Seda Gürses über Datenschutz im Medienradio

Ich glaube, ich sagte schon, dass ich großer Fan von Seda Gürses bin?

Philip Banse hat sich zwei Stunden mit ihr für das Medienradio über Datenschutz unterhalten. Über die Europäische Datenschutzrichtlinie, das Google-Institut, Missverständnisse, die entstehen, wenn JuristInnen und InformatikerInnen über Datenschutz reden, warum alte Vorstellungen von Datenschutz heute sinnlos sind, aber auch über Open Data und Open Government. Und was Datenschutz heute sein könnte und müsste, der den Stand der Technik berücksichtigt.

Niemand sollte mehr über Datenschutz, und Privatsphäre, und Privacy (und den Unterschied zwischen beiden) reden, ohne hier zugehört zu haben.

Zum Embedden ist die Datei zu groß, deswegen:

 

Seda Gürses über Privatsphäre, Datenschutz, Überwachung

A Critical Overview of 10 years of Privacy Enhancing Technologies

Seda Gürses hat beim 27c3 eine knappe Stunde über Privatsphäre, Datenschutz, Überwachung gesprochen. Sie hat einen kritischen Blick auf den Stand der Forschung zu diesen Themen innerhalb der Informatik geworfen, einer meiner Favoriten beim letzten Kongress des CCCs. Sehr dicht und vor allem für Nicht-InformatikerInnen, die sich etwa aus netzpolitischer oder überwachungskritischer Perspektive mit den Themen auseinandersetzen, sehr lehrreich.

Neben der Geschichte der akademischen Auseinandersetzung mit Datenschutz und Privatsphäre beschäftigt sie  sich insbesondere mit Anonymisierung; Fazit: sie funktioniert nicht. Bleibt die Frage: Was dann? Weitere Themen: Ist Identitätsmanagement eine Lösung? Warum fließt soviel Geld in die Forschung dazu? Wer hat daran ein Interesse? Sie schließt mit Empfehungen für ForscherInnen und EntwicklerInnen. Ich hoffe, dass die gehört werden.

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Neulich bei Twitter: Post-Privacy oder was man dafür hält

©Ahoi Polloi. Danke!

Durch das Netz und zunehmend auch jenseits davon geistert seit einer Weile die Idee der „Post-Privacy“, oder „Nach der Privatsphäre“. Einige glauben, dass wir das Bedürfnis nach Privatsphäre überwinden müssten, weil das letztlich besser für uns sei. Und sowieso auch gar nicht zu ändern, dass es so kommen wird. Ich bin anderer Meinung.

Aus mir weitgehend rätselhaften Gründen kulminiert die Debatte immer wieder am Beispiel Google Street View, obwohl sich das dazu nicht besonders gut eignet. Aber ist natürlich sehr schön plakativ. Und weil die Bilder jetzt da sind, gibt es auch gerade wieder Text dazu, z.B. Digitale Zwangsneurosen von Benedikt Köhler/Slow Media, Das ist die Vorstufe zur Zwangsräumung von Don Alphonso /FAZ-Blogs, dazu auch Jeff Jarvis ist verärgert, auch Don Alphonso/Rebellmarkt. Jeff Jarvis ist gewissermaßen der Guru dieser Glaubensrichtung. Für einen Glauben halte ich das, seit ein weiterer Verfechter, Christian Heller, mir im Frühjahr bei einer Veranstaltung zum Thema erklärte, dass die ganze Post-Privacy-Theorie nicht für das Hier und Jetzt, sondern quasi als Utopie, für nach der Abschaffung der Herrschaftsverhältnisse, gedacht sei.

Am Abend des 26. Oktober entspann sich bei Twitter dazu eine längere Diskussion, was an sich schon ungewöhnlich ist – sowohl für Twitter (wegen der max. 140 Zeichen) als auch für das Thema. Meist wird über- statt miteinander geredet. Es gab von mehreren Leuten die Bitte, dies der Nachwelt zugänglich zu machen – bitte sehr:

(Einige Erklärungen, wie das zu lesen ist, stehen unten)

  1. mspro
    ist ein „recht auf anonymität“ ein recht auf identitätskontrolle und damit auf „informationelle selbstbestimmung“? /cc @plomlompom
  2. annnalist
    Die Post-Privatisten haben den Unterschied zwischen technisch möglich und real umgesetzt nicht verstanden
  3. mspro
    @annnalist es gibt da noch dieses „technisch nicht aufzuhalten“.
  4. annnalist
    @mspro Das erinnert mich alles an ‚Verschlüsseln ist nicht sicher. Wenn genug Rechner aneinandergehängt werden, ist es zu knacken‘
  5. annnalist
    @mspro Praktisch findet das aber nicht statt
  6. mspro
    @annnalist es geht nicht um verschlüsselung sondern um menschen. wenn sich dein nachbar transparent macht, wirst du auch mal ins bild laufen
  7. annnalist
    @mspro Ich weiß, dass es nicht um Verschlüsselung geht. Ich rede von abstraktem Technik-Fetischismus ohne Realitäts-Rückbindung Weiterlesen

