Telefonterror

Und wieder. Ich rufe Andrejs Handy an und werde aufgefordert, meine eigene Mailbox-PIN einzugeben. Ich versuche es mit dem Festnetztelefon nochmal und höre meine eigene Ansage.

Dann ruft mich jemand anders auf dem Handy an, es klingelt zweimal.. und stürzt ab.

Ich schicke Andrej eine SMS in der Erwartung, dass die dann auch bei mir landet, aber die kommt nicht wieder.

Ich mache eine ersten Versuch, das zu bloggen, und der Rechner stürzt ab. Bei einem neuen Rechner mit neuem Kubuntu, auf dem nur Mail-Client, Browser, Pidgin und ein Open-Office-Dokument laufen, auch nicht unbedingt erwartungsgemäß – auch das kommt in den letzten Tagen zunehmend vor. Zunächst habe ich das für reguläres Schwächeln gehalten, wenn zuviel gleichzeitig läuft und verdächtigte Amarok. Ob mein Computer ein Morgenmuffel ist?  Es gibt sicher für alles eine ganz rationale Erklärung.

Genau wie für den Brief, der neulich bei Andrejs Eltern ankam, von einer Bekannten, handschriftliche Adresse, korrekter Absender, offensichtlich privat. Als er ankam, fand sich links unten neben der Adresse ein Stempelaufdruck: ‚Irrläufer! Poststelle der Berliner Senatskanzlei‘.

Absicht oder Versehen? Auf jeden Fall ziemlich unsouverän.


Und warum das alles? Siehe  http://einstellung.so36.net/de/hg/konstrukt

Der schwarze Beutel

Der schwarze Beutel ist inzwischen ziemlich bekannt geworden, aber weil er so schön zum vorigen Thema, der Telefonüberwachung, passt, wollte ich ihn nochmal erwähnen. Wenn er nicht für uns persönlich so widerliche Nebenwirkungen gehabt hätte, hätte ich ihn auch fast liebgewonnen, immerhin hat er für viel Unterhaltung gesorgt.

Andrej wurde am 22. August entlassen, was missverständlich ist, weil er formal ‚von der Haft verschont‘ wurde, der Haftbefehl also fortbesteht. Dafür haben wir ziemlich teuer bezahlt, was in sich sehr aufregend war, weil wir viel Bargeld 1. haben, 2. ausgezahlt bekommen und 3. zum Gericht bringen mussten. Das Geld musste zur Gerichtskasse in Berlin-Moabit – ein altehrwürdiger Gerichtsbau, den die meisten wahrscheinlich in diversen Krimis schon mal gesehen haben. Über Berlin stand ein heftiges Gewitter, konkret genau über Moabit, es donnerte krachend, blitzte, ein Platzregen ging nieder und ich stand im Eingang des Gerichtsgebäudes und wartete auf das Geld. Der Fahrer kannte den Weg nicht genau, Handys waren nicht zu gebrauchen des Gewitters wegen und 15 Minuten vor Schluss war das Geld da. Ich habe mich noch nie so sehr so gefühlt, als sei ich versehentlich in einem Film gelandet.

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Sicherheitsknoten

Ich telefoniere ab und zu mit dem BKA. Bzw. eigentlich telefoniere ich immer mit dem BKA, weil immer, wenn ich telefoniere, das BKA zuhört. Damit das niemand falsch versteht, weil ja in dieser Frage anscheinend alle immer alles falsch verstehen: ich rede nicht mit dem BKA. Es lässt sich bloss nicht vermeiden, dass sie zuhören. Und damit das jetzt das BKA nicht falsch versteht: ich versuche das nicht aktiv zu vermeiden. Laut Akten ist ja jeder Versuch, das zu vermeiden, ‘konspiratives Verhalten’ und damit zumindest bei Andrej quasi der direkte Hinweis darauf, dass gerade Anschläge geplant, durchgeführt oder wenigstens schriftlich bekannt (von: bekennen) werden. Oder vorbereitet wird, dass geplant, durchgeführt oder bekannt wird. Insofern werde ich also einen Teufel tun, mich in irgendeiner Weise konspirativ zu verhalten, was im übrigen bei derart umfassenden Überwachungsmaßnahmen ja auch gar nicht so einfach ist. Stimmt nicht ganz, ich benutze weiter GPG. Nicht ganz konsequent, aber andererseits bin ich ja auch gar nicht beschuldigt und eigentlich habe ich laut Grundgesetz und BVG ja auch ein gewisses Recht auf Privatsphäre.

