Wie schon in den Beobachtungen I angedeutet, konnte ich mit dieser re:publica deutlich mehr anfangen. Das ist leider in dem ganzen Theater darüber, ob Trolle normal seien, untergegangen.
Meine vorläufig letzte Bemerkung dazu: wenn ich Texte schreibe, die auch nur in Ansätzen als feministisch gedeutet werden könnten, sinkt das Intelligenz-Niveau der Kommentare sichtlich. Wenn ich Texte schreibe, die dazu provozieren, mir technische Dinge zu erklären (unahängig davon, ob ich darum gebeten habe), sinkt es teilweise. Bei allen anderen Texten finde ich den Kommentarstil hier in diesem Blog sehr angenehm. Deswegen halte ich die aktuell zahlreichen Erklärungen, dass es wahlweise eingebildet oder selbstverschuldet sei, wenn frauenfeindliche Kommentare erscheinen, für den misslungenen Versuch, ein Phänomen wegzureden. Wo ich zustimmen würde: es trifft nicht generell Frauen, sondern trifft u.a. Feministinnen/feministische Texte. Und andere, die zu ernsthaft auf bestehende Machtungleichheiten hinweisen.
So, und damit würde ich jetzt gern das Thema wechseln, weil mir das nämlich auch keinen Spaß macht.
Sehr nett war die Einladung von Jens Scholz, bei Was am Internet in Deutschland wirklich hassenswert ist mitzumachen, zusammen mit Caro Buchheim und Bov Bjerg – wir kannten uns vorher gar nicht. Anfangs war ich etwas skeptisch, ob mein komisches Talent dafür ausreicht und von alleine wäre ich auch wirklich NIE auf die Idee gekommen, aber es hat auf jeden Fall Spaß gemacht. Inkl. etwa solchen Feedbacks wie "Dass die auch lustig sein kann, hätte ich nie gedach!". Andere fanden mich höflich ‚etwas gedämpft‘, was ich aber hiermit nochmal damit erklären möchte, dass ich in der Nacht davor bis 2 Uhr morgens den folgenden Tag vorbereitet habe, um 3 von meiner ins-Bett-gemacht-habenden Tochter geweckt wurde und um 7 wieder aufgestanden bin, um meinen Sohn in die Schule zu bringen. Sonst bin ich selbstverständlich so munter wie ein Fisch im Wasser. Donnerstag hingegen wäre ich eingeschlafen, wenn ich die Augen geschlossen hätte.
Gestreamt wurde nicht, weswegen es ein einmaliges Erlebnis bleibt, das gefühlt 200 Leute auf gefühlt 20 qm erleben durften. Mein größter Lacherfolg war ‚das Blog vs. der Blog‘, und ich muss sagen, dass ich in den Tagen danach verschiedentlich erlebt habe, dass Leute ganz unauffällig wieder von ‚dem Blog‘ schreiben. Bovs Intro gibt es aber als Video zu sehen, weil es bei der Veranstaltung mit fast identischem Titel von Felix Schwenzel nochmal gehalten wurde, und die wurde gestreamt (und brachte es prompt sogar zu einer Abhandlung in der Morgenpost). Ich habe leider den Anfang verpasst, aber das soll auch lustig gewesen sein. Als ich kam, geschah allerdings etwas Unerwartetes: Es wurde ernst. Felix Schwenzel tat, was ich mich nie trauen würde und konstatierte a) dass wir (BloggerInnen) alle irgendwie links sind (da habe ich auch mehr Zweifel) und b) dass das Internet schlecht ist, weil die Welt schlecht ist und wir also uns daran machen müssen, das zu ändern. So ungeheuer Oldschool, dass ich meinen Ohren kaum traute. Und dann: Höflicher Applaus. Sowas würde ich schon deswegen nicht machen, weil ich fliegende Eier befürchten würde. Soweit zu Wahrnehmung und Realität der Blogosphäre.
Ebenfalls ganz schön Oldschool daher kam Geert Lovink, Netz- und Medientheoretiker, der so unaussprechliche Dinge in den Mund nahm wie die Aussage, dass wir alle von etwas leben müssen und der Hype darum, dass alles frei (und umsonst) sein solle und allen alles gehöre, falsch sei. Hat mir sehr gut gefallen. Unabhängig von solchen ‚Kleinigkeiten‘ kann ich ihn nur empfehlen als jemand, der dem Hype nicht hinterherhechelt, sondern mit klaren politischen Ideen das Netz ziemlich rational betrachtet.
Bis das Video zu "Radical Critique of Free Culture" online ist, hier erstmal das Interview bei dctp.tv
Auch gut gefallen hat mir die Hälfte des Talks A Twitter Revolution without Revolutionaries von Evgenij Morozow, die ich per Stream gesehen habe. Tendenz: Die Revolution findet auf der Straße statt, nicht im Netz. Natürlich wesentlich elaborierter, aber das werde ich mir bei Gelegenheit noch ganz anhören. Auch hier vorläufig erstmal das dctp.tv-Interview
Und: Miriam Meckel zu Privacy und zu Frauen im Netz.
Insgesamt ist mein Eindruck, dass es allerhand interessante Veranstaltungen gab, von denen ich die meisten nicht gesehen habe, weil ich lieber die Gelegenheit zum ganz normalen Sprechen mit Menschen genutzt habe. Das ewige Konferenz-Dilemma: Reden oder Zuhören und Nachdenken?
Aktuell scheint sich der Eindruck durchzusetzen, dass die Konferenz-Dokumentation von dctp.tv übernommen wurde, aber ich habe selber! gehört, dass Johnny Häusler gesagt hat, dass die Aufnahmen der Veranstaltungen demnächst online sind, also warten wir das gelassen ab.
Das dctp.tv-Team war ziemlich fleißig, die Auswahl lohnt sich, angesehen zu werden. Ich sage jetzt nicht nochmal, was ich daran bedauerlich fand, s.o., aber die Frage ist ja auch noch offen, ob 20% jetzt viel oder wenig ist. Und wessen Sache es ist, das zu ändern.
In der Annahme also, dass die Inhalte auch hinterher noch zu sehen sein würden, habe ich lieber den Klassentreffen-Aspekt (Zitat Anke Gröner) betont und mich mit nette Leuten unterhalten und neue kennengelernt. Weitgehend vorbei gegangen an mir ist z.B. bisher die Antville-Community, anscheinend sowas wie die PionierInnen des Bloggens. Gestartet irgendwann in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts, benannt nach der Plattform und schon länger geschlossen für neue Blogs. Ich erinnere mich, da mal vorbei gekommen zu sein, als ich nach einer Blog-Plattform suchte, und da war auch schon zu. Sehr nette Umgebung, soweit ich das bisher beurteilen kann (was ich nicht wirklich kann).
Auch sehr angenehm war die Bekanntschaft des Teams der Mädchenmannschaft und vielen anderen engagierten feministischen Bloggerinnen, das ausführliche Plaudern mit alten Bekannten des Open Data Networks und vielen anderen.
Fazit: es hat sich gelohnt.