Sicherheitsknoten

Ich telefoniere ab und zu mit dem BKA. Bzw. eigentlich telefoniere ich immer mit dem BKA, weil immer, wenn ich telefoniere, das BKA zuhört. Damit das niemand falsch versteht, weil ja in dieser Frage anscheinend alle immer alles falsch verstehen: ich rede nicht mit dem BKA. Es lässt sich bloss nicht vermeiden, dass sie zuhören. Und damit das jetzt das BKA nicht falsch versteht: ich versuche das nicht aktiv zu vermeiden. Laut Akten ist ja jeder Versuch, das zu vermeiden, ‘konspiratives Verhalten’ und damit zumindest bei Andrej quasi der direkte Hinweis darauf, dass gerade Anschläge geplant, durchgeführt oder wenigstens schriftlich bekannt (von: bekennen) werden. Oder vorbereitet wird, dass geplant, durchgeführt oder bekannt wird. Insofern werde ich also einen Teufel tun, mich in irgendeiner Weise konspirativ zu verhalten, was im übrigen bei derart umfassenden Überwachungsmaßnahmen ja auch gar nicht so einfach ist. Stimmt nicht ganz, ich benutze weiter GPG. Nicht ganz konsequent, aber andererseits bin ich ja auch gar nicht beschuldigt und eigentlich habe ich laut Grundgesetz und BVG ja auch ein gewisses Recht auf Privatsphäre.

Was mich daran erinnert, dass ich kürzlich in einem Telefonat versehentlich die Formulierung gebraucht habe “dann denken sie bestimmt gleich wieder, dass wir sofort irgendwelche Anschläge vorbereiten”, wobei ja meines Wissens niemand davon ausgeht, dass ich Anschläge vorbereite, und ich mir dann innerlich auf die Zunge biss, weil ja zu befürchten steht, dass das BKA samt BAW jetzt vielleicht denken, dass ich Anschläge vorbereiten wollen könnte. Was nicht so ist, (Hallo BKA, nochmal zum Mitschreiben: ich bereite keine Anschläge vor), aber vielleicht wird interpretiert, dass ich mich so sehr mit dem ganzen politisch-repressiven Schlamassel identifiziere, dass ich auch dazu gehöre? Dabei ist es lediglich so, dass ich von der Überwachung eben mitbetroffen bin und das alles insofern auch ziemlich persönlich nehme. Darüber, wie es sich auswirkt, schriftlich zu haben, dass alle Telefonate mitgehört werden, liesse sich auch einiges schreiben, vielleicht später.

Zurück zu den Telefonaten heute, die nahmen ziemlich absurde Züge  an: Andrejs Handy ‘ging nicht’ – das kommt öfter mal vor und ist soweit noch kein Problem außer vielleicht, weil die Anwältin, sagt, dass es auf jeden Fall immer an bleiben soll, um den Eindruck zu vermeiden.. siehe oben. Er ruft sich selbst von einem Festnetztelefon an, und erreicht statt seines Handys meine Mailbox. Er ruft daraufhin mich vom selben Festnetztelefon an mit der Bitte, sein Handy anzurufen, was ich auch mache. Und erreiche meine eigene Mailbox, mit der Aufforderung, meine Mailbox-PIN einzugeben, was sonst nur geschieht, wenn ich sie von einem anderen Telefon als meinem Handy anrufe. Passiert sowas, weil verschiedene Behörden gleichzeitig mithören, oder weil die Schaltungen durcheinander geraten sind? Gibt es Kommunikationstechnik-Azubis, die an uns üben?

Außerdem kommen unsere E-Mails teilweise nicht an. Nachweislich, mehrmals überprüft. Es ist mir ein Rätsel, wie das überhaupt passieren kann, aber es passiert.

Ein schönes Beispiel dafür ist Andrejs Versuch gestern abend, sich auf einer so36.net-Mailingliste einzuschreiben: auf seine -subscribe-Mails kam null Reaktion. Daraufhin habe ich als Listenadministratorin das Gleiche versucht, gestern nacht um 22:56, bis heute 21:28 ebenfalls: nichts. Er stand nachweislich nicht auf der Subscriber-Liste. Heute abend scheinen sich die IT-ExpertInnen des BKA&Co. soweit sortiert zu haben, dass wieder Mails durchkommen; inzwischen ist er subskribiert.


Vor fast genau zwei Monaten brach das Berliner LKA morgens um sieben in unsere Wohnung ein, schmiss meinen Liebsten auf den Boden, stürmte unser Schlafzimmer und die Zimmer unserer Kinder mit gezogenen Waffen und seitdem steht unser Leben Kopf. Ich kann nicht sagen, dass ich mich daran gewöhnt hätte, insbesondere, weil weiterhin die Behörden alles tun, keine Normalität aufkommen zu lassen (das ist ja vielleicht auch Sinn der Sache). Deswegen und weil ich nicht mehr ganz so fassungslos bin wie am Anfang, habe ich beschlossen, den alltäglichen Wahnsinn zu dokumentieren. Mehr dazu bei einstellung.so36.net.