Was mich daran erinnert, dass ich kürzlich in einem Telefonat versehentlich die Formulierung gebraucht habe “dann denken sie bestimmt gleich wieder, dass wir sofort irgendwelche Anschläge vorbereiten”, wobei ja meines Wissens niemand davon ausgeht, dass ich Anschläge vorbereite, und ich mir dann innerlich auf die Zunge biss, weil ja zu befürchten steht, dass das BKA samt BAW jetzt vielleicht denken, dass ich Anschläge vorbereiten wollen könnte. Was nicht so ist, (Hallo BKA, nochmal zum Mitschreiben: ich bereite keine Anschläge vor), aber vielleicht wird interpretiert, dass ich mich so sehr mit dem ganzen politisch-repressiven Schlamassel identifiziere, dass ich auch dazu gehöre? Dabei ist es lediglich so, dass ich von der Überwachung eben mitbetroffen bin und das alles insofern auch ziemlich persönlich nehme. Darüber, wie es sich auswirkt, schriftlich zu haben, dass alle Telefonate mitgehört werden, liesse sich auch einiges schreiben, vielleicht später.

Zurück zu den Telefonaten heute, die nahmen ziemlich absurde Züge  an: Andrejs Handy ‘ging nicht’ – das kommt öfter mal vor und ist soweit noch kein Problem außer vielleicht, weil die Anwältin, sagt, dass es auf jeden Fall immer an bleiben soll, um den Eindruck zu vermeiden.. siehe oben. Er ruft sich selbst von einem Festnetztelefon an, und erreicht statt seines Handys meine Mailbox. Er ruft daraufhin mich vom selben Festnetztelefon an mit der Bitte, sein Handy anzurufen, was ich auch mache. Und erreiche meine eigene Mailbox, mit der Aufforderung, meine Mailbox-PIN einzugeben, was sonst nur geschieht, wenn ich sie von einem anderen Telefon als meinem Handy anrufe. Passiert sowas, weil verschiedene Behörden gleichzeitig mithören, oder weil die Schaltungen durcheinander geraten sind? Gibt es Kommunikationstechnik-Azubis, die an uns üben?

Außerdem kommen unsere E-Mails teilweise nicht an. Nachweislich, mehrmals überprüft. Es ist mir ein Rätsel, wie das überhaupt passieren kann, aber es passiert.

Ein schönes Beispiel dafür ist Andrejs Versuch gestern abend, sich auf einer so36.net-Mailingliste einzuschreiben: auf seine -subscribe-Mails kam null Reaktion. Daraufhin habe ich als Listenadministratorin das Gleiche versucht, gestern nacht um 22:56, bis heute 21:28 ebenfalls: nichts. Er stand nachweislich nicht auf der Subscriber-Liste. Heute abend scheinen sich die IT-ExpertInnen des BKA&Co. soweit sortiert zu haben, dass wieder Mails durchkommen; inzwischen ist er subskribiert.


Vor fast genau zwei Monaten brach das Berliner LKA morgens um sieben in unsere Wohnung ein, schmiss meinen Liebsten auf den Boden, stürmte unser Schlafzimmer und die Zimmer unserer Kinder mit gezogenen Waffen und seitdem steht unser Leben Kopf. Ich kann nicht sagen, dass ich mich daran gewöhnt hätte, insbesondere, weil weiterhin die Behörden alles tun, keine Normalität aufkommen zu lassen (das ist ja vielleicht auch Sinn der Sache). Deswegen und weil ich nicht mehr ganz so fassungslos bin wie am Anfang, habe ich beschlossen, den alltäglichen Wahnsinn zu dokumentieren. Mehr dazu bei einstellung.so36.net.