

Hicham Yezza lebt seit 13 Jahren in Großbritannien und hat den ‚Fehler‘ gemacht, einem Bekannten beim Drucken von legal erhältlichem Material für Forschung über Al-Quaeda zu helfen. Gestern gab es eine Demo zum Thema, mit sehr schicken Fotos hier

 

 

 

Eingestellt

Doch, es kommt vor, dass §129a-Verfahren eingestellt werden. Wir geben also die Hoffnung nicht auf, dass BAW/BKA uns irgendwann sowas Hübsches schicken wie dieses Papier, dass Rop Gongrijp gerade wiedergefunden hat.

Rop betrieb (mit anderen) den Server xs4all.nl, auf dem die in Deutschland verbotene Zeitschrift Radikal dokumentiert war, und deswegen betrieb die Bundesanwaltschaft ein Verfahren wegen Werbens für terroristische Vereinigungen. Wie gesagt, er betrieb den Server, auf dem die Seiten der Zeitschrit gehostet wurden, die widerum angeblich .. usw.

Details dazu gibt es auf Seiten, bei denen ich nicht unbedingt die Hand dafür in’s Feuer legen würde, dass nicht genau von unfreundlich gesonnenen Behörden darauf geachtet wird, wer sie aufruft..  [Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Anwalt oder ihre Internet-Sicherheitsberaterin]: http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/.

Und schließlich bekam die damalige Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt ja auch ein eigenes Verfahren, nur weil sie auf diese Seiten verlinkt hatte, wer erinnert sich noch? Ich hoffe ganz dringend, dass sich dieser Tatbestand endgültig erledigt hat.

Hübsch auch dieses Papier "Im Namen der Königin", das erscheint, wenn die Seite mit den Mirror-Seiten der Radikal-Website aufruft (Mirror-Seiten sind sog. Spiegel-Seiten, also Seiten mit demselben Inhalt, aber auf anderes Servern).

(Vielen Dank an den Finder)

 

 

Verschlüsseln doch kriminell

Bei uns passiert nicht viel – dafür wird in Großbritannien und Österreich wissenschaftlich Arbeiten oder verschlüsselt E-Mailen jetzt auch zum Problem (s. unten). 

Die Pressekonferenz letztens, zu der es jetzt auch Videoaufnahmen gibt, hat trotz überzeugender Begründungen die BAW nicht dazu bewegen können einzusehen, dass die diversen Verfahren wegen Bildung angeblicher inzwischen nur noch krimineller Vereinigungen eingestellt gehören, denn sie (die Ermittlungen) sind im Grunde der Demokratie wesentlich
gefährlicher als die Beschuldigten. Ganz offensichtlich und wenig
überraschend haben die ermittelnden Behörden aber ein ganz anderes
Verständnis von Demokratie. Einige der Texte dazu gibt es jetzt auch englisch und italienisch.

Wir sind in dieser Sache viel unterwegs, ich zuletzt in Heidelberg bei der Aktionsakademie von Attac. Gekocht hat da die Vokü Le Sabot, sehr lecker und mit wunderbarem Transparent: 

 

In abgewandelter Form passt dieser Satz auch auf verschiedene andere Leute. Terrorismus-Abwehr wird immer beliebter.

Am 14. Mai traf es zwei Studenten in Nottingham. Ein von einer US-Regierungsseite runtergeladenes Al-Quaeda-Handbuch: sechs Tage U-Haft, Hausdurchsuchungen, Handys beschlagnahmt. Einer von beiden ist jetzt mit Abschiebung bedroht. (via)

In Österreich wurden am 21. Mai 23 Wohnungen durchsucht und 10 Menschen festgenommen. Aus der Presseerklärung dazu:

Gegen zwölf Personen, bei denen Hausdurchsuchungen stattgefunden haben,
liegen Haftbefehle vor. Begründet werden diese mit Verdunkelungsgefahr,
da die Betroffenen zb mit verschlüsselten Mails kommuniziert haben
sowie Tatbegehungsgefahr, weil die Betroffene teilweise seit langem in
der Tierrechtsszene aktiv sind.

Es sind tatsächlich alle 10 weiterhin in U-Haft. Konkrete Vorwürfe gibt es anscheinend keine, dafür demnächst mehr Informationen hier: http://antirep2008.lnxnt.org/

Dafür hörte ich die These, dass Österreich wohl für die kommende Europameisterschaft im Fußball übt – es sollen u.a. zwei Hubschrauber zum Einsatz gekommen sein, die zum Festnehmen sonst nicht zwingend nötig sind.

Angesichts der Lage

Ausnahmsweise mal reine Werbung, für eine Veranstaltung, die sich in der Tradition der beiden Veranstaltungen in der Berliner Volksbühne sieht, die zum Thema Terrorismus im letzten Jahr stattfanden:

Angesichts der Lage
Veranstaltung zum Thema Sicherheitsstaat und Antiterrorismus

Die Veranstaltung soll anknüpfen an die Debatte über den §129a und das
Verhältnis Linke und Staatsgewalt, die nach den Ermittlungsverfahren
und Verhaftungen im Umfeld des G8-Gipfels auf zwei Veranstaltungen in
der Berliner Volksbühne begonnen hat. Sie richtet sich zugleich an die
verschiedenen Gruppen und Initiativen, die im vergangenen Jahr gegen
den ‚Überwachungs- und Sicherheitswahn‘ mobilisiert haben. Unser
Anliegen ist es, den Rückgriff auf den §129 sowie den
Sicherheitsdiskurs der Politik überhaupt in den Zusammenhang der
aktuellen gesellschaftlichen und politischen Transformation zu stellen:
der neue kapitalistische Zugriff auf die Subjektivität muss auch durch
Zwangsmittel gesichert werden.
Schlüsselbegriff des Sicherheitsdiskurses ist der Antiterrorismus. In
seinem Namen wird nicht nur eine transnationale Infrastruktur von
Überwachung und Kontrolle geschaffen; deren Ideal ist die
Sicherheitsgesellschaft, welche obsolete Konzepte wohlfahrtsstaatlicher
sozialer Integration in den Metropolen ablöst. Zugleich begründet ‚the
global war on terror‘ eine Strategie imperialistischer Kriegsführung
vor allem in Mittelost und dient als Medium bei der Errichtung einer
neuen Nord-Süd-Balance. Ohne den Blick auf die große soziale Bewegung
der Flüchtlinge und MigrantInnen ist der Antiterrorismus nicht zu
diskutieren.

Zu den Themen sprechen und debattieren

  • Peer Stolle (Mitautor des Buchs: "Die Sicherheitsgesellschaft")
  • Eberhard Jungfer (Materialien für einen neuen Antiimperialismus)
  • Detlef Hartmann (Mitautor des Buchs: "Cluster, Die neue Etappe des Kapitalismus")

am 17. Mai 2008 um 19:30 Uhr
im Haus der Demokratie, Greifswalder Straße 4 , Berlin

(wobei ich mir die Bemerkung erlaube, dass der latent altbackene Antiimperialismus da ja etwas staubig daher kommt. Und was ist "Mittelost"?). Frage bleibt, ob Antiterrorismus seit der gestrigen Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts das Hauptproblem ist. Schäuble hat dazu gelernt und schwenkt anscheinend um auf die Gefahr Islamismus, was auch nicht wirklich neu ist.