Freunde und Helfer, unzufrieden

Bekanntermaßen bin ich keine übertriebene Freundin der Polizei. Nun haben Hamburger Polizisten einen „Brandbrief“ geschrieben, der finde ich lesenswert. Nicht zuletzt, weil er nur aus vier Sätzen besteht, von denen einer definitiv der längste ist, den ich kenne. Auch inhaltlich, auch wenn ich mich schwer tue mit der Idee, Polizeiarbeit effizienter zu gestalten.

In Sorge um die Polizei Hamburg

Wir äußern uns auf der Grundlage von mehrhundertjähriger Berufserfahrung in allen polizeilichen Funktionsbereichen, Dienstgraden und Laufbahnen der Polizei Hamburg.

Wir sind beschämt und bedauern, dass die derzeitigen Verhältnisse in der Polizei Hamburg es unzumutbar machen, unser Anliegen mit unserem Namen zu verbinden, weil Kritiker in dieser Polizei ihre Verwendung verlieren, ausgegrenzt und persönlich diffamiert werden.

Wenn es weder zu Nachdenklichkeit, zu Einsicht noch zu Selbstkritik – geschweige denn zu Änderungsbereitschaft – führt, wenn oberste Gerichte Entscheidungen und Handlungen der Behördenleitung und Polizeiführung mehrfach als verfassungswidrig bezeichnen (Videoüberwachung, Online-Durchsuchung, Kennzeichenlesegerät, Laufbahnverlaufsmodell) Weiterlesen

Polizei und Gewalt: Opfer und Täter

Die Gewalt gegen die Polizei steigt. Wissen jetzt alle. Falsch. Ja, falsch. Die Gewalt gegen die Polizei, so sie überhaupt gezählt wird, hat abgenommen. Zum Mitschreiben: ABGENOMMEN! Was steigt, ist die Zahl der Anzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Mehrheitlich durch betrunkene deutsche Männer. Und das ist ja wohl was ganz anderes.

Die Empörung über die angebliche Zunahme von Angriffen auf PolizistInnen gehört derzeit zu den Mantras von InnenpolitikerInnen und polizeilichen Standesorganisationen. Trotz der markigen Worte sind die Belege allerdings reichlich dünn. Dass die Innenministerien bis heute nicht willens sind, aussagefähige Statistiken über Verletzungen im Polizeidienst vorzulegen, ist ein deutliches Indiz dafür, dass sie das Berufsrisiko ihrer BeamtInnen nur dann interessiert, wenn sich daraus politischer Schaum schlagen lässt.

Aus dem Editorial der neuen Cilip Nr. 95 „Gewalt gegen/durch Polizei“. Wer sich auch nur ansatzweise für die Themen Polizei und Bürgerrechte interessiert, sollte sie lesen, am besten abonnieren, fast geschenkt für 21 Euro. Gibt’s sonst nirgends.

Im einleitenden Text „Polizei und Gewalt: Opfer und Täter“ zerpflückt Norbert Pütter die allgemein wiedergekäute Behauptung, es müsse endlich richtig durchgegriffen werden, weil die Gewalt gegen PolizistInnen ständig zunehme. (Ein Hoch dem leider verstorbenen Qualitätsjournalismus! Wie schön wäre doch, wenn JournalistInnen noch Zeit zum denken hätten!)

Der Grund: die Koalition will den §113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) verschärfen. Verschiedene ‚Kleinigkeiten‘ sollen auch bei anderen Paragraphen dazu kommen.

Gewalt gegen Polizei in Zahlen

Eine wichtige Rolle in der Debatte spielt, schreibt Pütter, die ständig steigende Zahl von Fällen von Widerstandshandlungen in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die sind tatsächlich ganz ordentlich gestiegen. Nicht erwähnt wird in der Regel, dass die Zahl der Widerstandhandlungen unter Drogen oder Alkohol ebenfalls deutlich stieg. Widerstandsdelikte von Leuten mit klarem Kopf hingegen haben ebenso deutlich abgenommen. Pütter hält die Zahl der Widerstandsdelikte überhaupt nicht für geeignet, das Maß der Gewalt gegen PolizistInnen darzustellen. Gezählt wird nämlich gar nicht nur Gewalt gegen die Polizei, sondern auch gegen alle ‚Amtsträger oder Soldaten‘ – also bspw. auch JustizbeamtInnen oder GerichtsvollzieherInnen.

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